Herzlich willkommen zum Podcast der EFA Stuttgart mit Jörg Lackmann und Thomas Povileit. Unser Podcast möchte zum praktischen Christsein herausfordern und zum theologischen Denken anregen.
Wir gehen auf Ostern zu. Vor Ostern allerdings kommt der Karfreitag, der wesensmäßig zu Ostern gehört. Denn wenn Jesus nicht gestorben wäre, hätte er auch nicht auferstehen müssen. Seit Karfreitag ist das Kreuz zum Symbol der Christen geworden. Es steht für Jesus Christus.
Dabei ist der Tod am Kreuz ein sehr grausamer Tod. Warum ist das Kreuz für Christen dennoch so wichtig, Thomas?
Ja, weil das Kreuz für Gott sehr wichtig ist, ist es auch für uns als Christen sehr wichtig. Du hast natürlich recht, es ist ein Symbol – und zwar ein Symbol des Todes. Heute würde man vielleicht den Strick, die Patrone oder den elektrischen Stuhl wählen. Die Vorstellung, dass Kirchen daran erkennbar sind, weil auf ihren Dächern ein elektrischer Stuhl steht, finde ich schon etwas seltsam.
So haben die Leute in biblischer Zeit das Kreuz gesehen: als Folter- und Mordinstrument. Man hat sich so etwas nicht an den Hals gehängt und schon gar nicht in einen Versammlungsraum gestellt. Mit dem Kreuz wollte keiner etwas zu tun haben. Das Kreuz roch förmlich nach Tod.
Im Grunde genommen geht es ja gar nicht um das Kreuz als Gegenstand, sondern um den, der an dem Kreuz hing. Gerade an Karfreitag war das natürlich der Herr Jesus.
Wenn Paulus vom Kreuz spricht, dann meint er Jesus. Zum Beispiel sagt Paulus in 1. Korinther 1,23: „Wir predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Nationen eine Torheit.“
Es gibt viele andere „Christusse“, die mit dem Kreuz nichts zu tun haben. So spricht man zum Beispiel vom „sozialen Christus“ oder vom Rebell gegen die Regierung, oder man betrachtet Jesus nur als Vorbild, als Wundertäter oder in anderer Weise.
Paulus sagt jedoch: Wenn Leute von Jesus reden, dann achte darauf, ob es um das Kreuz geht – um den gekreuzigten Christus. Im ersten Korintherbrief legt Paulus großen Wert darauf, dass wir vom gekreuzigten Christus sprechen.
Was ist daran so wesentlich? Ich meine, die anderen Aspekte, dass er teilweise rebellisch ist oder andere Dinge, je nachdem, wie man das jetzt definiert – also sagen wir mal neue Ideen –, das stimmt ja auch. Aber zentral ist bei Paulus ja das Gekreuzigte, dass er der gekreuzigte Christus ist.
Das ist ganz wesentlich, weil Jesus am Kreuz für meine Sünde starb. Als Menschen haben wir die Eigenschaft, unsere Sünde kleinzureden. Dann geht es nicht mehr um Sünde, sondern um Fehler. Aus Lüge wird eine Schutzbehauptung, aus Diebstahl „ich habe mir was genommen“, Geiz wird zu Sparsamkeit oder Ähnlichem.
Wenn ich jedoch in Gedanken unter dem Kreuz stehe, dann ruft Jesus mir zu: Ich hänge hier für dich, weil deine Sünde so schlimm ist. Wie dramatisch meine Sünde ist, erkenne ich erst, wenn ich bewusst auf den Mann am Kreuz schaue. Karfreitag ist schon ein guter Tag, um sich bewusst zu machen, wie groß meine Sünde ist und eben aufzuhören, sie kleinzureden.
Dabei schließe ich mich mit ein. Ich rede oft so allgemein von Sünde, dass wir als Menschen Sünder sind und Versöhnung brauchen. Aber manchmal haben wir es verlernt, konkret zu sagen: Herr, ich bekenne dir meine Sünde aus der letzten Woche, von gestern oder von heute, und das war Folgendes.
In Apostelgeschichte 2,23 sagt Petrus zu seinen Zuhörern in Jerusalem: „Ihr habt Jesus durch die Hand von Gesetzlosen an das Kreuz geschlagen und umgebracht.“ Diese Zuhörer hatten das nicht buchstäblich getan. Aber Petrus lastet ihnen die Schuld daran an. Deshalb muss man auch mir die Schuld am Tod des Herrn Jesus geben und sagen: Thomas, du hast Jesus durch die Hand der Gesetzlosen an das Kreuz geschlagen und umgebracht – durch deine Sünde.
Mir fiel auch das Lied von Paul Gerhard ein, das ich so treffend finde. Er sagt dort: „Ich, ich und meine Sünden, die sich wie Körnlein finden des Sandes an dem Meer. Die haben dir erregt das Elend, das dich schläget und deine Marter ganzes Heer.“
Noch einmal: Das Kreuz zeigt mir meine persönliche Schuld. Deshalb ist der Karfreitag so wichtig. Die Schuld ist ganz zentral – weswegen Paulus vom gekreuzigten Christus spricht –, weil dort die Sühnung für die Schuld am Kreuz getan wird.
Aber das ist ja nicht die einzige Bedeutung vom Kreuz. Welche weiteren Bedeutungen oder Aspekte gibt es noch?
Ja, es stimmt, dass das Kreuz nicht nur eine einzige Bedeutung hat. Die wichtigste Bedeutung des Kreuzes ist natürlich, dass Jesus hier für meine Schuld geopfert wird. Deshalb habe ich Vergebung.
Im Alten Testament haben die Menschen immer wieder Opfer gebracht. Aus dem Hebräerbrief lernen wir, dass diese Opfer zwar das Gewissen beruhigen konnten, aber die Sünde wirklich nicht auslöschen konnten. Schon die Anordnung der verschiedenen Gegenstände in der Stiftshütte, also in diesem von Gott verordneten Zelt, macht deutlich, woher die Vergebung eigentlich kommt.
Wenn man sich das vorstellt: Vorne stand der Räucheraltar, links und rechts waren der Leuchter und der Schaubrotisch, und in der Verlängerung nach hinten befand sich der Brandopferaltar. Wenn der Priester im Wüstensand zu diesen Gegenständen ging, um Vergebung zu erwirken, konnte man im Sand auch das Kreuz sehen.
Der Hebräerbrief sagt: Nur durch das Blut, das Jesus am Kreuz vergossen hat, kann ich Vergebung bekommen. Paulus sagt an seiner berühmten Stelle in Römer 3,25, dass der Deckel auf der Bundeslade ein Bild für den wirklichen Sühneort ist. Hier geschieht die Sühne für meine Schuld durch das Blut des Herrn Jesus. Sein Blut bedeckt meine Schuld – das ist Gottes Weg, mir Vergebung zu schenken. Das Kreuz macht deutlich: Vergebung ist möglich.
Wenn ich daran glaube, dass dieses Blut meine Schuld bedeckt, dann ist das auch so. Nicht, weil ich es mir einbilde, sondern weil Gott es gesagt hat und ich darauf vertraue. Diese Auffassung wird heutzutage immer mehr infrage gestellt. Es wird gesagt, Jesus sei zwar am Kreuz gestorben, aber nur, um die Liebe Gottes zu zeigen. Der Tod sei nicht wirklich als Sühne notwendig gewesen. In den letzten Jahren ist verstärkt die Ansicht aufgetaucht, dass kein Blut fließen müsse, um Vergebung zu erlangen. Gott könne auch so vergeben.
Richtig. Ehrlich gesagt kann ich diese Gedanken menschlich nachvollziehen, aber sie sind nicht biblisch. Ich habe ja eben Römer 3 zitiert. Wenn es dort heißt, Jesus ist der Sühneort geworden, dann muss ich auch an sein Blut glauben. Und es steht dort genau so.
Das ist dann eben auch wahr, auch wenn es nicht in mein humanistisches Denken passt. Ich sage: Gottes Wort sagt es, und deswegen glaube ich es.
Vorhin habe ich kurz 1. Korinther 1,23 erwähnt. Dort heißt es, dass der gekreuzigte Christus für die Juden, also für die religiösen Menschen, ein Ärgernis ist und für die Heiden Dummheit. Das ist also nichts Neues. Du hast gesagt, das sei in den letzten Jahren so aufgekommen. Das stimmt insofern, als es bei uns bewusster geworden ist. Aber es war schon immer so, dass religiöse Menschen stolz auf ihre Leistung waren.
Das Kreuz durchkreuzt diese Leistung. Deshalb können viele nichts mit dem Blut anfangen, das vom Kreuz herabfließt. Es macht deutlich: Meine ganze Leistung ist vor Gott nichts wert. Ich bin im Himmel, weil ich mich an Jesus festgehalten habe. Er ist für mich gestorben. Das ist die Grundlage.
Natürlich folge ich Jesus aus Dankbarkeit im Alltag nach. Die Sünde ist mein Feind und wird immer mehr zu meinem Feind.
Manche regen sich über das Kreuz auf, weil es ihre Leistung durchstreicht. Andere lehnen das Kreuz ab, weil es ihnen zu naiv erscheint. Der Vorgesetzte eines Freundes von mir hat es mal so formuliert: Wenn ich das glauben soll, sei das doch naiv. Trotzdem glaube ich an das Blut eines angenagelten Mannes. Und das hat Auswirkungen darauf, ob ich in den Himmel komme oder nicht.
Ja, das ist letztendlich unser Glaube. Man kann sagen, na ja, das ist nicht logisch. Für Menschen ist es tatsächlich nicht logisch. Aber Gottes Logik ist anders.
Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich es auch nicht wirklich verstehe oder bis ins Tiefste erklären kann. Doch Gott sagt es mir: Er fordert mich auf, an den Mann am Kreuz zu glauben. Deshalb will er uns in den Himmel aufnehmen, und genau deswegen will er das tun.
Es ist nicht mein Auftrag, Gottes Logik zu erklären. Das kann ich sowieso nicht.
Also ist das Kreuz das Mittel, durch das wir Zugang zum Himmel erhalten.
Es gibt tatsächlich Stellen, an denen vom Kreuz als einer Trennung vom alten Leben zum neuen Leben gesprochen wird – vom Tod zum Leben. Letztendlich ist durch das Kreuz auch ein Lebensweg notwendig.
Paulus sagt das auch, zum Beispiel in Galater 6. Er sagt: „Mir sei es fern, mich zu rühmen als von dem Kreuz unseres Herrn Jesus, durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt.“ Das beschreibt diesen Lebensweg. Immer wenn ich mir ein „Sündenpaket“ vom Gabentisch der Welt in mein Leben holen will, muss ich an dem Gekreuzigten vorbei. Paulus sagt, das Kreuz steht zwischen mir und der Welt.
Wenn ich es bildlich ausdrücke: Wenn ich zu diesem Gabentisch laufe, um mir dort zum Beispiel einen Lebenspartner zu suchen, der nicht mit Jesus lebt, dann muss ich am Kreuz vorbei. Jesus sagt zu mir: „Thomas, ich sterbe für dich, damit ich dein Leben mit der Freude an mir erfülle.“ Das schließt manchmal ein, dass er dir auch eine Frau schenkt. Aber manchmal bleiben Christen auch alleine. Dann sollen sie nicht einsam sein, weil Jesus möchte, dass sie seine Nähe erleben.
Manchmal machen wir uns auf zum Gabentisch der Welt, und dann ist das Kreuz, an dem wir vorbeimüssen, eine enorme Hilfe. Es erinnert uns daran, dass wir die Sünde wieder in unser Leben holen wollen, für die Jesus ja starb.
Oder wenn ich als Christ meinen Egoismus in vollen Zügen wieder leben möchte, dann muss ich am Kreuz vorbei. Es ist, als ob Jesus mich anschaut und sagt: „Ich habe dich befreit, damit du für mich lebst und nicht für dich selbst.“ Ich darf für Jesus leben und mein Leben für andere hergeben. Jesus fragt mich: „Warum willst du wieder selbst über dein Leben verfügen? Warum willst du dich wieder zum Knecht deines Ichs machen?“
Ein Liederdichter, Jonathan Paul, hat das sehr gut ausgedrückt. Er sagt:
„Ich habe eingewilligt, mein Weg sei mir durchkreuzt,
es werde nie gebilligt, wozu das Fleisch mich reizt.
Durch Jesu Kreuz geschieden von meinem eigenen Sinn,
ziehe ich in tiefem Frieden durchs Leben froh dahin.“
Er macht genau das deutlich, was Paulus sagt: Das Kreuz trennt mich von meinem alten Leben. Wir sind geschiedene Leute. Deshalb lebe ich so, dass Gott durch mich ein Stück Himmel in meinen Alltag bringen kann. Ich glaube nicht mehr den verführenden Werbeversprechungen der Sünde, die alles versprechen, aber nichts wirklich erfüllen können.
Das Kreuz bringt mich also in eine neue Stellung, die mich von der Welt trennt und mir eine Hilfe ist. Ich weiß, Jesus ist dafür gestorben, dass ich jetzt für ihn leben kann.
Das eine ist das Bewusstsein dieser Stellung. Das andere ist, wenn Versuchungen kommen, auch die Kraft zu haben, Nein zur Sünde zu sagen. Da gibt es zwei verschiedene Dinge: Das eine ist zu wollen, das andere auch durchführen zu können.
Welche Rolle spielt da das Kreuz?
Da stimmt es: Jesus ist nicht nur für meine Sünde am Kreuz gestorben, sondern er hat auch meinen alten Menschen mit an sein Kreuz genommen.
Es gibt eine Bibelstelle, die davon spricht: Römer 6,6. Dort heißt es, mein alter Mensch ist mitgekreuzigt, damit der Leib der Sünde abgetan sei und wir der Sünde nicht mehr dienen.
Auch hier wieder kann ich Gottes Logik nicht vollständig erklären. Wie funktioniert das? Jesus hängt am Kreuz, und ich hänge mit ihm am Kreuz. Weil mein altes Leben mit Jesus am Kreuz hängt, muss ich meinen sündigen Wünschen nicht mehr widerstandslos folgen. Ich kann zur Sünde Nein sagen.
Du hast gefragt, wie ich das praktisch lebe. Das ist die Grundlage, auf der ich stehe. Auch wenn ich Gottes Logik nicht erklären kann, kann ich sie ausprobieren. Ich wende sie an, indem ich mich, wenn die Versuchung kommt, darauf berufe: Herr Jesus, ich bin am Kreuz mit dir gestorben und muss der Sünde nicht mehr folgen. Das ist Tatsache.
Natürlich gibt es in mir, wie du gesagt hast, noch einen Hang zur Sünde. Aber die Macht der Sünde in meinem Leben ist tatsächlich am Kreuz gebrochen. Ich muss keine Marionette mehr sein, die an den Fäden der Versuchung hängt. Das muss ich mir bewusst machen.
Es ist immer noch ein Kampf, der Sünde zu widerstehen. Aber es ist nicht mehr mein eigener Kampf. Es ist ein Kampf auf der Grundlage des Kreuzes, an dem der alte Mensch, mein altes Leben, gestorben ist. Das will ich glauben und darauf will ich rechnen.
Deshalb kann ich immer wieder beten: Herr Jesus, ich danke dir, dass ich mit dir gestorben bin und deshalb jetzt auch Nein zu dieser Sünde sagen kann.
Also, wenn ich das mal zusammenfassen darf: Die Frage ist, warum das Kreuz so wichtig ist. Es geht um unsere Sünde, darum, dass wir erkennen, dass wir Sünder sind und vor Gott nicht bestehen können. Aber es geht auch um die Vergebung der Sünde. Diese Vergebung ist das Überwinden durch das Kreuz.
Als Folge davon kann das Kreuz auch eine Barriere gegenüber der Sünde von früher sein. Es erinnert uns daran, was Jesus getan hat. Die Grundlage dafür ist, dass das sündige Leben keine Macht mehr über uns hat. Zwar werden wir bis in die Herrlichkeit hinein noch mit der Sünde kämpfen müssen, aber die Grundlage ist gelegt, auf die wir uns berufen können.
Genau das ist ja auch unser Thema in diesem Podcast. Deshalb müssen wir vom Kreuz reden und auch persönlich am Kreuz stehen bleiben – bildlich gesprochen.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir den gekreuzigten Christus verkündigen. Nur der gekreuzigte Christus hilft uns aus unserer Sündennot und bringt uns in eine tiefe und erfüllende Beziehung zu Gott.
Darum ist es auch so wichtig, dass wir Karfreitag feiern. An diesem Tag erinnern wir uns an die Tatsachen, die du eben als Grundlage genannt hast. Ich sage gern: Der Karfreitag ist der wirkliche Friday for Future – also der Freitag, der uns freudig in die Zukunft blicken lässt. Denn Gott ist am Kreuz mit meiner Sünde fertig geworden.
Wenn ich das tiefer verstehe, dann lässt mich das jubeln. Es lässt mich auch schon auf den Ostersonntag schauen, an dem die Kraft der Auferstehung und ein verändertes Leben mit Jesus im Mittelpunkt stehen.
Aber wenn ich nicht erkannt habe, wie grausam meine Sünde ist und nicht gelernt habe, über Gottes Vergebung durch das Blut des Herrn Jesus zu staunen, dann wird mich die Osterfreude wahrscheinlich nicht so tief erreichen, wie sie es eigentlich sollte.
Ja, wir wünschen euch, dass ihr den Karfreitag sehr bewusst feiern könnt und euch schon auf Ostern sowie die Auferstehung freut.
Vielleicht denkt ihr auch schon an den nächsten Podcast der evangelischen Freikirche Evangelium für Arne in Stuttgart. Den hört ihr wie immer am übernächsten Mittwoch.
Wenn ihr Fragen habt, über die wir sprechen sollen, oder Anmerkungen zum Podcast, schreibt uns gerne unter podcast@efa-stuttgart.de.
Wir wünschen euch einen besinnlichen Karfreitag und ein frohes Auferstehungsfest.