Da bist du ja. Ich habe mir Sorgen gemacht, komm herein.
Danke, Gudrun. Ich wünsche dir gesegnete Weihnachten.
Richtig, dir auch. Danke, dass du hergekommen bist. Endlich ist Weihnachten da.
Aber warum ist Mikes Haushälterin Gudrun so besorgt? Weil Berenbach seit gestern Nachmittag ohne Strom ist. Sie braucht dringend Mikes Hilfe.
Gut, dass wir heute Tageslicht haben. Du hattest doch noch ein Ersatzfenster im Keller. Hast du es hochgeholt?
Arme Gudrun, sie friert fürchterlich in ihrem kleinen Haus. Ohne Strom kann sie nicht mit ihren elektrischen Öfen heizen. Und dann ist auch noch ein Fenster zu Bruch gegangen.
Mike hatte es gestern Abend schon reparieren wollen, aber er konnte nicht mehr genug sehen, um das alte Fenster samt Rahmen auszubauen. Deshalb hatten die beiden das Loch mit Folie verklebt, damit kein Regen hineinläuft.
Heute, bei Tageslicht, will er das Ersatzfenster einbauen. Gut, dass sie beim Umbau einst zu viel geliefert hatten. Hoffentlich klappt das.
Du klingst ziemlich bedrückt.
Ich? Ach was! Nun sag schon, dich bringt man sonst nicht so leicht aus der Fassung, nicht mal an einem kalten Wintertag ohne Heizung.
Na ja, schau mal auf die Uhr. Es ist schon zehn. Wir verpassen den Gottesdienst. Du musst furchtbar enttäuscht sein, und Gott doch sicher auch. Dir ist es so wichtig, Gott zu ehren, ihm das im Gebet zu sagen und ihm zu danken. Auch das ist Gottesdienst, nur eben ein bisschen anders.
Lass uns doch gemeinsam beten.
Ja, sehr gerne, danke Mike. Ich hoffe sehr, dass der Strom bald wieder angeht. Ich habe heute früh ein bisschen Radio gehört.
Mit einem alten Kurbelradio?
Ja, genau. Die Polizei tappt immer noch im Dunkeln. Man weiß, dass es ein Hackerangriff war. Nur scheint die Frau, die ihn gestartet hat, völlig verwirrt zu sein.
Ich habe sie getroffen.
Tief bedrückt trifft es eher. Vielleicht sitzt sie gerade im Gottesdienst.
Sie getroffen? Wo denn? Als ich letzte Nacht Toni vom Polizeirevier abgeholt habe.
Was? Mike erzählt, was vorgefallen ist. Das hebt Gudruns Stimmung nun nicht gerade. Sie ist sehr besorgt, was alles passieren könnte.
Hast du denn auch gehört, wie die Polizei jetzt weiter vorgehen will? Die ganze digitale Kommunikation und Vernetzung im Elektrizitätswerk ist sabotiert. Erst wenn die wieder normal läuft, gibt es Strom. Deshalb sollen sich jetzt Computergenies darum kümmern.
Cyber irgendwas. Cybersecurity? Kann sein, davon verstehe ich überhaupt nichts. Und die Polizei auch nicht genug. Der junge Mann, der da zuständig ist, steht sehr unter Druck. Er macht das noch nicht so lange.
Da muss es doch jemanden geben, der helfen kann. Am besten jemand, der sich seit vielen Jahren damit beschäftigt.
Ah, ist dir jemand eingefallen? Dachte ich, aber die Idee ist vielleicht zu verrückt.
Sag schon! Du hast mir doch mal von diesem Kochkurs erzählt, den du gemacht hast.
Ja? Da war doch eine Dame, die dir immer ein bisschen speziell vorkam. Du hast mir erzählt, dass sie ständig von Computern und Sicherheit gesprochen hat. Ach ja, ich erinnere mich, die war wirklich speziell. Wie heißt sie noch?
Gabi, die hilft uns bestimmt nicht. Leider war sie damals immer schlecht auf die Polizei zu sprechen, erinnert sich Gudrun. Aber Mike würde sie gern um Hilfe bitten.
Während er das Fenster austauscht, versucht Gudrun, Gabis Nachnamen und Adresse herauszufinden. Das ist eine mühsame Aufgabe, weil im Telefonbuch die Nachnamen der Leute alphabetisch geordnet sind, die Vornamen leider nicht.
Da habe ich endlich was. Ja? Schmidt-Rogowski, Gabi Schmidt-Rogowski, so hieß sie. Gut, dass es nicht nur Schmidt ist, davon gibt es sicher mehrere. Wo wohnt sie denn?
Rosenallee, neunzehn. Das ist weit. Das ist in der kleinen Siedlung auf dem Hügel ganz am Rande von Bärenbach. Da kommen wir nur mit dem Auto hin.
Nicht so eilig. Wir sollten das nicht allein machen. Die Polizei muss selbst entscheiden, ob sie Hilfe möchte.
Aber sollten wir nicht zuerst Gaby fragen, ob sie das überhaupt macht? Sonst machen wir dem Polizisten am Ende nur falsche Hoffnungen. Sie wissen, welche Expertin sie genau brauchen. Wir können das nur vermuten.
Stimmt beides. Wie wär's, wenn du zur Wache fährst und deine Idee erklärst? Solange besuche ich Gaby und rede mit ihr.
Die Idee ist großartig, aber ich fürchte, das wird nichts. Wieso? Mein Tank ist fast leer. Und Tankstellen funktionieren ohne Strom leider nicht. So ein Mist.
Was jetzt? Lass uns zusammenfahren. Erst zur Polizei, und wenn sie dort einverstanden sind, dann zu Gaby. Doch selbst das ist nicht so leicht umzusetzen.
Mike und Gudrun müssen mehrere Umwege fahren, weil kaputte Autos die Straße versperren. Sie waren nach Unfällen nicht weggeräumt worden.
Als sie endlich an der Wache ankommen, werden sie von einer gestressten Polizistin begrüßt. Mike erklärt ihr, warum er Gabi aus dem Kochkurs um Hilfe bitten möchte.
Als er ausgeredet hat, starrt sie ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Soll das ein Aprilscherz sein oder was? Denken Sie, wir hätten hier nicht schon genug Ärger? Und jetzt erzählen Sie mir etwas von einer, einer, einer Cyberköchin?
In diesem Moment kommen zwei uniformierte Männer herein. Einer von ihnen erkennt Mike sofort. Hä, Mike, schon wieder hier? Ja, Gudrun kennt jemanden, der vielleicht helfen könnte. Ach, wirklich? Ihr kommt zu Recht, dann widme ich mich wieder dem Papierkram.
Also erklärt Mike die ganze Geschichte noch einmal. Hm, also, ehrlich gesagt klingt das schon ziemlich vage. Ich weiß. Aber deine Ideen haben sich schon oft als zuverlässig erwiesen. Das Problem ist, dass wir quasi im Dauereinsatz sind. Wir können es uns nicht erlauben, einen Streifenwagen loszuschicken, wenn es dann ein Blindgänger wird.
Verstehe, es tut mir leid, Mike.
Und wenn wir hinfahren? Was meinen Sie? Na ja, wir fahren hin, reden mit Gaby und bringen sie dann her. Würde das gehen? Damit ist Stefan einverstanden. Große Hoffnung hat er nicht, aber warum sollten sie es nicht versuchen?
Also zurück ins Auto. Sie kennen den Weg nicht genau und verfahren sich ein paar Mal. Nach fünfundvierzig Minuten stehen sie mit fast leerem Tank und hoffnungsvollem Herzen vor der Tür.
Gudrun drückt die Klingel. Nichts geschieht. Gudrun klingelt erneut. Ach Mist, und was jetzt? Als sie schon umkehren wollen, geht auf einmal doch die Tür auf.
Darin steht eine niedrig gewachsene ältere Dame mit strengem Blick. „Was ist?“
„Hallo Gabi, erinnern Sie sich an mich? Aus dem Kochkurs letzten Sommer.“
„Jetzt sagen Sie, was Sie wollen, oder gehen Sie.“
Hören Sie, Frau Schmidt-Rogowski, es mag vielleicht verrückt klingen, aber wir möchten Sie bitten, den Strom wieder einzuschalten.
Was? Gaby staunt nicht schlecht, als Mike seine Idee eilig vorträgt. Wohl ist ihr bei der Sache offensichtlich nicht wohl, doch ihr Ton wird etwas weicher, als sie in die hoffnungsvollen Gesichter blickt.
„Nun kommen Sie erst mal rein, es ist ja knackig kalt draußen.“
Gabi hört sich in Ruhe alles an. Danach schweigt sie eine Weile und sagt dann: „Nein.“
„Wie nein?“, fragt man ungläubig. „Einfach nein.“
„Ich kann ja verstehen, dass euch der Stromausfall unangenehm ist, aber das ist nicht meine Aufgabe. Die Polizei hat dafür eigene Leute eingestellt. Wenn die das nicht alleine hinkriegen, dann ist es nicht mein Problem.“
„Man kann auch ohne Strom eine Weile gut auskommen.“
Das ist sicherlich richtig, wenn man einen großen Gemüsegarten hat und bestimmt einige Vorräte. Wenn man an so breiten Straßen wohnt, dass sich Autos gut ausweichen können.
In der Innenstadt sieht die Lage leider anders aus.
Wie meinen Sie das? Überall gibt es Autounfälle, die Rettungssanitäter sind übermüdet und befürchten, bald nicht mehr allen helfen zu können. Die Polizei ist überfordert, und die Familien sitzen an Weihnachten ohne fließendes Wasser im Dunkeln.
Trotzdem, wenn ich das machen soll, hätten sie mich damals anders behandeln müssen.
Wer? Na, die vom Polizeipräsidium. Auf meinen Anraten hin gibt es doch überhaupt erst eine Stelle, um digitale Kriminalität zu verfolgen. Ich habe es vorgeschlagen, und sie haben es auch umgesetzt. Aber meinen Sie, sie hätten mich dann eingestellt? Nichts dergleichen.
Sang- und klanglos ist es untergegangen. Stattdessen haben sie irgendwelche Anfänger eingestellt und nie richtig angelernt. Jetzt sollen sie sehen, wo sie damit bleiben.
Das ist ja unerhört. Aber macht es Ihnen denn gar nichts aus, den Stromausfall zu ignorieren, obwohl Sie etwas dagegen tun könnten? Dass ich das könnte, ist doch gar nicht unbedingt gesagt.
Ich kann Ihren Schmerz verstehen. Es tut weh, wenn die eigenen Taten nicht gewürdigt werden, wenn man es gut meint, seine Talente einsetzen möchte und niemand sie haben will.
Aber wissen Sie was, Gabi? Echte Größe besteht manchmal einfach darin, etwas Gutes zu tun, obwohl es keiner sieht. Sehen Sie es gern so, wie Sie möchten.
Ich schreibe Ihnen meine Adresse auf. Bitte melden Sie sich. Bitte, Gabi, es ist wohl alles gesagt.
Danke für Ihr Vertrauen, aber bitte gehen Sie jetzt. Es gibt geeignetere Leute für diese Aufgabe. Ich bin überzeugt, dass sie das schaffen würden.
Damit verlassen Maik und Gudrun das Haus. Schweigend gehen sie durch den Nieselregen zum Auto. Maik ist in Gedanken vertieft, während Gudrun vor allem empört und traurig ist.
Gaby sieht durchs Küchenfenster, wie das Auto aus der Einfahrt fährt. Sie schaut auf den Zettel in ihrer Hand. Darauf steht die Adresse, aber unten, in der Ecke ganz klein, steht noch etwas anderes. „Da muss ich erst mal meine Brille aufsetzen“, denkt sie.
„Lukas 1,78 – das ist doch aus der Bibel. Wieso schreibt er das darauf?“
Neugierig geht Gaby zum Bücherregal und findet eine verstaubte Bibel. Die hat sie schon lange nicht mehr aufgeschlagen. „Was mag an der Stelle stehen?“
Sie schlägt das Lukas-Evangelium im ersten Kapitel auf und liest den Vers 78. Einen Moment lang stutzt sie, dann verändert sich etwas in ihrem Ausdruck.
Guten Tag, Mike, wie schön, Sie zu sehen! Kommen Sie herein!
Keine Zeit, lassen Sie uns direkt zur Polizei fahren! Die Polizistin am Empfang ist immer noch nicht überzeugt von der Idee. Trotzdem lässt sie Stefan pflichtbewusst einen Funkspruch zukommen.
Stefan sichert seine Einsatzstelle ab und macht sich sofort auf den Weg zur Wache. Im Gespräch stellt sich heraus, dass Gaby tatsächlich helfen kann. Die Polizistin gibt ihr einen Laptop, da es hier noch Notstrom gibt, sowie ein Funkgerät.
Währenddessen wendet sich Stefan an Mike. „Also, ich bin echt erstaunt. Wie habt ihr sie überzeugen können?“
Mike antwortet: „Ich habe ihr eine kleine Notiz dagelassen.“
„Jetzt mach's doch nicht so spannend. Was stand denn da?“
„Lukas 1,78. Was steht in dem Vers? Ich bin schon am Suchen.“
„Ich habe doch immer meine kleine Bibel in der Handtasche. Augenblickchen. So, da! ‚Unser Gott hat ein Herz voll Erbarmen, darum kommt uns das Licht aus der Höhe zur Hilfe.‘“
Gabi hat mitgehört, wie Gudrun vorliest. Etwas verlegen sagt sie: „Mir ist klar geworden, dass es wichtiger ist, für andere da zu sein, also auch Erbarmen zu haben, so wie Gott. Und das mit dem Licht aus der Höhe ist ein lustiges Wortspiel, finde ich. Weil es doch um Stromausfall geht und ich auf der Anhöhe wohne. Das echte Licht ist natürlich Jesus.“
„Da bin ich aber baff! Wir hatten ja im Korkus nie über unseren Glauben gesprochen. Vielen Dank, dass Sie der Polizei Ihre Hilfe anbieten und damit der gesamten Stadt.“
„Danke Ihnen, Mike, Sie haben mich an etwas Wichtiges erinnert.“
Weihnachten ist noch nicht vorbei, und das Abenteuer der Doppeldecker-Crew auch nicht. Noch sind die Lichter aus.
Sei dabei beim großen Finale von „Weihnachten mit der Crew!“