Fragen nach dem Sinn und der Gegenwart Gottes
Meine Fragen ans Leben und meine Fragen an Gott
Warum beendet Gott Kriege nicht? Es ist so tragisch zu sehen, was in der Ukraine alles passiert.
Warum streiten Christen so oft, obwohl Jesus immer wieder so intensiv von Einheit spricht?
Warum lässt Gott zu, dass gute Freunde schwer krank werden und manche viel zu früh sterben?
Warum haben einige meiner Freundinnen und auch ich keinen Partner, wo Gott doch sagt, dass der Mensch nicht fürs Alleinsein gemacht ist?
Warum können manche Menschen, die gute Eltern wären, keine Kinder bekommen?
Warum stolpern Beziehungen immer wieder über die gleichen Konfliktpunkte?
Und warum scheint Gott manchmal so fern, wo ich mir doch wünsche, dass er nah ist, dass ich ihn spüre, erlebe und ihm begegne?
Das sind einige meiner Fragen, die ich ans Leben und an Gott habe. Meine Antworten darauf sind folgende.
Ein kleiner Einblick in meine Gedankenwelt: Ich würde gerne in den vielen Fragen wissen, was euch aufgefallen ist. Da es aber sehr viele sind, beantworte ich die Frage einfach kurz selbst. Vielleicht haben manche zugehört und sagen: Ja, die Desire hat viele Fragen an sich selbst, ans Leben und an Gott – und sie hat wenige oder auch gar keine Antworten.
Unangenehm ist das schon, denn unbeantwortete Fragen sind meistens unangenehm. Vielleicht sagt ja auch mancher von euch: Ich kenne solche Fragen auch. Ich habe auch eine ganze Reihe an Fragen und kenne das Gefühl, diese Sehnsucht und den Wunsch, Antworten bei Gott zu finden, Gott zu erleben und zu spüren. Auf der einen Seite. Auf der anderen Seite ist es eben manchmal nicht so, dass sich das erfüllt, dass etwas offen bleibt.
Vielleicht kennt ihr solche Fragen oder so ein Gefühl.
Bevor ich richtig einsteige, möchte ich euch im Moment Zeit geben, um mal zu überlegen, was eure Fragen sind. Jeder hat ja andere Fragen. Überlegt mal in eurem Kopf, was eure Fragen ans Leben und an Gott sind.
Vielleicht habt ihr selbst keine Fragen, kennt aber Leute, Freunde, Bekannte oder irgendeine Person, die solche Fragen hat. Denkt mal kurz darüber nach – einen kurzen Moment.
Umgang mit unerfülltem Glauben
Wie gehen wir mit solchen Fragen ans Leben und an Gott heran? Heute geht es um die Frage: Was mache ich, wenn sich mein Glaube nicht nach Gott anfühlt? Wenn es eben nicht so ist, wie dieses Thema von der Yumiko erfüllt, sondern ganz anders? Wenn sich gar nichts nach Erfüllung anfühlt, sondern eher leer? Was machen wir dann?
Ich habe fünf Punkte für die Bibelarbeit heute vorbereitet. Zum einen geht es darum: Wie ist das für uns, wenn wir unerfüllt sind? Wie geht Gott eigentlich damit um? Und wie kann es uns gelingen, Jesus in all dem nachzufolgen? Außerdem wollen wir betrachten, welche Auswirkungen es hat, wenn wir Jesus nachfolgen.
Wir schauen uns dazu eine Bibelstelle an, die im 1. Buch Mose, Kapitel 29, Verse 20 bis 30 steht. Ich lese sie uns vor:
"So diente Jakob um Rahel sieben Jahre, und es kam ihm vor, als wären es einzelne Tage, so lieb hatte er sie. Und Jakob sprach zu Laban: Gib mir nun meine Braut, denn die Zeit ist da, dass ich zu ihr gehe. Da lud Laban alle Leute des Ortes ein und machte ein Hochzeitsmahl. Am Abend aber nahm er seine Tochter Lea und brachte sie zu Jakob, und er ging zu ihr. Und Laban gab seiner Tochter Lea seine Magd Zilpa zur Magd.
Am Morgen aber siehe, da war es Lea. Und Jakob sprach zu Laban: Warum hast du mir das angetan? Habe ich dir nicht um Rahel gedient? Warum hast du mich betrogen? Laban antwortete: Es ist nicht Sitte in unserem Land, dass man die Jüngere vor der Älteren weggebe. Halte mit dieser die Hochzeitswoche, so will ich dir die andere geben für den Dienst, den du bei mir noch weitere sieben Jahre leisten sollst."
Das tat Jakob und hielt die Hochzeitswoche. Da gab ihm Laban seine Tochter Rahel zur Frau, und er gab seiner Tochter Rahel seine Magd Bilha zur Magd. So ging Jakob auch zu Rahel ein und hatte Rahel lieber als Lea, und er diente bei ihm noch weitere sieben Jahre.
Soweit unser Bibeltext für heute.
Die Geschichte von Jakob, Lea und Rahel
Es geht um Jakob und zwei Frauen. Jakob ist einer der Männer, von denen das Volk Israel abstammt. Da war Abraham, den Gott gerufen hatte, auszuziehen in das verheißene Land. Gott gab ihm die Verheißung, dass er viele Nachkommen haben würde. Abrahams Sohn war Isaak, und Isaak hatte zwei Söhne: Jakob und Esau.
Es waren Zwillinge. Der Erstgeborene war Esau, der Ältere, und der Zweitgeborene war Jakob. Der Erstgeborene hätte eigentlich den Segen, das geistliche Erbe, erhalten sollen. Aber Jakob, man kann sagen ein Betrüger, hat sich diesen Segen erschlichen.
Um diesen Jakob geht es hier. Jakob hat sich den Segen erschlichen und ist aus Furcht vor der Rache seines Bruders zu seinem Onkel geflohen. Ein Mann namens Laban hatte zwei Töchter, und hier wird es etwas interessanter. Diese zwei Töchter waren Lea und Rahel. Jakob verliebte sich in Rahel, eine sehr schöne Frau, und wollte sie gerne heiraten. Das ging aber nicht so schnell, weil es üblich war, einen Hochzeitspreis zu bezahlen.
Jakob war geflohen und hatte nichts bei sich. Es wurde ausgemacht, dass er sieben Jahre für seine zukünftige Frau arbeiten sollte. Das ist schon eine große Sache – sieben Jahre für den Partner oder die Partnerin zu arbeiten. Für Jakob war das scheinbar kein großes Problem, weil er seine schöne Rahel vor Augen hatte. Die sieben Jahre kamen ihm vor wie einzelne Tage.
Die Sache wurde dann dramatischer: Jakob hatte die sieben Jahre abgeleistet und kam zur Hochzeit. Sein Schwiegervater jedoch täuschte ihn und gab ihm die falsche Tochter, nämlich Lea, die Jakob gar nicht haben wollte. Weil es aber wichtig war, dass die Ältere vor der Jüngeren verheiratet wird, entschied sein Schwiegervater selbständig. Jakob wachte neben der falschen Frau auf und war stinksauer.
Er verhandelte mit seinem Onkel um Rahel, bekam sie dann auch, musste aber weitere sieben Jahre arbeiten.
In der Geschichte interessiert uns weniger Jakob selbst, sondern vielmehr diese beiden Frauen, besonders Lea. Wer ist Lea eigentlich? Sie ist die Ältere der beiden Schwestern. Bis Jakob kam, war sie unverheiratet. In den Versen, die wir jetzt nicht gelesen haben, steht, dass sie „glanzlose Augen“ hatte. Sie war also wohl nicht so hübsch oder hatte zumindest keine besondere Ausstrahlung.
Die Männer interessierten sich scheinbar nicht sehr für sie. Sie stand im Schatten ihrer Schwester. Über diese Schwester, Rahel, lesen wir, dass sie eine gute Figur hatte und wunderschön war. Für Lea war das wohl eine unglückliche Situation. Sie konnte nichts dafür und musste trotzdem damit leben.
Auf die Idee ihres Vaters hin wurde sie Jakob untergejubelt. Er musste sie dann zur Frau nehmen. Jakob bemerkte das und beachtete Lea kaum. Das Einzige, was ihn interessierte, war, wie er trotzdem Rahel bekommen konnte.
Am Ende unseres Textes lesen wir, dass Jakob Rahel lieber hatte als Lea. Das blieb auch so: Jakob bevorzugte die Kinder von Rahel vor denen von Lea.
Wer ist also diese Lea? Sie lebt im Schatten ihrer schönen Schwester. Sie bekommt einen Partner nur, weil ihr Vater ihren Mann betrügt. Sie wird von ihm weitgehend zurückgewiesen und bleibt ungeliebt. Ihr Wunsch, von ihrem Mann geliebt zu werden, bleibt unerfüllt.
Unerfüllte Wünsche als Lebensrealität
Das ist mein erster Punkt: unerfüllt.
Manchmal ist das die Realität unseres Lebens – und manchmal ist einfach alles Mist. Ich habe euch ja vorher gebeten, euch ein paar Gedanken zu machen, was eure Fragen an das Leben oder an Gott sind. Vielleicht ist es bei euch manchmal so wie bei Lea: Du stehst morgens auf, schlappst ins Badezimmer und schaust in den Spiegel. Am liebsten würdest du dich wieder umdrehen.
Vielleicht nimmst du dich wie Lea glanzlos wahr. Die anderen scheinen wunderschön zu sein, und du stehst da und fühlst dich glanzlos und matt. Vielleicht geht es nicht ums Aussehen oder die Attraktivität, sondern um deine Belastbarkeit oder Leistungsfähigkeit. Andere in der Schule, an der Uni oder im Job sind schneller, haben bessere Noten oder scheinen erfolgreicher zu sein.
Vielleicht wünschst du dir, im Freundeskreis richtig integriert zu sein oder eine gute Freundin oder einen guten Freund zu haben – und es ist einfach nicht so. Vielleicht gibt es immer wieder Stress zuhause, mit oder zwischen den Eltern. Die Sehnsucht nach einer heilen Familie ist da, bleibt aber unerfüllt.
Vielleicht ist es der Wunsch nach einem Partner oder einer Partnerin, eine kaputte Beziehung, auf die du zurückblickst, oder vielleicht ist gar niemand da, der sich für dich interessiert. Vielleicht sind das ein paar Punkte, die bei dir so sind. Vielleicht sind es auch ganz andere Dinge. Vielleicht betrifft es nicht dich selbst, sondern andere, die du kennst.
Unerfüllt – mein erster Punkt.
Gottes Blick auf unerfüllte Sehnsüchte
Mein zweiter Punkt ist: Wie geht Gott damit um?
Zweitens: Gott schaut nicht weg, auch wenn es sich manchmal so anfühlt. Wenn wir noch einmal zurückgehen zu dieser Bibelgeschichte, ging es um Lea, die Ungeliebte, deren Wünsche unerfüllt blieben. Lea war die Nummer zwei. Ihr Mann liebte sie nicht so sehr wie ihre Schwester.
Interessant ist, wie es weitergeht: Lea bekam viele Kinder. Kinder sind ein Geschenk Gottes. Das heißt, Gott schenkt ihr diese Kinder. Ihre schöne Schwester dagegen konnte zunächst keine Kinder bekommen. Kinder waren in der orientalischen Kultur ein zentrales Statussymbol. Wer keine Kinder bekommen konnte, hatte als Frau keinen Wert.
Gott schenkte Lea also sehr wohl Aufmerksamkeit. Er sah sie und wandte sich ihr zu. Lea wurde von ihrem Mann und von den Menschen zurückgewiesen, aber Gott hat sie nicht vergessen. In der Geschichte Israels – und damit auch in der Geschichte der Christen und letztlich in unserer Geschichte – spielt Lea und gerade ihre Kinder eine zentrale Rolle. Aus ihnen ist das Volk Israel entstanden.
Gott hat Lea nicht vergessen und er hat sie und ihre Nachkommen gebraucht. Aber ich kann mir vorstellen, dass es sich für sie so anfühlte, als wäre sie von Gott vergessen. Und das war nicht nur für Lea so. Das ist auch für uns manchmal eine Herausforderung.
Ein Mensch hat ja einen Körper, einen Geist und eine Seele. Mit dem Körper und dem Geist kommen wir oft ganz gut klar – zumindest ist es bei mir so. Ich finde Sport und Bewegung eine tolle Sache, eines der schönsten Dinge im Leben. Mit dem Körper ist es also gut. Mein Geist und mein Verstand auch. Ich bin eine gute Denkerin, analysiere gerne Dinge und erstelle Konzepte. Das läuft also.
Dann bleibt die Seele, und da wird es für mich schon ein bisschen schwieriger. Ich weiß nicht, wie das für euch ist, aber die gehört auch mit dazu: Die Emotionen zu meinem Leben, zu meinen Beziehungen und eben auch zu meinem Glauben. Das Fühlen gehört bei uns mit dazu.
Neulich habe ich mit einem guten Freund über meine Lebens- und Glaubensfragen gesprochen und wie es mir damit geht. Ich sagte, ich habe viele dieser Fragen. Die Antworten, die ich am Anfang gestellt habe, habe ich hier oben im Kopf sehr wohl. Da kann ich etwas dazu sagen.
Dann machte ich eine Pause. Er meinte: „Aber du spürst es nicht, oder?“ Genau so ist es. Ich spüre es manchmal nicht. Mein Glaube fühlt sich manchmal einfach nicht nach Gott an, weil es scheint, als ob Gott nicht handelt und nicht eingreift.
Uns geht es manchmal ganz persönlich so, manchmal auch ganzen Gruppen von Menschen. Ein Kollege von mir war kürzlich auf Dienstreise in Syrien und hat dort einige Städte besucht. Er traf dort Christen – es gibt dort nicht viele, aber einige. Er zeigte Bilder von zerbombten Orten, wo alles kaputt ist: zerbombte Städte ohne Strom, Schulen und Universitäten ohne Lehrer, Menschen ohne Hoffnung.
Die Christen, die er getroffen hat, sagten oft: „Es scheint, als ob Gott uns hier vergessen hat.“ Das hat mich sehr betroffen gemacht. Aber es ist total nachvollziehbar, dass die Menschen das dort sagen. Man muss sich da eigentlich nur umschauen.
Wenn wir zurück in die Bibel schauen, zu Lea und zu anderen Büchern der Bibel, dann können wir erkennen, dass es nicht so ist. Wir sind nicht von Gott verlassen. Wir können das nicht unbedingt direkt fühlen, aber ich glaube, wir können es erkennen.
Gott verspricht in seinem Wort, der Bibel – und das ist das, was wir haben, wo wir ihn am allermeisten erfahren können – nicht, dass er alle unsere Sehnsüchte sofort erfüllt.
Es gibt viele Verheißungen in der Bibel. Manche haben sich schon erfüllt, anderes wird noch passieren. Gott verspricht, dass er eines Tages alle Tränen abwischen wird, dass eines Tages alles heil sein wird, dass Frieden herrschen wird und dass tatsächlich alles gut ist – aber eben nicht jetzt. Noch nicht.
Das heißt, wir haben einerseits die Realität unseres Lebens, die manchmal schwierig und schmerzhaft ist. Andererseits haben wir Gott, von dem wir wissen, dass er nicht wegschaut und verspricht, immer bei uns zu sein. Das ist eine große Spannung, mit der wir umgehen müssen.
Die Spannung des Glaubens aushalten
Und das ist mein dritter Punkt: Die Spannung aushalten – und zwar mit dem Kreuz im Blick.
Wir haben im Vergleich zu Lea einen großen Vorteil. Vor zweitausend Jahren ist Jesus auf die Erde gekommen, und das haben wir erst an Weihnachten gefeiert. Da ist Gott, den wir immer so gerne greifen möchten, aber nicht können, sichtbar geworden. Er ist Mensch geworden in Jesus Christus, hat gelebt und ist gekreuzigt worden.
Während Jesus dort am Kreuz hing, hat er zwei Sätze gesagt, die uns überliefert sind. Diese wollen wir uns kurz genauer anschauen. Zum einen sagte er: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Jesus spricht damit einen Satz, den wir manchmal in ähnlicher Form selbst aussprechen: „Gott, wo bist du? Ich kann dich nicht sehen, ich kann dich nicht greifen, ich verstehe nicht, warum du nicht da bist. Du siehst mich doch.“ Jesus hätte gerne einen anderen Weg genommen. An einer anderen Stelle hat er gebetet: „Lass den Kelch an mir vorübergehen.“
Was passiert dann? Jesus ist im Todeskampf. Bevor er stirbt, sagt er einen zweiten Satz: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“
Welche Spannung ist das? Diese Frage habe ich mir in letzter Zeit immer wieder gestellt. Da ist Jesus, der am Kreuz hängt, der sich von Gott verlassen fühlt, ganz allein. Und dann gibt er sich hin – sein äußerer Zustand ändert sich nicht, er hängt immer noch dort. Doch er gibt seinen Geist in die Hände dessen, von dem er sich verlassen fühlt. Wie geht das? Das frage ich mich.
Genau das fällt uns so schwer. Wir haben unerfüllte Wünsche, Dinge, die nicht so laufen, wie wir es uns erhoffen. Wir fühlen uns manchmal allein damit, manchmal von Gott verlassen. Wie kann es gelingen, trotzdem diesen Schritt zu tun und zu sagen: „Ich vertraue diesem Gott, den ich nicht greifen kann, mein Leben und meinen Geist an. Ich vertraue darauf, dass er es gut mit mir meint, auch wenn er nicht so handelt, wie ich es mir wünsche oder wie ich es mit meinem Horizont am besten denke.“
Das ist auch eine sehr menschliche Frage. Sie wird schon ganz am Anfang in der Bibel aufgeworfen, bei Adam und Eva mit dem Baum und der Frucht, dem Wunsch, diese Frucht auszuprobieren, und dem Wunsch, so zu sein wie Gott. Dazu kommt die zweifelnde Frage, die der Teufel mit hineinbringt: „Kann man Gott tatsächlich vertrauen? Kann Gott es gut meinen, wenn wir das nicht probieren dürfen? Können wir ihm einfach so vertrauen, dass er weiß, was am besten für uns ist, ohne dass wir es selbst probieren und eingreifen?“
Jesus hat es gemacht. Er hat seinen Geist in Gottes Hände anvertraut, ohne dass Gott eingegriffen hat, ohne dass er Gott dort gesehen hat. Jesus ist gestorben und war erst einmal tot. Er ist gestorben für uns, weil wir diese Spannung nicht selbst aushalten können, weil wir Gott nicht vertrauen, dass er es gut mit uns meint. Weil wir selbst eingreifen, selbst Gott spielen und damit an dem Leben vorbeischießen, das er für uns gedacht hat. Das kann man auch Sünde nennen.
Jesus hat seinen Geist in Gottes Hände anvertraut, obwohl er sich von Gott verlassen fühlte. Er ist gestorben und ist auf übernatürliche Weise wieder auferstanden. Er hat den Tod und die Sünde überwunden und die Trennung von Gott für uns aufgehoben. So können wir Gott nah sein, unseren Geist in seine Hände legen und ihm vertrauen.
„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ – „Ich lege meinen Geist in deine Hände.“
Es ist mein Wunsch für uns heute, dass wir das begreifen und uns an Jesus hängen. Dass wir ihm unsere Zweifel, Sorgen und unerfüllten Wünsche aussprechen und Gott fragen: „Mein Gott, mein Gott, warum hilfst du nicht? Warum greifst du nicht ein? Warum sehe ich dich nicht handeln? Warum ist da diese Krankheit? Warum taucht immer wieder der gleiche Konflikt in meinem Leben auf? Warum schenkt du mir keinen Partner?“ Und was es eben bei euch so alles ist.
Und dann wagen wir es, mit Jesus zu sprechen und zu sagen: „Ich gebe meinen Geist, mein Sein, mein Leben in deine Hände. Ich vertraue dir, auch wenn sich meine Situation nicht ändert.“
Jesus nachfolgen trotz unerfüllter Umstände
Auf Jesus schauen, ihm nachsprechen, ihm nachgehen und sich von ihm füllen lassen – das ist Nachfolge. Und das ist mein vierter Punkt: Jesus nachfolgen bedeutet, dass wir trotz unserer Umstände an Jesus dranbleiben. Wir lassen uns nicht verunsichern und reden uns die Situation nicht schön. Wir nehmen das Schmerzhafte und das Unerfüllte wahr, halten aber trotzdem an Jesus fest.
Er ist kein ferner Gott, auch wenn es sich manchmal so anfühlt. Er ist ein Gott, der nahegekommen ist, der so wurde wie wir. Diese Spannung, in der auch wir uns befinden, musste er aushalten. Dabei ist er nicht zerbrochen, sondern hat sie überwunden.
Wer das Thema bisher vielleicht etwas schwer fand, darf jetzt gerne jubelnd die Hände erheben und sagen: Ja, genau, das ist richtig cool! Jesus hat es überwunden, und damit ist es auch für uns machbar. Wir müssen nicht stehenbleiben, sondern können Schritte gehen, Jesus nachfolgen und auf ihn hoffen.
Wie kann das praktisch aussehen? Über Jesusnachfolge kann man viel sprechen. Hier im Seminar haben wir heute nicht mehr so viel Zeit dafür. Aber man kann sich viele andere Möglichkeiten überlegen: zum Beispiel weitere Vorträge von hier, von der Jumiko anhören, ein Buch dazu lesen oder sich über Jüngerschaftskurse, Bibelschulen und Ähnliches informieren, die es draußen gibt. Es gibt richtig gute Angebote, die einem einen richtigen Schub in der Jesusnachfolge geben können.
Ich habe für heute zwei Dinge, die mir besonders wichtig sind. Das erste ist: Bleibt dran am Bibellesen. Wenn unsere Wünsche unerfüllt bleiben, kann das unseren Glauben und auch Gott in Frage stellen. Gott will uns begegnen, und er tut das durch sein Wort. Dort zeigt er sich, so wie er ist.
Wenn du Jesus nachfolgen willst, wenn du verstehen möchtest, was Gott mit dir meint und was er über dich und dein Leben denkt, dann schau in die Bibel. Nimm dir Zeit und lies darin. Es muss nicht immer die ganze Bibel sein, und es muss auch nicht der schwierigste Text sein. Für eine Zeit kann es auch mal nur ein Vers sein. Aber lass nicht zu, dass deine Fragen so groß werden, dass du vergisst, Gott dort zu suchen, wo er sich dir zeigt – nämlich in seinem Wort.
Das ist die erste Sache. Die zweite Sache ist: Such dir Leute, die für dich beten und dich begleiten. Bleib mit deinen Fragen nicht alleine. Wir sind nicht fürs Alleinsein gemacht. Sprich mit jemandem, vielleicht mit einem Mentor oder einer Mentorin, und frag: „Kannst du dir vorstellen, mich für eine gewisse Zeit zu begleiten?“ Egal wie alt du bist und welche Fragen du hast.
Bleib nicht stehen, wo du bist! Dein Leben ist zu wertvoll, als dass es an der Lebensfrage stehen bleiben sollte. Wenn wir uns dem nicht widmen, besteht das Risiko, dass wir bitter werden – gegenüber anderen und auch gegenüber Gott. Deshalb: Bibel lesen und such dir Menschen, die dich begleiten.
Die Wirkung einer ehrlichen Jesusnachfolge
Und jetzt komme ich zu meinem letzten Punkt, zum fünften Punkt. Das ist mein Lieblingspunkt, muss ich sagen, nämlich: Fünftens, ehrliche Jesusnachfolge hat Auswirkungen.
Wir sind ja eingestiegen mit Lea, die ungeliebt war. Dieses Ungeliebtsein zog sich durch ihr ganzes Leben und wirkte sich auch auf ihre Kinder aus. Wir wissen nicht genau, wie es ihr dabei erging, aber scheinbar ist sie daran nicht total zerbrochen. Sie hat weitergemacht, ist geblieben, hat ihre Kinder zur Welt gebracht. Über ihre Kinder hat Gott Geschichte geschrieben.
Ihr Leben hatte Auswirkungen, auch wenn es in ihrem Leben schwierige Phasen gab, die keiner gerne hätte. Auch wenn ihre Wünsche nicht erfüllt wurden, hat Gott mit ihr Geschichte geschrieben und Gutes auf den Weg gebracht.
Das gilt auch für uns. Manche Teile unseres Lebens sind Mist, manchmal sind es große Teile, manchmal sind sie scheinbar unüberschaubar. Aber Gott hört nicht auf zu wirken. Er hört nicht auf, dir nahe zu sein. Sein Wirken wird in deinem Leben Auswirkungen haben. Es wird Kreise ziehen und nach außen wirken.
Wir sind ja auf der Yumiko. Man kann sich fragen, was dieses ganze Thema mit Mission, mit Weltmission zu tun hat. Ich bin der Meinung – und das ist eines der Dinge, die mich am meisten am Glauben begeistern und auch an meiner Arbeit – dass Gott ganz normale Menschen braucht, ob wir das merken oder nicht.
Wir sind Menschen mit unseren Schwachstellen und unseren unerfüllten Wünschen. Wenn man in die Bibel schaut, findet man viele von ihnen. Gott hat mit ihnen Weltgeschichte geschrieben.
Ich glaube, wenn wir authentisch und offen unseren Glauben leben, wenn wir Gott alles hinhalten, was wir können und was wir nicht können, was wir sind und was wir nicht sind, wo wir glauben und wo wir zweifeln, wo unsere Wünsche erfüllt werden und wo sie offen bleiben, dann wird das Kreise ziehen.
Dann wirkt Gott aus uns heraus, in unser Umfeld und in die Welt. Er wird uns verändern und durch uns andere verändern. Er schenkt uns seine Liebe, und er wird durch uns seine Liebe weitergeben.
Was nicht funktioniert, ist, wenn wir das ausklammern und versuchen, es zu verstecken. Das ist nicht attraktiv und auch nicht authentisch.
Wenn Gott der Meinung wäre, dass unsere unerfüllten Punkte seinem Wirken im Weg stehen, müsste er sie wegnehmen. Wenn er das nicht tut, wirkt er trotzdem.
Lasst uns gemeinsam daran dranbleiben, dass unsere Ecken, unsere Kanten, unsere Lebensthemen, die uns manchmal immer wieder einholen, und unsere unerfüllten Wünsche nicht so groß werden, dass wir Gott nicht mehr wirken sehen.
Er ist heute hier und möchte dir begegnen, dich füllen und mit dir unterwegs sein. Er hat dich gerufen, ihm nachzufolgen und ihm zu dienen, die Welt und die Menschen zu bewegen und ihnen von seiner Gnade und seiner Güte zu erzählen.
Gebet zum Abschluss
Ich bete noch mit uns.
Gott, ich danke dir für dein Wort und dafür, dass du uns darin begegnen möchtest. Ich danke dir, dass du uns siehst, auch wenn wir das manchmal nicht spüren oder nicht erleben. Selbst wenn wir große Fragen haben, die wir nur bedingt beantworten können.
Herr, du kennst jeden Einzelnen hier ganz genau. Du hast uns erschaffen. Ich bitte dich, dass du uns immer wieder neu begegnest. Hilf uns, unseren Blick auf dich zu richten. Hilf uns, dich zu suchen und uns dir zur Verfügung zu stellen.
Ich möchte dich bitten, Herr, in unserem Leben zu wirken und durch uns hindurch. Danke, Herr, dass du das in deinem Wort versprochen hast und uns hilfst, darauf zu vertrauen. Amen.
