Rückblick auf den Kolosserbrief und die Herausforderung der Gemeinde
Ja, irgendwann in letzter Zeit stand ich schon einmal hier vorne und habe etwas über den zentralen Abschnitt im Kolosserbrief, Kapitel 2, gesagt.
Die Kolosser, zur Erinnerung, waren seit einigen Jahren gläubig. Sie hatten wahrscheinlich, wie viele, die zum Glauben kommen, einen enthusiastischen Start. Ich weiß nicht genau, was Ihr Eindruck war und was Ihnen versprochen wurde, als Sie sich zu Christus bekehrten. Nach ein paar Jahren haben Sie jedoch offensichtlich festgestellt, dass in Ihrem Leben mit Christus, in Ihrem Leben als Christ, nicht alles so verlaufen ist, wie Sie es sich am Anfang vorgestellt hatten. Es trat eine gewisse Ernüchterung ein.
Diese Ernüchterung wurde in Kolossä dadurch verschärft, dass es dort Menschen im Umfeld gab, die sagten: Es ist kein Wunder, dass ihr nicht die Fülle erlebt, dass ihr nicht begeistert seid und nicht abhebt. Ihr wisst ja noch gar nicht alles.
Diese Menschen waren sehr spezielle Leute, deren Kombination von Ideen wir heute kaum noch rekonstruieren können. Sie hatten die Vorstellung, dass man durch das Einhalten jüdischer Gebote, also alttestamentlicher Vorschriften, Fasten, das Einhalten von Feiertagen und ähnlichem eine Grundlage schafft. Von dieser Grundlage aus könne man Einblicke in ganz andere Dimensionen erhalten.
Sie behaupteten, wenn man fastet und betet, könne man Begegnungen mit Engeln haben und Anbetung ganz anders erleben. Es ist schon etwas anderes, hier heute Morgen Gott anzubeten und plötzlich in einer Vision Engel zu sehen, wie sie Gott anbeten und man mittendrin ist, oder?
Diese Leute sagten also: Ja, du kannst Fülle erleben, du kannst etwas erleben, das du noch überhaupt nicht kennst.
Wachstum im Glauben: Die Aufforderung des Paulus
Und ja, letztes Mal haben wir angefangen, Kapitel 2 anzuschauen. Wir haben gesehen, dass es natürlich stimmt, dass ein Leben ohne Wachstum und ohne Veränderung unbefriedigend ist.
Paulus hat in Kolosser 2,6 seine erste Aufforderung, seinen ersten Befehl überhaupt im Kolosserbrief geschrieben. Damals gab es ja keine Kapitel und keine Verse. Paulus hat nicht immer Kapitel und Versangaben davor geschrieben, sondern einfach einen Brief verfasst.
Betrachtet man den Umfang des Kolosserbriefs, so ist das, was bei uns Kapitel 1 ist, bereits vorbei, und Paulus hat noch keine einzige Aufforderung geschrieben. Kapitel 2 beginnt mit den ersten fünf Versen, und auch dort hat Paulus noch keine Aufforderung formuliert.
Dann kommt Kolosser 2,6, und Paulus spricht von Wachstum. Letztes Mal haben wir zwei wesentliche Punkte besprochen, was Paulus sagt, wie gesundes Wachstum geschieht. Weiß noch jemand, was das war?
Ja genau, wenn du wachsen willst, bleib bei den Wurzeln. Paulus hat im Kolosserbrief viel von den Wurzeln gesprochen, von den Wurzeln in der Vergebung und der Erlösung, die Jesus gebracht hat. Wir werden gleich noch einmal kurz darauf schauen. Das war der erste Punkt.
Was war das zweite? Genau, echtes Wachstum geschieht organisch. Das ist nichts, was normalerweise passiert, indem dir jemand die Hände auflegt, es innerliche Blitze gibt und du plötzlich ein ganz anderer Mensch bist.
Das passiert nicht, wenn du zu einem besonderen Event gehst und danach zurückkommst und plötzlich ein ganz anderer Mensch bist. Natürlich gibt es Wachstumsschübe. Wenn du zum Beispiel lange an einer Sünde festhältst und endlich bereit bist, sie loszulassen, wächst du – es gibt einen Schub, klar.
Aber normalerweise geschieht Wachstum Stück für Stück. Wir hatten verschiedene Beispiele aus dem Leben, die ich jetzt nicht alle wiederholen will.
Die Struktur von Kapitel 2 und das Thema Wachstum
Paulus hat sein Kapitel zwei etwas komplex aufgebaut. Wir würden es anders schreiben, denn wir sind an die amerikanische und wissenschaftliche Methode gewöhnt: erstens, zweitens, zwei Punkt eins, zwei Punkt eins Punkt eins, zwei Punkt eins Punkt zwei, drittens – so in etwa. Paulus schreibt jedoch nicht so. Er ist in einer ganz anderen Kultur groß geworden.
Wenn wir Kapitel 2, Vers 6 lesen: „Wie ihr nun den Christus Jesus, den Herrn, empfangen habt, so wandelt in ihm, gewurzelt und auferbaut in ihm und befestigt im Glauben, so wie ihr gelehrt worden seid, überströmend mit Danksagung.“ Dann spricht er von Wachstum.
Ganz am Ende des Abschnitts kommt Paulus, auf einem kleinen Umweg, wieder auf das Thema Wachstum zurück. Er spricht vom „festhaltenden Haupt“ in Vers 19. Dort gab es offenbar Leute, die das nicht festgehalten haben. Implizit ist jedoch eine Aufforderung enthalten, das Haupt festzuhalten.
Das „festhaltende Haupt“ ist die Quelle, aus der der ganze Leib durch die Gelenke und Bänder unterstützt und zusammengefügt wird, sodass das Wachstum Gottes wächst. Ganz am Ende seines Abschnitts kehrt Paulus zu seinem Ausgangsthema zurück: Wachstum.
Er sagt, Wachstum geschieht, indem ich mich an dem Haupt festhalte, an Christus. Er sorgt für die Stabilität. Es ist ziemlich ungünstig, wenn du schnell nach oben wächst, aber keine Stabilität im Stamm vorhanden ist. Dann reicht ein Windstoß, und das Ganze bricht um.
Wenn ein Baum wächst, müssen Fasern eingelagert werden, die das Ganze stabilisieren. Paulus schreibt etwas Ähnliches über den Leib. Er hat Bänder und Strukturen, die ihn stabilisieren, wenn er wächst.
Man kann das hier unterschiedlich übersetzen. Bei mir ist es mit „Gelenke und Bänder“ übersetzt. Man kann das Wort aber auch mit „Gefäße“ übersetzen. Das heißt, es könnte auch gemeint sein, dass wie durch die Blutgefäße im Körper alles versorgt wird, so sorgt auch das Haupt für Versorgung.
Jesus sorgt bei uns also für Stabilität und für Versorgung. So kann Stück für Stück organisiertes Wachstum geschehen. Das ist das Rahmenthema, das Paulus hier hat.
Die Konfrontation mit falschen Lehren
In Kapitel 2 kommt Paulus zum ersten Mal auf das Thema zu sprechen, das wahrscheinlich der eigentliche Anlass für seinen Brief war. Es geht um jene Leute, die falsche Lehren eingeführt haben. Diese Personen versuchten, die Gemeindemitglieder zu beeinflussen und sie in eine neue Richtung zu führen – eine Art esoterisch-jüdische Richtung oder etwas Ähnliches.
Bisher hatte Paulus dieses Thema noch gar nicht angesprochen. Erst in Kapitel 2 spricht er es direkt an. Dabei macht er das sehr deutlich und unverblümt. Er nennt diese Leute Betrüger. Paulus konfrontiert sie ziemlich direkt, was wir heute vielleicht nicht so einfach tun würden.
Er schreibt sehr klar: Hört nicht auf diese Leute! Sie sind Betrüger und führen euch in die Irre. Er macht seine Kritik sehr konkret.
Was ist die Antwort von Paulus? Letztlich fordert er die Gemeinde auf, bei den Wurzeln zu bleiben. Das bedeutet in erster Linie, bei Christus zu bleiben.
Interessant ist, dass Paulus in seinem Brief nicht nur die Aufforderung gibt, was die Gemeindemitglieder tun sollen. Sondern er spricht auch konkret jene Leute an, die falsche Lehren verbreiten. Das geschieht erst in Kapitel 2, obwohl gerade diese falschen Lehrer der Anlass für seinen Brief sind.
Die Bedeutung von Christus im Kolosserbrief
In Kapitel zwei schreibt Paulus viel über Christus, doch er hat bereits zuvor ausführlich über ihn gesprochen. Ich habe mich gefragt, warum er das eigentlich so verteilt. Kapitel eins, ungefähr Vers 13 bis 20, ist ein Hymnus an Christus. Er beschreibt, wie großartig Jesus ist, wie großartig Christus ist. Viele dieser Gedanken greift er in Kapitel zwei wieder auf, führt sie weiter und ergänzt sie in einer direkten Konfrontation.
Vielleicht hat Paulus den Eindruck, dass niemand alles auf einmal aufnehmen kann, wenn er zu viel schreibt. Oder vielleicht hatte er Angst, dass viele Menschen schon von den Irrlehren beeinflusst waren, die ihnen sympathisch erschienen. Wenn er diese Irrlehren gleich zu Beginn angesprochen hätte, wäre bei vielen vielleicht der Rollladen runtergegangen. Deshalb hat er schon viel im ersten Kapitel vorgreifend geschrieben, an das er in Kapitel zwei anknüpfen kann. Er möchte, dass die Leser sich erinnern, wenn sie Kapitel zwei lesen: „Da war doch schon mal etwas am Anfang des Briefes.“ Damals gab es zwar keine Kapitel, aber der Anfang des Briefs war ihnen bekannt.
Ein paar Beispiele noch, bevor wir zum eigentlichen Thema kommen: In Kapitel 1, Verse 15 bis 17, schreibt Paulus über Jesus. Jesus ist das Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfungen. Durch ihn sind alle Dinge geschaffen worden, die in den Himmeln und auf der Erde sind, die sichtbaren und die unsichtbaren – seien es Throne, Herrschaften, Fürstentümer oder Gewalten. Alle Dinge sind durch ihn und für ihn geschaffen, und er ist vor allem, und alle Dinge bestehen durch ihn. Paulus führt hier ausführlich aus, dass Jesus vor allem ist, dass er über allem steht und dass alles durch ihn geschaffen wurde.
Wenn man mehr Erkenntnis will – und Erkenntnis war ein Schlüsselwort für die Menschen, die damals kamen –, dann geht das nur durch Christus. Er sagt: Wenn ihr mehr Erkenntnis über das Universum und vor allem über Gott haben wollt, dann geht das nur mit Christus, denn er hat alles gemacht. Wo wollt ihr mehr Erkenntnis herbekommen als über Christus?
In Kapitel 2 knüpft Paulus daran an und geht auf die falschen Lehren ein. In Vers 8 warnt er: „Gebt Acht, dass nicht jemand euch als Beute wegführt durch Philosophie und eitlen Betrug nach der Überlieferung der Menschen, nach den Elementen der Welt und nicht nach Christus.“ Denn in Christus wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig. Ihr seid vollendet, zur Fülle gebracht in ihm, der das Haupt jeden Fürstentums und jeder Gewalt ist.
Paulus betont also erneut: Jesus ist der, der alles gemacht hat und das Bild Gottes ist. In ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, Gott ist Mensch geworden. In ihm könnt ihr zur Fülle kommen und Erkenntnis erhalten – niemand anders.
In Kapitel 2, Vers 2b, schreibt Paulus: „Die volle Gewissheit des Verständnisses zur Erkenntnis des Geheimnisses Gottes, Christus, in dem verborgen sind alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.“ Geheimnis war ebenfalls ein Schlüsselwort. Paulus sagt, dass wir ein Geheimnis haben, das viele nicht kennen. Die Menschen, die zu Christus geführt haben, kannten es auch nicht. Aber ihr könnt zu der Erkenntnis des Geheimnisses kommen – des eigentlichen Geheimnisses. Denn in Christus sind verborgen alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis.
In Kapitel 1, Vers 18, hatte Paulus gesagt, Christus sei das Haupt des Leibes, der Versammlung, der Anfang und der Erstgeborene aus den Toten, damit er in allem den Vorrang habe. In Kapitel 2, Vers 19, greift er das wieder auf: Wir sollen das Haupt festhalten, auf dem der ganze Leib durch Gelenke und Bänder zusammengefügt wird und wächst.
Kapitel 1, Vers 19, sagt: „Denn es war das Wohlgefallen der ganzen Fülle, in ihm, in Christus, zu wohnen und durch ihn alle Dinge mit sich zu versöhnen.“ Paulus spricht hier von Versöhnung, was sehr emotional ist. Wir haben bereits betrachtet, dass Gott zornig war – zornig auf dich. Christus hat Versöhnung zwischen Gott und dir geschaffen.
Paulus ergänzt das in Kapitel 2, Vers 12 oder 13: „Euch, als ihr tot wart in den Vergehungen eures Fleisches, hat er mit lebendig gemacht, indem er uns alle Vergehungen vergeben hat. Er hat die uns entgegenstehende Handschrift in Satzungen, die gegen uns war, ausgetilgt und aus der Mitte weggenommen, indem er sie an das Kreuz nagelte.“ Ihr seid nicht nur versöhnt, weil Gott zornig war. Es geht nicht nur um persönliche Versöhnung oder Emotionen.
Es gab auch einen Richter, und es gab Dinge, die ihr getan habt, die vor Gericht standen. Ihr habt auf das Urteil gewartet. Paulus sagt, auf der juristischen Ebene gibt es Vergebung. Die ganze „Handschrift“ ist ausradiert, weggenommen und ans Kreuz genagelt worden.
Man sieht, wie die Aussagen aus Kapitel 1 und Kapitel 2 sich ergänzen. Paulus versucht, das Thema zu vertiefen und zu ergänzen, damit wir es wirklich verstehen. Andere können uns vieles versprechen, aber wir müssen bei den Wurzeln bleiben – bei Christus. Denn in ihm ist alles: die ganze Fülle Gottes, jedes Geheimnis, jede Erkenntnis, jede Hoffnung auf Zukunft und jede Hoffnung auf eine Beziehung zu Gott.
Es gibt wahrscheinlich kaum einen Brief, in dem so dramatisch von Christus gesprochen wird wie im Kolosserbrief. Das liegt daran, dass die Gemeinde mit falschen Lehren konfrontiert war. Paulus musste klarmachen, was die Wurzel ist und worum es wirklich geht.
Wir haben einen gewaltigen Schatz dadurch bekommen, dass die Kolosser angegriffen wurden. In Christus ist Vergebung und Erlösung. Bleibt bei den Wurzeln.
Der zentrale Abschnitt zum Thema Wurzeln und Bekehrung
Ich möchte noch einmal den zentralen Einstieg in diesen Abschnitt hervorheben. Wir haben gesehen, dass dieser im Kapitel 2, Vers 6 und 7 liegt – die Aufforderung von Paulus. Der eigentliche Kern, in dem Paulus davon spricht, was unsere Wurzeln sind, findet sich in den Versen 11 bis 15.
Ich möchte den ganz zentralen Satz aus Vers 13 noch einmal vorlesen: „Und euch, die ihr tot wart in den Vergehungen und in der Vorhaut eures Fleisches, hat er mitlebendig gemacht mit ihm.“ Paulus sagt hier: Ihr wart tot. Vergesst das nicht. Natürlich war das nicht körperlicher Tod, denn nicht alle sind irgendwann gestorben und haben eine Auferstehung erlebt. Paulus meint vielmehr, dass ihr tot wart – ihr hattet keine Kraft, Gutes zu tun, so wenig wie ein Toter wirklich Kraft hat, Gutes zu tun. Ihr hattet keinen Zugang zu Gott, keine Möglichkeit, Gott zu erreichen, das ewige Glück zu erlangen, wirkliches Leben zu erfahren. Ihr hattet überhaupt keine Chance – ihr wart tot.
Was sagt Paulus hier noch genauer? Ihr wart tot, erstens in euren Vergehungen. Das heißt, ihr habt Dinge getan, die böse sind. Ihr habt in eurem Leben Dinge getan, die ihr nicht wiedergutmachen könnt. Ihr habt Menschen geschadet, und bei manchen Dingen, bei denen wir Menschen schaden, ist eine Wiedergutmachung nicht möglich. Ihr habt Gott in seinen Plänen verletzt, und auch das kann man nicht wiedergutmachen. Ihr habt Dinge getan, die die wunderschöne Persönlichkeit, die Gott sich für euch gedacht hat, ein Stück weit zerstört haben. Und das kann man nicht hundertprozentig wiedergutmachen.
Gott war zornig, und vor seinem Gericht standen Anklagen gegen euch. Ihr wart tot in euren Vergehungen, in dem, was ihr verbrochen habt. Und wir können gar nichts daran ändern. Man kann nicht sagen: „Oh, das habe ich im letzten Jahr verbockt, das vergebe ich mir.“ Das funktioniert nicht. Vielleicht habe ich auch etwas verbockt im Umgang mit meinen Kindern und frage meine Frau, ob sie mir vergibt – das ist auch Quatsch. Letztlich kann ich sogar meine Kinder fragen, ob sie mir vergeben, und trotzdem bleibt das, was ich angestellt habe, nicht aus der Welt.
Unsere Vergehungen zu vergeben, sie aufzuheben, diese Handschrift, die gegen uns war, diese Anklage, das konnte nur Gott. Paulus sagt: Bleibt bei den Wurzeln, denkt darüber nach, was Christus getan hat. Diese Handschrift wurde letztlich an das Kreuz genagelt, sagt er. Das haben wir vor allem in Vers 14 gelesen. Vergesst nicht, dass ihr tot wart. Ihr braucht Vergebung, Versöhnung, Erlösung – und das gibt es nur in Christus.
Doch hier steht noch mehr in Vers 13: Ihr wart nicht nur tot in den Vergehungen, sondern auch tot in der Vorhaut eures Fleisches. Ein etwas komplizierter Ausdruck, oder? Tatsächlich hat Paulus in den zwei Versen davor erklärt, was das bedeutet. Das hat etwas mit unserer Bekehrung zu tun. Unsere Sünden konnten nur vor fast zweitausend Jahren an einem Kreuz bezahlt werden. Aber dass wir tot waren in der Vorhaut unseres Fleisches, das hat mit unserer Bekehrung zu tun.
Ich weiß nicht, wie lange deine Bekehrung zurückliegt – drei Jahre, zehn Jahre, vierzig Jahre, keine Ahnung. Aber auch da ist etwas passiert in deiner Geschichte, oder? Da ist etwas geschehen. Paulus sagt: Vergesst nicht, wo eure Wurzeln sind. Ihr braucht Vergebung, Erlösung, Versöhnung – aber ihr brauchtet auch eine radikale Bekehrung.
Und das ist eigentlich mein Thema heute. Das war die Einleitung: Vergesst nicht, wie ihr euch bekehrt habt.
Die Bedeutung der Bekehrung und das Bild der Beschneidung
Was ist Bekehrung? Wir fangen an, und ich lese mal Vers elf und zwölf. Das ist eigentlich das Thema heute, die eigentlichen Verse für heute:
„Christ, indem ihr auch beschnitten worden seid mit einer nicht mit Händen geschehenen Beschneidung, in dem Ausziehen des Leibes des Fleisches, in der Beschneidung des Christus, in dem Begraben in der Taufe, indem ihr auch mit auferweckt seid durch den Glauben an die wirksame Kraft Gottes, der ihn aus den Toten auferweckt hat.“
Alles klar, oder? Gut.
Was ist Bekehrung? Paulus macht es ja so, das ist ja dieser typische Dreiklang, den wir auch zum Beispiel aus dem Römerbrief kennen: Bekehrung mit Christus gekreuzigt, begraben in der Taufe, mit ihm auferstanden, oder? Aber so banal drückt Paulus das hier im Kolosserbrief nicht aus. Das mit der Taufe und das mit dem Auferstehen schon, das mit der Bekehrung und dem Mitgekreuzigtwerden offensichtlich nicht.
Paulus sagt: „In ihm seid ihr auch beschnitten worden mit einer nicht mit Händen geschehenen Beschneidung.“ Was soll das heißen? Paulus spielt hier an auf eine Geschichte aus dem ersten Buch Mose, aus dem ersten Buch der Bibel.
Abraham hatte von Gott versprochen bekommen, dass Gott ihn zu einer großen Nation machen will. Seine Nachkommen sollten ganz viele werden, sollten ein ganzes Volk werden, sollten die Verheißung Gottes erben, ein tolles Land, letzten Endes die Erde. Es scheiterte an der Kleinigkeit: Wie sollen deine Nachkommen zu einem riesigen Volk werden, wenn du keinen einzigen hast? Persönlich. Sie waren kinderlos; irgendwie fehlte der Startpunkt. Schwierig. Und es ging Jahre so. Sehr schwierig.
Abraham und Sarah, seine Frau, griffen zu einem Trick. Eine Magd bekommt einen Sohn von Abraham, und sie nennen ihn Ismael. Abraham sagt zu Gott: „Ich bekomme halt mit Sarah keine Kinder, und du hast das auch eigentlich verheißen. Nimm doch Ismael, das ist doch ein prima Nachkomme, und das ist auch mein Sohn. Gut, nicht der Sohn von Sarah, aber das ist doch mein Sohn. Mach aus mir, wie du es verheißen hast, ein großes Volk.“
Hm, aber Gott ist nicht locker und sagt nicht: „Meinetwegen.“ Gott fordert Abraham auf eine ziemlich dramatische Weise heraus. Er sagt: „Glaubst du mir wirklich? Glaubst du wirklich, dass ich nicht auf deine Tricks angewiesen bin? Glaubst du wirklich, dass ich etwas schenken kann, zu dem du eigentlich nichts beitragen kannst, zu dem du nicht fähig bist? Glaubst du das wirklich? Glaubst du mir?“
Und Gott sagt: „Wenn du das wirklich glaubst, dann möchte ich ein Zeichen an deinem Körper. Du sollst dich beschneiden lassen.“
Beschneidung, gell? Was ist das? Also, Beschneidung in der Bibel passiert nur bei Männern oder bei Jungs. Letzten Endes wird dieser Hautlappen, der das männliche Geschlechtsteil im Ruhezustand schützt, abgeschnitten.
Das ist keine funktionale Störung, die dadurch hervorgerufen wird. Das ist anders als die Beschneidung bei Frauen, die in manchen afrikanischen Ländern durchgeführt wird. Aber trotzdem ist es natürlich – auch wenn funktional nichts dadurch passiert, gerade weil wir normalerweise ziemlich gut gepolsterte Klamotten tragen – trotzdem ein Stück weit eine Verstümmelung.
Also, ich meine, erst mal, wenn dir das als Jugendlicher oder als Erwachsener passiert, löst das eine natürliche Panikreaktion aus, weil das eine sehr, sehr unangenehme Prozedur ist, schon im Vorfeld. Aber auch hinterher: Du siehst halt nicht so aus wie alle anderen. Ich meine, spätestens beim Baden damals, was man normalerweise nackt gemacht hat, fällt es halt auf, und alle gucken mal komisch.
Heute, was weiß ich, im Sport, in Umkleidekabinen, wenn irgendjemand aus medizinischen Gründen oder weil er Jude oder Moslem ist, beschnitten ist, fällt das schon auf. Schon komisch. Ich glaube, es war schon etwas, was zuerst beängstigend war und auf Dauer schon ein Stück weit demütigend.
Es ist immer demütigend, sonderbar auszusehen. Aber was sollte es ausdrücken? Es sollte ausdrücken: Ich kann nichts tun. Ich kann nichts tun, um etwas am Zustand meiner Kinderlosigkeit zu ändern. Ich kann nichts tun, um mir die Verheißung Gottes zu erarbeiten. Ich kann nichts tun, um mir selbst eine Zukunft zu schaffen auf dieser Erde. Alle meine Mittel versagen.
Und letzten Endes ist das, glaube ich, das, was eine echte Bekehrung ist. Darauf will Paulus hinaus, warum er nicht einfach sagt: „Ihr seid mit Christus gekreuzigt“ oder „Ihr habt euch doch bekehrt.“ Er sagt: „Wisst ihr, was euch von Gott ferngehalten hat, außer eurer Sünden? Das war euer Stolz. Das war eure Überzeugung: Okay, ich bin nicht so, wie ich sein sollte, aber ich schaffe es irgendwie mit Anstrengung, gut genug zu sein für Gott und für den Himmel.“
Und Paulus sagt: „Ihr müsst nicht nur Vergebung für eure Sünden haben, sondern ihr müsst befreit werden von diesem Stolz. Ihr müsst dadurch wirklich bekehren, ihr müsst dadurch wirklich Gott unterwerfen, ihr müsst wirklich sagen: Ich brauche Gnade, ich brauche dein Eingreifen.“
Das ist eigentlich Beschneidung. Beschneidung ist eine Kapitulation.
Die symbolische Bedeutung der Beschneidung und Kapitulation vor Gott
Es gibt eine sehr spannende Stelle im 2. Buch Mose. Mose selbst war berufen worden, das Volk Gottes aus Ägypten zu führen. Nach viel Hin und Her und vielen Ausreden machte er sich mit seiner Frau und seinem Sohn auf den Weg nach Ägypten.
Das Problem war, dass sein Sohn nicht beschnitten war. Mose hatte eine heidnische Frau. Wahrscheinlich, wenn man den Dialog im Zusammenhang verfolgt, wollte Mose den Sohn gerne beschneiden. Seine Frau war dagegen. Er sagte so etwas wie: „Bist du des Wahnsinns? Das arme kleine Kind!“ Doch plötzlich, auf dem Weg nach Ägypten, erschien sein Engel und griff Mose an.
Seine Frau Zipporah wusste instinktiv, worum es ging. Sie nahm einen scharfen Stein, während Mose offenbar mit dem Engel kämpfte, beschnitt ihren Sohn und warf die Vorhaut Mose zu Füßen. Dabei sagte sie: „Du bist ein Blutbräutigam.“ Das war ihre Kapitulation.
Ich glaube, sie war jahrelang nicht bereit, wirklich von ganzem Herzen hundert Prozent des Weges ihres Mannes mitzugehen. Zumindest an diesem Punkt setzte sie eine Grenze und sagte: „Hier gehe ich nicht mit.“ Obwohl es nicht ihre eigene Beschneidung war, sondern die ihres Kindes, drückte sie damit aus: „Ich kapituliere vor dem Gott meines Mannes, auch wenn es Blut kostet.“
Die Beschneidung ist ein Zeichen, ein Symbol für Kapitulation. Das ist ein wesentlicher Punkt: Wenn du dich wirklich bekehrt hast, dann hast du irgendwo wirklich vor Gott kapituliert. Du hast gesagt: „Ich brauche deine Gnade, ich brauche deine Vergebung, ich habe nichts Wesentliches beizutragen, ich unterwerfe mich dir.“
Paulus sagt, wenn ihr wachsen wollt, müsst ihr dahin zurückkommen. Ihr müsst das ablegen, was unserer Natur zutiefst entgegensteht. Das bedeutet, wir müssen unseren Stolz ablegen. Paulus erweitert das Bild jetzt noch einmal. Er sagt in Vers 11: „Wir sind beschnitten worden mit einer nicht mit Händen geschehenen Beschneidung.“
Er betont noch einmal: Du musst jetzt nicht ins Krankenhaus gehen und dich operieren lassen. Es geht um etwas, das innerlich passiert. Was im Alten Testament nur ein Symbol war, passiert jetzt an deinem Denken und an deiner Persönlichkeit: Du kapitulierst.
Dann sagt er weiter: „In dem Ausziehen des Leibes des Fleisches, in der Beschneidung des Christus.“ Er meint damit, dass es nicht nur etwas Kleines ist, das irgendwo an der Ecke deines Körpers passiert. Es betrifft dein ganzes Leben, als würdest du dein ganzes altes Leben ablegen, deinen ganzen alten Stolz. Nicht nur einen kleinen Hautlappen, sondern deinen ganzen Leib ausziehen.
Das ist ein traumatisches Bild, das man sich kaum vorstellen kann. Paulus sagt, eine echte Bekehrung, eine echte Kapitulation muss dein ganzes Leben betreffen. „So habt ihr angefangen“, sagt er. Es ist keine Aufforderung, sondern eine Feststellung: So habt ihr angefangen, und dabei sollt ihr bleiben.
Wir waren gefangen in der Vorhaut unseres Fleisches. Wir wollten mit unseren eigenen Möglichkeiten zu Gott kommen, mit unseren Riten und guten Werken. Aber wir haben alles abgelegt, wir haben es aufgegeben. Wir haben für Gott kapituliert, uns gedemütigt, uns bekehrt und uns taufen lassen, um das auszudrücken: „Ich habe mein altes Leben abgelegt, ich habe meinen Stolz abgelegt.“
Paulus sagt weiter: „Mit ihm begraben in der Taufe.“ Und jetzt wollt ihr wieder von vorne anfangen? Ihr habt bekannt, dass ihr nicht durch den Willen eures Fleisches gerettet werden könnt. Und jetzt denkt ihr, ihr könnt durch den Willen eures Fleisches wachsen – durch das Einhalten von Riten oder was auch immer?
Ihr habt bekannt, dass ihr nicht durch den Willen eines Menschen gerettet werden könnt – durch jemanden, der euch segnet, euch die Hände auflegt oder sonst etwas tut. Und jetzt meint ihr, ihr könnt durch den Willen eines Menschen wachsen? Bleibt bei eurer Kapitulation!
Noch einmal, Vers 11: „Wie ihr auch beschnitten worden seid, mit einer nicht mit Händen geschehenen Beschneidung, in dem Ausziehen des Leibes des Fleisches, in der Beschneidung des Christus, mit ihm begraben in der Taufe, indem ihr auch mit auferweckt worden seid durch die wirksame Kraft Gottes, der ihn aus den Toten auferweckt hat.“
Echtes Wachstum passiert, wenn wir bei unseren Wurzeln bleiben. Wir wurden gerettet, haben uns wirklich bekehrt und uns taufen lassen. Echtes Wachstum geschieht, wenn wir bewusst bei Jesus bleiben, in Gemeinschaft mit ihm.
Die Rolle des Glaubens im neuen Leben
Paulus hat noch einen wichtigen Punkt angesprochen. Ihr habt den Vers nicht korrekt vorgelesen. Ich weiß nicht, wie es in deiner Übersetzung steht. Es ist mit verschiedenen Übersetzungen natürlich immer schwer, den genauen Wortlaut zu verfolgen. Aber ich habe den Vers nicht richtig vorgelesen. Ich habe ihn so vorgelesen, wie ich ihn selbst geschrieben hätte.
Ja, alles tut Christus. Wir haben kapituliert, wir haben uns taufen lassen, wir sind mit ihm auferweckt worden, wir haben ein neues Leben durch ihn – alles tut Christus, oder? So steht es aber nicht ganz da. Vers 12 noch einmal: „Mit ihm begraben in der Taufe, dem ihr auch mit auferweckt worden seid durch den Glauben an die wirksame Kraft Gottes.“
Wirkliches Wachstum und wirkliche Veränderung, wirklich ein Leben in Auferstehung, ein neues Leben, ein anderes Leben, ein verändertes Leben hat auch etwas mit unserem Glauben zu tun. Es ist nicht automatisch so, dass wir uns bekehren und dann kommt irgendetwas über uns, sodass alles von selbst geht. Es hat auch in unserem Leben etwas mit Glauben zu tun.
Ja, wir sind gestorben, wir sind begraben in der Taufe, wir sind mit Christus auferweckt durch die Kraft Gottes. Aber jetzt ist unser Glaube gefragt. Ein Leben in Auferweckung macht Gott oft von unserem Glauben abhängig.
Ich möchte ein paar Beispiele geben. Du kämpfst mit irgendeiner Sünde, die du immer wieder begehst, eine Gewohnheitssünde, etwas, das dir ständig passiert. Ständig passiert es dir, dass du schlecht über andere Leute redest, obwohl du dir so oft vorgenommen hast, es nicht zu tun. Was sagt Paulus? Wir sind auferweckt worden durch den Glauben an die wirksame Kraft Gottes, die Jesus aus den Toten auferweckt hat.
Paulus fragt: Hast du aufgegeben? Ich meine, du glaubst an die Kraft Gottes, die fähig war, einen Toten – Jesus – aus den Toten auferwecken. Glaubst du, dass jemand, der in der Lage ist, einen Toten aufzuerwecken, zu wenig Kraft hat, um dir Sieg über eine Gewohnheitssünde zu geben? Glaubst du das? Glaubst du, dass Jesus genug Kraft hat, dir dort Sieg zu geben? Glaubst du das?
Dann geh es an mit dem Herrn! Er kann Tote auferwecken, er kann dir helfen, in einem neuen Leben zu leben – mit Sieg. Es geht schon, vielleicht nicht von einem Tag auf den anderen, aber nicht so, dass wir es aufgeben müssen. Es geht schon. Auferweckt – ein neues Leben durch den Glauben an die Kraft Gottes, die Jesus aus den Toten auferweckt hat. Das ist eine Menge Kraft.
Seit Jahren kämpfst du darum, und du schaffst es nicht, deinen Stolz zu überwinden oder deine Angst oder deine Schüchternheit. Du würdest so gerne deinen Kollegen mal von Jesus erzählen, aber du kannst einfach nicht über deinen Schatten springen. Müssen wir aufgeben? Oder ist der Gott, der Tote auferwecken kann, stark genug, um uns über unseren Schatten zu helfen? Geht das?
Ein neues Leben durch den Glauben an die Kraft Gottes, die Tote auferweckt. Er hat keine Ahnung, was du dir für 2015 vorgenommen hast, oder? Vielleicht steht etwas Neues vor dir. Und du denkst, es ist wirklich dran. Und nicht immer muss man jahrelang warten, um es anzugehen. Auch wenn es schwierig aussieht, auch wenn die Hürde hoch aussieht, über die man springen muss, um etwas Neues anzupacken oder zu lernen.
Muss man jahrelang vor der Hürde stehen bleiben und denken: „So hoch springen schaffe ich eh nicht“? Paulus sagt: Du kannst ein neues Leben leben, ein Auferstehungsleben im Glauben an die Kraft dessen, der Tote auferweckt. Das ist schon gewaltig. Gott ist stark genug.
Wenn du sicher bist, dass es dran ist, wenn du sicher bist, dass das der richtige Weg ist, dann kannst du im Glauben den nächsten Schritt tun.
Zusammenfassung und Gebetsanliegen
Okay, also Kapitel zwei ist ein zentrales Kapitel im Kolosserbrief. Es ist etwas kompliziert geschrieben, aber im Grunde geht es um drei Dinge.
Erstens: Wenn du wachsen willst, bleib bei deinen Wurzeln. Die Wurzel ist das, was Jesus vor zweitausend Jahren für dich getan hat. Vergiss das nicht. Die Wurzel ist auch das, was du bei deiner Bekehrung bekannt hast. Bleib dabei.
Zweitens: Wenn du wachsen willst, dann bleib bei Christus. Halte dich fest an das Haupt. So wächst du meistens Stück für Stück, wie Organe, die sich entwickeln.
Drittens: Wenn du wachsen willst, dann triff Entscheidungen und geh Schritte im Glauben an die Kraft Gottes, die Tote auferwecken kann. Vergiss das nicht.
Paulus betet das im Epheserbrief für die Geschwister und für uns. Er sagt, wir sollen durch den Heiligen Geist erleuchtet werden, um Dinge zu erkennen. Das Letzte, worum er betet, was wir wirklich erkennen sollen, steht in Epheser 1,19: Erkenne die überragende Größe seiner Kraft an uns, den Glaubenden, entsprechend der Wirksamkeit der Macht seiner Stärke, mit der er Christus aus den Toten auferweckt hat.
Weil er sagt: Das bete ich für euch, dass ihr diese Kraft erkennt, die Tote auferwecken kann, und dass ihr diese Kraft in eurem Leben erlebt. Dass ihr wirklich an diese Kraft glaubt und im Glauben an sie vorangeht – das ist mein Gebetsanliegen für euch.
Das wäre vielleicht ein gutes Gebetseinliegen für 2015. Amen.