Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen!
Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Siehe, Gott ist mächtig und verachtet doch niemand. Er ist mächtig durch die Kraft des Herzens.
Wir wollen beten. Ach Herr, herzlose Macht haben wir in der Welt kennengelernt. Das ist dein Privileg, mächtig zu sein durch die Macht des Herzens. Und nun öffnet sich heute Morgen dein Herz für uns.
Da können wir nur bitten: Bewege du unsere Herzen und unser Gewissen, damit das nicht an uns vorübergeht wie ein Windrauch. Gib auch, dass wir nicht Menschenwort hören, denn davon haben wir nichts. Gib uns dein Wort, davon lebt unsere Seele. Amen.
Wir beten weiter in der Stille.
Rede, Herr, so will ich hören. Amen.
Einführung und Schriftlesung
Wir hören ein Wort der Heiligen Schrift. Darf ich bitten, dass die Gemeinde dazu Platz nimmt.
Ich möchte noch einmal die Geschichte lesen, die wir schon letzten Sonntag besprochen haben. Heute möchte ich die Fortsetzung erzählen und anschließend ein Wort aus dieser Geschichte besprechen.
Ich lese jetzt die ganze Geschichte vor, und es liegt mir sehr daran, dass wir sie wirklich gesammelt aufnehmen. Darum setzen wir uns heute ausnahmsweise hin.
Nachdem Jesus vor dem Volk ausgeredet hatte, ging er nach Kapernaum. Dort lag ein Hauptmannsknecht todkrank, den der Hauptmann sehr schätzte. Da der Hauptmann nur von Jesus gehört hatte, sandte er die Ältesten der Juden zu ihm und bat ihn, zu kommen und seinen Knecht gesund zu machen.
Als diese zu Jesus kamen, baten sie ihn flehentlich und sprachen: „Er ist es wert, dass du ihm das erzeigst, denn er hat unser Volk lieb und das Versammlungshaus für uns erbaut.“
Jesus ging mit ihnen. Doch als sie dem Haus nicht mehr fern waren, sandte der Hauptmann erneut Freunde zu Jesus und ließ ihm sagen: „Ach, Herr, bemühe dich nicht, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst. Darum habe ich mich selbst nicht würdig erachtet, zu dir zu kommen, sondern sprich nur ein Wort, so wird dein Knecht gesund.“
Er fügte hinzu: „Denn auch ich bin ein Mensch der Obrigkeit untertan und habe Kriegsknechte unter mir. Ich sage zu einem: ‚Geh hin!‘, so geht er, und zu einem anderen: ‚Komm her!‘, so kommt er. Und zu meinem Knecht: ‚Tu dies!‘, so tut er es.“
Als Jesus das hörte, wunderte er sich über ihn. Er wandte sich um und sprach zum Volk, das ihm nachfolgte: „Ich sage euch, solchen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden wie bei diesem Heiden.“
Als die Gesandten wieder nach Hause kamen, fanden sie den kranken Knecht gesund vor.
Herr, heilige uns in deiner Wahrheit. Dein Wort ist die Wahrheit. Amen.
Gnade sei mit uns und Friede von dem, der da ist, und der da war, und der da kommt. Amen.
Das Wort am Altar und die Bedeutung des Glaubens
Wir hören jetzt einen Satz aus der Geschichte, die wir am Altar hörten, aus Lukas 7: „Herr, sprich nur ein Wort, dann wird mein Knecht gesund.“ Denn ich bin auch ein Mensch, der der Obrigkeit untertan ist und habe Soldaten unter mir. Wenn ich zu einem sage: „Geh hin!“, so geht er; und zu einem anderen: „Komm her!“, so kommt er; und zu meinem Knecht: „Tu dies!“, so tut er es.
Herr, heilige uns in deiner Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit. Amen.
Der Herr hat einmal den ganz deutlichen, klaren Satz gesagt: „Geht ein durch die enge Pforte!“ Man kann also nicht Christ werden, nicht ins Reich Gottes kommen und nicht selig werden, wenn man nicht einen Schritt durch eine enge Tür hindurch tut.
Sehen Sie, bei diesem entscheidenden Schritt, bei der Bekehrung zu Jesus, kann uns kein Mensch helfen. Wir sind Menschen, die meist das tun, was alle tun. Hier müssen wir einmal mutterseelenallein sein, wenn wir durch die enge Pforte zum Frieden mit Gott gehen.
Haben Sie diesen Schritt eigentlich schon getan? Wenn nicht, dann sind Sie noch unter dem Zorn Gottes und verlorene Leute. Es ist so, dass andere Menschen uns bis zu der engen Pforte begleiten und helfen können. Aber durch die enge Pforte müssen wir allein gehen.
Wenn wir durch sind, dann ist es wiederum gut, wenn wir Väter und Mütter in Christo haben, die uns im Glauben weiterhelfen. Wenn ich auf mein Leben zurückschaue, kann ich Gott gar nicht genug danken für die wundervollen Christen, die er mir auf meinen Lebensweg gestellt hat und die mir im Glaubensleben weitergeholfen haben.
Damals gab es noch gläubige Theologieprofessoren. Oder ich denke an schlichte Bauern von der Schwäbischen Alb, die mir unauslöschlichen Eindruck machten durch ihre Geschlossenheit in ihrem Glaubensleben. Dann kam ich nach Essen, wo ich Amtsbrüder und Gemeindeglieder hatte, einfache Bergleute, und die Männer von der Terskens Ruh Konferenz, die sich um mich annahmen. Sie haben mich oft hart behandelt, wie man so sagt, zur Schnecke gemacht. Aber sie hielten mich im Glaubensleben fest.
Ich glaube, jeder unter uns, der sagen kann: „Ich gehöre Jesus“, wird von Vätern und Müttern in Christo berichten können, die ihm im Glauben weitergeholfen haben. Nicht etwa wie ein Junge durch den Leiter, sondern meistens waren das Menschen, die vor uns Christen waren und im Glauben reifer standen.
Sehen Sie, darum ist es merkwürdig, auffällig und verwunderlich, dass in unserem Text der Herr Jesus sagt, wir sollen unter die Wegbegleiter im Glaubensleben, unter die Leute, die uns helfen, auch den Hauptmann von Kapernaum aufnehmen.
War denn das ein reifer Christ? Ich meine, so ein Hauptmann der römischen Armee, ein Heide – bitte, ein Heide ist doch eigentlich die denkbar ungeeignetste Persönlichkeit, um als Geburtshelfer mitzuwirken, wenn neues Leben aus Gott geboren werden soll.
Meine Vernunft sträubt sich wirklich dagegen, dass man so einen als Ratgeber im Glaubensleben nehmen soll – einen Heiden. Aber Jesus, der hier der Herr ist, befiehlt uns das. Solchen Glauben habe ich in der Kirche nicht gefunden. Von dem müsst ihr lernen.
Weil der Herr Jesus uns das nahelegt und befiehlt, wollen wir uns nun im Glaubensleben von diesem Hauptmann von Kapernaum beraten lassen. Wir überschreiben das „Glaubensunterricht beim Hauptmann von Kapernaum“.
Jetzt muss ich denen, die letztes Mal nicht da waren, sagen: Wir haben damit letztes Mal schon angefangen, und heute machen wir die Fortsetzung. Und denen, die letztes Mal da waren, muss ich sagen: Es wird Ihnen auffallen, dass ich genau dieselbe Einteilung habe wie beim letzten Mal, sozusagen dieselbe Wurstpelle, aber mit anderem Inhalt. Es gehört beides zusammen: Glaubensunterricht beim Hauptmann von Kapernaum.
Glaubensunterricht beim Hauptmann von Capernaum: Die menschliche Ohnmacht
Drei Dinge will er uns heute Morgen lehren. Erstens will er uns zeigen, was wir von uns selbst zu halten haben.
Das Unheimliche in unserer Zeit ist, dass es viele Berufe gibt, die mit Menschen zu tun haben – Studienräte, Lehrer, Ärzte – und dennoch haben sie kein klares Bild vom Menschen. Wissenschaftlich gesprochen fehlt ihnen eine Anthropologie.
Der Hauptmann von Kapernaum lehrt uns, was wir in Wahrheit vom Menschen zu halten haben. Was halten Sie vom Menschen? Als ich noch Schüler war, hat mich ein Wort des griechischen Dichters Sophokles sehr beeinflusst und beeindruckt: „Pollata deinauden anthropu deinoteron“ – es gibt viel Gewaltiges, aber nichts Gewaltigeres als den Menschen. Da dachte ich: So ist es. Und ich glaube, wir alle stimmen diesem Satz zu. Es gibt viel Gewaltiges in der Welt. Aber das Gewaltigste ist der Mensch, der in die Welt hinausfliegt, der die Tiefen des Meeres und der Erde erforscht – gewaltig.
Nun kommt dieser Hauptmann von Kapernaum und sagt etwas anderes: Es gibt nichts Ohnmächtigeres als den Menschen. Die Frage ist, ob wir uns wirklich von ihm leiten lassen. Es gibt nichts Ohnmächtigeres als einen Menschen.
Er macht das an sich selbst klar – und das ist großartig, wie deutlich er das zeigt. Er sagt: Ich habe auch einen gewissen Machteinfluss. Ich bin Offizier. Wenn ich einem Soldaten sage: „Komm her“, dann kommt er gerannt. Wenn ich sage: „Hör auf“, dann hört er auf. Aber er sagt auch gleich, dass seine Macht begrenzt ist. Er ist ein Mensch, der der Obrigkeit untertan ist. Da kommen die Grenzen ins Spiel. Wenn der General sagt: „Hauptmann, komm her“, dann renne ich. Aber das ist noch die geringste Grenze.
Der Hauptmann macht noch deutlicher, wie ohnmächtig wir sind. Er sagt: Wenn ich zu meinem Knecht sage – ich schätze, so: „Tu dies, dann tu das“ –, dann tut er es nicht, denn er ist todkrank. Er liegt im Sterben, und ich bin ohnmächtig dem Tod gegenüber.
Und da sind wir an dem Punkt, an dem es aufhört mit dem „Tu dies“. Wenn der Knecht stirbt, hört das auf. Ach, unsere Ohnmacht dem Tod gegenüber! So ein schöner Sommermorgen, und nur der Weltlicht der Leichengeruch. Unsere Ohnmacht! Da wurden meine Söhne von mir gerissen, meine jüngeren Brüder, als ich an der Reihe war. Ich stand ohnmächtig davor.
Und jeder von uns kann so sprechen. Mich hat es erschüttert, wie in diesen Tagen eine Freundin meiner Kinder, eine junge Fachfrau aus Breden, mit 34 Jahren starb – von drei Kindern weg. Man möchte sagen: Das geht doch nicht! Wir sind ohnmächtig dem Tod gegenüber.
Und das Schrecklichste ist: Er kommt ja auf uns zu, mit jedem Schritt näher. Ihr großartigen Jungen, der Tod kommt mit jedem Schritt näher auf euch zu, und wir sind so ohnmächtig.
Sehen Sie, davon spricht die Bibel: Es gibt nichts Ohnmächtigeres als den Menschen. Nicht nur dem Tod gegenüber. Die Bibel nennt noch mehr Punkte.
Sie sagt, wir sind auch ohnmächtig dem Leben gegenüber – nicht nur dem Tod. Das spüren wir alle, wie ohnmächtig wir dem Leben gegenüber sind.
Ach, wissen Sie, ich habe so hochgemütige junge Burschen kennengelernt, in meiner Jugend, in der Zeit der Wandervogelbewegung, der Jugendbewegung und so, in meiner Jugendarbeit. Großartige, hochgemütige Kerle. Und dann zerbrach sie das Leben. Das Leben zerbricht uns, zerbricht unseren Mut, unsere Ideale, unsere Hoffnungen.
Und dann sind es auf einmal seufzende, spießige Nullachtfünfzehn-Männer, die aber wundervolle Mädchen gesehen haben, so richtig von den Strahlen ausgingen. Meines Erachtens sind sie arme, seufzende Lasttiere geworden, von denen nichts mehr austrat. Das Leben dreht uns durch eine Mühle, und wir müssen es ohnmächtig dulden.
Wir sind so ohnmächtig dem Tod gegenüber, dem Leben gegenüber.
Meine Freunde, die Bibel nennt uns noch einen Punkt, wo wir ganz ohnmächtig sind – und der ist jetzt vielleicht das Wichtigste: Wir sind ohnmächtig, wenn es darum geht, das Gute zu tun, den Willen Gottes zu tun.
Ich bin überzeugt, es ist keiner hier in der Kirche, der nicht gern ganz wahr sein möchte. Warum lügen wir denn? Warum haben wir letzte Woche gelogen? Es ist keiner hier, da bin ich überzeugt, der nicht wirklich ganz gütig sein möchte. Und auf einmal regieren uns unsere Launen und unser Zorn. Hinterher könnte man über sich selbst weinen, aber es ist so.
Es ist sicher keiner hier, der nicht ganz rein sein möchte. Wir sehnen uns nach strahlender Reinheit, und doch vergiften unsere Triebe unser Denken, unsere Fantasie, unser Tun. Ich bin überzeugt, die Welt möchte gern rein sein, aber jeder schmutzige Film lockt sie an wie die Fliegen den Honig.
Früher hörte ich mal einen Scherz – der soll ein Scherz sein, ist aber tragisch: „Mama, die Buben sprechen immer so wüst“, sagte man in Baden. Da sagt die Mutter: „Hör doch nicht hin.“ „Mama, ich hör’s doch so gern.“ So sind wir. Wir möchten strahlend rein sein und sind doch vergiftet von Unreinigkeit.
Wir möchten so gern ein nützliches Leben haben. Wir haben doch nur ein Leben, und doch sind wir ich-bezogen, sodass wir am Ende immer nur fragen: Wie nützt der mir, und wie nützt der mir?
Wir möchten gern göttlich sein, möchten Sie das nicht? Man muss nur aus der Neunten Symphonie, also aus Schillers Gedicht „An die Freude“, den Satz hören: „Voll Lust war dem Wurm gegeben, und der Cherub steht vor Gott.“ Da möchte man göttlich sein.
Und wir sind im besten Falle menschlich und rühmen uns dessen. In Wirklichkeit sind wir teuflisch.
Sehen Sie, hier liegt unsere Ohnmacht, wenn es darum geht, Gottes Willen zu tun, das Gute zu tun. Paulus hat das klassisch ausgedrückt: „Wollen habe ich wohl, aber vollbringen das Gute finde ich nicht.“
Hier liegen die eigentlichen Tragödien bei wahrhaftigen Menschen. Die Oberflächlichen denken gar nicht darüber nach. Aber hier liegen die eigentlichen Tragödien bei wahrhaftigen Menschen: Wollen habe ich wohl, aber vollbringen das Gute finde ich nicht.
Es gehört zum Glaubensunterricht, dass wir unsere Ohnmacht kennenlernen. Ich glaube nicht, meine Freunde, dass ein Mensch zum Glauben, zum richtigen christlichen Glauben kommt, ohne an sich selbst zu verzweifeln.
Glaubensunterricht beim Hauptmann von Capernaum: Die Macht Jesu
Und nun folgt das zweite Stück Glaubensunterricht beim Hauptmann von Kapernaum. Im ersten Teil lehrte er uns, was wir von uns selbst zu halten haben: dass wir ohnmächtig sind. Nun kommt der zweite Teil.
Der zweite Punkt ist sehr warm, ja, aber steigen Sie fröhlich wieder neu ein. Er ist sogar wichtiger als der erste. Es geht darum, was wir von Jesus halten sollen.
Sehen Sie sich den Hauptmann von Kapernaum an. In seinem Haus herrscht Traurigkeit, denn sein Knecht stirbt, und man kann nicht helfen. Man ist so ohnmächtig. Dann hört er von Jesus und sendet einfach zu ihm hin. Er sagt in kindlicher Primitivität: „Sprich du nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.“
Er meint: Ich kann zwar niemandem helfen, aber sprich du nur ein Wort. Daraus spricht das Vertrauen, dass Jesus all die Macht hat, die wir nicht besitzen. Seine Macht kennt keine Grenzen. Das soll auch der Hauptmann im Glaubensunterricht lernen: zu glauben, dass Jesu Macht unbegrenzt ist.
Meine Freunde, ich wünschte, wir könnten jetzt hindurchsehen durch den jämmerlichen Horizont dieser dreidimensionalen Welt in die ewige Welt hinein, wo Jesus zur Rechten Gottes sitzt. Oh, dass wir es im Geist sehen könnten! Dann würde unser Herz sinken. Sollt ich nicht zu Fuß dir fallen und mein Herz vor Freude wallen, wenn mein Glaubensauge deine Glorie betrachtet: „Deine Macht, deine Macht!“
Sehen Sie, als Jesus in seinen Erdentagen über die Erde ging, da brach diese Macht überall aus ihm heraus wie Feuer aus dem Kohlenmeiler. Er predigte, und es heißt, er predigte in Vollmacht, nicht wie die Pastoren heute. Seinem Wort lag die Macht zugrunde.
Ich möchte Tote erwecken können – geistlich Tote. Aber was kann ich denn? Vielleicht dass jemand einschläft, oder? Jesus schlief nicht ein. Er predigte in Vollmacht, nicht wie die Schriftgelehrten. Ach, wie oft brach seine Macht heraus, als er am Seesturm war und die Jünger verzweifelten! Er streckte die Hand aus, und das Meer wurde still.
Als er vor dem Felsengrab des Lazarus stand, wurde die Macht des Todes offenbar. Er rief hinein: Lazarus, komm heraus aus dem Reich der Toten! Wie wird seine Macht offenbar, wenn er Menschen begegnet, die von Dämonen gebunden sind! Das ist das schrecklichste Erlebnis eines Pfarrers, vielleicht sogar das schauerlichste Erlebnis unseres Lebens. Wir spüren, wie sie nach uns greifen. Wem bricht die Macht Jesu aus ihm heraus, wenn er die gebundenen, dämonisierten Menschen freimacht?
Ja, meine Freunde, sogar am Kreuz, als der Heiland ganz ohnmächtig hing, war er mächtig. Lassen Sie im Geist nach Golgatha gehen und vor dem Kreuz stehen. Jetzt brauche ich biblische Worte, ich kann es nicht anders sagen.
In dieser Stunde seiner Ohnmacht zertretene er der Schlange den Kopf, sodass keiner von uns mehr dem Teufel gehören muss. In dieser Stunde nimmt er die größte Last auf sich, die keiner bewegen kann: die Last der Schuld auf der Welt.
Siehe, da ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde wegnimmt. Wir können unsere eigene Schuld nicht bewegen, und er trägt die Sünde der Welt ans Kreuz. Welche Macht da am Kreuz wirkt! In gewaltiger Vollmacht vollbringt er die größte Tat: Er versöhnt den heiligen Gott mit uns Sündern.
Sehen Sie, das ist Jesus. Wir sind ohnmächtig, er ist mächtig. „Sprich nur ein Wort“, sagt der Hauptmann. Wir sind ohnmächtig, er ist mächtig. Wir sind böse, er ist gut. Das ist die Melodie der Bibel.
Im Weiglaus Liederbuch gibt es ein Lied von Woltersdorf, in dem ein Vers mir einmal so erleuchtend dieses Evangelium klargemacht hat. Zwei Zeilen:
„Wenn ich mich selbst betrachte, dann wird mir Angst und Weh,
wenn ich auf Jesum achte, dann steige ich in die Höhe.“
Dann freut sich mancher erlöster Geist durch das Blut des Lammes an Gerechtigkeit und Seligkeit.
Sehen Sie, so ist die Bibel. Sie spricht von unserer Sünde, Schuld, Ohnmacht, Jämmerlichkeit und Armut. Und sie spricht vom Reichtum, der Herrlichkeit, der Größe und Macht des geoffenbarten Gottes und von seinem Erbarmen.
Ich muss noch ein Wort anfügen, meine Freunde. Sehen Sie, heute ist in der Christenheit eine ziemliche Beunruhigung entstanden durch eine sogenannte moderne Theologie. Diese moderne Theologie ist gewissermaßen publik geworden in weiten Kreisen durch das Buch eines englischen Bischofs namens Robinson, Bischof der englischen Hochkirche.
Das Buch trägt den englischen Titel Honest to God, also „Ehrlich gegen Gott“. Der deutsche Titel lautet „Gott ist anders“. Buchhändler sagen mir, dass dies eines der meist verlangten Bücher ist. Ich habe in der Stadtbücherei nachgefragt; es ist eines der meist ausgeliehenen Bücher dort.
Ich brauche nicht näher darauf einzugehen, es ist ein Buch des Unglaubens, auch wenn es von einem Bischof geschrieben wurde. In diesem Buch steht der Mensch im Mittelpunkt. Dieser Bischof sagt: Gott ist uns fern, der moderne Mensch kann nichts mit ihm anfangen, wir müssen hier suchen. Im Grunde steht der Mensch im Mittelpunkt – sein Interesse, seine Größe, seine Sehnsüchte.
Darum kommt der arme Bischof mit der Bibel nicht zurecht, denn in der Bibel steht der geoffenbarte Gott im Mittelpunkt. Es geht um seine Ehre und sein Erbarmen, der Jesus besuchte und sein Volk erlöst hat.
Ich möchte Ihnen sagen: Solange in Ihrem Leben nicht Jesus, der Sohn Gottes, im Mittelpunkt steht, kommen Sie mit dem Leben nicht zurecht. Dieser Bischof kommt nämlich nicht mit der Bibel zurecht, sondern mit der Wirklichkeit nicht.
Das ist das Problem: Wir kommen weder mit der Bibel noch mit der Wirklichkeit des Lebens zurecht, wenn Jesus nicht im Mittelpunkt steht. Wenn Gott in den Mittelpunkt gestellt wird, dann muss es so sein, dass unser Leben erst in Ordnung kommt, wenn er im Mittelpunkt steht.
Wenn das so deutlich wird – ich bin ohnmächtig, er ist mächtig; ich bin arm, er ist reich; ich bin böse, er ist gut – dann wirft die Bibel alles Licht auf diesen Herrn Jesus.
Nun fassen wir also den ersten und zweiten Teil zusammen: Was wir von uns halten sollen – wir sind ohnmächtig; was wir von Jesus halten sollen – er hat alle Macht.
Glaubensunterricht beim Hauptmann von Capernaum: Jesu Macht in Anspruch nehmen
Und nun folgt noch ein dritter Teil. Haben Sie Geduld, diesen dritten Teil anzuhören. Er ist vielleicht der allerwichtigste. Man sollte eine Predigt von hinten aufziehen.
Drittens: Was der Hauptmann uns lehrt, ist, dass wir Ohnmächtigen die Macht Jesu in Anspruch nehmen dürfen. Bitte sehen Sie den Hauptmann noch einmal an. Trauer in seinem Haus, der Knecht stirbt trotz aller Schätze, keiner kann helfen. Und da ist Jesus: Sprich nur ein Wort.
Der Hauptmann hat nicht über Jesus theoretisiert oder theologisiert, sondern er hat sinngemäß gesagt: „Ich möchte deine Macht für meine Sache in Anspruch nehmen.“ Dafür lobt ihn doch der Herr und stellt ihn uns als Beispiel hin. Darum geht es: dass wir Ohnmächtigen Jesu Macht für uns in Anspruch nehmen.
Das heißt, dass wir das Christentum im Alltag praktizieren. Ich höre so oft, man müsse Christen im Alltag praktizieren, und dann folgen ein paar moralische Lehren. Ach du liebe Zeit! Ich sage Ihnen: Wir sind ohnmächtig. Christen im Alltag zu praktizieren heißt, dass wir Ohnmächtigen die Herrlichkeit und Macht unseres Heilandes im Alltag in Anspruch nehmen – heute Nachmittag, morgen früh nicht, sondern jetzt. Darauf dürfen wir vertrauen: Wir haben einen herrlichen Heiland.
Was bedeutet es, die Macht Jesu in Anspruch zu nehmen? Das möchte ich Ihnen noch einmal kurz an den drei Punkten zeigen, an denen wir unsere Ohnmacht sahen: am Tod, am Leben und am Guten tun.
Ich sage: Wir sind dem Leben gegenüber so ohnmächtig. Es zerbricht unsere Hoffnung, unser Ideal, unseren Mut, unsere Liebe. Alte Leute sind ausgebrannt. Nun will ich Ihnen zwei Bibelworte nebeneinanderstellen.
Jesus sagt: „Ohne mich könnt ihr nichts tun.“ Und der Apostel Paulus antwortet: „Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus.“ Das heißt: Jesus macht unser Leben möglich. Wir sollen dem Herrn glauben. „Ohne mich könnt ihr nichts tun“ – also ihr könnt einiges tun, aber seht ihr das Ergebnis? Paulus sagt: „Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus.“
Vor kurzem sprach ich wieder mit einem Mann, dem ich das Evangelium bezeugen wollte. Er winkte ab und sagte nur bitter: „Ich habe so viel durchgemacht.“ In diesem Satz lag Bitterkeit und Hass – gegen Gott, falls es ihn gibt, gegen die Menschen, gegen das Leben und gegen alles.
Jetzt stehe ich da neben Paulus, der noch mehr durchgemacht hat als dieser Mann, der – Entschuldigung – manchmal den Gleismann nennt. Ich sehe ein Wort von Paulus: „Wir rühmen uns auch der Trübsale.“ Wenn es wirklich hart wird, dann lernen wir glauben, lieben und hoffen. „Wir rühmen uns der Trübsale, denn sie kommen aus der Hand unseres Herrn.“
Verstehen Sie? Das heißt, mit dem Leben fertig werden und nicht daran zerbrechen. Das heißt, die Mühle selber drehen und nicht durchdreht werden.
Ich sagte: Wir sind dem Tod gegenüber so ohnmächtig. Ja, wir sind sehr ohnmächtig dem Tod gegenüber. Ich war einmal in Paris. Da ging ich mit einem Bekannten durch den Louvre – das Schloss, das der mächtige Sonnenkönig Ludwig XIV. bewohnt hat. Größer als der Vatikan. Und der Louvre ist heute ein Museum.
Mich interessierte, warum Ludwig XIV. diese Residenz aufgegeben hat und stattdessen in Versailles ein neues Schloss bauen ließ, außerhalb von Paris. Man erzählte mir – ich weiß nicht, ob es stimmt, aber es passt zu Ludwig dem Vierzehnten – dass neben dem Louvre eine Kirche war, deren Glocken bei jeder Beerdigung läuteten und jedes Mal riefen: „Bedenke, dass du sterben musst.“
Das konnte der mächtige Sonnenkönig nicht ertragen. Er floh vor der Erinnerung an seine Ohnmacht und ließ sich in Versailles ein neues, herrliches Schloss bauen. Die Todeswelt mit ihrer zähneknirschenden Ohnmacht gegenüber dem Tod – das erleben wir, solange wir ohne Jesus sind.
Nun sage ich: Wir dürfen Jesu Macht auch dem Tod gegenüber in Anspruch nehmen. Und dann spricht Paulus: „Ich habe Lust abzuscheiden und bei Christus zu sein, nach Hause zu gehen.“ Wenn man Jesu Macht in Anspruch nimmt, dann ist man mit Luther ein Spott, der tot ist, für mich ein Tour nach Hause zu gehen.
Jesu Macht in Anspruch nehmen – fürs Leben, fürs Sterben.
Kommen wir zum Schluss: Jesu Macht in Anspruch nehmen, wenn es darum geht, das Gute zu tun und den Willen Gottes zu erfüllen. „Wollen habe ich wohl, das Gute zu tun, finde ich aber nicht.“ Können wir dazu auch Jesu Macht in Anspruch nehmen? Ja!
Jesus ist nicht nur für uns gestorben, sondern wir dürfen mit ihm sterben. Das ist der Sieg über die Natur. Die Christgläubigen kreuzigen ihre Natur samt den Lüsten und Begierden. Paulus sagt: „Ich bin mit Christus gekreuzigt, in ihm bin ich ans Kreuz genagelt.“ Das ist der Sieg über die Natur, meine Freunde!
Jesu Sterbensmacht dürfen wir in Anspruch nehmen. Aber das muss man täglich üben. Und ich fürchte, dass wir im besten Falle alle erst am Anfang dieses Trainings stehen.
Wir wollen beten:
„Liebe, zieh mich in dein Sterben,
lass mich mit dir gekreuzigt sein,
was dein Reich nicht kann ererben,
führ uns ins Paradies ein! Amen!“
Schlussgebet und Lobgesang
Wir wollen stehenbleiben und aus dem Lied 208, Vers singen.
Nachher singen wir stehend aus Anhang 36, Vers 3: „Dir nur will ich leben und für dich nur sein.“
Gebe Gott, dass wir es wirklich in Wahrheit singen und dabei nicht lügen.
Wir wollen stille werden.
Unser Vater im Himmel,
dein Name werde geheiligt,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden.
Unser täglich Brot gib uns heute,
und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Herr, segne uns und behüte uns!
Herr, lass dein Angesicht über uns leuchten und sei uns gnädig!
Erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns Frieden!
Amen!