Einführung in den Predigttext und seine Bedeutung
Ich habe für heute einen Predigtabschnitt aus dem Epheserbrief, Kapitel 1, Verse 15 bis 20, ausgesucht. Über diesen Abschnitt wird normalerweise nicht gepredigt. Wahrscheinlich liegt das daran, dass Paulus in diesen Versen ungeheuer viel hineinpackt. Sie sind dicht und schwer beladen.
Gerade deshalb können sie uns aber auch besonders viel sagen. Es geht um das Gebet um Erkenntnis der Herrlichkeit Christi. Paulus schreibt: „Darum auch ich, nachdem ich gehört habe von dem Glauben bei euch an den Herrn Jesus.“ Damit meint Paulus den Glauben der Gemeinde von Ephesus. Ebenso erwähnt er „eure Liebe zu allen Heiligen“. Diese beiden Punkte waren ihm wichtig: Glaube an den Herrn Jesus und die Liebe zu allen Heiligen.
Heilige sind die Menschen, die Jesus durch sein Blut in der Vergebung ihrer Sünden gereinigt und geheiligt hat. Es sind keine fehlerlosen Menschen, sondern solche, die die Vergebung Jesu so durchgreifend erfahren haben.
Paulus fährt fort: „Da höre ich nicht auf, zu danken für euch und gedenke euch in meinem Gebet.“ Er bittet, dass „der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit, euch gebe den Geist der Weisheit und der Offenbarung, ihn zu erkennen.“ Außerdem möge Gott „euch erleuchtete Augen des Herzens geben, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid, wie reich die Herrlichkeit seines Erbes für die Heiligen ist und wie überschwänglich groß seine Kraft an uns, die wir glauben.“
Diese Kraft ist „die Macht seiner Stärke, die bei uns wirksam wurde, mit der er in Christus gewirkt hat.“
Herr, lass doch das Gebet des Paulus auch bei uns Frucht zeigen. Amen.
Persönliche Eindrücke und Gedanken zur Weltgeschichte und Gemeinde
Es war gerade jetzt auf dem Rückflug aus Indien mit meinem Billigflug von Air India. Glücklicherweise hatte der Flug zwei Stunden Verspätung, sodass gerade am Morgen die Sonne aufging. Im Flugzeug lief ein Film, irgendein langweiliger Film.
Hinten an der Tür war eine Fensterklappe nicht geschlossen, und ich konnte hinausschauen und die aufgehende Sonne sehen. Dabei bemerkte ich, wie wir genau über den Kuiper Pass nach Afghanistan hineinflogen. Unter mir sah ich Kabul. Später flogen wir über die Sowjetunion, Dushanbe und Kirgisien.
Ich blieb dort oben stehen und dachte hinunter: Da unten wird Weltpolitik gemacht. Afghanistan – das wusste ich gar nicht – ist auf der indischen Route ein Konfliktgebiet, das die Welt bewegt. Als ich länger darüber nachdachte, meinte ich plötzlich: Ach, die ganzen Themen der Weltpolitik, so aufregend sie auch sind, die Machtkämpfe der Völker, sie vergehen.
Durch die Jahrhunderte hindurch bleibt das ein Ringen dort unten um die Seidenstraße, um den Zugang zu den Schätzen Chinas. Was wird uns in der aufgeregten und wilden Weltgeschichte noch alles an Themen erregen? Eigentlich ist eine andere Geschichte in dieser Welt viel bedeutsamer: die Geschichte, wie Gott mitten in dieser Welt seine Gemeinde gründet.
Das sieht alles viel kümmerlicher aus. Wie viele sind es heute Morgen, die sich in Stuttgart versammeln, um Gott die Ehre zu geben und ihn anzubeten? Aber das wirkliche Thema der Weltgeschichte ist doch: Menschen haben sich von Gott losgerissen und ihm den Gehorsam aufgekündigt. Die Welt hat einen Aufstand gegen Gott gemacht. Wir wollen selbstbestimmen.
Und Gott wirbt in Liebe und Güte durch sein Wort und ruft Menschen zur Umkehr. Haben sie sich rufen lassen? Gehören Sie dazu, zur Gemeinde Jesu? Ganz gleich, ob Sie jetzt ein eingeschriebenes Mitglied hier oder dort sind – gehören Sie zur Gemeinde Jesu, diesem auserwählten Volk, zum königlichen Priestertum Jesu?
Die Bedeutung der Gemeinde Jesu und persönliche Erfahrungen
Ich habe diesen Text heute ausgewählt, weil ich Ihnen deutlich machen möchte, was es bedeutet, wenn Christen zusammenkommen und Gemeinschaft miteinander haben.
In den letzten Tagen hat mich das in vielen Begegnungen auf dem großen indischen Kontinent tief erfüllt. Am letzten Sonntagnachmittag durfte ich einen von drei Gottesdiensten halten – in einem Slum in Madras, in einer ganz kleinen Kirchenbaracke.
Was soll man dort predigen vor den Menschen, denen das Notwendigste zum Leben fehlt? Ich erzählte von den furchtbaren Kriegstagen, die ich als Kind erlebte, und von der Geborgenheit, die man bei Jesus findet. Ich sehe noch einen alten Mann hinten an der Wand sitzen, der nur mit dem Kopf nickt – erfahren, dass der Herr sein Hirte ist und ihm nichts mangelt, selbst im Slum von Madras.
Verstehen Sie, was das Geheimnis der Gemeinde Jesu ist? Menschen sagen: „Ich habe gefunden, ich habe das Leben.“ Andere Dinge fesseln sie nicht mehr. Und wenn sie heute Morgen kommen, erfüllt von Sorgen, Nöten und Problemen, die sie mitgebracht haben, dann wollte ich, dass Sie plötzlich eine ganz andere Richtung sehen. So wie man wegschauen muss von den Themen der Weltgeschichte und den aufregenden Tagesnachrichten.
Da läuft die eine Gottesgeschichte mit der Welt. Und da ruft Gott in diese Welt hinein und sammelt sich seine Gemeinde aus allen Völkern, Nationen und Sprachen.
Wir erleben hier, wie Paulus, der als Apostel den Grund gelegt hat, auf dem Grund der Apostel diese Gemeinde gegründet ist. Er betet für diese Gemeinde. Es geht ja nicht nur um die Gemeinde in Ephesus, sondern auch um uns.
Wie hat Paulus gerungen und gesagt: Es ist mir so wichtig, dass ihr wirklich als Gemeinde wachst – nach innen und nach außen. Dass ihr zunehmend an Erkenntnis gewinnt, dass euer Christenstand profunder und verlässlicher wird und dass euer Leben erfüllt ist mit der Erfahrung dessen, was euch Christus täglich schenkt.
Die drei zentralen Anliegen des Paulusgebets
Er beginnt damit, Dank auszusprechen. Er hat das Wunder miterlebt, als diese Gemeinde entstanden ist – damals in einer Stadt, die stark vom Tempelkult der Artemis, auch Diana genannt, geprägt war. Artemis ist der griechische beziehungsweise lateinische Name für diese Göttin. Viele Menschen verehrten damals diese schrecklichen sechs Statuen dieser Frau.
Doch Jesus hat in Ephesus eine Gemeinde gesammelt. Nun betet Paulus und ringt um die Gemeinde, damit sie für den Herrn standhaft bleiben kann.
Heute Morgen ist es mir besonders wichtig, dies allen deutlich zu machen: Sie sollen sich vor Gott fragen, ob ihr Leben wirklich ganz im Dienst Jesu gelebt wird. Dafür habe ich drei Punkte ausgewählt.
1. Jesus immer mehr entdecken
Sie müssen immer mehr Jesus entdecken. Würden Sie sagen: „Ich kenne doch Jesus. Ich habe doch schon so viel mit ihm erlebt“? Paulus betet hier, dass man Jesus immer mehr entdeckt – immer mehr. Man kann überhaupt nie zu einem Ende kommen.
Vers 17: Das ist sicher der erste Punkt. Wenn jemand Christ wird, genügt es nicht, sich nur dem Namen nach als Christ zu bezeichnen. Es ist wichtig, dass man plötzlich merkt: Jesus ist nicht nur ein ferner Guru, der vielleicht einmal ein paar Taten vollbracht hat. In Jesus kommt heute die ganze Größe des heiligen Gottes zu mir. Jesus ist der, der die Hand nach mir ausstreckt, der mir vollgültig die Schuld meines Lebens vergeben kann, der Richter des Jüngsten Tages. Das ist die Erkenntnis Jesu, wie man sie bei der Bekehrung hat.
Was muss man jetzt noch weiter erkennen? Darüber hinaus können Sie gar nicht fertig werden. Im Lauf Ihres Lebens, durch den ganzen Werktag hindurch, können Sie die Nähe Jesu immer wieder erspüren. Ich weiß ja, wie es bei Ihnen ist: Wenn Sie morgen und übermorgen im Druck Ihrer Termine und vielen Aufgaben stehen, dann können Sie gar nicht mehr daran denken, dass Jesus vor Ihnen steht, der die Hände ausstreckt und Sie tragen will. Wie oft sind da unsere Blicke kleingläubig, furchtsam und ängstlich. Dann kommen Zweifel und Fragen.
Darum bittet Paulus Gott, dass er der Gemeinde – den jung bekehrten Christen – den Geist der Weisheit schenkt. Das ist so wichtig: den Geist der Weisheit. Das ist jetzt nicht bloß ein Bücherstudium. Es ist auch wichtig, dass man viel seinen Verstand trainiert. Das wird in der Bibel nie abgewehrt. Aber das Entscheidende ist, dass der Geist Gottes uns immer wieder gerade in den Krisensituationen unseres Lebens den Blick schenkt, sodass wir wissen: Da ist Jesus da.
Wenn Sie auf dem Weg sind, zum Operationssaal fahren und dann auf einmal kann einer sagen: „Ich bin ganz ruhig. Jesus ist da, ich weiß es, ich kann ihn erkennen.“ Ein Geist der Weisheit, der sich nicht verrückt machen lässt durch alle irdischen Aufregungen, durch das, was man sieht, durch die Ereignisse, durch das, was uns manchmal so sorgenvoll macht. Der Geist der Weisheit durchschaut die Dinge und sieht dahinter.
Schön, dass im Neuen Testament auch erzählt wird, dass die Jesusjünger manchmal ihren Herrn und Meister nicht erkannt haben. Das kann man sich kaum vorstellen, sie waren doch so nah um ihn herum und hatten dauernd mit ihm zu tun. Es wird erzählt, wie einmal in einem wilden Sturm auf dem See, als die Wellen hochgingen und die Winde tobten, Jesus über die Wellen schritt. Die Jünger schrien entsetzt auf und dachten, es wären Gespenster. Sie müssen doch ihren Herrn kennen, sie müssen doch Jesus kennen.
Aber so sind wir: so wenig weise, dass wir in den Krisenpunkten unseres Lebens meinen, unser Glaube wäre eine Halluzination, eine Täuschung, ein Gespenst. Der Herr gebe uns den Geist der Weisheit! Wer von Ihnen mit seinen Zweifeln ringt, der darf darum bitten: „Herr, ich muss erst weise werden.“
Schwierig ist es immer nur, wenn Leute Zweifel haben, die sagen: „Ich bin zu gescheit. Verstehen Sie, die ganze Bibel kann vor meinem kritischen Geist nicht bestehen. Und ich habe so viel Geist mitbekommen, dass ich bloß verächtlich das Bibelwort lesen kann.“ Dann wird es schwierig.
Wo aber Leute so demütig sind, dass sie sagen: „Ich brauche den Geist der Weisheit, Herr, gib mir deinen Geist der Weisheit!“ Da erhört der Herr das Gebet und schenkt das, dass man ihn erkennen kann.
Eine andere Szene, die erzählt wird, ist die von zwei Jüngern Jesu, die in einer schweren Traurigkeit, vielleicht sogar einer richtigen Depression, einen Spaziergang in das kleine Dörflein Emmaus gemacht haben. Sie waren so traurig, da naht sich von hinten her Jesus und spricht mit ihnen – und sie merken es gar nicht.
Ist das bei Ihnen auch so, dass Sie abends in Ihrem Zimmer sitzen und sagen: „Ich bin so traurig“ und Sie sehen nicht, dass Jesus neben Ihnen steht und seine Siegeszeichen in Ihr Leben hineingibt? Daher gebe er uns den Geist der Weisheit und der Offenbarung, ihn zu erkennen. Da muss Gott uns wirklich den Vorhang wegziehen, damit wir durchblicken können und ihn sehen.
Ich muss Ihnen sagen, warum ich dieses Bibelwort so liebe. Ich habe noch nie in meinem Leben darüber gepredigt, aber es ist unser Hochzeitstext. Wir haben in unserer Ehe folgende Abmachung getroffen: Meine Frau sucht die Namen für die Kinder raus, und ich suche den Hochzeitstext aus.
Das war vor meinem ersten Pfarramt, das ich damals im Schwarzwald antrat. Mir war es so wichtig, dass ich im ganzen Leben einer sein möchte, der bloß so ein bisschen was genippt hat, so einen kleinen Spalt erst geöffnet gesehen hat von der Tür. Ich will immer mehr von ihm entdecken, bis ich ihn einmal in der Herrlichkeit sehen darf – Jesus. Und da will ich von Tag zu Tag weiter vorstossen.
Dann geht es ganz merkwürdig: Ich sehe von Tag zu Tag immer mehr meine Mängel. Und immer größer wird mir, wie Jesus alle meine Sünden vergibt und alle meine Gebrechen heilt. Mir wird es immer gewaltiger, dass wir Jesus nur kennen in seiner barmherzigen Liebe, wie er uns nachgeht, von Stunde zu Stunde, und uns trägt mit rührender Geduld.
Ich war bei einer Missionskonferenz, die vom 4. bis 8. Januar in Pune stattfand. Ich konnte nur einen Tag daran teilnehmen, aber ich traf dort einen indischen Sadhu, der sich in diese Gewänder gehüllt hat, wie sie sonst dort die Weißen tragen. Er hatte einen großen, langen Bart, war ein alter Mann, der von Ort zu Ort zieht und mit den Menschen redet. Er war ein Jesusjünger.
Wenn man dann mit ihm mit gekreuzten Beinen im Gras saß und er anfing zu erzählen, sagte er: „Ach, die Weisheit Indiens, ihr meint, die sei groß.“ Dann fing er an, über jedes Wort der Bibel zu sprechen. Man konnte ihn kaum stoppen. Er legte aus, wie alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis darin liegen. Er sagte: „Wer einmal anfängt, im Wort Gottes zu graben, der sieht erst in all seinen großen geistigen Bezügen die Mitte, das Ziel und das Ende.“
Das ist so wichtig, dass man weiß: Von Jesus her kann ich nur mein Denken richtig neu ordnen. Also ist es jetzt wichtig, dass Sie Jesus immer mehr entdecken in Ihrem Leben. Meinen Sie nur nie, damit seien Sie fertig und jetzt seien andere Themen dran. Das bleibt das Thema, bis wir einmal vor ihm stehen. Und…
2. Staunen über die Zukunft und Zuversicht
Das Zweite ist, wir müssen immer mehr staunen. Über mehr Erstaunen – über was denn? Paulus spricht hier von der Zukunft und von der Zuversicht, die er hat. „Er erleuchte die Augen eures Herzens“, heißt es im Vers 18. Das bedeutet, dass ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid und welche Zukunft er euch schenkt.
Was meint er damit, welche Zukunft? Ganz einfach: Es geht darum, wie ihr euer Leben in der nächsten Woche weiterführt. Manche von Ihnen haben eine ganz gehörige Portion Sorgen mitgebracht. Wie geht das alles weiter? Paulus sagt, bei Glaubenden ist das ja merkwürdig: Sie haben nicht nur Optimismus, sondern eine echte Zuversicht. Eine grenzenlose Zuversicht, weil sie auf Jesus blicken. Sie sagen: „Er geht ja voran.“ Alles, was Jesus an Zusagen und Versprechungen gibt, begleitet sie. Sie haben eine wunderbare, große Zukunft vor sich.
Manchmal könnte man ja Angst bekommen: Wie geht denn überhaupt die Zukunft bei uns weiter, gerade in unseren privaten Beziehungen? Wir erleben ja auch viele Krisen in unserem eigenen Leben. Das ist jetzt so wichtig: Paulus betet für die Gemeindeglieder in Ephesus und sagt, er tritt für sie ein. „Ich bete jetzt für euch, damit ihr die Augen eures Herzens erleuchtet bekommt.“ Warum spricht er in so einer ungewöhnlichen, fast frömmelnden Sprache? Nein, mit dem Herzen sieht man besser. Er meint, dass man diese Erkenntnis nicht mit dem krübelnden Verstand bekommt. Sondern genau da, in deinem Herzen, wo sonst Sehnsüchte und Träume regieren, wo dein Fühlen liegt.
Du sollst ein Gefühl dafür bekommen, von deinen ganzen Sehnsüchten und Wünschen her, dass der Herr dir deine Zukunft ebnet. Und eine Zuversicht haben. Manchmal sind Christen ein wenig mutlos, weil sie sagen: „Ich habe so viel erlebt, was der Teufel zerstören kann. Ich weiß sogar, wie untreu ich bin.“ Aber die Zuversicht kommt daher, dass dieser Herr uns vorangeht und uns mutig und zuversichtlich macht. Damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid und welchen Reichtum an Herrlichkeit er für euch bereitet.
Stellen Sie sich vor, in einem Millionärshaus wird ein Baby geboren. Das Kind liegt in der Wiege, wie alle Babys. Aber das Kind hat eine tolle Zukunft vor sich. Ob sie wirklich toll ist, ist eine andere Frage. Reichtum bringt ja nicht nur Freude mit sich. Aber das Erbe – in das Erbe wächst das Kind hinein. Wenn das Kind mit achtzehn sagt: „Ich pfeif auf meine Eltern, es geht mich nichts an und ich will nichts mehr von euch wissen“, kann es das Erbe verspielen.
So sollen Sie erkennen, dass Jesus ein großes Erbe für Sie bereitet – nicht nur für die Ewigkeit. Er hat so viele Pläne, die er in Ihrem Leben verwirklichen will. Ich möchte gerade bei denen, die die ersten Schritte im Glauben machen, immer wieder eine neue Dynamik wecken. Sie sollen voller Spannung sein und sagen: „Ich möchte noch so viel in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten mit Jesus erleben, auch in diesem neuen Jahr 1988. Ich bin gespannt, was er tut.“
Denn das herrliche Erbe liegt bereit, seine großen Zusagen, die er einlöst, zu denen Jesus steht und die er erfüllt. Die Hoffnung, zu der ich berufen bin: Er will mein Leben erneuern. Ich darf ein gerechter Mensch werden. Wissen Sie, dass Sie Versuchungen und Sünde unter Ihre Füße bekommen können? Wissen Sie, dass Sie mit Jesus herrschen sollen? Dass Sie Aufgaben anpacken, zu denen Gott Sie befähigt und ausrüstet?
Man kann immer nur staunen über das große Ziel. Einige von uns machen gerade ihre Reifeprüfung. Wenn man ihnen in die Augen sieht, sind sie so reif wie ein saftiger Edamer. Aber es wäre schlimm, wenn Ihr Christenleben auch so wäre: „Jetzt bin ich reif, habe die Fülle erreicht, jetzt bin ich so richtig.“ Ein Abiturient, der sagt: „Jetzt stehe ich auf der Spitze meines Lebens.“ Wer sich noch daran erinnert, weiß, wie schön diese Tage waren – und wie ernüchternd die Erkenntnis, dass die Lebensprüfungen weitergehen.
In der Reife des Christseins haben wir noch einen großen Weg vor uns, bis wir die Reife erreichen, in der Christus uns umgestaltet. Lassen Sie sich behauen wie ein Steinblock, an dem er herummeißelt. Wissen Sie, dass auch die Schwierigkeiten, die Sie durchstehen müssen, dazu dienen, Sie zu vervollkommnen. Sie werden bearbeitet, reifer auf die Zukunft hin, zu der er Sie berufen hat.
Mich hat beeindruckt, wenn man indische Christen trifft, die eine Bibelschule leiten, Evangelisten ausbilden – ein kleines Werk. Sie wissen, wie knapp die Mittel dort sind. Doch an der Tafel hatten sie ihre Zukunftspläne für die nächsten zehn Jahre aufgeschrieben. Wissen Sie, was sie planen? In den nächsten zehn Jahren wollen sie tausend neue Gemeinden gründen – in Gebieten, wo es noch keine Christen gibt.
Es ist so peinlich, wie genügsam wir im Westen geworden sind. Wie alles nur noch zur Tröstung unseres Seelenheils dient. Wenn wir wieder so eine Dynamik hätten und sagen würden: „Wir wollen Stuttgart evangelisieren.“ Sie wohnen in einem Stadtteil, wo niemand ist? Dann möchten Sie dort einen Hauskreis anfangen. Sie möchten Kinder sammeln, eine Kindergruppe gründen? Wir helfen Ihnen gerne.
Aber die Dynamik muss kommen. Ich möchte doch erkennen, zu was ich berufen bin. Wozu lebe ich? Was hat Christus mit mir vor? Ich will doch etwas für ihn tun. Ich will das Erbe antreten und es heute schon tüchtig nutzen und damit wuchern.
Das Dritte: Immer mehr stark zu werden.
3. Immer mehr stark werden durch Gottes Kraft
Mit dem Starkwerden ist es oft wie mit der Weisheit: Man meint, man sei schon ganz weit oben. Wenn Paulus jedoch betet, dass die Gemeinde stark und belastbar wird, dann war das auch für ihn immer wieder eine wichtige Bitte. Er brauchte sie, denn in seinem Dienst hat er erfahren, wie seine körperlichen Kräfte für die großen Belastungen, denen er ausgesetzt war, nicht ausreichten.
Sie wissen von dem „fahlen Fleisch“, das er trug. Es war schwer für ihn, all das durchzustehen. Doch dann sagt er hier, wie überschwänglich groß seine Kraft an uns ist. Diese Kraft habt ihr alle erfahren. Sonst wäre es gar nicht möglich gewesen, dass ihr glauben könnt. Das ist schon ein Wunderbeweis der großen Stärke Jesu.
Wenn die Kraft Jesu euch erfüllt, dann spricht Jesus nie von unserer eigenen Kraft. Bei der Missionskonferenz sagte der Leiter des Sozialwerks der Evangelikalen in Indien, Sibi Samuel, sehr eindrucksvoll: Manche, die sich für den Dienst im Reich Gottes bewerben, meinen, man müsste ihnen als ersten Satz sagen: „Auf dich hat Gott schon lange gewartet, dich hat Gott nötig.“ Doch Gott braucht unsere Kraft nicht – nicht unsere lächerliche, sterbliche, zerbrechliche Kraft. Er hat unendliche Kraft, derjenige, der das Weltall geschaffen hat und die Planeten auf ihrer Bahn hält.
Wer die Energie der Vulkane geschaffen hat, braucht doch nicht unsere kleine, lächerliche Körperkraft. Er will mit seiner göttlichen Kraft in unserem Leben wirken – heute. Denken Sie daran, wenn Sie einen Brief schreiben oder jemanden besuchen: Herr, deine Kraft kann jetzt wirken. Das ist der Grund, warum wir hier Gottesdienst halten. Vorher haben wir in der Gebetsgemeinschaft gebetet: Herr, du kannst jetzt wirken, nicht der Mensch.
Ein Mensch kann mit der gleichen Kraft wirken, mit der Gott in Jesus gewirkt hat. Als dessen toter Leichnam im Grab lag, hat Gott ihn auferweckt. Wenn Gott mit seiner Kraft und Energie sogar solche Dinge bewirken kann, wie kann er dann erst in unserem Leben wirken? Er kann große Dinge möglich machen, das wissen wir, er kann Wunder tun. Aber das Allergrößte ist, dass er in unserem schwächlichen, kümmerlichen Leben gewaltige Dinge tun kann.
Rechne doch mit dieser Kraft Jesu, strecke dich immer mehr danach aus und stelle dich in den Dienst! Mich hat beeindruckt, wie diese indischen Christen in ihrer ganzen Ohnmacht und Schwäche dies wagen. Über zweitausend Missionare haben sie selbst ausgesandt. Die Gemeinden haben das auf ihre eigenen Kosten ermöglicht.
Auf die Frage, was sie den Missionaren bezahlen könnten, da es ja Familien mit vielen Kindern sind, antworteten sie: 400 Rupien, das sind etwa 50 Euro. Davon kann man nicht leben, sagt man. Sie müssen leben und auf den Herrn vertrauen. Und sie wollen nichts mehr geben, weil der Herr seine Wunder tut.
Diese Leute gehen hinaus zu den Kastenlosen in den Hügeln, die in der indischen Gesellschaft diskriminiert sind. Ich traf solche Menschen oben an der tibetischen Grenze, wo man herrlich die Schneeberge leuchten sah. Sie leben in Dörfern ganz allein. Als ich sie fragte, ob sie auch um Jesu willen leiden, sagten sie: „Wir werden oft geschlagen, wenn wir auf der Straße von Jesus reden.“
Doch sie sind Zeugen seiner Macht. Sie bekennen Jesus, auch wenn sie geschlagen und verhöhnt werden, und wollen seine Zeugen sein, weil die Kraft wirkt. Das will Jesus auch in ihrem Leben tun.
Gemeinschaft im Gebet und Abschluss
Haben Sie jemanden, der für Sie betet? Schließen Sie sich einem Gebetskreis an. Bitten Sie andere, für Sie zu beten. Beten Sie mit anderen und beten Sie auch für andere.
Gemeinde wächst dort, wo wir wieder füreinander beten. So geschieht es, dass wir immer mehr auf Jesus blicken und zunehmend auf die Zukunft hoffen. Wir erwarten die großen Gaben Jesu und rechnen immer mehr mit seiner Kraft.
Selbst Menschen im Alter von weit über achtzig können noch viel bewirken – in der Kraft Gottes. Amen.
