Ich möchte euch von einer Prüfung erzählen, die gute Freunde von uns durchmachen mussten. Vor vielen Jahren erhielten meine Frau und ich von diesen Freunden eine E-Mail mit folgendem Inhalt:
„Wir müssen uns darauf einstellen, dass unser Kind mit einer wesentlichen Behinderung auf die Welt kommen wird. Wie schwerwiegend diese sein wird, lässt sich derzeit nicht sagen. Viele Kinder mit dieser Erkrankung sind als Neugeborene nicht lebensfähig. Wir schreiben euch das nicht, um euch zu beklagen, sondern zu informieren und mit der Bitte, dass ihr uns und unser Baby im Gebet unterstützt. Wir nehmen die Situation aus Gottes Hand, der keine Fehler macht. Auf welche Weise er seine Herrlichkeit zeigen möchte, wissen wir nicht.“
Diese E-Mail finde ich bis heute sehr beeindruckend. Ich würde sagen, sie ist auf eine herzzerreißende Weise beeindruckend. Da ich die Absender kannte, wusste ich, dass es kein bloßes Lippenbekenntnis war.
Ich erinnere mich noch gut daran, wie mich diese Mail vor Jahren als Jesusnachfolger und als Pastor sehr herausgefordert hat. Ich stellte mir die Frage: Was muss ich verinnerlicht haben, um in einer solchen Prüfungssituation so reagieren zu können wie unsere Freunde?
Die Herausforderung der Prüfungsvorbereitung
Weil mir damals klar wurde, dass ich auf einen solch leidvollen Hammerschlag in dieser Weise reagieren muss, wurde mir auch bewusst, dass ich irgendwie vorbereitet sein muss. Aber wie?
Ich habe mir die Frage gestellt: Wie bereite ich die Menschen in meiner Gemeinde, die Gott mir anvertraut hat, auf solche Situationen vor? Wie bereite ich sie vor, wie bereite ich mich vor, wie bereiten wir uns vor auf solche oder ähnliche Situationen? Was müssen wir verinnerlichen, um Bewährungsproben dieser Art zu bestehen?
Es geht heute Morgen in dieser Session um Prüfungsvorbereitung. Ich habe keine Ahnung, warum ihr euch freiwillig einem solch unerquicklichen Thema stellt. Vielleicht waren die anderen Themen schon voll, keine Ahnung. Darum geht es.
Wir beschäftigen uns damit anhand der Bibel. Es wird also wirklich eine Bibelarbeit, eine Predigt. Ich möchte euch gerne den Text lesen, der der ganzen Sache zugrunde liegt. Wenn ihr eure Bibeln dabei habt, schlagt bitte den ersten Petrusbrief auf, Kapitel 1, die Verse 3 bis 7. Das iPhone geht auch, aber die Bibel in Papierform ist besser. Das sage ich den Studenten, aber das ist eine andere Geschichte.
1. Petrus 1,3-7: Gepriesen sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus! In seinem großen Erbarmen hat er uns durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten ein neues Leben geschenkt. Wir sind von Neuem geboren und haben jetzt eine sichere Hoffnung, die Aussicht auf ein unvergängliches und makelloses Erbe, das nie seinen Wert verlieren wird.
Gott hält es im Himmel für euch bereit und wird euch, die ihr glaubt, durch seine Macht bewahren, bis das Ende der Zeit gekommen ist und der Tag der Rettung anbricht. Dann wird das Heil in seinem ganzen Umfang sichtbar werden.
Ihr habt also allen Grund, euch zu freuen und zu jubeln, auch wenn ihr jetzt nach Gottes Plan für eine kurze Zeit Prüfungen verschiedenster Art durchmachen müsst und manches Schwere erleidet. Denn diese Prüfungen geben euch Gelegenheit, euch in eurem Glauben zu bewähren.
Genauso wie das vergängliche Gold im Feuer des Schmelzofens gereinigt wird, muss auch euer Glaube, der ja unvergleichlich viel wertvoller ist, auf seine Echtheit geprüft werden. Und wenn dann Jesus Christus in seiner Herrlichkeit erscheint, wird eure Standhaftigkeit euch Lob, Ruhm und Ehre einbringen.
Das ist das Wort Gottes.
Grundgerüst der Predigt: Prüfungen im Leben eines Christen
Weil wir keinen Beamer, keine PowerPoint und keine weiteren Hilfsmittel haben, hier ein Gerüst für euer Gehirn für die nächsten knapp 35 Minuten.
Drei Dinge stehen im Mittelpunkt: Erstens die Unausweichlichkeit von Prüfungen, zweitens die Hoffnung in Prüfungen und drittens der Zweck von Prüfungen.
Bevor wir uns den Text genauer anschauen, müssen wir zunächst verstehen, dass Prüfungen, Schwierigkeiten und Leid im Leben eines Christen unvermeidbar sind. Das wird deutlich durch einen kurzen Vorgriff in unserem Text auf Vers 6. Dort schreibt Petrus: „Ihr habt also allen Grund, euch zu freuen und zu jubeln, auch wenn ihr jetzt nach Gottes Plan für eine kurze Zeit Prüfungen verschiedenster Art durchmachen müsst und manches Schwere erleidet.“
Die Normalität von Prüfungen im christlichen Leben
Und das Erste, was uns hier auffällt, ist, dass Petrus nicht sagt: Ja, falls das mal zufällig passiert, wovon wir aber nicht ausgehen, Gott bewahre, sondern er sagt: Dann, wenn.
Er erachtet es also für normal; es wird in aller Regel passieren. Wenn es passiert, dann sollt ihr vorbereitet sein. Wundert euch also nicht darüber!
Das Wort, das hier in der NGÜ mit Prüfung übersetzt wird, hat ein relativ breites Bedeutungsspektrum. Es kann Versuchung bedeuten, Anfechtung oder im weitesten Sinne Bewährungsproben und Leiden.
Es ist relativ spannend, wenn man Autoren liest, die sich mit dem Thema Leid und Leiden beschäftigen – egal, ob es Christen oder säkulare Autoren sind. Sie stellen im Prinzip alle dasselbe fest: Es hat in der Geschichte keine Zeit gegeben, in der Bewährungsproben, Prüfungen und Leid als so unnormal betrachtet wurden wie in unserer Zeit.
In den meisten Abschnitten der Geschichte und in den meisten Kulturen, soweit ich das überblicken kann, waren leidvolle Situationen und Anfechtungen relativ normal. Sie wurden als normal angesehen. Man könnte ein bisschen platt sagen: Die Menschen wussten, dass das Leben hart ist, dass das Leben brutal sein kann und dass das Leben schwere Erfahrungen beinhaltet. Leiden war normal.
Heute haben wir extrem große Schwierigkeiten mit Leid, mit Bewährungsproben und mit Prüfungen. Die Frage ist: Warum?
Ich glaube, die naheliegendste Antwort ist, dass wir in einer säkularen Gesellschaft leben, die uns auf allen Kanälen vermittelt, dass du das Glück, die Erfüllung und das, was du dir wünschst, im Hier und Jetzt erreichen musst. Warum? Weil es außerhalb dieser Welt nichts anderes gibt.
Auf allen Werbekanälen wird uns klargemacht: Gesundheit, Komfort und Wohlstand brauchst du jetzt – am besten gleich und sofort. Denn du hast nur diese eine einzige Chance. Es gibt keine zweite.
In den meisten Kulturen vergangener Zeiten und in anderen Teilen der Welt bis heute – egal, welche Religionen dort vorherrschend sind – ist man meist davon ausgegangen oder geht davon aus, dass diese Welt nicht alles ist, dass nach dem Tod noch etwas kommt.
Wir im Westen hingegen erwarten von dieser Welt alles. Wenn dann die Gesundheit wegbricht, oder der Komfort, oder der Wohlstand, dann verlieren wir alles.
Ich glaube, deshalb gerät unsere Gesellschaft so schnell in den Panikmodus angesichts einer Pandemie, einer Energiekrise oder von Kriegen vor unserer Haustür. Natürlich sind das alles schlimme Dinge, aber wir geraten in Panik, weil es unsere eine einzige Welt ins Wanken bringt, die wir haben.
Die Situation der ersten Christen und ihre Prüfungen
Wenn wir uns die Situation in diesem Text anschauen, dann werden die speziellen Schwierigkeiten der Empfänger deutlich. Diese Gruppe von Christen lebte damals in Kleinasien, dem heutigen Gebiet der Türkei, und war dort ein Fremdkörper in ihrer Gesellschaft. Allerdings nicht so ein Fremdkörper, wie es zum Beispiel Bayernfans in einem VfB-Fanblog sind.
Man ist zwar auch dort Fremdkörper, und es ist nicht unbedingt clever, sich so zu positionieren, aber hier geht es noch tiefer. Es geht eher in die Richtung dessen, was wir eben aus Laos gehört haben. Man ist Fremdkörper in einer Gesellschaft, weil das Leben dieser Christen durch die Begegnung mit dem gekreuzigten und auferstandenen Christus komplett auf den Kopf gestellt wurde. Ihre Werte haben sich verändert, und das brachte sie in Konflikt und Spannung mit der Umgebungskultur.
Die Folge davon war Verfolgung. Was genau dort geschah, wissen wir nicht im Detail. Aber es reichte sicher von Verleumdung über Ausgrenzung und Diskriminierung bis hin zu körperlichen Angriffen. Auch die Aussicht auf ein Martyrium, also den Tod für Christus, war eine reale Möglichkeit.
Jetzt thematisiert Petrus diese Dynamik der Christenverfolgung in seinem ersten Brief, Kapitel 4, etwas ausführlicher. Ich erlaube mir heute, ausgehend von diesem Text, die Anwendung ein wenig breiter zu fassen. Luther übersetzt hier mit "mancherlei Anfechtungen". Das muss uns deutlich machen: Hier geht es um Anfechtungen im weitesten Sinn.
Das kann eine schwere Krankheit sein, der Verlust eines lieben Menschen oder Krisen in der Familie. Ebenso kann es die unvermittelt auftretende geistliche Depression sein. Es können emotionale und seelische Grenzerfahrungen sein – bei euch in der Schule, im Studium oder auf der Arbeit. Genauso kann es die Konfrontation mit der eigenen Sünde, mit Schuld und Scham sein.
Natürlich können "mancherlei Anfechtungen" auch alles beinhalten, was wir zurzeit an Unsicherheit, an Einsamkeit und an Anfechtung erleben in unserer zerschundenen Kriegs- und Pandemiewelt.
Der Punkt hier ist, dass Petrus voraussetzt, dass solche Prüfungen ganz einfach Teil des normalen Lebens sind und dass Christen davor nicht immun sind. Prüfungen sind – ich würde sogar sagen gerade für Christen – ein Teil dieses Lebens. Sie sind unausweichlich und gehören dazu.
Gottes Wort verheißt uns an keiner Stelle ein schmerzfreies Leben. Deshalb sollten wir auch kein schmerzfreies Leben erwarten. Ihr könnt ja mal kurz darüber nachdenken: Mir fällt keine halbwegs prominente biblische Figur ein, von der wir aus Gottes Wort ausführlich wissen und die ein schmerzfreies Leben geführt hat. Mir fällt keine ein.
Das christliche Leben als Weg durch Leiden zur Herrlichkeit
Dieser Text im ersten Petrusbrief ist eingebettet in einen breiten Strom biblischer Theologie. Er macht deutlich, dass das christliche Leben nach einem ganz bestimmten Fahrplan funktioniert. Dieser Fahrplan führt durch Leiden zur Herrlichkeit.
Wenn man fragt, warum das so ist oder warum es so sein muss, ist die Antwort relativ einfach: Wir folgen einem Herrn, der genau diesen Weg gegangen ist – durch Leiden zur Herrlichkeit. Das ist Teil unserer christlichen DNA, würde ich sagen. Ein Leben zu führen, das auf die eine oder andere Art und Weise mal mehr, mal weniger tief durch Leiden und Schmerz zur Herrlichkeit führt.
Deshalb finde ich es zutiefst beunruhigend – und ich würde sogar sagen, unglaublich schädlich –, dass in manchen christlichen Kreisen davon ausgegangen wird oder gesagt wird, das höchste Ziel im Leben eines Christen sei, schon jetzt Leiden, Schmerz und Krankheit auf jeden Fall zu vermeiden. Das ist weder biblisch noch seelsorgerlich vertretbar. Nichts in Gottes Wort, aber auch gar nichts, deutet darauf hin, dass wir erwarten sollten, ohne Schmerz in großem Wohlstand und Komfort der ewigen Seligkeit entgegenzusegeln.
Ganz im Gegenteil: Jesus sagt in Johannes 16, in der Welt habt ihr Angst, ihr werdet traurig sein. Das ist nicht die große Ausnahme, sondern Teil dessen, was euch erwartet. Ich sage es euch ganz offen: Das ist Jesus.
Ein wenig später schreibt Petrus in seinem Brief: „Wundert euch nicht über Nöte, denkt nicht, dass euch damit etwas Ungewöhnliches zustößt.“ Wir sollten also nicht überrascht sein, wenn Schwierigkeiten, Krisenzeiten oder Prüfungen kommen.
Aber – und das ist mein erster Punkt hier – wir sollten vorbereitet sein. Versteht ihr das? Es muss eine Vorbereitung in uns stattfinden. Wir müssen das verinnerlichen, bevor Prüfungen kommen. Ich kann nicht erst dann, wenn die Prüfung oder Bewährungsprobe über mich hereinbricht, anfangen, theologisch darüber nachzudenken, wie ich das zu sortieren habe. Die Bewährungsprobe wird schwer sein.
Umso wichtiger ist es, dass ich vorbereitet bin. Das gilt für banale Prüfungen in der Schule oder im Studium genauso wie für die tiefgreifenden existenziellen Bewährungsproben des Lebens.
Hoffnung als Grundlage für das Bestehen von Prüfungen
Und das bringt uns zweitens zur Hoffnung in Prüfungen. Was muss uns erfüllen, damit wir in der Prüfung bestehen können? Um bei unserem Thema hier zu bleiben: Petrus nennt einige ganz entscheidende Dinge, die uns innerlich tief bewegen sollten, um Prüfungen zu bestehen.
Es gibt schwerwiegende theologische Wahrheiten, die nicht nur für Cheftheologen an der Uni, an der Hochschule oder an der Bibelschule wichtig sind, sondern für jeden von uns. Theologie hat Auswirkungen auf unseren Glauben. Sie ist nichts Abgehobenes für den Elfenbeinturm. Theologie prägt uns. Petrus würde sagen, wir brauchen bestimmte theologische Wahrheiten, um Schwierigkeiten zur Ehre Gottes standhaft zu durchstehen – auch wenn am Ende manche Wunden und Narben bleiben. Da müssen wir ganz realistisch sein.
Letztlich sagt Petrus hier im Text Folgendes: Als erwählte Kinder Gottes lebt ihr jetzt ein neues Leben, eine neue Existenz, eine neue Identität. Ihr seid von neuem geboren, und zwar hineingeboren in eine neue Hoffnung. Diese neue Hoffnung ist keine fragile, zerbrechliche Hoffnung. Es ist nicht einfach die Hoffnung, dass es irgendwann wieder besser wird und alles vielleicht wieder gut wird. Stattdessen sagt er, es ist eine sichere Hoffnung, wörtlich steht hier „eine lebendige Hoffnung“.
Offensichtlich war Petrus, so wie ihr, ein aufmerksamer Predigtzuhörer. Er hat den Predigten von Jesus sehr genau zugehört. Und diese scheint er im Ohr zu haben, als er diesen Brief schreibt. Jesus hat in der Bergpredigt gesagt: „Sammelt euch keine Reichtümer hier auf der Erde, wo Motten und Rost sie zerfressen und wo Diebe einbrechen und sie stehlen. Sammelt euch stattdessen Reichtümer im Himmel, wo weder Motten noch Rost sie zerfressen und wo auch keine Diebe einbrechen und sie stehlen“ (Matthäus 6,19-20).
Petrus sagt jetzt hier: Freunde, eure Hoffnung ist ein Erbe, das nie von Motten und Rost zerfressen wird. Ihr habt ein Erbe, das sicher ist, unvergänglich, makellos und niemals seinen Wert verlieren wird (Vers 4).
Ich scherze manchmal mit meinen Eltern, die schon etwas älter sind. Wenn sie sich mal wieder etwas gegönnt haben, zum Beispiel eine Reise oder einen Restaurantbesuch, sage ich: „Hey, ihr verprasst mein Erbe! Was ist mit euch los? Vater, ihr seid wie Motten und Rost, was ist los?“
Für die Erstleser des ersten Petrusbriefes war die Rede vom Erbe wahrscheinlich noch existenzieller als für mich oder uns heute. Erbe hatte damals meistens etwas mit Land und Heimat zu tun. Der Punkt ist, dass die Erstleser des ersten Petrusbriefes nicht nur im übertragenen Sinne fremd waren, weil sie Christen waren und deswegen nicht mehr so in die Gesellschaft passten. Sie waren vermutlich sogar tatsächlich Heimatvertriebene, also entwurzelt und im Römischen Reich irgendwo in Kleinasien neu angesiedelt.
Das heißt, sie hatten ihre Heimat zurückgelassen – und damit auch ihren Erbbesitz, ihren Landbesitz. In dieser Situation hinein schreibt Petrus diesen Brief und sagt: Leute, ihr habt vielleicht euer irdisches Erbe verloren, aber ihr habt ein viel besseres Erbe. Gott gibt euch eine viel, viel bessere Heimat, eine neue himmlische Heimat, in der ihr Erbberechtigte seid. Ihr seid Bürger einer neuen Heimat, und ihr werdet dieses Erbe in vollem Umfang empfangen. Gott hält es für euch bereit.
In einem weiteren Text heißt es, dass Gott uns für dieses Erbe bewahrt. Das ist theologisch ein ganz wichtiger Punkt: Gott bewahrt das Erbe für uns. Während wir vertrauensvoll an ihm festhalten, bewahrt er uns für das Erbe. Beides gilt: Gott sichert uns das Erbe zu und sagt: „Ich werde dich bewahren für das Erbe.“ Das heißt, während wir jetzt noch manche Prüfung und Schwierigkeit bestehen müssen, bewahrt Gott uns, bis wir irgendwann, sagt Petrus, endgültig zu Hause sind. In Vers 5 drückt er das so aus: Unser Heil, unsere Rettung wird in vollem Umfang sichtbar werden – jetzt noch nicht, aber irgendwann.
Die Auferstehung als Grundlage der lebendigen Hoffnung
Und die Frage, die sich jetzt hier stellt, ist: Wie kann der gute Petrus im Angesicht von Prüfungen und Schwierigkeiten so sicher sein, dass sich diese Hoffnung erfüllt? Das ist doch die entscheidende Frage. Woher wissen wir, dass das stimmt?
Die Antwort, die Petrus gibt, lautet: Wir wissen es aufgrund der Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Das ist seine Antwort. Petrus würde sagen: Die Hoffnung, die wir in der Gegenwart haben, blickt voraus auf das sichere Erbe in der Zukunft, aber sie ist verankert in der Vergangenheit.
Das müssen wir kurz sortieren: Die Hoffnung, die du heute hast, blickt voraus auf das Erbe in der Zukunft, aber sie ist verwurzelt in der Vergangenheit – in der Auferstehung, im Tod und der Auferstehung Jesu, die schon passiert ist.
Und das wird, glaube ich, ein bisschen greifbarer, wenn wir uns kurz vor Augen führen, wer der Autor dieses Briefes ist. Seht ihr, für Petrus war die Auferstehung der große Game Changer seines Lebens, die alles verändernde Realität.
Ich habe mir in den letzten Jahren angewöhnt, zumindest versucht, den Karsamstag ein bisschen bewusster zu erleben. Das ist ja so ein komischer Tag, oder? Der Tag zwischen Karfreitag und Ostersonntag. Weiß ich, was man am Karsamstag macht? Irgendwie schwäbische Kehrwoche noch mal oder was weiß ich, noch mal Rasen mähen oder irgendwas. Aber es ist ein komischer Tag: Nach dem traurigen Karfreitag kommt der fröhliche Ostersonntag, und dazwischen liegt so ein merkwürdiger Brückentag.
Ich habe mir die Frage gestellt: Wie hat sich dieser Tag für Petrus angefühlt? Also der erste Karsamstag – wie hat er sich angefühlt? Was für uns so ein Brückentag ist, muss für Petrus ein brutal schmerzhafter, dunkler Sackgassentag gewesen sein.
Jesus ist am Kreuz gestorben, alle Hoffnung schien am Ende. Alles auf eine Karte gesetzt, offensichtlich alles dabei verloren. Ich stelle mir vor, wie Petrus in diesen qualvollen Stunden konfrontiert war mit seiner eigenen Rückgratlosigkeit, mit diesem bitteren Schmerz: „Ich habe Jesus verleugnet.“ Ich stelle mir vor, dass er das Krähen des Hahns wie Tinnitus im Ohr hatte – die ganze Zeit.
Und dann kommt der Ostermorgen, der Sonntag. Dann erkennt die Story im Johannesevangelium: Vollsprint zum Grab, der Blick hinein, das Grab ist leer, Jesus ist irgendwie weg. Später am Tag dann die Begegnung mit dem Auferstandenen, Vergebung, Wiederherstellung. Und auf einmal war das komplette Leben von Petrus ein anderes, komplett neu.
Die Auferstehung macht aus dem verzweifelten Petrus einen mutigen Apostel. Die Auferstehung Jesu macht aus dem rückgratlosen Petrus – versteht ihr? – aus dem Petrus, der in der Prüfung durchgefallen ist. Wer von euch ist schon mal in der Prüfung durchgefallen? Herzlich willkommen! Petrus ist durchgefallen.
Ein in der Prüfung durchgefallener Versager wird nach der Auferstehung zu einem standhaften, leidensbereiten Bekenner. Und dieser Petrus – und das ist der zweite wichtige Punkt – der sagt uns: Ich weiß nicht, wie er euch auf normale Prüfungen vorbereitet hat, in der Schule, im Studium oder wo auch immer. Aber er sagt: Prüfungsvorbereitungen für die existenziellen Prüfungen eures Lebens sehen so aus:
Ihr müsst lernen, die Augen eures Herzens zu öffnen, damit ihr das seht – vor eurem inneren Auge –, was ich mit meinen realen Augen gesehen habe, nämlich den lebendigen, auferstandenen Christus.
Also findet Wege in eurem Alltag, den auferstandenen Christus anzuschauen, über ihn nachzudenken, über ihn und sein Wort zu meditieren, euch neu an ihm zu freuen, zu genießen, eurem Herzen zu sagen: Dieser Jesus lebt.
Und weil Jesus lebt, sagt Petrus, kann er und wird er fürsorglich an unserer Seite sein – mitten im Feuer des Leidens. Und wenn Petrus hier von Feuer spricht, dann verwendet er eine der biblischen Lieblingsmetaphern für Prüfungen und Leiden: Feuer!
Der Zweck von Prüfungen im Glaubensleben
Und das bringt uns drittens und zum Schluss zum Zweck der Prüfungen. Seht ihr, der veränderte, mutige, leidensbereite Petrus schreibt in Vers sechs: „Ihr habt also allen Grund, euch zu freuen und zu jubeln, auch wenn ihr jetzt nach Gottes Plan für eine kurze Zeit Prüfungen verschiedenster Art durchmachen müsst und manches Schwere erleidet.“ Ihr habt allen Grund, euch zu freuen und zu jubeln.
Und wir denken ganz ehrlich: Petrus, du hast einen an der Klatsche. Also du schreibst verfolgten Christen allen Ernstes, sie hätten allen Grund, sich zu freuen und zu jubeln mitten in ihrer Verfolgungssituation. Ich stelle mir vor, ich hätte auf die eingangs erwähnte E-Mail meinem Freund zurückgeschrieben: „Ihr habt doch allen Grund, euch zu freuen und zu jubeln angesichts dieser Bewährungsprobe.“ Also es wäre seelsorgerlich nicht so klug gewesen, nicht angemessen, nicht weise, beinahe unmenschlich. Also, was ist hier los? Wie kann Petrus es wagen?
Seht ihr, es ist wichtig zu sehen: Petrus sagt hier nicht, Freunde, Prüfungen und Schwierigkeiten sind total freudige Ereignisse, ja, alles easy, stellt euch einfach nicht so an. Das ist nicht das, was er hier sagt. Sondern er sagt: Leute, was ihr braucht, ist das größere Bild, und das will ich euch deutlich machen. Und das größere Bild ist folgendes: Wer in Prüfungen lernt, seinem Vater im Himmel zu vertrauen, für den erfüllen Prüfungen einen guten Zweck.
Warum Gott konkrete Leiden und Schwierigkeiten in unserem Leben zulässt, können wir in den allermeisten Fällen nicht sagen. Und ich warne sehr davor, allzu kurzschlüssig irgendwelche Kausalzusammenhänge herzustellen, weil das und das in deinem Leben passiert ist, deswegen mutet Gott dir jetzt dieses oder jenes zu. In den allermeisten Fällen können wir das nicht sagen und sollten uns sehr davor hüten, hier zu schnell irgendwelche voreiligen Schlüsse zu ziehen.
Aber eine Sache betont Petrus hier ganz grundsätzlich, und die gilt: Leidvolle Prüfungen sollen aus Gottes Perspektive zu etwas Gutem führen. Das gilt. Leidvolle Situationen in deinem Leben sollen aus Gottes Perspektive zu etwas Gutem führen. Und das hilft uns, Prüfungen besser einzuordnen.
Denn diese Prüfungen, schreibt Petrus, geben euch Gelegenheit, euch in eurem Glauben zu bewähren. Genauso wie das vergängliche Gold im Feuer des Schmelzofens gereinigt wird, muss auch euer Glaube, der ja unvergleichlich viel wertvoller ist, auf seine Echtheit geprüft werden. Und wenn dann Jesus Christus in seiner Herrlichkeit erscheint, wird eure Standhaftigkeit euch Lob, Ruhm und Ehre bringen.
Mit anderen Worten: Das Feuer des Leidens kann – das ist zumindest Gottes Intention, seine Absicht – in unserem Leben die Funktion eines Schmelzofens übernehmen. Und wenn ich das richtig sehe, dann hat ein Schmelzofen genau zwei Aufgaben, die miteinander zusammenhängen. Ein Schmelzofen hat zwei Aufgaben, nämlich erstens reinigen und zweitens prüfen.
Unser Glaube, ihr Lieben, ist verunreinigt. Wisst ihr warum? Weil wir unsere Hoffnung allzu oft auf irgendwelche anderen Dinge setzen, aber nicht auf Gott selbst. Unser Glaube ist verunreinigt, weil wir das Glück unseres Lebens allzu oft von anderen Dingen abhängig machen als von Gott selbst. Und das Feuer des Leidens entlarvt das und fängt an, reinigend zu wirken an der Stelle.
Außerdem prüft das Feuer des Leidens unser Glaubensbekenntnis. Das ist mir nochmal neu aufgegangen, als ich angefangen habe, mit meinen Kindern den Heidelberger Katechismus zu lernen – in der Kinderversion. Ich weiß nicht, ob ihr Katechismen kennt. Das ist ja so diese Glaubenslehre, immer Frage und dann Antwort.
Und der Heidelberger Katechismus aus dem Jahr 1563 enthält eine allererste Frage ganz am Anfang: „Was ist unser einziger Trost im Leben und im Sterben?“ Also, was ist unser einziger Sinn, unser einziger Halt, unsere Hilfe im Leben und im Sterben? Und dann sagt mein achtjähriger Sohn als Antwort, weil er das gelernt hat, dass wir nicht uns selbst gehören, sondern unserem Gott.
Und dann lernst du es so und denkst abends am Bett: Mein lieber Sohn, du hast keine Ahnung, was du da sagst. Schön, dass du es auswendig gelernt hast, aber du hast keine Ahnung. Bis mir irgendwann Jesus die Augen geöffnet hat und gesagt hat: Philipp, weißt du eigentlich, was du da bekennst? Und dann weiter gedacht: Woher weiß ich denn, ob das nicht nur ein Lippenbekenntnis ist, wenn ich sage, mein einziger Trost im Leben und im Sterben ist es, dass ich nicht mir selbst gehöre, sondern meinem Herrn? Woher weiß ich, dass das nicht nur ein Lippenbekenntnis ist, sondern dass mein Glaube diesen Tiefgang, diese Echtheit, diese existenzielle Dimension hat? Woher weiß ich das, ohne dass mein Glaube in dieser existenziellen Weise im Feuer des Schmelzofens geprüft wurde?
Ich glaube, ich weiß es nicht. Ich weiß es näherungsweise dann, wenn mein Glaube geprüft wurde, auch im Feuer des Leidens. Und deshalb gehört es zu deiner Prüfungsvorbereitung anhand des ersten Petrusbriefes, dass du dich heute daran erinnern lässt von Gottes Wort, dass Gott auf geheimnisvolle Weise seine Absichten mit dir verfolgt durch Bewährungsproben – gerade in schweren Zeiten.
Dein Glaube, der gereinigt und auf seine Echtheit geprüft wurde und dadurch Tiefgang gewonnen hat, ist extrem wertvoll in Gottes Augen. Petrus sagt: Dein geprüfter Glaube ist wertvoller als geläutertes Gold. Und wenn du das verinnerlichst, dann gewinnst du innere seelische Ressourcen, um dich trotz schwieriger Umstände und sogar inmitten von schmerzhaften Prüfungen zu freuen.
Bitte nicht missverstehen: Weder Petrus noch ich wollen damit sagen, dass Prüfungen auf die leichte Schulter zu nehmen sind. Sie sind zu beklagen, sie sind zu durchleiden, sie sind mit Gott zu durchringen, und Gott hält unsere Klage aus, unseren Schmerz, unsere Trauer. Es geht hier nicht um eine Banalisierung oder Bagatellisierung von Leiden.
Es geht um die Frage, wie dringend wird durch zu dieser tiefen Glaubensfreude, von der Petrus hier redet, weil Gott sagt: „Dein geprüfter Glaube ist mir unfassbar wertvoll.“ Seht ihr, als unsere Freunde während der Schwangerschaft die Nachricht einer wahrscheinlichen Behinderung ihres Kindes bekamen, waren sie inmitten von Klage und Schmerz und tiefer Traurigkeit doch vorbereitet auf diese Prüfung des Glaubens.
Weil sie wussten, dass in einer von Sünde und Zerbruch gezeichneten Welt Prüfungen und Schwierigkeiten unvermeidbar sind. Und sie konnten vertrauensvoll bestehen, weil sie keine unsichere Hoffnung hatten, sondern eine lebendige Hoffnung durch ihren Glauben an den lebendigen Christus.
Sie haben geschrieben: Auf welche Weise er seine Herrlichkeit zeigen wird, wissen wir nicht – ganz viele Fragezeichen. Aber ihre Hoffnung war lebendig. Sie haben daran festgehalten, dass – um es mit Paulus in Römer 8 zu sagen – die Leiden der jetzigen Zeit nicht ins Gewicht fallen, wenn wir an die Herrlichkeit denken, die Gott bald sichtbar machen und an der er uns teilhaben lassen wird.
Wer das im Glauben erfasst, der kann standhaft bleiben. Er kann zitternd, zitternd, oft zitternd und weinend, unklagend, aber immer wieder auch mit einer übernatürlichen Freude an der Hand seines Herrn Jesus seinen oder ihren Weg gehen.
Und übrigens noch mal: Es ist ein Weg, den Jesus für uns, für dich, schon gegangen ist – durch Leiden zur Herrlichkeit. Und wir gehen diesen Weg getragen von Gottes Zusagen, die in den übersetzten Worten eines ganz alten Liedes so klingen:
„How firm a foundation“:
Wenn durch tiefe Wasser ich gehe,
heißt es, du sollst nicht versinken,
sollst fest stehen.
Ich lass dich nicht fallen,
ich bleibe dein Teil,
ich wende dein Unglück in Segen und Heil.
Wenn durch Feuers Flammen dein Wandel soll sein,
soll dir meine Gnade genügen allein.
Du wirst nicht verbrennen,
ich bin dir stets hold,
ich nehm deine Schlacke und läutre dein Gold.
Ob Satan auch droht und sein Heer dich anficht,
ich bleibe dein Heiland,
ich lasse dich nicht.
Schlussgebet
Lass uns beten!
Lieber Vater, dein Wort sagt uns, dass die Nöte, die wir jetzt durchmachen, nur eine kleine Last sind und bald vorübergehen. Dein heiliges Wort zeigt uns, dass unsere Nöte uns etwas bringen, das von unvergleichlich größerem Gewicht ist: eine unvorstellbare, alles überragende Herrlichkeit, die nie vergeht.
Vater, wir wollen dir heute auf dieser Jumiko bekennen, dass wir selbst nach der Betrachtung dieses Textes in 1. Petrus 1 nur ansatzweise begreifen, was das bedeutet.
Herr, bitte gib uns Gnade bei der Prüfungsvorbereitung. Hilf uns, dir zu vertrauen und dir die Treue zu halten, auch im Feuer. Bitte, Herr, tu du dein Werk an uns – durch Leiden zur Herrlichkeit, wie bei deinem Sohn, in dessen kostbarem Namen wir beten.
Amen.