Einführung: Bedeutung eines T-Shirts und persönliche Erinnerungen
Ich weiß, dass im Reich Gottes Kleiderfragen nicht so wichtig sind. Aber was haltet ihr von meinem T-Shirt? Ich meine nicht nur wegen der kurzen Ärmel, sondern vielleicht ist euch auch das schöne Bild darauf aufgefallen.
Das ist nämlich eine Urlaubserinnerung. Wenn ich jetzt daran denke, erinnere ich mich: Ach, Urlaub, schön, gutes Wetter und so. Das kommt dann bestimmt auch wieder. Das hier ist die Fahne von Venedig. Dieser Löwe ist die Fahne von Venedig.
Jetzt fragt ihr euch vielleicht, warum das so ist. Das ist ja ganz spannend. Bitte? Inwiefern? Ach so, das wäre möglich? Ja gut, das wäre möglich, aber nein. Bei mir hat das natürlich immer alles eine Bedeutung und ist durchdacht.
Denn dieser Löwe ist das Wappentier von Venedig geworden, weil er das Zeichen für den Evangelisten Markus ist. Vielleicht wisst ihr ja: Die vier Evangelisten haben verschiedene Zeichen. Für den einen ist es ein Mensch, für den anderen ein Stier, und für Markus hat man eben einen Löwen genommen.
Habt ihr euch vielleicht auch schon mal gefragt, warum diese Tiere gerade diese Tiere sind? Meistens soll das nämlich darstellen, wie sie Jesus dargestellt haben.
Hier wird gesagt, dass Markus Jesus als den Löwen aus Juda dargestellt hat. Als den, der aus dem Herrschergeschlecht Davids kommt. Deshalb der Löwe. Und dieser Löwe ist dann wieder das Wappentier von Venedig.
Dieser Urlaub in Venedig ist für mich eine Erinnerung an Urlaub. Wenn ich hier bei euch bin, fühle ich mich gleich so urlaubsmäßig. So ist das dann mit dem T-Shirt.
Aber so kann euch das T-Shirt auch an Markus erinnern, an Markus und den Löwen aus Juda und an Jesus.
Hinweis auf eigene Bücher und deren Themen
Bevor ich zum Bibeltext komme, möchte ich noch eine andere Bemerkung machen und euch auf einige Bücher hinweisen – nicht irgendwelche, sondern solche, die ich selbst geschrieben habe.
Wer mich etwas näher kennt, weiß, dass ich in den letzten Jahren mehrere Bücher veröffentlicht habe. Im vergangenen Jahr habe ich euch unter anderem eine Biografie von Johannes Calvin empfohlen, die ich verfasst habe. Davon liegen hier auch einige Exemplare aus. Wenn ihr gerne Biografien lest, kann ich euch dieses Buch durchaus empfehlen, denn Calvin war eine bedeutende und wichtige Persönlichkeit der Kirchengeschichte.
Daneben gibt es noch weitere Bücher von mir, zum Beispiel über den modernen Atheismus und wie man mit Atheisten argumentiert, oder über Gender Mainstreaming – was das ist und was dahintersteckt. Außerdem habe ich ein Buch über moderne Bibelübersetzungen geschrieben.
Was ihr aber wahrscheinlich noch nicht kennt, da es erst seit Ende letzten Jahres erschienen ist, ist der zweite Band von „Moderne Medizin und Ethik“. Den ersten Band hatte ich vor einigen Jahren veröffentlicht. In Band zwei geht es um Themen wie Abtreibung, Suizid (also Selbstmord), Organtransplantation, Todesdefinition und Homosexualität.
Dabei werden immer wieder Aspekte behandelt, die in christlicher Literatur bisher kaum auftauchen. Natürlich wird der biblische Hintergrund berücksichtigt, aber auch medizinische, seelsorgerliche, geschichtliche und weitere Perspektiven fließen mit ein.
Falls euch solche Themen interessieren, könnt ihr hier draußen direkt nach dem Gottesdienst auf dem kleinen Tisch einige Exemplare finden. Alternativ bekommt ihr die Bücher auch an der Rezeption. Wenn ihr ein Buch behalten möchtet, könnt ihr mir einfach einen kleinen Betrag dafür geben. Der Preis steht dabei. Solltet ihr gerade finanziell knapp sein und alles schon ausgegeben haben, könnt ihr auch zu mir kommen – dann schenke ich euch ein Exemplar.
Außerdem ist kürzlich ein kleineres Buch erschienen, das sich mit Politik und Christsein beschäftigt. Es geht darum, wie man als Christ mit Politik umgehen kann, was die Bibel dazu sagt und wie Gläubige mit Politik und Herrschaft umgehen können. Das Buch zeigt auch, welche Möglichkeiten es für Christen gibt, sich politisch zu engagieren.
Ein großer Teil des Buches erklärt, wie Politik in Deutschland überhaupt funktioniert. Es wird erläutert, was der Unterschied zwischen Bundespräsident, Bundeskanzler und anderen Institutionen ist, was die EU ist und welche Gremien es dort gibt. Natürlich werden auch die einzelnen Parteien vorgestellt, damit man sie besser einordnen kann. Diese Sachinformationen dienen als Hintergrundwissen.
Das sind also zwei neue Bücher, die wahrscheinlich auch diejenigen, die meine bisherigen Werke kennen, noch nicht gelesen haben.
Damit ist der Hinweis auf die Bücher und das T-Shirt abgeschlossen. Nun komme ich zum Bibeltext.
Beginn der Auslegung: Erste Timotheusbrief Kapitel 4, Verse 11-12
Das ist ja das, was wir eigentlich heute Morgen machen wollen. Dabei möchte ich euch bitten, den ersten Timotheusbrief aufzuschlagen. Beim letzten Mal sind wir beim ersten Timotheus Kapitel 4, Vers 10 stehengeblieben. Jetzt lese ich weiter ab Vers 11, und zwar erst einmal die Verse 11 und 12, weil sie zusammen einen sinnvollen Abschnitt bilden.
„Dies sollst du gebieten und lehren. Niemand verachte dich wegen deiner Jugend, sondern sei den Gläubigen ein Vorbild im Wort, im Wandel, in der Liebe, im Geist, im Glauben, in der Keuschheit.“
Zunächst einmal bis hierhin. „Dies sollst du gebieten und lehren“ bezieht sich natürlich auf das, was Paulus vorher geschrieben hat. Direkt davor steht, dass Gott ein Retter der Menschen ist, insbesondere der Gläubigen. Also soll Timotheus dies lehren und gebieten. „Gebieten“ meint hier, dass keine lange Diskussion geführt werden soll, keine Verhandlungen darüber, ob das so ist oder nicht. Es wird relativ deutlich gesagt: So ist es, Gott hat das gesagt, danach richtet euch. „Lehren“ bedeutet, dass das Ganze auch erklärt werden soll. Das ist der direkte Rückbezug zu dem, was wir uns gestern angeschaut haben.
Dann folgt der Hinweis: „Niemand verachte dich wegen deiner Jugend.“ Das hat wahrscheinlich schon zu zahlreichen Diskussionen geführt. Besonders Jugendliche lesen das gerne, wenn man ihnen sagt: „Das verstehst du ja noch nicht“ oder „Da musst du noch etwas lernen.“ Einige von euch wissen wahrscheinlich, dass Timotheus zu diesem Zeitpunkt nicht mehr ganz so jugendlich war. Er war schon einige Jahre, wenn nicht mehr als zehn Jahre, mit Paulus auf Missionsreise gewesen. So ganz jung war er also nicht mehr. Vermutlich war er etwa vierzig Jahre alt.
Ich weiß nicht, wie ihr das seht, wenn jemand zu euch sagen würde: „Du bist ja noch ein junger Mann“, obwohl ihr vielleicht gerade vierzig oder älter seid. Heute klingt das eher ermutigend, man fühlt sich wohl dabei. Damals war das anders. Paulus erwähnt das hier auch deshalb, weil einige Timotheus verachtet haben.
Warum? In Griechenland, in der griechischen Umgebung, aber auch teilweise in der jüdischen Umgebung galt ein Mann erst ab etwa 50 Jahren als gereift. Man sagte, mit 50 Jahren habe ein Mann seine Kinder schon erzogen. Wir haben ja vorher auch gelesen, dass Älteste ihren Haushalt gut führen müssen. Die Kinder müssen gut aufwachsen, und das ist in einem früheren Alter noch nicht sicher. Mit etwa 50 Jahren galt ein Mann als gesetzt und bewährt. Man konnte sehen, dass er im Glauben stabil geblieben war. Auch wenn es in der Jugend der Kinder mal Auf und Ab gab, konnte man jetzt beurteilen, wie die Familie insgesamt dasteht.
Deshalb galten Männer ab 50 Jahren als wirklich reif und erfahren. Timotheus war aus dieser Sicht vieler Leute noch zu jung. Deshalb kam die Verachtung. Timotheus trat in Ephesus auf und sagte: „So und so müsst ihr das machen, so müsst ihr Gemeindeleitung gestalten, das sind die Qualifikationen der Ältesten“ – all das, was wir gerade gelesen haben. Manche sagten daraufhin: „Was fällt dir eigentlich ein, du Grünschnabel, du junger Kerl, du willst uns sagen, was wir richtig tun sollen?“
Paulus stärkt ihm hier den Rücken und sagt: „Niemand soll dich wegen deiner Jugend verachten.“ Interessanterweise schreibt Paulus das direkt an Timotheus. Timotheus hat nicht den Auftrag, das der Gemeinde vorzulesen. Das wäre auch etwas merkwürdig. Es würde dann klingen, als wolle er sagen: „Ihr glaubt mir nicht allein, aber Paulus ist auf meiner Seite.“ Vielmehr soll das Mut machen, für Timotheus selbst. Das wird später noch einmal aufgegriffen, wenn auf die ihm gegebene Gabe Bezug genommen wird. Dann soll ihm erneut Mut zugesprochen werden: Du bist in einer schwierigen Situation, du hast einige Anfeindungen, aber denke daran, dass Gott dich trotz deiner Jugend gebraucht.
Das gilt nicht für jeden, der unter fünfzig ist. Deshalb sagt Paulus auch direkt danach: „Sei den Gläubigen ein Vorbild.“ Und dann wird genauer beschrieben, in welcher Hinsicht er ein Vorbild sein soll.
Es wird betont, dass Timotheus die Leute nicht drängen oder zwingen muss, ihn einfach zu akzeptieren. Vielmehr soll sein Leben die Menschen überzeugen. Sie sollen ihn anschauen und sagen können: „Der ist zwar noch verhältnismäßig jung, aber so wie der lebt, das ist überzeugend. Da ist Gottes Autorität dahinter.“ Es soll also nicht nur auf das Alter geschaut werden, sondern auf das, wie er lebt und was er tut.
Das soll ihm Mut machen, durch sein vorbildliches Leben zu überzeugen.
Vorbildlichkeit in Wort, Wandel, Liebe und Geist
Es werden nun einige Beispiele genannt. Zuerst wird gesagt: Vorbild im Wort.
Als Bibelleser könnten wir leicht auf den Gedanken kommen, dass „Wort“ hier immer die Bibel meint. An dieser Stelle ist das sehr wahrscheinlich nicht der Fall. Es könnte natürlich sein, dass hiermit gemeint ist, wie jemand mit dem Wort Gottes umgeht – wie er das Wort Gottes kennt und dass er darin ein Vorbild sein soll. Das soll er sicherlich auch.
Wenn wir jedoch den Gesamtzusammenhang lesen, scheint sich das Ganze vielmehr auf sein Alltagsleben zu beziehen, darauf, wie er auftritt, und nicht so sehr auf seinen Glauben. Der wird an anderer Stelle besprochen. Deshalb habe ich den Eindruck, dass „im Wort“ hier bedeutet, wie du mit anderen Menschen redest, wie du dich ausdrückst.
So wie es Jakobus in seinem Brief ganz ausführlich sagt: Wer seine Zunge beherrschen kann, der kann den ganzen Leib beherrschen. Jakobus schreibt, die Zunge ist wie eine Flamme, die den ganzen Wald anzünden kann, oder wie ein Ruder an einem Schiff, das lenkt, wohin das Schiff fährt. Tatsächlich kann das, wie wir reden, unheimlich viel bewirken bei anderen Menschen – im Positiven wie im Negativen.
Eine kleine Bemerkung reicht, und schon können wir uns die Tür bei anderen Menschen zuschlagen, weil sie beleidigt sind oder sich angegriffen fühlen. Das heißt also, mit anderen zu sprechen ist eine ungemeine Kunst. Da müssen wir ungemein von Jesus mitgeführt werden.
Manche machen es dann so, dass sie gar nicht reden – das sind die großen Schweiger. Solche Menschen findet man manchmal als Kinder, manchmal als Erwachsene. Dann kann man nur rätseln und deuten, was sie meinen. Das ist auch nicht gut. Also ist nicht zu reden nicht gemeint.
Andere sagen: „Ich sage alles, was mir so frei von der Leber kommt, alles, was ich gerade denke.“ Und dann behaupten sie, sie seien ehrlich, weil sie immer sagen, was sie denken. Das ist damit auch nicht gemeint. In der Bibel steht nirgends, dass du alles sagen sollst, was du denkst. Wenn du etwas Böses denkst, dann schlucke es lieber herunter, bitte Jesus um Vergebung und sag es nicht. Denn das Denken ist schon schlimm genug, aber das Sagen ist dann doppelt schlimm.
Das heißt, weder auf der einen Seite nur schweigen und gar nichts sagen, noch auf der anderen Seite alles sagen, was einem in den Sinn kommt. Sonst redest du viel Unsinn und viel Sünde, die du hinterher bereust und die bei anderen Schaden verursacht hat.
Hier ist Timotheus für andere ein Vorbild, wie er mit Worten umgeht und mit anderen Menschen kommuniziert. Er baut sie auf, wie wir später noch lesen werden, kann sie aber auch zurechtweisen. Dafür bekommt er dann Tipps, wie er das am besten tun kann. Das findet sich dann Anfang Kapitel 5. Also soll er ein Vorbild im Wort sein.
Dann wird gesagt: im Wandel. Wandel ist hier ein Begriff, der das gesamte Leben anspricht, insbesondere die Beziehung zu anderen Menschen, also wie er sich zu anderen verhält. Darin ist er allen anderen ein Vorbild. Das wird im Folgenden noch etwas näher beschrieben.
Wir könnten auch den Begriff Liebe erwähnen, der dann genannt wird: Sei ein Vorbild im Wandel, in der Liebe, damit du zunimmst. Liebe – hier steht im Griechischen an dieser Stelle „Agape“. Agape ist die göttliche, selbstlose Liebe. Diese Liebe wird hier genannt und scheint das Leben des Timotheus zu kennzeichnen.
Worin könnte sich das niederschlagen? Hier wird von Beziehungen gesprochen, eben mit dem Wandel, und dann wird die Liebe erwähnt. Auch die Leute werden genannt, die ihn angreifen. Ich habe den Eindruck, dass damit gemeint ist, dass er diesen Menschen gegenüber ohne Bitterkeit und ohne Rachegefühle ist. Er ist bereit, anderen zu vergeben.
Denn er sieht hinter den Menschen den, den Gott liebt, und denkt nicht zuerst daran, sich verteidigen zu müssen. Er nimmt die Menschen so an, wie sie sind, aber natürlich nicht so, wie sie bleiben müssen – sie sollen sich ja auch verändern. Aber er nimmt sie erst einmal an. Er achtet nicht zuerst auf seine eigenen Gefühle, sondern ist auch in der Lage, seine eigenen Emotionen zu überwinden und die Menschen in der Liebe Gottes zu sehen. Das ist gemeint.
Als Nächstes steht „im Geist“. Hier haben wir eine kleine Schwierigkeit: In einigen der zuverlässigsten Texte des Neuen Testaments steht dieser Ausdruck „im Geist“ nicht. Es könnte also sein, dass Paulus das ursprünglich nicht geschrieben hat. Das ist aber kein großes Problem. Es ist keine Schwierigkeit, wenn wir es drinlassen, aber es könnte sein, dass es im ursprünglichen Text nicht steht.
Wenn es im ursprünglichen Text drinsteht, dann heißt „im Geist“ hier wahrscheinlich, dass Timotheus vom Heiligen Geist geleitet seinen Alltag führt. Was könnte das bedeuten? Dass man merkt, wenn er Entscheidungen trifft, sucht er zuerst die Antwort bei Gott. Dass er nicht selbständig entscheidet, sondern versucht, sein Leben vom Heiligen Geist verändern zu lassen – solche Dinge könnten damit gemeint sein.
Wenn dann steht, im Glauben soll er ein Vorbild sein, ist hier wahrscheinlich nicht der rettende Glaube gemeint. Timotheus soll ja ein Vorbild für die Gemeinde sein, und die sind ja alle gerettet, alle gläubig. Hier ist wahrscheinlich mehr der Glaube gemeint, der auch sicher fortgesetzt wird, nachdem man sich bekehrt hat. Darin soll er ein Vorbild sein.
Glauben heißt ja Vertrauen. Glaube hat mit Treue und Ausdauer zu tun. Ich glaube, das ist hier gemeint. Timotheus hat gut begonnen, ist aber nicht beim guten Anfang geblieben. Er ist weiter treu bei Jesus geblieben, hat sich von ihm prägen lassen, und daraus soll er die anderen herausfordern.
Dann wird am Ende die Keuschheit erwähnt. Keuschheit heißt Reinheit, und dieser Begriff wird insbesondere auf sexuelle Reinheit bezogen. Das wird im Folgenden auch noch einmal erwähnt, zum Beispiel in Kapitel 5, Vers 2, wo er Menschen in Keuschheit ermahnen soll. Paulus erwähnt das immer wieder, weil er weiß, dass der sexuelle Bereich bei allen Menschen Probleme machen kann.
Das kann auch dazu führen, dass man sich anderen Menschen nicht mehr so gegenüber verhält, wie Gott es eigentlich will. Das heißt, in einem gewissen Abstand, in einer gewissen Ehrerbietung, damit keine falschen Gedanken und Gefühle bei dem anderen oder bei den Zuschauern auftauchen können.
Diese Sache ist heute durchaus auch gefragt, denn Anzüglichkeit ist heute eher schick, eher modern. Das sagen meistens sogar viele: „Ach, das ist doch ganz normal.“ Aber hier soll Timotheus das bewusst nicht tun.
Wer im christlichen Dienst steht, weiß, dass es viele Menschen gibt, die Gott gebraucht hat, die große Gottesmänner waren, aber an dieser Stelle gescheitert sind. Deshalb wird das hier auch bewusst erwähnt: Du bist ein Vorbild, du hast das gut in der Hand, du gehst keine falschen Wege.
Ich erinnere mich – jetzt fühle ich mich schon fast wie ein alter Mann – in meiner langen Studienzeit hatte ich einen Professor, der uns in Pastoraltheologie unterrichtete. Unter anderem gab er uns einen wertvollen Tipp: Er war selbst einige Jahre Pastor gewesen und sagte: „Pass auf, was Seelsorge angeht, mach nie Seelsorgegespräche mit Frauen allein.“
Das ist ein guter Tipp, den ich meinen Schülern heute auch weitergebe – so von Generation zu Generation. Er berichtete von einigen Frauen, die bei ihm in der Seelsorge waren, wo immer schnell eine Gefahr bestehen kann. Das mag keine Absicht sein.
Stell dir vor, du bist irgendwo Prediger und dann kommt eine Frau zu dir mit ihren Eheproblemen. Meistens läuft es ja in ihrer Ehe schlecht. Sie kommt zu dir, bei dir hat sie ein offenes Ohr. Du bist verständnisvoll, siehst, wie es ihr geht, gibst ihr ein paar gute Tipps. Wie schnell kann es dann passieren, dass die Frau, ehe sie will oder nicht will, unterbewusst denkt: „Wenn mein Mann so wäre wie der, wäre alles besser.“ Und schon ist man auf dem falschen Dampfer. Ganz zu schweigen davon, dass auch der Prediger, wenn eine junge hübsche Frau zur Seelsorge kommt, auf dumme Gedanken kommen kann.
Es ist ja nicht nur so, dass der Frau falsche Gedanken kommen können, sondern auch dem Prediger. Deshalb die Warnung: Sei keusch, pass auf in dieser Beziehung zwischen Mann und Frau.
Diesen Tipp gebe ich euch auch weiter: Wenn ihr in der Seelsorge tätig seid, dann Männer zu Männern und Frauen zu Frauen. Man kann mal ein kurzes Gespräch führen, auch mal eine Viertelstunde, aber möglichst in der Öffentlichkeit, nicht irgendwo in einem abgeschlossenen Raum. Wenn das nicht möglich ist, nimm deine Frau dazu, wenn du verheiratet bist.
Deshalb sollen Älteste ja auch verheiratet sein – auch das ist eine große Hilfe. Oder gebt den Seelsorgefall an eine andere Frau ab. Frauen unter Frauen verstehen sich meistens sowieso besser, zumindest geistlich gesonnene Frauen.
Ich meine nicht zickige Frauen, die sich im Beruf gegenseitig fertig machen, sondern geistlich gesinnte Frauen, die sich besser hineinversetzen können, wie es in einer Frau geht. Männer verstehen sich besser mit Männern.
Ich erinnere mich immer wieder an Bibelschüler: Fast jedes Jahr kommt das vor, wenn wir irgendwo in einer Einsatzwoche unterwegs sind, Evangelisation machen, und ich sage immer das. Dann sagen mir jedes Mal Schüler: „Aber ich verstehe mich mit Frauen so gut.“
Genau das ist das Problem. Und ich sage ihnen: Mach es trotzdem nicht! Manche glauben mir, manche nicht.
Diese Herausforderung der Geschlechtlichkeit ist uns von Gott geschenkt. Aber da, wo es um sensible Sachen geht und Menschen ihr Herz öffnen, entsteht automatisch Nähe, emotionale Nähe.
Da ist es gut, wenn man auf diese Trennung achtet und die Keuschheit, die Paulus hier dem Timotheus bescheinigt, auch daran denkt. Timotheus ist scheinbar ein Vorbild darin. Es können keine falschen Gedanken aufkommen. Timotheus achtet darauf.
Verantwortung und Aufgaben bis zum Kommen des Paulus (1. Timotheus 4,13-16)
Bis ich komme, sei bedacht auf das Vorlesen, das Ermahnen und das Lehren. Vernachlässige nicht die Geistesgabe in dir, die dir verliehen wurde durch Weissagung und der Handauflegung der Ältestenschaft. Dies soll deine Sorge sein, darin sollst du leben, damit deine Fortschritte in allen Dingen offenbar seien.
Habe Acht auf dich selbst und auf die Lehre, bleibe beständig dabei. Denn wenn du dies tust, wirst du sowohl dich selbst retten als auch die, welche auf dich hören.
Mehrfach im Brief äußert Paulus diese Sehnsucht: Er will bald wieder zurück nach Ephesus, aber nicht nur nach Ephesus, sondern auch zu seinem Mitarbeiter Timotheus, mit dem er gern zusammenarbeitet. Hier drückt er das erneut aus. In der Zwischenzeit soll Timotheus die Gemeinde richtig führen und die Verantwortung ernst nehmen.
Wie soll er das tun? Bis Paulus kommt, hat Timotheus die Verantwortung. Was soll er in der Gemeinde tun? Sei bedacht auf das Vorlesen. Da sind wir ganz biblisch unterwegs – das habe ich ja gestern auch getan. Hier ist mit Vorlesen nicht gemeint, irgendeine schöne Geschichte vorzulesen. Es ist klar, dass hier das Vorlesen der Bibel gemeint ist.
Natürlich gab es die Bibel damals so noch nicht. Die Bibel der ersten Christen war das Alte Testament. In jedem Gottesdienst wurde aus dem Alten Testament vorgelesen, das dann auf die Botschaft von Jesus Christus bezogen wurde. Vielleicht erinnert ihr euch noch an den Römerbrief, den wir durchgelesen haben, mit vielen Zitaten aus dem Alten Testament. Die Christen wollten nichts völlig Neues anfangen, sondern sagten: Gott hat sich schon vor Jahrhunderten und Jahrtausenden offenbart. Was im Alten Testament steht, stimmt. Aber jetzt hat Gott die Fülle seiner Offenbarung gegeben. Nun wird klar, was er Abraham, Jakob und sogar Adam versprochen hat.
Deshalb war das Alte Testament die Grundlage, die immer wieder vorgelesen wurde. Wahrscheinlich gehörten auch die ersten Schriften des Neuen Testaments dazu. Von diesen wissen wir, dass sie, sobald sie geschrieben waren, abgeschrieben und in den Gemeinden herumgereicht wurden. Die Gemeinde erkannte, dass Gott dadurch spricht – nicht nur Paulus oder Petrus, sondern Gott selbst.
Übrigens war das ganz klar: Diese ersten Christen der zweiten Generation schrieben auch Briefe, die uns überliefert sind, zum Beispiel den Brief des Papias, eines Schülers des Johannes. Diese Briefe hatten aber nie dieselbe Autorität wie die der Apostel, also derjenigen, die von Jesus berufen wurden oder mit ihm zusammenarbeiteten.
Hier soll also gelesen werden. Ich habe den Eindruck, dass diese Aufforderung eine erste Art von Gemeindeordnung ist. Paulus spricht hier nicht so sehr über das Privatleben der Christen, wie bei der Ältestenschaft, dem Diakonat oder später bei den Witwen. Hier geht es um das Gemeindeleben. Es soll typisch für das Gemeindeleben sein, dass immer wieder das Wort Gottes vorgelesen wird.
Als Nächstes soll Timotheus lehren. Ich mache das jetzt mal in einer anderen Reihenfolge: Erstens liest er vor, was Gottes Wort sagt. Lehren heißt, das zu erklären und in einen systematischen Zusammenhang zu stellen, damit die Christen es richtig einordnen können. Lehre ist eine besondere Verantwortung der Gemeindeleitung, der Ältestenschaft. Timotheus wird hier als einer der Hauptverantwortlichen für die Gemeinde in Ephesus angesprochen. Es ist wichtig, nicht nur das Wort Gottes zu lesen, sondern es auch von Anfang bis Ende systematisch zu erklären, damit die Leute es richtig verstehen.
Drittens kommt das Ermahnen hinzu. Unter Ermahnen ist hier vor allem Seelsorge gemeint, also Zurechtweisung. Das gehört zu Leitungsaufgaben, auch wenn es manchmal schwerfällt. Dazu gehören Tadel, Warnungen, aber auch Trost und Ermutigung. Das Wort „ermahnen“ kann vieles bedeuten, bezieht sich aber vor allem auf die Seelsorge.
Das Denken der Menschen soll vom Denken Gottes erfüllt werden, mit Bibel und systematischer Erklärung. Gleichzeitig soll das Leben der Menschen, ihr Herz, erreicht werden. Das braucht Seelsorge, persönliche und einfühlsame Gespräche, Korrektur an der richtigen Stelle. Das soll Timotheus tun. Diese Aufgabe ist eine Haupt- oder wichtige Aufgabe für jemanden mit Leitungsverantwortung in der Gemeinde.
Dann kommt die Sache mit der Gnadengabe: „Vernachlässige aber nicht die Gnadengabe.“ Das griechische Wort hier ist Charisma, also eine besondere Gabe. Vernachlässige nicht dieses Charisma, das dir verliehen ist durch Weissagung und Handauflegung der Ältestenschaft. Dies soll deine Sorge sein.
Paulus bestätigt hier auf verschiedene Weise, dass Timotheus diese Geistesgabe hat. Das wird mehrfach gesagt: Zum einen sieht man es an seinem Leben, wie vorher und nachher erklärt wird. Zum anderen gab es offenbar Weissagungen, also übernatürliche Mitteilungen, die seine Gabe bestätigen. Und dann gab es die offizielle Einsegnung durch die Ältesten seiner Gemeinde, die alles noch einmal bestätigt hat. Eine dreifache Bestätigung seiner Geistesgabe.
Welche Geistesgabe war das? Konnte er in Zungen reden? Das wäre spannend, aber in diesem Zusammenhang passt das nicht so gut. Es wird gesagt: Nimm deine Verantwortung an, niemand verachte dich deiner Jugend wegen. Wenn er in Zungen reden würde, würde das nicht so recht dazu passen.
Übrigens findet sich dieselbe Ermahnung im zweiten Timotheusbrief, immer im Zusammenhang mit der Leitungsverantwortung des Timotheus. Im ersten Timotheusbrief Kapitel 12 lesen wir, dass auch die Gabe der Leitung eine Gabe des Heiligen Geistes ist. Ich habe den Eindruck, genau das ist hier gemeint.
Timotheus wurde angegriffen, weil er zu jung war. Paulus sagt ihm: Nimm deine Leitung ernst, indem du das Wort pflegst – im Vorlesen, Lehren und Ermahnen. Es geht um seine Aufgabe als Leiter in der Gemeinde. Paulus will ihn daran erinnern: Du tust das nicht, weil es dir gerade Spaß macht oder weil du dazu ausgebildet wurdest, sondern weil Gott dich dafür bestimmt hat und dir diese Gabe gegeben hat.
Deshalb soll Timotheus zuversichtlich sein und die Aufgabe angehen, egal was andere sagen. Als Bestätigung sagt Paulus: Du machst das gut, man sieht, dass du die Gabe hast. Außerdem erinnere dich daran, dass andere Geschwister über dich geweissagt haben und die Ältesten dich eingesegnet haben. Eine dreifache Bestätigung.
Deshalb vernachlässige deine Aufgabe nicht. Das ist eine Herausforderung – nicht nur für Timotheus, sondern für alle, die von Gott berufen sind, sich aber nicht trauen oder sagen, sie hätten zu viele andere Dinge zu tun. Nein, das ist nicht dran. Vielleicht denken manche, sie könnten das im Rentenalter nachholen, aber dann ist es oft zu spät.
Das gilt generell: Wenn Gott uns beruft, sollen wir dieser Berufung nachgehen und Prioritäten setzen. Was ist jetzt zuerst dran, was muss zurückstehen? Der größte Feind des Besten ist oft das Gute. Manchmal fallen Berufungen hinten runter, weil es so viele andere gute und wichtige Dinge gibt. Aber vor Gott müssen wir fragen: Was ist dran? Wo ist die Begabung, die ich einbringen soll? Wo ist mein Dienst in der Gemeinde, für den Gott mich vorgesehen hat?
Dann sagt Paulus weiter: „Dies soll deine Sorge sein, darin sollst du leben, damit deine Fortschritte in allen Dingen offenbar seien.“ Das soll deine Sorge sein: Vorlesen, Ermahnen, Lehren, dich erinnern, dass Gott dich berufen hat. Darin sollst du leben und dich einsetzen.
Der Hinweis „damit deine Fortschritte in allen Dingen offenbar seien“ ist wichtig. Fortschritt ist ein Begriff aus der Militärsprache, der das Vorrücken einer Armee gegen einen Gegner beschreibt. Es ist mit Anstrengung und Kampf verbunden, es kommt nicht von selbst.
Hier ist eine Herausforderung für Timotheus und für uns. Er spricht zu jemandem, der schon jahrelang im christlichen Dienst steht. Die Gefahr für jemanden, der lange im Dienst ist, ist, stehenzubleiben. Anfangs gibt es Begeisterung, die erste Liebe, das Lesen der Bibel von vorne bis hinten, das ganze Jesus-Nachfolgen. Doch mit der Zeit kann Stagnation eintreten. Man bleibt stehen, obwohl der Anfang schön war.
Paulus fordert, dass jeder Fortschritt sieht. Das ist eine Herausforderung für die Gemeinde: Wenn jemand zwanzig Jahre Ältester ist, soll man Fortschritt sehen. Das soll nicht als Respektlosigkeit verstanden werden, sondern als Ermutigung.
Fortschritt kann sich in verschiedenen Dingen zeigen, zum Beispiel in der Lehre. Es gibt Prediger, bei denen die Gemeinde immer schon vorher weiß, was sie sagen werden – dieselben Lieblingsideen, immer wieder. Da merkt man keinen Fortschritt. Vielleicht hat jemand vor zwanzig Jahren eine biblische Wahrheit erkannt und predigt sie immer noch, auch wenn sie nicht zum Text passt. Das ist kein Fortschritt.
Fortschritt heißt auch, neue Erkenntnisse zu gewinnen. Das bedeutet nicht, die Bibel komplett zu über den Haufen zu werfen, sondern Neues zu verstehen und im eigenen Leben voranzukommen. Sünden zu überwinden, Hemmnisse abzubauen, zum Beispiel beim Glauben mit Menschen zu sprechen.
Wenn du Ältester bist, bist du Vorbild – nicht nur in dem, was du sagst, sondern auch in dem, was du bist und wie du geistlich lebst. Deshalb ist dieser Hinweis wichtig: Die Leute sollen Fortschritt in deinem Leben sehen. Es darf nicht immer an einer Stelle stehenbleiben.
Das ist eine Herausforderung für viele, die schon lange im Glauben stehen, wie bei mir, der seit Jahrzehnten gläubig ist. Man darf nicht sagen: „Ich bin ja schon so weit gewachsen, ich brauche kein Wachstum mehr.“ Nein, die Herausforderung gilt auch für mich: Michael, wo musst du noch wachsen? Wo muss sich noch etwas verändern? Wo brauchst du Fortschritt?
Paulus sagt: „In allen Dingen“ – das betrifft sowohl die Lehre als auch das praktische Leben.
Dann heißt es: „Habe Acht auf dich selbst und auf die Lehre.“ Das bestätigt die vorherige Aufforderung. Habe Acht heißt: Achte darauf, kämpfe darum, setze dich dafür ein. Lass dich nicht verführen.
Habe Acht auf dich selbst, dass du nicht vom richtigen Weg abweichst. Achte darauf, dass der Fortschritt in deinem Leben sichtbar ist und weitergeht. Das gilt auch für die Lehre. Man kann nicht sagen: „Jetzt habe ich es begriffen, jetzt ist alles klar.“ Habe Acht bedeutet, dass man ständig darauf achten muss, dass die Lehre klar auf Gott ausgerichtet bleibt und man sich dadurch korrigieren lässt.
Das ist eine ständige Aufgabe – für dich selbst und natürlich auch für andere. Denn es heißt: „Habe Acht auf dich selbst und auf die Lehre, bleibe beständig dabei.“
Wenn du das tust, hat das Auswirkungen für dich – dein geistliches Wachstum und deine Beziehung zu Jesus – und für andere, nämlich die, welche auf dich hören.
Hier steht allerdings eine seltsame Formulierung: „Wenn du das tust, wirst du sowohl dich selbst retten als auch die, welche auf dich hören.“ Das klingt etwas merkwürdig. Heißt das, ich werde nur gerettet, wenn ich am Ende meines Lebens immer gewachsen bin und das Richtige gepredigt habe? Dann hätten wir eine schwere Aufgabe vor uns.
Was ist mit der Erlösung aus Gnade allein? Gilt die hier? Ja, natürlich gilt sie.
Wahrscheinlich meint Paulus hier zweierlei: Erstens, es gibt kein Christsein, das nur aus Bekehrung besteht. Christsein zieht auch Heiligung nach sich, und genau das spricht er hier an.
Ich würde das ähnlich interpretieren wie Jakobus oder Johannes im ersten Johannesbrief. Jakobus sagt: „Glaube ohne Werke ist tot.“ Jemand sagt: „Ich bin gläubig, weil ich bei der Evangelisation mal die Hand gehoben habe.“ Jakobus sagt: „Das ist nichts. Zeig mir deinen Glauben, ich zeige dir meinen Glauben durch Werke.“ Glaube ohne Werke gibt es nicht.
Ich habe den Eindruck, das ist hier auch gemeint: Es muss Fortschritt und Veränderung in Lehre und Leben geben. Dadurch wirst du nicht durch Taten gerettet, aber deine Taten zeigen, dass du gerettet bist und zu Jesus gehörst. Das ist ein Indikator.
So ähnlich sagt Jesus auch: Der gute Baum bringt gute Früchte. Es gibt keinen guten Baum mit schlechten Früchten.
Das ist eine ähnliche Richtung, die hier gemeint ist.
Zum Teil könnte auch etwas anderes gemeint sein. Ihr erinnert euch, dass wir wenig vorher gelesen haben, dass Frauen durch Kindergebären gerettet werden. Dabei haben wir erkannt, dass das nicht die Rettung an sich ist. Frauen müssen ihre Sünden genauso bekennen. Ein Kind zu bekommen genügt nicht. Sünde muss bekannt werden.
Man könnte sagen: Gott wäre ungerecht, wenn Frauen es leichter hätten. Sie müssen genauso Sünderinnen anerkennen.
Was bedeutet das Gerettetwerden hier? Vielleicht sagt Paulus auch: Die Frau findet ihre Erfüllung normalerweise darin, dass sie sich um die Kinder kümmert. Hier könnte es bedeuten, dass auch wir unsere Erfüllung im geistlichen Leben finden, indem wir wachsen und treu im Wort bleiben.
Es geht hier also nicht um die Errettung im Sinne der Vergebung, sondern um die Erfüllung, die Gott uns im geistlichen Leben geben will.
Diese Erfüllung betrifft auch die, die auf Timotheus hören. Mit „Zuhören“ ist nicht nur akustisches Hören gemeint, sondern auch das Hören und Tun. Sie werden durch ihn mitgeprägt.
Umgang mit Gemeindemitgliedern unterschiedlichen Alters und Geschlechts (1. Timotheus 5,1-2)
Dann kommen wir zum nächsten Kapitel, und zwar Kapitel fünf, erster Abschnitt, die ersten beiden Verse.
„Einen älteren Mann fahre nicht hart an, sondern ermahne ihn wie einen Vater. Jüngere wie Brüder, ältere Frauen wie Mütter, jüngere wie Schwestern in aller Keuschheit.“
Diese Kapiteleinteilung gab es damals noch nicht, das war ein fließender Text. Ich habe den Eindruck, Paulus blickt hier noch einmal zurück. Er geht darauf ein, dass in der Gemeinde die Leute ermahnt werden sollen. In Vers 13 steht ja sein Augenmerk auf das Vorlesen, auf die Lehre und auf das Ermahnen.
Zunächst erklärt Paulus, wie das mit dem Ermahnen funktioniert: Er selbst muss ein Vorbild sein, sonst wirkt das Ermahnen nicht. Dann spricht er über die Lehre, dass man sie gut bewahren, darauf achten und Fortschritte darin machen soll, also immer das Wort Gottes studieren. Jetzt kommt er noch einmal auf das Ermahnen zurück und gibt einen sehr guten, fürsorglichen Tipp, den wir auch heute noch beachten sollten.
Oft scheitern Gespräche über den Glauben oder die Seelsorge daran, dass ganz normale menschliche Dinge nicht beachtet werden. Die meisten von euch sind im Zwischenalter, also weder sehr alt noch sehr jung, irgendwo dazwischen. Stellt euch vor, ihr seid Mitte 40, und ein Teenager von 14 Jahren kommt zu euch und sagt: „Also das siehst du ja vollkommen falsch in der Bibel.“ Wie fühlt ihr euch da? Den meisten Menschen geht es innerlich so: „Hey, du hast ja keine Ahnung, du stehst noch ganz am Anfang des Glaubens, du Grünschnabel, was erzählst du mir?“ Und je älter die Menschen werden, desto stärker wird dieses Gefühl.
Timotheus ist jünger, und jetzt soll er mit etwa 40 Jahren einem Siebzigjährigen etwas sagen. Der Siebzigjährige denkt: „Als ich so jung war wie du, habe ich das auch noch so gesehen, aber inzwischen weiß ich viel besser Bescheid.“ Was soll Timotheus tun? Er soll nicht sagen: „Hey, du alter Knacker, du hast keine Ahnung.“ Stattdessen soll er mit dem älteren Mann so sprechen, als ob er mit seinem Vater redet.
Gehen wir von einer einigermaßen gesunden Familienbeziehung aus, in der Kinder nicht respektlos nach Hause kommen und sagen: „Ey, mach mal Platz!“ Im biblischen Sinn soll es eine gewisse Achtung der Kinder vor den Eltern geben. Timotheus wird hier gesagt, wenn er in der Gemeinde mit einem älteren Mann zu tun hat, soll er mit ihm so sprechen, wie er es mit seinem Vater tun würde, also mit einer gewissen Ehrerbietung.
Das bedeutet, es soll dem älteren Mann leicht gemacht werden, das zu akzeptieren, was Timotheus ihm sagt. Er soll nicht zu selbstsicher auftreten, sondern eher bescheiden sein. Er soll dem Älteren Ehre geben, damit dieser merkt, dass er respektiert wird. Dann fällt es dem anderen viel leichter, die Ermahnung anzunehmen.
Das gilt übrigens nicht nur in der Richtung vom Jüngeren zum Älteren, sondern auch umgekehrt. Auch wenn der Ältere einem Jüngeren etwas sagt, wird man die Erfahrung machen, vielleicht mit den eigenen Kindern: Man sagt ihnen, dass etwas schlecht ist, und sie antworten: „Papa, du hast keine Ahnung, wie das heute läuft.“ Früher, als du jung warst, war das vielleicht so, aber heute leben wir in einer ganz anderen Zeit.
Manchen Jugendlichen fällt es schwer, von Älteren etwas zu akzeptieren, weil sie den Eindruck haben, diese verstehen sie nicht richtig und wissen nicht, wie die Realität wirklich ist. Auch hier gilt: Begegne dem Jüngeren nicht mit der Haltung „Ich habe alles Erfahrung“, sondern mit Verständnis. So fällt es ihm leichter, deine Worte anzunehmen.
Das sagt nichts über den Inhalt aus. Wir sollen den Inhalt nicht verfälschen oder den Leuten nach dem Mund reden. Es geht nur um die Art und Weise, wie wir ermahnen. Das griechische Wort, das hier mit „ermahnen“ übersetzt wird, bedeutet im wörtlichen Sinne so viel wie „Beistand leisten“. Es heißt nicht, mit ausgestrecktem Finger zu sagen: „Du Böser!“ Sondern Ermahnung meint hier, jemanden zu stärken oder ihm zur Seite zu stehen.
Es geht darum, dem anderen zu helfen, im geistlichen Leben voranzukommen – auch wenn das manchmal bedeutet, unangenehme Dinge anzusprechen. Niemand hört gerne unangenehme Wahrheiten, aber damit sie ankommen, sollten wir versuchen, alle zwischenmenschlichen Schwierigkeiten möglichst gering zu halten.
Diese Schwierigkeiten können zum Beispiel der Altersunterschied sein. Es fällt uns oft schwer, von Menschen mit ganz anderem Alter etwas anzunehmen, und wenn das sowieso schon Probleme bereitet, dann umso mehr. Darauf sollten wir achten.
Genauso sagt Paulus es auch bei den Geschlechtern, also bei Mann und Frau. Er sagt hier eher: Dem Älteren wie einem Vater begegnen, dem Jüngeren wie einem Bruder. Wenn du also mit einem Jüngeren zu tun hast, begegne ihm so, als hättest du einen Bruder, mit dem du herzlich umgehst. Hier muss kein strenger Anstand herrschen, natürlich soll man anständig sein, aber nicht zu förmlich. Du solltest so mit ihm umgehen, dass er merkt, du hast ihn gern und urteilst nicht nur über ihn als Fremden.
Ebenso bei den älteren Frauen als Mütter und den jüngeren als Schwestern. Den jüngeren Frauen soll man als Schwester begegnen. Interessanterweise fügt Paulus hier noch „in aller Keuschheit“ hinzu. Das ist genau das, was ich euch vorhin schon gesagt habe: Bei den jüngeren Schwestern, also den jungen, hübschen Mädchen, die Timotheus im Glauben unterstützen soll, wird er besonders ermahnt, auf Keuschheit zu achten.
Er soll sie zwar wie Schwestern behandeln, aber auch mit der nötigen Distanz. So gibt Paulus hier einige praktische Tipps für die Seelsorge: Macht es den Leuten nicht schwerer, als es wirklich sein muss.
Einführung in das Thema der Witwen in der Gemeinde
Und dann kommen wir zum nächsten Teil, der für manche vielleicht etwas mysteriös ist, wenn ihr ihn durchgelesen habt. Hier geht es nämlich um die Witwen, und es gibt echte und falsche Witwen. Das ist eine interessante Sache. Wie kann es eine falsche Witwe geben?
Bobby würde jetzt sagen: „Achte auf die Landung.“ Ach so, ja, gut, das klingt sogar noch richtig, als ob es aus dem Text wäre. Was machen wir denn da? Tja.
Also, ich fange doch ein bisschen mit den Witwen an. Ich sage euch noch ein wenig über die Witwen, jetzt wo ich hoffentlich euer Interesse geweckt habe und eure Neugierde. Dann bleibe ich noch ein bisschen dabei, aber ich achte darauf und werde das im Blick behalten. Ich werde nicht lange machen, nur einen kleinen Einstieg hier.
Also: Ehrt die Witwen, die wirklichen Witwen! Zunächst einmal ist festgeschrieben, dass die Witwen geehrt werden sollen. Das ist im Alten Testament vollkommen klar, da gibt es keine Frage. Denn Witwen sind Frauen, die ihren Mann verloren haben, und sie stehen meist ohne andere Mittel da.
Hier sind die wirklichen Witwen gemeint, nicht solche, deren Mann zwar offiziell tot ist, aber irgendwo noch lebt – etwa im Keller oder so. Nein, es sind die Witwen im Sinne der Unterstützungsleistung der Gemeinde gemeint, also die bedürftigen Witwen.
Deshalb steht auch direkt danach: Wenn die Witwe aber Kinder oder Eltern hat, sollen diese zuerst lernen, am eigenen Haus gottesfürchtig zu handeln und den Eltern Empfangenen zu vergelten, denn das ist gut und wohlgefällig vor Gott.
Das heißt, Kinder und Enkel, die für die Witwe sorgen können, gelten nicht als wirkliche Witwen im Sinne der Gemeindeordnung. Im Alten Testament war es so, dass man Witwen und Waisen unterstützen sollte, und zwar war jeder dazu verpflichtet – das Volk Israel.
Im Neuen Testament gibt es nicht mehr das Volk Israel, sondern die Gemeinde. Die Gemeinde sieht es als ihre Verpflichtung an, jeden Bedürftigen in ihrem Umfeld zu unterstützen.
Witwen waren bedürftig, weil die meisten keinen Beruf hatten und von ihrem Mann und ihrer Familie abhängig waren. Wenn der Mann gestorben war, hatten sie keine offizielle gesellschaftliche Stellung mehr und kein Geld.
Natürlich gab es auch Witwen, deren Mann reich war. Die hatten genügend Mittel und brauchten keine Unterstützung. Oder Witwen, die viele Kinder hatten, die für sie sorgen konnten. Diese sind nicht alle am Bettelstab, sondern haben eine andere Versorgungslage.
Das wird im folgenden Vers noch näher erklärt. Denn es steht ja auch, dass Kinder und Enkel zuerst lernen sollen, dem eigenen Haus gottesfürchtig zu dienen. Das ist dieselbe Qualifikation, die auch für die Ältesten gilt: dem eigenen Haus gut vorzustehen.
Wenn Eltern notleidend sind, also hungern, dursten oder kein Obdach haben, ist man verpflichtet, als Kind oder Enkel für sie zu sorgen. Hier geht es nicht um staatliche Regelungen, sondern um moralische Regeln Gottes.
Wirkliche Notbedürftigkeit ist hier gemeint, und das war damals sehr weit verbreitet. Wenn Kinder oder Enkel für die Witwe sorgen können, braucht nicht die Gemeinde einzuspringen.
Also: Ehrt die Witwen, die wirklichen Witwen! Ehre bezieht sich nicht nur auf die wirtschaftliche Unterstützung, aber die gehört mit dazu. Es reicht nicht, einfach nur zu sagen: „Ach, was bist du für eine wertvolle Frau“, und sie dann verhungern zu lassen.
Wenn du sagst, du ehrst die Person für das, was sie geleistet hat – zum Beispiel die Kinder so toll erzogen hast, vorbildlich warst – dann gehört auch dazu, dass du ihr jetzt in der Notsituation helfen willst.
Das ist hier gemeint: Ehre bezüglich des Ansehens in der Gemeinde und auch praktische Hilfe im finanziellen und alltäglichen Bereich.
Jetzt zur Frage der echten und falschen Witwen, beziehungsweise der wirklichen und nicht wirklichen Witwen.
In Vers 5 steht: „Eine wirkliche und vereinsamte Witwe aber hat Hoffnung auf Gott gesetzt und bleibt beständig im flehenden Gebet Tag und Nacht.“
Hier ist die wirkliche Witwe gemeint, die ganz ohne Hilfe ist. Weil sie keine andere Hoffnung hat, setzt sie ihre ganze Hoffnung auf Gott. Deshalb bittet sie Tag und Nacht: „Gott, hilf mir in meiner Notlage.“
An dieser Stelle muss die Gemeinde einschreiten, denn die Gemeinde ist das Werkzeug Gottes, um diesen armen und bedürftigen Menschen zu helfen.
Hier ist nicht in erster Linie gemeint, dass sie besonders fromm ist – das wird im Folgenden nicht erklärt. Vielmehr ist gemeint, dass sie keine andere Hoffnung als Gott hat. Die Gemeinde ist das Werkzeug Gottes, um diese Hoffnung zu erfüllen.
Hier machen wir einen Punkt. Tut mir leid, für den Rest des Textes komme ich später noch dazu. Ich glaube, ich habe nur noch eine Bibelarbeit, und da haben wir viel Text vor uns. Nehmt euch also schon mal den Montagvormittag frei.
Nein, nein, ich werde es etwas kürzer fassen. Ihr wisst ja, zwei Minuten für einen Text sind nicht viel.
Das war jetzt der Einstieg zu den Witwen. Beim nächsten Mal machen wir weiter. Behaltet das in Erinnerung.
Schlussgebet
Ich möchte an dieser Stelle gern noch mit euch beten.
Vater im Himmel, noch einmal möchten wir dir Danke sagen für dein Wort, insbesondere für den ersten Timotheusbrief und all die Herausforderungen, die du an uns heranträgst.
Einerseits danken wir dir für die Vorbildlichkeit des Timotheus. Trotz seines verhältnismäßig jungen Alters war er ein Vorbild für andere. Er hielt fest an deinem Wort, zeigte Veränderung und Fortschritt in seinem Leben. Er begegnete anderen Menschen in Liebe, ließ sich korrigieren und lebte im Geist. Dabei ließ er sich von dir leiten und hörte auf dich in seinem Alltagsleben.
Wir bitten dich, dass du uns den Timotheus als Vorbild vor Augen malst, damit wir auch so handeln können.
Wir bitten dich aber auch, dass du uns Weisheit gibst, dort wo wir Verantwortung in der Gemeinde tragen. Dort, wo du uns begabt und berufen hast für unsere Aufgabe, dass wir sie ernst nehmen und annehmen. Hilf uns, uns dafür einzusetzen und darauf zu achten, dass bei uns in der Gemeinde das Vorlesen deines Wortes, die Lehre und auch die Seelsorge nicht zu kurz kommen. So möge wirklich Wachstum geschehen, und wir werden verändert, wie du es willst.
Hilf uns auch, richtig auf die Menschen zu achten, die bedürftig sind in unserer Gemeinde – so wie die Witwen damals in Ephesus. Lass uns diese nicht vergessen und zeige uns, wie wir ihnen weiterhelfen können.
Amen.