Dankbarkeit und Eröffnung des Gebets
Wir sind dankbar, dass du der auferstandene Herr bist, der auch jetzt hier in unserer Mitte ist.
Herr, wir bitten dich: Mach uns ruhig und still sowie innerlich offen. Du möchtest zu uns reden, zuerst ganz persönlich zu jedem von uns. Danach sollen wir deine Worte auch an die anderen weitergeben, mit denen wir ins Gespräch kommen.
Herr, stärke uns und schenke uns echte Freude ins Herz.
Weil du lebst, weil du uns liebst, weil du uns vergeben hast und mit uns gehst, weil du deine Gemeinde ans Ziel bringst – dir sei Lob und Dank dafür. Amen.
Einführung in die Bibelstelle und das Thema des Glaubens
Herr von Glitzingen, was meinen Sie? Ich habe nur gefragt, ob man nach Glitzingen soll. Ich habe hier die Bibeln dabei, das ist natürlich super. Schlagen Sie Ihre Bibeln auf Matthäus 15, Verse 21 bis 28.
Das große und beeindruckende „Dass Gott Gebet erhört“ ist für sie oft ganz normal. Aber wie soll das funktionieren? Wenn Menschen Zweifel haben, zweifeln sie immer an irgendwelchen Glaubenswahrheiten. Das fängt für mich gleich beim Beten an.
Wie kommt man auf die Idee, dass Gott das hören kann? Ohne Handy – wie geht das technisch? Beten so viele Menschen gleichzeitig? Wie macht das Gott? Das ist alles ein Rätsel.
Und überall hat Jesus uns Mut gemacht zum Beten. Das ist etwas ganz Wunderbares. Gott hört dein Gebet.
Die Begegnung Jesu mit der heidnischen Frau
Wir lesen diese Geschichte von einer Frau aus dem Heidenland, aus der Gegend von Tyrus und Sidon, in Matthäus 15,21:
Jesus ging weg von dort und zog sich zurück in die Gegend von Tyrus und Sidon. Da kam eine heidnische Frau, eine kanaanäische Frau, aus diesem Gebiet und schrie: „Ach Herr, du Sohn Davids, erbarme dich meiner!“
Gebet ist ein Schreien zu Gott. Ihre Tochter wird von einem bösen Geist übel geplagt, was eine furchtbare Erfahrung ist, wenn man die Macht des Teufels erlebt.
Doch Jesus antwortete ihr kein Wort. Kennen Sie das? Jesus schweigt! Da traten seine Jünger zu Jesus, baten ihn und sprachen: „Lass sie doch gehen, denn sie schreit uns nach.“
Jesus antwortete aber und sprach: „Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel, jetzt noch nicht zu den Heiden.“
Die Frau aber kam und fiel vor Jesus nieder und sprach: „Herr, hilf mir!“
Doch Jesus antwortete und sprach: „Es ist nicht recht, dass man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde.“
Die Frau sprach: „Ja, Herr, aber doch fressen die Hunde von den Brosamen, die vom Tisch ihrer Herren fallen.“
Da antwortete Jesus und sprach zu ihr: „Frau, dein Glaube ist groß, dir geschehe, wie du willst!“ Und ihre Tochter wurde gesund zu derselben Stunde.
Historischer und geografischer Kontext der Begegnung
Jetzt muss ich zuerst noch einmal erklären, wo das alles passiert ist. Es ist also der Südlibanon, ein Gebiet, in dem immer heftig gekämpft wird. Dort sind Terrorgruppen, Partisanen und andere, die gegen Israel kämpfen. An der Nordgrenze Israels wird ständig scharf geschossen. Dieses Gebiet ist vom Heiligen Land ziemlich abgegrenzt, es gilt als Ausland.
Jesus geht in dieses Gebiet, obwohl er sonst überhaupt nie ins Ausland reist. Sein Dienst war ja auf das Gebiet Israels beschränkt. Das Überraschende ist, dass er dort eine Frau findet, eine Heidin. Diese Frau wird für uns zum Vorbild des gläubigen Gebets.
Das ist mir ganz wichtig, weil bei uns oft die Meinung vertreten wird, dass es gar nicht so wichtig sei, an wen oder was man glaubt – Hauptsache, man glaubt.
Religiöser Hintergrund und Bedeutung der Frau
Ich muss noch einmal kurz erklären: Das Gebiet von Tyros und Sidon war eine Region, in der der Heidenkult schreckliche Blüten trieb. Dort wirkte einst die gottlose Königin von Nordisrael, die Frau von Ahab, die Isebel – die böse, wilde Isebel. Sie war tief in den Götzendienst Phöniziens verstrickt. Der Prophet Elija kämpfte mit ihr gegen diesen Götzendienst.
Mich hat das interessiert, als ich im Libanon unterwegs war und dort Christen besuchte. Sie brachten mich nach Byblos und zeigten mir die alten Heiligtümer. Dabei machten sie mich auf etwas aufmerksam: Dort standen Stelen, grausame Gottessymbole für diese Götzen. Immer wieder, über Jahrhunderte hinweg, wurden die Tempel zerstört und neu errichtet. In Byblos allein wurden in einem Tempel dreißig Stelen immer wieder aufgerichtet. So lebte der Götzenglaube über die Jahrhunderte weiter, und die Leute verehrten diese magischen Gottheiten bis in unsere Zeit hinein.
Man sieht, wie bedeutend diese magischen Gottheiten waren. Umso interessanter ist es, was mit dieser Frau geschah, die plötzlich ein solches Vertrauen in Jesus hatte und ihm vertraute. Sie erkannte, dass es nicht um irgendwelche magischen Kräfte oder Beschwörungen ging, sondern dass da eine lebendige Person war – Jesus.
Der Name Jesus bedeutet Heiland, Retter. Das ist mir so wichtig, dass wir heute wieder verstehen: Die entscheidende Erkenntnis für uns muss sein, dass Jesus der Herr ist. Alles andere hat keinen Wert. In der Vielfalt der religiösen Meinungen, im Suchprozess der Menschen und im Stochern im Nebel ist es wunderbar, dass Gott in Jesus zu uns gekommen ist und zu uns gesprochen hat.
Entstehung und Wesen des Glaubens
Nun wollen wir uns ansehen, wie es überhaupt zu diesem Glauben, zu dieser festen Überzeugung der Frau kommt. Wie entsteht Glauben? Das ist die erste Frage, die wir haben.
Ich erwähne das, weil in unseren christlichen Kreisen oft die Meinung herrscht, dass es nicht wichtig sei, was man glaubt, sondern nur, dass man fest daran glaubt. Das ist jedoch Unsinn. Wenn ich glaube, ich sei ein Flugzeug, dann bin ich trotzdem kein Flugzeug. Auch wenn ich fest daran glaube, dass ich keine Zahnschmerzen habe, nützt das nichts – die Schmerzen sind dennoch da. Es stimmt also nicht, dass es nur darauf ankommt, fest zu glauben.
Diese Frau war mit einer großen Not belastet. Ihr Kind wurde vom Teufel übel geplagt. Wir wissen nicht genau, was das bedeutet, aber viele Mütter und Väter kennen die grausamen Nöte, die sich in den Herzen ihrer Kinder abspielen. Man steht dem hilflos gegenüber, weil man spürt, dass es unheimliche Mächte sind. Wenn dann die Ärzte nicht weiterhelfen können, selbst die teuersten Medikamente nichts nützen, fragt man sich: Was ist hier los?
Jetzt interessiert uns, wie diese Frau überhaupt dazu kam, plötzlich Jesus zu vertrauen. Ich bin froh, dass im Hebräerbrief Kapitel 11 eine Definition von Glauben gegeben wird. Dort heißt es, Glaube sei eine gewisse Zuversicht dessen, was man hofft. Das ist wunderbar. Glaube hat eine große Hoffnung. Doch die Frage bleibt: Wie kommt man dazu, auf Jesus zu hoffen? Das ist entscheidend. Nicht irgendeine Hoffnung, wie „die Hoffnung stirbt zuletzt“, denn jeder hat irgendeine Hoffnung.
Man kann das Wort aus Hebräer 11 auch etwas anders übersetzen. So wurde mir immer deutlich: Glaube ist ein Überwältigtwerden von der unsichtbaren Wirklichkeit. Das ist großartig – ein Überwältigtwerden von der unsichtbaren Wirklichkeit. Hier ist ein Geheimnis angedeutet.
Die Frau spricht Jesus an mit „Du Sohn Davids“. Sie wusste etwas. Vom Evangelium, vom Wort Gottes hatte sie gehört. So kam sie zum Glauben. Uns wird der Glaube nur durch das Bibellesen nahegebracht. Dabei kommt man immer tiefer hinein. Man kann Jesus nur erkennen, wenn man die Bibel richtig liest.
Sie erkannte, dass Jesus der verheißene Messias ist. Als Heidin interessierte sie sich dafür, war eine wache Frau und verfolgte die Sache weiter. Angesichts der großen Not war sie gedrängt, mehr wissen zu wollen. Wie geht es weiter? Wie komme ich dazu?
Ich möchte das noch einmal betonen: Glaube ist das Allergrößte in unserem Leben. Glaube ist das Fassen der Herrlichkeit Gottes mitten in dieser finsteren Welt. Glaube ist das Erleben der Gegenwart Gottes. Glaube ist der Sieg, der diese Welt überwindet. Glaube durchbricht alle Zweifel und Rätsel. Diesen Glauben brauchen wir.
Ohne diesen Glauben können wir Gott nicht gefallen. Ohne diesen Glauben sind wir verloren. Deshalb ist uns diese Heidin ein Vorbild und eine Ermutigerin.
Ich möchte auch sagen, dass es dummen Glauben gibt, faulen Glauben, leichtsinnigen Glauben und sogar Aberglauben. Aber der Glaube, der die Macht von Jesus erkennt und das Wort von Jesus ergreift, ist etwas Wunderbares. Dieser Glaube überwindet die Welt, siegt und kommt zum Ziel.
Und das ist mir so groß: Wie kommt man dazu? Ich bin so froh, dass die Bibel ganz klar sagt, dass man das nicht mit Verstand und eigener Kraft erreichen kann. Du kannst grübeln wie ein Weltmeister und kommst nicht zum Ziel.
Es ist ein Geschenk. Der Heilige Geist erleuchtet deinen Verstand. Darum darf man bitten: Herr, gib mir diesen starken Glauben, der dein Wort mit Freude fasst.
Und da muss ich den Zweifel beiseitelegen und sagen: Herr Jesus, vergib mir, dass ich bei dir zweifle. Ich will dir vertrauen. Danke, dass du mir das verheißen hast – deinen Heiligen Geist, der mich erleuchtet und mir ein Licht gibt, damit ich an dich glauben kann.
Glaubensvorbilder aus der Bibel
Im Alten Testament der Bibel wird von einer Kanaanäerin erzählt. Die Kanaanäer waren Menschen, die tief im magischen Aberglauben verwurzelt waren. Umso beeindruckender ist es, was man immer wieder in der Mission erlebt: Menschen durchbrechen diese Dunkelheit des Aberglaubens und Heidentums und erkennen Jesus.
An wen denke ich? An eine ganz besondere Frau! Wir umgehen sie oft, obwohl sie sogar in der Liste der großen Glaubenshelden im Hebräerbrief Kapitel 11 erwähnt wird. Es ist Rahab. Sie hatte einen sehr schlechten Beruf – sie war eine Hure. Die Bibel nennt die Dinge beim Namen.
Das Wunderbare ist jedoch nicht, was sie war, sondern dass sie durch den Glauben ihr Leben völlig verändert hat. Der Glaube stellt mein Leben auf ganz neue Füße. Er macht mich aktiv. Rahab hat sofort, als sie zum Glauben kam, durch die Kundschafter, die in ihrem Haus und auf dem Dach versteckt waren, etwas erkannt.
Diese Kundschafter waren in Jericho, bevor die Israeliten den Jordan überquerten, um die Stadt Jericho zu erobern. Rahab erkannte den Gott Israels und sagte: Dieser lebendige und mächtige Gott, der mit Israel geht, ist der wahre Gott. Daraus zog sie Konsequenzen für ihr Leben. Mit diesem Gott wollte sie verbunden sein.
Sie gab ihren verachteten Beruf auf. Sie hatte nie Freude daran gehabt, denn es ist das größte Elend und die schlimmste Entwürdigung einer Frau. Das Herrliche ist, dass der Glaube uns aus den Klauen der Sünde befreit und uns frei macht. So dürfen wir unser Leben als Kinder Gottes leben.
Durch den Glauben hat sich bei Rahab vieles verändert. Man muss sagen, dass sie nicht viel Theologie verstand. Das war auch nicht wichtig. Sie begriff jedoch: Der lebendige Gott, dem ich vertraue, ist der einzige Gott. Ihm will ich gehören und konsequent in seinem Weg folgen – genau wie diese Kanaanäerin.
In dieser Situation vertraut sie Jesus in großer Not und Krankheit. Ihr Glaube ist unerschütterlich, fest und mächtig.
Die Kraft des Glaubens und das Gebet
Zinzendorf hat einmal ein Lied über den Glauben gedichtet. Ich finde es schade, dass dieses Lied heute nicht mehr in unseren Gesangbüchern zu finden ist. Deshalb schauen viele immer wieder in alten Gesangbüchern nach, um diese Lieder noch auswendig zu lernen.
Der Glaube durchdringt Stahl und Stein und kann die Allmacht erfassen. Er hält sich fest an die Worte Gottes. Die Kräfte der Erde erscheinen ihm dabei als sehr gering. Wer Gott vertraut und dem Wort von Jesus glaubt, der kann die größten Wunder erleben.
Ach, wenn du nur glauben könntest, würdest du Wunder sehen! Und das ist so wichtig: Ohne Glauben kann man Gott nicht gefallen. Diese Frau aus der Bibel geht uns voraus und zeigt, wie man allein im Leben bestehen kann. In den Schwierigkeiten und Nöten des Lebens vertraut sie Jesus und seinem Wort bedingungslos.
Ich möchte noch einmal sagen, dass es mir oft weh tut, wie in unseren Hauskreisen der Glaube problematisiert wird. Dann werden Sprüche gemacht, und es wird unverbindlich diskutiert, wie das alles ist. Dabei hängt doch unser ganzes Leben daran. Es ist eine Existenzfrage für uns. Es geht um alles oder nichts. Ich muss wissen, ich muss gewiss sein in meinem Glauben – eine Heilsgewissheit, ganz gewiss.
Diese Frau macht es einfach vor. Sie hätte auch sagen können: „Ach, warten wir mal ab, wie das alles wird, mal sehen, vielleicht.“ Oder: „Das hilft überhaupt nichts mehr, es ist sowieso alles vorbei.“ Nein, diese Frau weiß, dass sie mit Jesus ringen und kämpfen darf. Das ist für uns sehr wichtig: Im Gebet mit Jesus ringen zu dürfen, zu ihm zu kommen, ihn anzurufen und ihm die Not vor die Füße zu legen.
Ich denke, dass auch Sie alle in Ihrem Leben oft solche Gebetskämpfe mit unserem Herrn erlebt haben. Neulich war das bei uns wieder so. Meine Frau und ich konnten nachts gar nicht schlafen. Immer wieder sagte meine Frau: „Der Herr weiß es doch.“ Aber wir dürfen immer wieder sagen: „Herr, wir kommen nicht weiter, wir werden mit der Sache nicht fertig, aber wir legen uns einfach vor deine Füße. Du weißt es.“
Wie Kinder dürfen wir sagen, dass wir mit Menschen gar nicht mehr darüber sprechen wollen, weil die große Not uns das Herz bedrückt. Aber wir wissen, Jesus kann alle Not lösen und uns aus der Dunkelheit herausführen, wenn Menschen am Ende sind.
Das ist dieser wunderbare Glaube. Wie entsteht er? Aus dem Hören des Wortes Gottes, aus dem Bibellesen, aus dem Vertrauen zu Jesus, wenn man seinem Wort gehorcht. Bei ihm ist das Gebet nie vergeblich.
Das ist so groß und so wichtig: Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. (1. Johannes 5,4)
Die Kühnheit im Glauben und das Beharren im Gebet
Aber jetzt möchte ich zum Zweiten noch etwas sagen über die verwegene Kühnheit des Glaubens. Diese Kühnheit hat Jesus einfach gestellt, sie ist ihm in den Weg getreten und hat keine Ruhe gegeben. Es steht ausdrücklich da: Sie hat geschrien. Schreien ist nichts Schönes.
Wenn ich daran denke, wie formvollendet und manchmal geziert unsere Gebete sind, weiß ich, dass man sich im Himmel freut, wenn jemand in seiner ganzen Verzweiflung seine Not im Gebet herausschreit – so wie diese Frau. Und einfach sagt Jesus: „Ich lasse dich nicht von mir gehen.“ Schon Jakob hat so gebetet: „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.“
Das ist alles für uns ein Vorbild. Dabei geht es nicht um wohlformulierte Sätze, sondern darum, dass sie durchbricht durch die Not, die sie bedrückt, und einfach Jesus packt und sagt: „Ich lasse dich nicht los, ich lasse dich nicht los.“
Mir hat also geholfen, wie vor vielen Jahren mein Freund, Bischof Festo Kivengere aus Uganda, dieses schöne Bild bei einer großen Veranstaltung des Gemeindetags unter dem Wort im Stuttgarter Neckarstadion damals gebrauchte: Ich lege meine schwache Glaubenshand, die zittert, in die starke Hand von Jesus, die mich hält.
Das ist wunderbar, das darf der Beter tun. Der Glaube darf das tun. Ich zittere, ich habe Angst, ich weiß nicht, wie alles werden soll. Und dann lege ich meine Hand in die starke Hand von Jesus, und er packt meine Hand. Ich weiß: Jetzt hat er mich ganz fest in seiner Hand.
Diese Hand von Jesus ist so stark. Stark ist meine Jesu-Hand, sie wird mich ewig fassen. Niemand kann dich aus seiner Hand reißen. Das ist so wichtig. Diese Frau will das wissen in ihrer großen Not.
Das Schweigen Jesu und der Heilsplan Gottes
Aber jetzt kommt etwas, das ganz unbegreiflich ist: Jesus antwortet dieser Frau nicht. Kennen Sie das? Jeder Beter erlebt es: Hat Gott mein Gebet nicht gehört?
Neulich erzählte ein Enkel von mir, der im Südsudan ein Krankenhaus aufbaut, dass man oft meint, das Gebet gehe nicht einmal bis zur Decke. Hört Gott das wirklich? Kommt die Enttäuschung? Warum schweigt Jesus?
Dann wird schnell klar: Es fiel Jesus sehr schwer, dieses Gebet nicht zu beantworten. Das ist für uns eine große Hilfe. Jesus würde gerne das Gebet dieser Frau erfüllen, aber er kann es nicht.
Ja, warum kann er es nicht? Jesus kann doch alles. Nein, Jesus kann nicht alles. Das ist ein Missverständnis. Warum kann Jesus nicht alles? Weil Jesus nur tun will, was der Vater im Himmel will.
Das sieht man ganz oft am Anfang des Johannesevangeliums: Der Sohn kann nur tun, was er den Vater tun sieht. Immer wieder wird das deutlich.
Auch bei der Hochzeit zu Kana wartet Jesus; er hilft nicht sofort. Maria kommt und sagt: „Du musst helfen!“ Und Jesus antwortet ihr scharf: „Was habe ich jetzt mit dir zu tun?“ Es ist also nicht zu spät, nicht zu helfen – das dürfen Sie wissen.
Warum ist es dann so, dass Jesus nicht sofort hilft? Ich darf Ihnen sagen: Jesus hätte damals gern schon im Ausland Missionen gemacht – in Südamerika, in China, bei den Indianern und bei den Eskimos. Jesus will die ganze Welt.
Aber es war der Wille des Vaters, dass Jesus zuerst zum Kreuz gehen muss. Deshalb blieb Jesus in Israel und ging noch nicht zu den Heiden. Erst nach seiner Auferstehung sandte er seine Jünger in alle Welt.
Das ist ein Ereignis der Heilsgeschichte Gottes. Deshalb muss Jesus dem Vater treu bleiben. Jetzt verstehen wir das: Das ist der Heilsplan Gottes. Es ist auch für uns ganz wichtig, dass der Wille des Vaters gültig bleibt.
Gott weiß, was richtig ist und was das Beste ist.
Das Gleichnis von den Kindern und Hunden
Jesus verwendet ein Bild, ein Gleichnis, und das ist immer so schön, weil er nicht in großen theologischen Begriffen spricht. In den Reden Jesu finden wir keine komplizierten theologischen Meinungen. Stattdessen erzählt Jesus stets Geschichten. Das macht unseren Glauben so einfach, denn alles wird anschaulich und bildhaft dargestellt.
Jesus sagt, es sei nicht recht, den Kindern ihr Brot wegzunehmen und es den Hunden vorzuwerfen. Wer sind die Kinder? Die Kinder sind Israel, die im Heilsplan Gottes das Vorrecht vor den Heiden haben. Die Heiden werden von den Juden oft als unheilbar ausgeschlossen angesehen. Diese Meinung vertreten viele strenggläubige Juden bis heute, weshalb sie sich gegen Jesus wehren. Die Heiden sind jedoch nur die Hunde.
Jetzt müssen alle Hundefreunde unter uns ganz stark sein, denn in der ganzen Dritten Welt gelten Hunde als Ungeziefer. Es hat mich immer sehr berührt, in der Dritten Welt zu sehen, wie Hunde misshandelt werden, wie sie verkrüppelt herumlaufen und wie sie behandelt werden wie Ratten. Das ist in Europa ganz anders. Wenn Jesus also von den Hunden spricht, meint er sie wie Ungeziefer.
Nun kommt etwas ganz Großes: Eigentlich hätte diese Heidin sagen müssen, dass sie sich nicht so behandeln lässt. Warum bezeichnet er uns als Ungeziefer? Das geht doch nicht! Doch nein, das Bild ist ein wunderbares Beispiel für unser Beten. Die Frau sagt: „Ja, Herr, wir sind nichts wert, wir sind unwürdig und können vor Gott nichts fordern oder erzwingen.“ Das ist sehr wichtig für unser Gebet.
Wir können nicht sagen: „Das muss Gott jetzt für uns tun.“ Nein, sie vertraut Gott ganz und gar. Sie wird nicht zornig, schimpft nicht und klagt Gott nicht an. Sie sagt, dass es richtig ist, was Jesus von den Kindern sagt. Sie will keine besondere Rolle einnehmen.
Sie kennen das von vielen Stellen in der Bibel. Da war ein Beter im Tempel, der nur sagte: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ Und Jesus sagte, dieses Gebet wurde erhört, und der Mann ging gerechtfertigt nach Hause. Unser Herr mag es sehr, wenn man sich ehrlich vor ihm beugt und sagt: „Herr, ich kann nichts fordern, wir haben keinen Anspruch, den wir einklagen können. Gott muss gar nichts tun.“ Stattdessen dürfen wir einfach um unverdiente Gnade bitten.
Das ist das Wunder: Über diese Geschichte wird das große Wort sichtbar, dass dieser Heiland Jesus voller Gnade ist gegenüber dem, der ihn sucht.
Die Bescheidenheit im Glauben und das Vertrauen auf Jesus
Ja, Herr, aber doch essen die Hündlein von den Brosamen, die von ihrer Herdentische fallen. Ich glaube, Sie haben noch nie die Brosamen unterm Tisch essen müssen. Doch die Frau sagt: „Mir ist genug, was noch runterfällt von dem, was die Israeliten nicht nehmen.“ So bescheiden war sie. Und das reicht für mich völlig.
Da hat sie etwas gesagt, das so schön ist, wenn man es im Bild noch weiter übertragen kann. Jesus, ich will von Dir nur ein ganz, ganz kleines bisschen haben, aber das ist alles. Und da fällt wieder auf einmal auf: Der kleinste Glaube, der von Jesus nur ein ganz kleines Stückchen packt, der hat schon alles gewonnen und ist durchgebrochen zum Heil.
Ich habe ja oft die Meinung, wir haben noch gar nicht richtig begriffen, was uns Jesus alles schenken will. Wir haben nur ein kleines Stückchen gesehen, sind zum Glauben gekommen und haben durch unsere Lebensführung ein bisschen mehr entdeckt. Besonders in den dunklen Stunden unseres Lebens haben wir gewisse Worte in der Bibel gefunden, da hat Jesus ganz besonders zu uns gesprochen. Diese Worte wurden bei uns plötzlich mächtig und stark.
Ganz wunderbar ist, wie schon die kleinsten Brosamen von Jesus alles bedeuten. Wir sollten viel hungriger werden und sagen: Ich will noch viel mehr von dir entdecken. Jetzt bin ich ein alter Mann, aber ich kann so sagen: Es ist so herrlich, dass wir dann im Alter die große Chance haben, noch viel mehr hineinzudringen, weil man nicht mehr im Berufsleben steht.
Und das soll bei uns Alten gar nicht passieren, dass wir lasch werden, müde werden und gar keine Zeit mehr haben. Stattdessen sollten wir uns umso mehr konzentrieren und sagen: Ja, Herr, ich will noch mehr von deinem Brot essen. Wer mein Brot isst, sagt Jesus in Kapernaum, der hat das Leben, der hat es gefunden. Und ich will noch viel mehr von deinem Wort haben.
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern vom Wort Gottes lebt er. Ich will noch viel mehr entdecken, gerade auch in den erschütternden Nöten meines Lebens. Und das ist ein Wunder, dass unser Herr uns den Tisch reichlich deckt. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer. So steht es im Lobgesang der Maria.
Geduld im Glauben und die Bedeutung der Glaubenslieder
Und darum kann es manchmal auch sein, dass wir warten müssen. Ja, meine Frau und ich – wir haben es ja immer mit den Liedern so. Ich bedaure es, wenn eine Generation aufwächst, die die großen Glaubenslieder nicht mehr kennt. Denn unser Glaube hat eine ganz große Stütze erfahren durch die Glaubenslieder. In ihnen sind die Erfahrungen von Jahrhunderten besungen, die in den schlimmsten Katastrophen unseres Volkes durchlebt, erlitten und erfahren wurden.
Da war ein Herr Schmidt im ersten europäischen großen Weltkrieg, damals mit dem Spanischen Erbfolgekrieg, der alle Nationen Europas berührte und von furchtbaren Morden geprägt war. Er war mittendrin in Popfingen und versorgte die französischen Typhus-kranken Soldaten – 25 Lagen Verletzte auf dem Schlachtfeld, und niemand nahm sie an. Er hat uns ein schönes Lied hinterlassen: „Gott will es machen, dass die Sachen gehen, wie es heilsam ist. Lass die Wellen höher schwellen, wenn du nur bei Jesus bist.“
Das ist ja herrlich: Wenn die Stunden sich gefunden, bricht die Hilfe mit Macht herein. Um dein Kümmern zu beschämen, wird es unversehen sein. Ich hatte einen Großvater, der war Kaufmann, und der hat uns das immer so eingeprägt. Da war ich noch ein kleiner Pimpf, wenn er mit uns spazieren ging. Er sagte immer: „Gott will es machen, dass die Sachen gehen, wie es heilsam ist. Lass die Wellen höher schwellen, wenn nur du bei Jesus bist.“
Das hat alles umgedreht und uns tief beeindruckt. Ich muss bei Jesus sein, dann darf ich auch seine Wunder erleben. Die Stunden, die er bestimmt, macht er auf eine ganz wunderbare Weise.
Die Bedeutung von Wundern im Glauben heute
Das ist jetzt mein dritter Punkt, den ich noch erwähnen möchte: Dieser Glaube erlebt auch ganz große Wunder Gottes. Das ist in unseren Tagen besonders interessant.
Warum ist das heute so mit den Wundern? Es ist ganz einfach: Für die materiellen Nöte ist ja meistens gesorgt. Wir leben im Wohlstand. So kenne ich selbst Leute, die von der Sozialhilfe leben und im Vergleich zu den Armen der Welt dennoch eine überreiche Versorgung haben. Für alles ist gesorgt. Die Lebensversicherungen greifen, die Pflegeversicherungen greifen, und irgendwo leben wir ja in einer Friedenszeit.
Das Einzige, was in unserem Leben nicht geklärt ist, ist die Gesundheit. Auch wenn Sie die besten Ärzte holen, können diese Ihnen Gesundheit nie garantieren. Darum sind für uns die Wunder so wichtig. Aber wir müssen gerade dabei aufpassen, dass wir Jesus nicht festlegen, was er tun will und wie er es tun will.
Wir erleben heute vielfach auf eine ganz wunderbare Weise, wie unser Herr gerade in den Nöten hilft. Auch dann, wenn er etwas tut, was wir zuerst gar nicht verstehen und wo wir oft überwältigt sind, wie er uns hilft und was er tut.
Es ist ganz wichtig, dass wir auch bei denen bleiben, die darunter leiden. Für mich war es immer das Schwerste, wenn Kinder sterben. Man hat so gebetet, und wenn dann plötzlich über dem Grab die Herrlichkeit Gottes erscheint, wenn Jesus sich in seiner Liebe offenbart – auch wenn er nicht das tut, was wir von ihm wollten – und wenn plötzlich die Ewigkeit vor uns dasteht, dann ist das so eindrücklich.
Wir haben so viele Wunder erlebt. Das wissen Sie bei vier Kindern und 24 Enkeln, was man an Wundern erlebt, an Unbegreiflichem, was man selber in seinem Leben erfahren darf – gerade in Stunden, in denen man gar keine Hoffnung mehr hatte. Und das ist so herrlich, dass Jesus das durch das Gebet tut.
Das ist mir ganz wichtig: Das ist nicht irgendein wunderfitziges Tun von uns, sondern so wie Elija, ein schwacher Mensch, der betete, und durch das Gebet geschehen ganz große Dinge.
Mit diesem „Aber doch“ hat Jesus sogar das noch erreicht, dass sie als Heidin, sogar gegen den Willen Gottes, dass Jesus ihr dies sagt: „Dein Glaube ist groß.“ Ich darf noch einmal sagen: Wenn der Glaube nur so groß ist wie ein Senfkorn, dann kann er Berge versetzen. Aber der Glaube dieser Frau war wirklich groß.
Dieser Glaube hat Jesus einfach vertraut und war ganz ergeben. Sie hat gesagt: „Ja, Herr, mach, was du willst, ich vertraue dir, auch wenn ich dich nicht verstehe, aber ich vertraue.“ Und sie bringt diese Not für ihr Kind zum Herrn.
Das hat mit trotzigem Eigensinn nichts zu tun. Es hat auch nichts damit zu tun, dass man seinen Willen selber durchsetzen will. Wir haben ja oft einen störrischen Willen. Sondern es ist das Wissen, wer so Jesus vertraut: „Ja, doch, Herr, ich vertraue dir, und ich gebe mich ganz in deine Hand.“ Der erlebt Wunder über Wunder.
Und es ist ja so, dass wir beten in Augenblicken, in denen wir selber gar keine Lösung mehr haben, wie Gott das alles lösen will. Wenn ich jetzt auf mein Leben zurückschaue, bin ich immer wieder überrascht, in wie vielen Stunden man ein Tagebuch darüber führen sollte. In wie vielen Stunden dachte ich: „Jetzt ist alles aus. Ich bin in der Sackgasse verloren. Es gibt keinen Ausweg mehr.“
Und wie hat Gott alles gefügt? Ich kann nur erstaunt sein. Es war alles ein Wunder ohne Gleichen. Manchmal war ich störrisch, ich hatte meine Liebesvorstellungen davon, wie alles laufen muss und wie Gott führen muss. Ich kann nur sagen: Größer hätte es gar nicht sein können, als wie er geführt hat.
Das erlebt diese Frau. Und das Schöne ist, dass Jesus ihr sagt: „Dir geschehe, wie du willst.“ Nicht, dass wir das immer von uns sagen können, dass unser Wille sich durchsetzt. Aber diese Frau ist eine glaubende Frau, und Jesus sagt, dass er ihr Gebet erhört.
Jetzt stellen Sie sich einmal vor, wie diese Frau nach Hause läuft. Zweifelt sie? Nein. Ich bin überzeugt, sie hat fröhliche Psalmen gesungen auf dem Heimweg. Sie wusste, was Jesus sagt, das wird er auch tun.
Und wie sie die Tür aufstößt und die Tochter ihr entgegenläuft, sagt sie: „Ich weiß schon, was los ist. Alles okay, alles hat der Herr wunderbar gefügt.“
Wir sind ja solche Leute, die unterwegs sind vom Glauben zum Schauen. Und es ist gar nicht mehr weit, bis der Herr uns heimholt. Dann sehen wir auf einmal: Es ist alles ganz wunderbar gewesen. Wir können nur staunen, wie der Herr geführt hat, wenn wir ihm vertrauen und sagen: „Ja, Herr!“
Dieser Glaube ist groß, und den hat unser Herr gern. Sie hält sich an das Wort, dass Jesus sagt: „Dir geschehe, wie du willst.“ Und sie glaubt Jesus – und das ist das Allerschönste.
Abschluss mit Gebet und Lied
Wenn wir schon bei den Liedern immer wieder stehen bleiben, möchte ich zum Abschluss unserer Besinnung nur noch etwas sagen. Der Woltersdorf hat uns ja immer so schöne Liedverse geschenkt, die durch die Jahrhunderte so wertvoll geblieben sind. Er hat über das Beten ein langes Lied verfasst, das, glaube ich, achtzehn Strophen hat. Dieses Lied findet man kaum noch in den alten Büchern.
Ich möchte mit einem Vers daraus schließen, weil er diese heidnische Frau am besten verstanden hat. Woltersdorf macht Mut zum Beten. Er beschreibt, wie Bettler stehenbleiben und unverschämt beharren, wenn sie angesprochen werden, und an die Tür pochen. So sollen auch wir es wagen, an sein Herz anzuschlagen, getrost und freudig zu beten und nicht von der Stille zu treten.
Wenn lauter Nein erscheint, ist lauter Ja gemeint. Wenn der Verzug am größten ist, so ist die Hilfe am nächsten.
Wir wollen noch beten: Lieber Herr Jesus, wir danken Dir, dass Du uns so Mut machst und dass wir das von dieser heidnischen Frau aus Phönizien lernen dürfen. Wir dürfen ganz schlicht Vertrauen haben und Deinem Wort Glauben schenken. Herr, verzeih uns unseren Unglauben, vergib uns unseren Zweifel, durch den Dein Wort wahrhaftig nicht getäuscht werden kann.
Wir dürfen Dir jetzt auch die Not bringen, die auf unserer Seele lastet. Oft sind es Sorgen um unser eigenes Leben, um unsere Lieben und um viele schwierige Situationen, vor denen wir stehen. Ja, Herr, wir wissen, dass Du Gebet erhörst. Wir legen alles in Deine Hand.
Das bewegt uns jetzt auch, wenn wir für bedrängte Christen beten, die in schwieriger Lage sind, verfolgt und gequält werden. Gib ihnen Freude, von Dir zu reden und Zeugnis zu geben von Deinem herrlichen Jesusnamen. Gib ihnen die Liebe ins Herz, dass sie auch ihre Feinde mit Sanftmut überwinden können.
Gib auch uns die Kraft, das dort zu sagen, wo Menschen verzweifelt und mutlos sind, bei den Schwermütigen und Zerbrochenen. Lass uns ihnen von Deiner Herrlichkeit erzählen und noch viele zum Glauben an Dich führen.
Herr, gib uns neues Leben in unseren Gemeinden. Darum bitten wir Dich. Tu es, damit Du nicht nur von uns weißt, sondern dass wir Deine Herrlichkeit schauen dürfen. Amen.
Jetzt habe ich noch ein Lied, das wir singen: „Keiner wird zu Schanden“ (Lied Nr. 304).
