Einleitung und biblischer Bericht über Tabea
Dann schlagen Sie bitte in Ihren Bibeln Apostelgeschichte 9, Vers 36 auf: Die Auferweckung der Tabitha. Es ist immer originell, wie bei jeder Revision eine neue Namensform gefunden wird und die Schreibweise der biblischen Namen verändert wird. Ich denke, wir sagen einfach Tabea, so wie sie es gewohnt waren.
In Joppe lebte eine Jüngerin namens Tabea, das bedeutet Gazelle. Sie tat viele gute Werke und gab reichlich Almosen. In jener Zeit wurde sie krank und starb. Man wusste es und legte sie in das Obergemach.
Weil aber Joppe nahe bei Lydda ist, sandten die Jünger, als sie hörten, dass Petrus dort war, zwei Männer zu ihm und baten ihn: „Zögere nicht, zu uns zu kommen!“ Petrus stand auf und ging mit ihnen.
Als er angekommen war, führten sie ihn in das Obergemach hinauf. Alle Witwen traten zu ihm, weinten und zeigten ihm die Röcke und Kleider, die Tabea gemacht hatte, als sie noch bei ihnen war.
Als Petrus sie alle hinausgeschickt hatte, kniete er nieder, betete und wandte sich dem Leichnam zu. Er sagte: „Tabea, stehe auf!“ Sie schlug ihre Augen auf, und als sie Petrus sah, setzte sie sich auf. Er gab ihr die Hand und ließ sie aufstehen.
Dann rief er die Gläubigen und die Witwen und zeigte ihnen, dass sie lebte. Das wurde in ganz Joppe bekannt, und viele glaubten an den Herrn.
Petrus blieb lange Zeit in Joppe bei Simon, einem Gerber. Herr, mach uns deine Gedanken auch über dieses große Geschehen. Amen.
Die Lebenskrise und existentielle Fragen
Jeder von uns erlebt einmal eine große Lebenskrise. Dann stellt man sich erschütternd die Frage: Was ist mein Leben überhaupt wert? Was habe ich geleistet, was habe ich gearbeitet? Man fragt sich: Bin ich nicht unnütz, überflüssig, entbehrlich, wenn die Jahre so schnell vergehen und man voll im Beruf engagiert ist?
Wenn Sie jedoch erleben, dass andere Ihnen danken und Sie anerkennen, dann können Sie solche Gedanken weit von sich schieben. Wenn Sie im Kreis von lieben Menschen leben, seien Sie dankbar dafür. Dann wird Ihnen solch ein schwerer Gedanke gar nicht erst auf die Seele fallen können.
Aber viele Menschen unter uns erfahren das anders. Bei manchen kam es über Nacht: Trotz ihrer ausgezeichneten Mitarbeit werden sie plötzlich im Betrieb nicht mehr gebraucht. Dann stehen sie da ohne Arbeit und fragen sich: Was ist mein Leben wert?
Wenn eine Frau nach zwanzig Jahren von ihrem Ehemann weggeschickt wird mit den Worten: „Was bist du? Du bedeutest mir nichts“, dann kommen solche Lebenskrisen auf. Sie fragt sich: Was bin ich? Bin ich überhaupt etwas wert?
Wenn Streit und Hass die schönsten Lebensbeziehungen zerstören und man über Nacht ganz allein dasteht, dann wissen Witwen, wie es ist, plötzlich allein zu sein. Da möchte man manchmal sagen: Ach, wäre ich doch mitgestorben! So hat das Leben doch keinen Sinn mehr, es ist ein Torso, ein Rumpf.
Und wenn dann Krankheiten kommen, bei denen man weiß, dass keine menschliche Hoffnung mehr möglich ist, dann stellt sich die Frage nach der dunklen Zukunft. Alles erscheint rätselhaft. Solche Gedanken beschleichen einen. Die Alten kennen das sehr gut: Soll ich nicht einfach abtreten? Wäre das nicht das Einfachste? Ich verschwinde von der Bühne, dann falle ich niemandem mehr zur Last. Ich lege doch den anderen nur auf die Tasche, und das ist wirklich kein Leben – nein, wirklich nicht.
Ich möchte heute für diejenigen unter uns sprechen, die sich mit solchen Gedanken herumplagen. Die sich mutig und kühn damit auseinandersetzen und sagen: „Ich will diese Gedanken nicht hochkommen lassen, ich will dagegen ankämpfen.“ Aber sie merken, wie sie umklammert werden und wie sie immer tiefer hinuntergezogen werden.
Übrigens haben das auch junge Leute so erlebt. Mir schrieb ein unbekanntes Mädchen nach einem Gemeindetag irgendwo in Württemberg: „Ich will nicht mehr leben. Ich habe nur die Hilfsschule geschafft, und jetzt versage ich im Beruf. Ich lebe nur von der Barmherzigkeit meines Chefs, dass ich nicht rausgeschmissen werde. Und wenn ich spüre, dass ich nichts wert bin – was soll denn mein Leben noch? Was soll mein Leben überhaupt noch?“
Die biblische Perspektive auf das Leben und Gottes Wertschätzung
Wir müssen die Bibel lesen. Wir müssen lernen, von den Gedanken Gottes her umzudenken – also zu verstehen, was bei Ihm wichtig und bedeutsam ist. Heute wird uns dazu die Geschichte von Tabea gezeigt.
Mein erster Punkt: Gott kennt die Namenlosen. Wenn ich richtig beobachtet habe, kommt diese Geschichte in den sechs Predigtjahrgängen unserer Kirche überhaupt nie vor. Ich habe auch bei Ihnen noch nie darüber gepredigt, vielleicht einmal in einer Bibelstunde darüber gesprochen.
Tabea ist nicht nur eine nette Randgeschichte. Im großen Bericht über den Lauf des Evangeliums in der Apostelgeschichte lesen wir vor allem von Männern – von Saulus, dem Märtyrer Stephanus, von Petrus, Jakobus und Lukas, dem Arzt. Die Geschichte von Tabea ist zwar rührend, nett und unterhaltsam, aber hat sie auch eine wichtige Bedeutung für das Reich Gottes? Unser Interesse richtet sich meist darauf, wie das Evangelium durch das römische Imperium läuft, wie Paulus von Weltstadt zu Weltstadt reist – von Antiochien nach Philippi, nach Korinth und schließlich nach Rom. Was soll da die Tabea in diesem großen Bogen des Evangeliums?
Wenn man aber wirklich die Bibel liest, besonders die Apostelgeschichte, muss man sagen: Stopp! Die große Heilsgeschichte Gottes in dieser Welt besteht aus der Geschichte kleiner Leute, von Namenlosen, von Figuren, die oft übersehen werden – von Leuten wie Sie und ich. Das Große daran ist, dass Gott an ihnen nicht vorbeigeht. Er wägt, prüft und beurteilt ihr Leben ganz anders, als wir das nach unseren Maßstäben tun.
Das Einzige, was Tabea tat, war, dem ewigen Gott in ihrem Leben Raum zu geben. Darum werden ihr diese Zeilen in der Apostelgeschichte gewidmet. Vielleicht dachte auch Petrus am Anfang so, als Männer aus Joppe – dem heutigen Jaffa – zu ihm nach Lydda kamen und sagten: „Petrus, wir wissen, dass du in Lydda bist, und wir haben heute Abend eine Beerdigung. Im Heiligen Land muss ja noch am selben Tag beerdigt werden, es geht Schlag auf Schlag. Wie gut, dass du in der Nähe bist. Es wäre schön, wenn auch ein echter Apostel bei der Beerdigung wäre.“ Man wollte das auch zu Ehren und Willen der lieben alten Fräulein Tabea tun. Sie war eine stille und treue Mitarbeiterin in der Gemeinde von Jaffa.
Wie hat das wohl auf Petrus gewirkt, als an der Tür geklopft wurde und diese Männer ihre Bitte vorbrachten? Ich kann mir vorstellen, dass Petrus schon ein wenig missmutig reagierte – nicht ganz so schlimm wie ich, aber fast so. Vielleicht runzelte er die Stirn und dachte an seine vielen Termine, was er an diesem Tag alles erledigen wollte. Der Tag war ausgefüllt, denn damals war gerade Erweckungszeit. Wir lesen, dass Gemeinde um Gemeinde entstand und viele Menschen zum Glauben kamen. Petrus hatte alle Hände voll zu tun.
Außerdem waren es von Jaffa nach Lydda zwanzig Kilometer, und der Marsch in der prallen Sonne war anstrengend. Da überlegt man sich schon, ob das nötig ist, ob man zur Beerdigung gehen soll und ob man so viel investieren soll. Doch Petrus wollte den netten Leuten nicht vor den Kopf stoßen. Sie drängten ihn: „Zögere nicht, zu uns zu kommen.“ Im Altlutherischen Text heißt es sogar viel schöner: „Petrus, lass dich nicht verdrießen.“
Es muss ihm also ein wenig schwergefallen sein, zu Fräulein Tabea zu kommen, zu ihrer Beerdigung. Was ist das schon? Das ist doch nichts Wichtiges, es ist unbedeutend. Er kannte sie noch, sie war eine liebe Christin. Doch manchmal sagt man vielleicht abschätzig: „War sie nicht eine alte Jungfer, die nur treu das Bild der Gemeinde verziert hat?“ So wie unsere Konfirmanden manchmal sagen: „Ach, die Alten. Gibt es nichts Wichtigeres als eine Beerdigung bei Tabea?“
„Lass dich nicht verdrießen, lass dich nicht verdrießen, auch wenn es für dich ganz unbedeutend und unwichtig aussieht. Komm, komm!“ Selbst Apostel können manchmal die Wertordnung Gottes nicht vor Augen haben. Ich will Ihnen das so klar sagen, weil wir alle in Gefahr stehen, ganz anders zu beurteilen, was wichtig und bedeutsam ist – in unserer Gemeinde und bei unseren Terminen.
Doch Petrus gibt seinem Herzen einen Stoß, und er kommt. Es ist gut, dass sie ihn gedrängt haben.
Gottes Wertschätzung der kleinen und treuen Dienste
Das war das erste: Gott kennt die Namenlosen, auch Tabea. Es ist wichtig, dass das in der Apostelgeschichte erwähnt wird.
Nun zum Zweiten: ein erfülltes Leben. Zwanzig Kilometer war Petrus durch die Hitze marschiert, bis er an das Haus kam. Zuerst war er fast überwältigt. Er dachte, er hätte sich in der Hausnummer geirrt. Das konnte doch nicht wahr sein. Das Haus von Tabea war brechend voll, mit lauter weinenden Menschen.
Es gibt viele Arten von Trauer, echte und unechte. Doch Petrus spürte, dass diese Menschen das Beste und Wichtigste in ihrem Leben verloren hatten. Viele Witwen waren da. Damals wurden sie oft übersehen. Es gab keine vernünftige Sozialversorgung für sie. Wenn der Mann starb, waren sie meist mittellos und mussten oft noch die Kinder versorgen.
Es ist immer wieder schwer, dass wir die ganz nahen Aufgaben der Liebe versäumen. Liebe Schwestern und Brüder, es gibt viele Dinge, die wir versäumen, weil wir mit hochtrabenden Gedanken beschäftigt sind, wie wir Gott dienen wollen.
Diese Witwen streckten Petrus ihre Röcke entgegen. Da muss er sich wohl sehr merkwürdig gefühlt haben, als sie sagten: „Schau her, Petrus! Gibt es irgendwo in unserer Stadt noch einen so schön genähten Rock?“ Bis Mitternacht, um es in heutiger Sprache zu sagen, sah man sie noch an der Nähmaschine sitzen und nähen. Man sah das Licht brennen. Sie konnte so schön häkeln.
Gibt es etwas Schöneres als das, was Tabea geschenkt hat? Davon wusste auch ein Apostel, Petrus, nichts. Da war ein Mensch, der fehlte wie kein anderer: Tabea. Sie war voll guter Werke und tat viele Almosen.
Das müssen evangelische Christen hören, weil sie manchmal meinen, gute Werke seien nicht wichtig. Nein, man kann sich mit guten Werken den Himmel nicht verdienen, aber sie sind sehr wichtig. Das gute Leben und das erfüllte Leben richten sich nach den guten Werken.
Ich bin froh, dass ich heute diese ganz wichtige Geschichte predigen darf. Tabea wurde nur gerecht durch den Opfertod Jesu, der ihre Schuld bezahlt hat. Das war die Grundlage ihres Glaubens. Aber weil sie so viel Liebe von Jesus erfahren hatte, wollte sie ihre Gaben nur noch im Dienst an anderen nutzen.
Sie war keine klagende Jungfer. Im Gegenteil, sie schöpfte bis ins hohe Alter aus dem Vollen. Sie war eine Reiche, die weitergeben konnte, obwohl sie nur eine kleine Rente hatte. Aus dieser kleinen Rente konnte sie dennoch weiter schenken.
Wenn ich das mit unserem Hintergrund vergleichen darf: Da standen vielleicht türkische Kinder vor ihrem Haus, mit dem Hausschlüssel um den Hals baumelnd, und sagten: „Wenn wir von der Schule kommen, gehen wir zu Tabea.“ Dann kochte sie Kakao, las uns schöne Jesusgeschichten vor, und wir machten bei ihr die Hausaufgaben. Wir konnten kommen, wann wir wollten. Sie hatte uns lieb, wie es unsere eigenen Eltern nicht konnten.
Und wenn die Alten mit Krücken kamen und sagten: „Sie lief mich zum Sozialamt und hat die Formulare ausgefüllt.“ Oder wenn ein Eritreer sagte, sie habe nicht geruht und sei durch die Häuser und Straßen gegangen, bis sie für ihn ein Zimmer gefunden hatte. Sechs Monate lang suchte sie ein Zimmer für einen gläubigen Eritreer, der eine Arbeitsstelle hatte, aber keines fand. So hart und verschlossen sind unsere Herzen.
Tabea wusste, wann Geburtstag war. Sie wusste auch um die Witwen, bei denen oft die eigenen Kinder davongelaufen waren und nichts mehr von ihrer Mutter wissen wollten. Tabea hat sie nicht vergessen. Ihre Besuche gehörten zum Schönsten im grauen Alltag dieser Frauen.
Das muss Petrus merkwürdig berührt haben, als er vor dem Sarg stand. Er wollte gar nicht nach Jaffa zu dieser Beerdigung. „Das ist doch nicht nötig“, dachte er. Und jetzt merkte er plötzlich: Das ist eine der großen Gottes, eine Jüngerin, eine Frau, die Jesus wirklich in ihr Leben aufgenommen hat und zu einer Kopie Jesu wurde. Sie konnte diese überreiche Gnade Jesu in ihrem kleinen Lebenskreis so dicht ausleben.
Die Gnade Jesu wurde in vielen guten Werken wirksam. Sie hat es als ihr Lebensziel angesehen. Und ich möchte das wegen der jungen Leute doch noch einmal ein wenig klarer sagen.
Lebensgestaltung und Gottes Perspektive auf Erfüllung
Als Tabea ein junges Mädchen war, schmiedete sie auch ihre eigenen Pläne. Die jungen Burschen traten sich auf der Straße nach ihr um, und sie merkte, dass sie eine schöne Frau war. Doch dann nahm ihr Leben eine andere Wendung: Sie blieb ehelos. Ist das nicht ein besonders schweres Lebensschicksal? Oft dachte sie daran, wie es wäre, Kinder zu haben, einer Familie vorzustehen und einen Mann glücklich zu machen. Doch alles kam anders.
Tabea klagte jedoch nicht über die Trümmer ihres Lebens. Auch im Alter weinte sie nicht rückwärtsgewandt und erinnerte sich nicht sehnsüchtig an die schöne Jugendzeit und wie früher alles war. Sie lebte vorwärts! Sie nahm die Gaben, die Gott ihr schenkte, an und lebte aus dem Vollen. Sie wusste: Gott macht mein Leben reich. Ich darf viel für ihn tun und wirken.
Wenn sie dann still in den Bibelstunden und Gottesdiensten der ersten Gemeinde von Jaffa saß, war das keine introvertierte Frömmigkeit, wie man heute oft vorwirft. Dort schöpfte sie Kraft, weil die Liebe Jesu in ihr Herz ausgegossen war. So wusste sie wieder, was wichtig ist: das Kleine, das Kleine und das Große, das Größte.
Aus dem Vollen schöpfte sie und konnte mit beiden Händen Liebe weitergeben, denn ihr Leben war reich gemacht. Sie war frei geworden von sich selbst, lebte nicht mehr für sich, sondern für Jesus, der für sie gestorben und auferstanden ist. Ihm wollte sie gehören – ein erfülltes Leben, kein armes Leben. Selbst das Letzte bestätigte und stärkte sie.
Manche in der Gemeinde dachten vielleicht mitleidig: „Ach, das arme Fräulein Tabea, sie hätte doch auch einen Mann haben können.“ Doch das ist nicht das höchste Ziel im Leben. Sonst gäbe es nicht so viele unglückliche Verheiratete, das muss man klar sagen. Dennoch dachten manche mitleidig: „Ach, die arme Tabea, wie schwer hat sie es doch!“ Doch bei Gott sieht das alles ganz anders aus. Bei Gott gibt es kein Leben, das bemitleidenswert ist – kein einziges.
Sie liegen falsch, wenn sie schwermütig immer wieder ihre eigene Not beklagen. Auch wenn sie im Alter mit vielen Leiden behaftet sind, auch wenn sie allein durchs Leben gehen, einen schweren Todesfall hinter sich haben, von Menschen enttäuscht sind oder ihre Arbeit verloren haben. Ich bin überzeugt, dass Gott sie mit all ihren Gaben braucht.
Sie müssen fragen: Herr, wie kann ich jetzt für dich leben? Wie kann ich all das, was du mir schenkst, in Liebe an andere weitergeben und zu einem Dienst machen? Übrigens gilt das nicht nur für Menschen in Lebenskrisen, sondern für uns alle.
Wenn Sie einer eigenen Lebenskrise vorbeugen wollen, sorgen Sie rechtzeitig dafür, dass Sie die Rangordnung Ihrer Taten überdenken. Vor Gott zählt nur, was reich ist an guten Werken. Das macht unser Leben bedeutsam und groß.
So viele Menschen um uns herum warten auf einen Brief oder einen Besuch. Sie wissen doch, was hilft der schönste Besuch eines Pfarrers, wenn er keine Zeit zum Reden, Hören und Besuchen hat? Genau darin liegt heute die Not.
Das Wunder der Auferweckung und seine Bedeutung
Und darum kniet Petrus vor diesem Sarg nieder. Ich bin überzeugt, als er niederkniete, wusste er noch gar nicht, was er tun sollte. Er dachte immer noch an die Beerdigung. Er wollte Gott danken, dass diese Tabea ein Gefäß der Gnade Gottes geworden war.
Aber mitten im Gebet macht Gott ja manchmal uns Dinge bewusst. Er führt Petrus dazu, zu erkennen, dass Gott an diesem Menschen ein Zeichen tun will. Dieses Zeichen soll die anderen Menschen aufmerken lassen und verstehen, dass das Leben dieser Frau nicht bemitleidenswert ist. Sie sollen nicht abschätzig oder mildtätig über sie denken. Das ist das Größte. Tabea ist eine der großen Gestalten der Apostelgeschichte.
Gott will etwas Großes in unser Leben legen, und darum spricht Petrus über diesem Leichnam, Tabea: „Ich sage dir, stehe auf!“ Das war keine Zauberei und keine Hexerei. Es war wie bei Jesus Christus, dort im Stadttor zu Nain, das vollmächtig gebietende Wort des Herrn, der die Welt geschaffen hat. Er steht auch hinter dem Wort und Zeugnis eines Apostels, Petrus.
Und als er dieses Wort spricht, richtet sich Tabea auf. Dieses kleine Zeichen ist ganz wichtig, weil Gott deutlich machen will, wie wichtig ihm das Leben der Tabea ist. Sie darf etwas erfahren, was damals niemand in den Gemeinden erlebt hat.
Wir ahnen auch noch etwas von dem großen Schock, den damals der Tod verbreitet hat. Die Leute sagten: „Wir hofften doch seit der Auferstehung Jesu, dass wir nicht mehr sterben müssten. Und nun ist Tabea gestorben.“ Noch einmal drückt Petrus diesen Gedanken in diesem machtvollen Wunderzeichen aus, das natürlich so geschehen ist.
Es ist ein wahres Berichten, dass Jesus die Schlüssel des Todes hat. Er ist die Auferstehung und das Leben. Und das Leben der Tabea hat so große Bedeutung, dass Gott ihr noch einmal Jahre in dieser Welt schenkt, weil es so wenige solche Tabea-Figuren gibt, die lieben können und die Liebe weitergeben.
Wenn wir nachher den Liedvers singen: „Er wähle mich zum Paradies und lass mich bis zur letzten Reis an Leib und Seele grünen, sie sollen nicht im Alter absterben. Auch wenn ihre Gaben geringer werden und ihre Kraft nachlässt, sie sollen grünen, reich an guten Werken“, was bedeutet das für unsere Enkelkinder? Für Großeltern, die reich sind an guten Werken? Für diese Tanten und Nachbarn, die Zeit haben für die Vergessenen und Einsamen unter uns?
Lass mich grünen, Herr, bis zur letzten Reis! Es ist ein ganz großes Vorrecht, wenn ich noch etwas wirken kann – nicht mehr in den großen Berufsaufgaben dieser Welt, sondern in den guten Werken.
Die Gemeinde wächst durch das Zeugnis der Liebe
Über dem, was bei Tabea geschehen ist, wuchs die kleine Christengemeinde in Jaffa gewaltig und eindrucksvoll.
Wir haben bei unserer letzten Israelreise in Jaffa auch die heutige judenchristliche Gemeinde besucht. Dabei gehen die Gedanken zurück, wie einst diese Gemeinde wuchs – durch das schlichte Zeugnis der Liebe, in dem die Liebe Jesu weitergegeben wurde.
Ich möchte mit einer kleinen Randbeobachtung schließen. Im letzten Vers steht, dass Petrus im Haus eines Gerbers wohnte. Als er zum ersten Mal dort ankam, trieben ihm Tränen die Augen. Waren Sie schon einmal beim Gerber? Es stinkt wie die Pest, der Verwesungsgeruch der Felle ist kaum auszuhalten.
Und doch wohnte Petrus lange Zeit im Haus des Gerbers, weil er wieder lernte: Dies ist ein Tempel Gottes. Schließlich ging er hinunter in die Werkstatt. Dort hat er sogar den merkwürdigen Geruch eines Gerbers gemocht, weil sie dort unten miteinander die Hände gefaltet hatten und stille Zeit in der Werkstatt verbrachten – über den Töpfen, in denen die Felle gegerbt wurden.
Es ist etwas Wunderbares, wenn Jesus in unser Leben eintritt – egal ob es die Gerberwerkstatt ist, in der wir leben. Ich bin froh, dass ich nicht in der Gerberwerkstatt leben muss. Und doch hat Jesus diese Gerberwerkstatt von Jaffa zu seinem Tempel gemacht.
Und die Tabea, so unscheinbar sie für Sie scheinen mag, ist so groß, dass sie uns viel zeigen kann von dem, was wir noch lernen müssen, wenn wir unser Leben wirklich erfüllt leben wollen.
