Heute Abend möchte ich etwas aus Lukas Kapitel zehn mitteilen. Es geht um Maria und Martha, eine bekannte Geschichte für diejenigen, die die Bibel lesen. Ich möchte einige Aspekte beleuchten, die für den einen oder anderen vielleicht neu oder anders sind.
Ich weiß nicht, wer von euch die Bibel überhaupt liest. Heute ist es so, dass unter Christen die Bibel relativ wenig gelesen wird, was schade ist. Es gibt unzählige Bibelübersetzungen und Ausgaben. Jemand hat einmal gesagt: Je mehr Bibelübersetzungen es gibt, desto weniger wird die Bibel gelesen. Ich glaube, da hat er Recht.
Viele Christen, auch bekennende, lesen, wie gesagt, relativ wenig. Das ist bedauerlich, denn dadurch verpassen wir das, was Jesus zu Martha sagt. Sie ist sehr beschäftigt, doch Jesus sagt zu ihr: Maria hat das bessere Teil gewählt (Lukas 10).
Einführung in die Geschichte von Maria und Martha
Ich lese mit euch einige Verse aus dieser Geschichte, Lukas 10,38-42. Es geschah, als sie ihres Weges zogen, dass Jesus in ein Dorf kam. Dort nahm eine Frau namens Martha ihn auf. Sie hatte eine Schwester namens Maria, die sich zu den Füßen Jesu setzte und seinem Wort zuhörte.
Martha aber war sehr beschäftigt mit vielen Dingen. Sie trat hinzu und sprach: „Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester mich allein gelassen hat, um zu dienen? Sag ihr doch, dass sie mir helfe.“ Jesus aber antwortete und sprach zu ihr: „Martha, Martha, du bist besorgt und beunruhigt um viele Dinge. Eins aber ist nötig. Maria hat das gute Teil erwählt, das nicht von ihr genommen werden wird.“
Diese Familie bestand aus drei Geschwistern: Martha, Maria und Lazarus. Martha bedeutet übrigens „Herrin“. Wahrscheinlich war sie ein wenig diejenige, die das Wort in der Familie führte. Dann gab es noch Lazarus. Diese drei Geschwister wohnten in Bethanien, einem kleinen Dorf etwa drei Kilometer vor Jerusalem.
Jesus blieb öfter bei ihnen, um Kaffee zu trinken und Kuchen zu essen. Vielleicht lag das auch daran, dass er Single war. Ich weiß es nicht genau, aber es waren drei Singles, und bei ihnen fühlte sich Jesus relativ wohl.
Die Charaktere und das Umfeld der Familie
Ich weiß nicht genau, ob es meine Lieblingsfamilie gewesen wäre. Nicht unbedingt, weil die Mutter so eine putzwütige Person war. Man konnte nicht mal in Ruhe Kaffee trinken, ohne dass sie mit dem Besen zwischen den Füßen herumwischte oder Fetzen auf dem Tisch verteilte. Ich habe so eine Schwägerin.
Dann war da noch Maria, die Spirituelle. Sie wusste auf alles einen Bibelvers. Ich kenne auch so liebe Schwestern. Vielleicht ist Lazarus wegen dieser beiden so früh gestorben, keine Ahnung.
Ich möchte auf den Teil eingehen, wo Jesus sagt: Maria hat das bessere Teil erwählt. Dieser Satz hat schon viele Frauen, vor allem auf den Balearen, beeindruckt – auch meine Frau.
Meine Frau Diane Lore, was macht die? Früh am Morgen steht sie auf, sie führt die Frühstückspension in der Ramsau. Sie putzt jeden Tag, kocht jeden Tag und macht die Zimmer jeden Tag. Das ist es, was sie seit Dutzenden von Jahren tut.
Wir sind schon 25 Jahre verheiratet. So lange macht sie das mindestens. Vorher war sie auch Kellnerin auf einer Almhütte oben in den Bergen und so weiter. Also, das ist ihr Leben.
Die Herausforderung des Textes für dienende Menschen
Auch dieser Bibeltext ist schwierig, besonders bei Diakonissen-Mutterfesten oder Diakonissen-Jahresfesten. Es ist ein herausfordernder Text, weil dort alle dienen, alle kochen und alle mithelfen. Doch Maria hat das bessere Teil erwählt.
Manche empfinden das fast als Gemeinheit. Die Bibel jedoch sagt nebenbei sehr viel über Gastfreundschaft, das Kochen und das gastfreundliche Aufnehmen von Fremden.
Im Hebräerbrief 13 lesen wir: „Gastfreundschaft vergesst nicht.“ Im Römerbrief 12 wird uns geraten, nach Gastfreundlichkeit und Freundschaft zu trachten. Im 1. Petrusbrief 4 heißt es, seid gastfrei gegeneinander. Das bedeutet, gastfreundlich zu sein und einander aufzunehmen. Gastfreundschaft ist eine der herausragendsten Gaben, die ein Mensch besitzen kann.
Die geistliche Bedeutung der Gastfreundschaft
Ein Theologe, den ich sehr schätze, Eugene Peterson, hat einmal geschrieben: Gastfreundschaft ist wahrscheinlich die geistlichste Aktivität, die ein Mensch tun kann. Warum? Weil – und das ist das Schöne an der Gastfreundschaft – es nichts Abstraktes gibt. Man kann nicht theoretisch gastfreundlich sein, man kann es nur praktisch tun.
Über prophetische Rede kann man vorgeben. Ob sie dann wirklich prophetisch ist oder nicht, weiß sowieso keiner, zumindest nicht im Moment. Zungenreden können originell sein oder original, aber auch nachgemacht. Predigen kann man viel, wenn der Tag lang ist. Ob man es dann allerdings lebt, ist eine andere Frage.
Doch in der Gastfreundschaft wird nicht theoretisiert. Das ist das Besondere. In der Gastfreundschaft sind immer konkrete Personen involviert. Denk an unser Küchenteam, Lothar Kattel und die ganzen anderen. Da müssen Betten gemacht werden. Das kann man nicht theoretisch machen. Da muss der Boden geschrubbt werden, die Toiletten müssen gereinigt werden, Kartoffeln müssen geschält werden, Teller abgewaschen und Kaffee gebraut.
Das heißt: Gastfreundschaft ist extrem praktisch und darum etwas extrem Geistliches. Denn seht ihr auch hier: Wenn ihr in den Dauernhof kommt, sagt ihr, ja, da gibt es gute Bibelarbeiten oder auch nicht. Aber was wären diese ohne ein warmes Bett, ein gutes Essen, eine warme Dusche und so weiter? Gastfreundschaft ist immer praktisch.
Die Verbindung von Wahrheit und Praxis im Glauben
Ein lieber Freund von ihr, Rob Whittaker, ist der Bibelschulleiter in England. Nächste Woche bin ich dort in der Bibelschule, wo ich unterrichte.
Jemand hat ihn einmal gefragt: „Was ist dein größter Wunsch für deine zweihundert Studenten, für die Bibelschüler?“ Er antwortete, dass der Herr es schenken möge, dass die Wahrheit die längste Reise des Universums schafft, nämlich vom Kopf ins Herz.
In der gleichen Woche war ein Gastsprecher dort in Capernary. Er sagte: „Ich würde zu diesem Wunsch hinzufügen, dass die Wahrheit dann die zweitlängste Reise macht, nämlich vom Herz in die Füße.“ Das finde ich sehr gut. Es muss nämlich praktisch werden. Ansonsten ist jede Wahrheit, egal ob im Kopf oder im Herz, relativ unbrauchbar.
Maria war eine praktische Frau. Warum sagt Jesus dann, dass Maria das bessere Teil erwählt hat? Das ist wichtig zu verstehen. Maria hat das getan, was notwendig war. Für Jesus und seine Jünger war es als Wanderprediger notwendig, unterwegs verpflegt zu werden, ein Bett und eine Mahlzeit zu haben. Sie waren darauf angewiesen. Maria tat also, was notwendig war.
Die Frage ist allerdings: Hat Martha das getan, was Jesus von ihr erwartete?
Bei Maria ist es so, dass sie zu den Füßen Jesu saß und seinen Worten zuhörte.
Die besondere Bedeutung von Maria in Johannes 12
Und da lesen wir noch eine andere Geschichte von Maria, nämlich im Johannes 12. Ich lese euch dazu ein paar Verse vor. Diese geben uns eine Antwort darauf, warum Jesus Maria besonders hervorhebt.
Johannes 12,1: Jesus kam nun sechs Tage vor dem Passah, das heißt sechs Tage vor seiner Kreuzigung, nach Bethanien, wo Lazarus war, den Jesus aus den Toten auferweckt hatte.
Sie bereiteten ihm ein Abendessen, und Maria diente, wie immer. Lazarus war einer von denen, die mit Jesus zu Tisch lagen. Da nahm Maria ein Pfund Salböl von echter, sehr kostbarer Narde und salbte die Füße Jesu. Anschließend trocknete sie seine Füße mit ihren Haaren.
Das Haus wurde von dem Geruch des Salböls erfüllt.
Judas Iskariot, einer von seinen Jüngern, der ihn später überliefern sollte, sagte: „Warum ist dieses Salböl nicht für dreihundert Denare verkauft und den Armen gegeben worden?“
Er sagte dies jedoch nicht, weil er sich um die Armen sorgte, sondern weil er ein Dieb war. Er hatte die Kasse in Obhut und nahm beiseite, was eingelegt wurde.
Da sprach Jesus: „Lass sie! Möge sie es für den Tag meines Begräbnisses aufbewahrt haben. Denn die Armen habt ihr allezeit bei euch, mich aber habt ihr nicht allezeit.“
Die Erkenntnis der Bedürfnisse Jesu durch Maria
Und das ist sehr offenbarend. Wenn du die Evangelien liest, wirst du feststellen, dass Jesus immer für andere Menschen da war. Er hat stets gegeben, geliebt und war immer barmherzig.
Diese Woche, sechs Tage vor dem Wasser, war die einzige Woche im menschlichen Leben Jesu, in der er selbst Angst hatte. Es war die einzige Zeit, in der Jesus selbstbedürftig war und Zweifel spürte.
Das Faszinierende daran ist, dass einzig und allein Maria dies erkannt hat. Sie saß zu den Füßen Jesu und hörte seinen Worten aufmerksam zu. Nur sie spürte in diesem Moment, was Jesus wirklich brauchte – nämlich ihre Zuneigung und Liebe.
Die Mutter schnitt wie jeden Tag Zwiebeln und Fleisch. Judas sorgte sich wie jeden Tag um das Geld. Und die Jünger aßen wie gewohnt.
Nur Maria erkannte, was Jesus von ihr wollte, weil sie zu seinen Füßen saß und hörte, was er sagte.
Die Bedeutung der persönlichen Beziehung zu Jesus
Übrigens, wann hast du Jesus zum letzten Mal gefragt, was er heute von dir will? Fragst du ihn überhaupt jemals, was er heute von dir will? Oder glauben wir schon zu wissen, was er von uns erwartet?
Seht ihr, wir können jeden Tag wie die Mutter Zwiebeln schneiden, weil das notwendig ist. Aber ist das wirklich das, was Jesus heute von dir will? Haben wir jemals gespürt, dass Jesus heute etwas anderes von uns will als gestern?
Denn seht ihr, Freunde, nur das ist Liebe. Ist es nicht so, dass viele Ehen auseinandergehen, weil der andere immer schon zu glauben weiß, was der andere will? Oft weiß der Ehemann schon, was die Frau will, und plant den Urlaub, bevor er sie überhaupt fragt, weil er meint, zu wissen, was sie möchte.
Fragen wir hingegen: "Was willst du?" Dann gehen wir auf den anderen ein. Und eine Frage an dich ganz persönlich: Hast du Jesus jemals gefragt, wie es ihm geht? Interessiert es dich, wie es ihm geht?
Seht ihr, wenn die Bibel sagt, wir sollen Gott lieben von ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzem Gemüt, dann meint sie genau das. Jeden Tag Zwiebeln zu schneiden ist notwendig, aber es kann sein, dass es nicht das ist, was Jesus heute von dir will.
Der Hunger nach Jesus als Grundlage der Beziehung
Was Maria hatte, und das ist der Vorteil gegenüber Martha, war ein Hunger und ein Durst – nach den Worten Jesu. Sie wollte ihn verstehen, sie war an Jesus interessiert. Jesus hat einmal gesagt in Johannes 7,37: „Wenn jemand dürstet, der komme zu mir und trinke. Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, aus seinem Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“
Ich glaube, ein Grund, warum wir so wenig von der Fülle Christi erleben, ist, dass wir keinen Durst nach den Worten Jesu haben. Dabei muss man immer ehrlich zu sich selbst sein: Habe ich eigentlich einen Durst nach dem Wort Gottes, oder ist es mir im Prinzip relativ egal?
Ich habe einmal gehört, dass viele von uns Christen Gott so suchen wie ein 50-Cent-Stück, das man gerade verloren hat. Stell dir vor, draußen liegt noch Schnee, und du verlierst ein 50-Cent-Stück. Wenn du am Eingang merkst, dass du es verloren hast, wie lange wirst du suchen, um es wiederzufinden? Nun, wenn du so bist wie ich, nicht allzu lange. Du schaust vielleicht kurz zurück, ob es irgendwo liegt, und denkst dir dann: „Na gut, ich kann auch ohne das Leben.“
Angenommen, du gehst vorbei und hast zufällig tausend Euro in der Tasche. Plötzlich fliegen die tausend Euro heraus, und der Wind verweht sie. Wie lange wirst du dann suchen? Ziemlich lange und ziemlich intensiv. Du würdest sogar hereinkommen und sagen: „Bitte helft mir suchen, holt eure Taschenlampen, es muss irgendwo da drüben sein.“ Warum? Weil das, was du verloren hast, dir wertvoll ist.
Die Frage ist: Wie wertvoll ist für uns das Wort Gottes? Ist es für uns wie ein 50-Cent-Stück, das, wenn es gerade über den Weg läuft, nicht schlecht ist, aber wir auch ohne leben können? Oder ist es eher wie ein Tausend-Euro-Schein – falls es den geben würde?
Die Begegnung Jakobs mit Gott als Wendepunkt
Mir gefällt die Geschichte im ersten Mose 32 sehr. Es ist die Geschichte von Jakob, der am Fluss Jabok eine Christophanie sieht. Das bedeutet: Christus im Alten Testament.
Jakob ringt die ganze Nacht mit Christus, mit dieser Christophanie. Im Morgengrauen sagt Christus: „Lass mich gehen!“ Jakob, der Betrüger oder Lügner, antwortet: „Ich lasse dich nicht gehen, es sei denn, du segnest mich.“ Das ist mein Lieblingssatz in dieser Geschichte.
Jakob war bislang ein Betrüger. Er hat mit Gott gelebt – ja, wenn es gut war, hat er mit ihm gelebt, wenn nicht, hat er ihn vergessen. Doch in diesem Moment seines Lebens kam er an den Punkt, an dem er sagte: Ich kann alles, aber ohne Gott kann ich nicht mehr leben.
Dann sagt Gott zu Jakob: „Du heißt nicht mehr Jakob. Ab heute heißt du Israel.“ Das war die Wende seines Lebens. Er sagte: Gott ist mir so viel wert wie hunderttausend Euro und noch viel mehr. Ich kann ohne ihn nicht mehr leben.
Davids Sehnsucht nach Gott als Vorbild
Im Psalm 16, Vers 2, einem Davidspsalm, lesen wir: „Ich habe zum Herrn gesagt: Du bist mein Herr, es gibt kein Glück für mich außer dir.“
Das bedeutet, dass David, ähnlich wie Maria, gesagt hat: „Gott, dich will ich erkennen.“ David war weit davon entfernt, perfekt zu sein, doch das stellte kein Problem dar. Er wollte Gott. Deshalb sagte Gott über ihn: „Das ist ein Mann nach meinem eigenen Herzen.“
Deshalb sagt Jesus zu Maria, dass sie das bessere Teil erwählt hat, weil sie ihn will. Und das ist der Punkt.
Seht ihr, ein Mensch kann durchaus religiös sein, auch christlich-religiös. Aber wollen wir wirklich Jesus? Oder sind wir besorgt um viele Dinge, so wie die Mutter von Jesus, und sind beschäftigt im Reich Gottes?
Man kann auch auf einem Bauernhof arbeiten und dabei für das Reich Gottes beschäftigt sein. Aber fragt man dann auch Jesus persönlich: „Herr, was willst du heute von mir?“ Es kann sein, dass einige von euch diese Frage noch nie gestellt haben.
Dann möchte ich euch ermutigen: Es wird Zeit, dass du Jesus fragst, Gott, was du heute von mir willst. Das wäre eigentlich die erste Frage, die wir Gott stellen sollten.
Die Sehnsucht Sadhu Sundar Singhs nach Gott
Ich habe sicher einige von euch schon von Sadhu Sundar Singh gehört. Er lebte vor ungefähr hundert Jahren und ist in Indien aufgewachsen, in der hinduistischen Religion. Bereits als Teenager war er eine Ausnahme. Schon damals hatte er eine solche Sehnsucht nach Gott, dass er bereit war, Selbstmord zu begehen, falls er Gott nicht begegnen würde.
Die Geschichte erzählt – ich weiß nicht, ob sie wahr ist, ich kann sie nur nacherzählen – dass er als Fünfzehnjähriger um vier Uhr morgens im Bett saß und zu einem Gott betete, den er noch nicht kannte. Er sagte: „Wenn du dich mir nicht offenbarst, werde ich mich in den nächsten zwei Stunden um sechs Uhr vor den Zug legen.“ In diesen zwei Stunden hatte er eine Vision von Jesus Christus in seinem Zimmer.
Am nächsten Morgen erzählte er seinem Vater davon. Dieser wollte ihn daraufhin vergiften, doch Sundar Singh überlebte. Bis zu seinem vierzigsten Lebensjahr ging er in die entlegensten Dörfer Indiens und Nepals und erzählte den Menschen von Jesus. Mit vierzig Jahren wurde seine Leiche auf einem Bergpass gefunden.
Einmal unternahm Sundar Singh eine Reise nach Europa, auch nach England. Er wollte die Wiege der Reformation sehen und schrieb Folgendes:
„Eines Tages saß ich im Himalaya am Ufer eines Flusses. Ich zog einen schönen, runden und harten Stein aus dem Wasser und zerschlug ihn. Das Innere war ganz trocken. Dieser Stein hatte lange Zeit im Wasser gelegen, aber das Wasser war nicht in den Stein eingedrungen.
Ebenso ist es mit den Menschen hier in Europa. Jahrhundertelang sind sie vom Christentum umflutet und ganz und gar eingetaucht in seine Segnungen. Sie leben im Christentum, aber das Christentum ist nicht in sie eingedrungen und lebt nicht in ihnen. Die Schuld liegt nicht am Christentum, sondern an der Härte der Herzen. Materialismus und Intellektualismus haben die Herzen hart gemacht.
So wundere ich mich nicht darüber, dass viele Menschen hierzulande nicht verstehen können, wer Christus ist. Und dies ist der Grund, warum kein Durst nach Jesus da ist. Es ist alles christlich, aber wo ist dieser Durst, diese Freude an Jesus, an ihm?“
Durst nach Gott wecken – praktische Gedanken
Und noch etwas zum Schluss: Von IDEa, die haben mal ein Interview gemacht. Sie haben mich angerufen und ich sollte zu zwei Fragen Stellung nehmen. Die erste Frage lautete: Warum haben so viele Menschen keinen Durst nach Gott? Die zweite Frage war: Wie kann man den Durst und Hunger nach Gott in einem Menschen erwecken?
Damals habe ich eine Antwort gegeben, die mir gerade eingefallen ist. Wir machen einmal im Jahr als Bergrettungsdienst so ein Bierzelt in der Ramsau. Ich bin ja auch in der Bergrettung aktiv. Dort werden Hühnchen gegrillt und Bier verkauft. Man kann auch Cola oder andere Getränke trinken. Aber es heißt bei uns bald Bierzelt.
Die Leute, die die Hähnchen machen, wissen genau, was sie tun müssen, damit die Gäste viel Bier trinken. Man muss das Essen gut salzen. Je besser die Hähnchen und die Pommes gesalzen sind, desto mehr Bier wird getrunken.
Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Jesus hat mal zu uns Christen gesagt: „Ihr seid das Salz der Erde.“ Salz soll durstig machen. Ich glaube, manchmal muss man sehen, wie jemand anderes etwas liebt und genießt, bevor man selbst diese Liebe und Freude daran entwickeln kann.
Das bedeutet: Damit andere Menschen Durst, Hunger und Freude an Jesus bekommen, müssen sie an uns sehen, dass wir selbst Durst, Hunger und Freude an Jesus haben. Das funktioniert bei vielen Menschen so.
Warum fangen Menschen zum Beispiel mit dem Skifahren an? Weil sie Freunde haben, die erzählen, wie super das Skifahren war. Sie zeigen ihnen ein Video, wie lustig es war, und dann sagen sie: „Ah, nächstes Jahr probiere ich das auch.“ Man sieht, wie jemand anderes etwas genießt, und möchte es dann selbst erleben.
Genauso ist es mit Jesus. Man muss manchmal erleben, wie andere Menschen etwas genießen, bevor man selbst dazu fähig ist.
Ermutigung zur persönlichen Zeit mit Jesus
Und darum, für diese Woche möchte ich euch einfach ermutigen: Verbringt Zeit mit Jesus. Ja, verbringt auch Zeit miteinander, das ist super. Aber setzt euch auch einmal zu den Füßen Jesu, so wie Maria es tat. Jesus wird dann sagen: „Du hast das Gute gewählt, es ist das Gute, es ist das Bessere.“
Hört auf ihn und fragt Jesus: „Herr Jesus, was willst du heute von mir?“ Und fragt ihn auch, wie es ihm geht. Denn nur so können wir lernen, Gott wirklich zu lieben.
Seht ihr, wir reden sehr viel darüber – und das ist auch gut so –, dass Gott uns liebt. Ja, das stimmt, Gott sei Dank stimmt das. Aber wie viele Beispiele haben wir in der Bibel von Menschen, die Gott wirklich lieben? Schau mal im Neuen Testament nach. Du liest immer wieder, wie sehr Gott uns liebt, aber wo wird diese Liebe erwidert?
Eine der wenigen Stellen, die ich finde, ist Maria. Sie hat erkannt, was Jesus braucht, und das ist Liebe.
Abschließende Gedanken und Gebet
Ich möchte ein Zitat vorlesen, das ich öfter vorlese und das mir sehr gefällt. Es stammt von Malcolm Muggeridge, der 1990 gestorben ist. Er war Autor und Journalist, eine in England ziemlich bekannte Medienpersönlichkeit. Außerdem war er derjenige, der Mutter Teresa berühmt gemacht hat.
Bis 1960 war er eigentlich Agnostiker und hatte dem Christentum gegenüber eine ablehnende Haltung. Er hat einmal gesagt: „Christianity is a load of rubbish“ – Christentum ist ein Haufen Blödsinn. Doch in den folgenden sechzig Jahren hat er zu Jesus gefunden.
Nachdem er zu Christus gefunden hatte, sagte er Folgendes über sich selbst:
„Ich glaube, ich kann mich selbst als einen relativ erfolgreichen Mann bezeichnen. Manchmal glotzen mich die Menschen auf der Straße an – das ist Ruhm. Ich habe sehr einfachen Zugang zu Menschen mit dem höchsten Einkommen unseres Landes – das ist Erfolg. Ausgestattet mit Ruhm und Geld kann ich auch an neuen Trends und Belustigungen teilhaben – das ist Vergnügen. Und manchmal kommt es vor, dass etwas, das ich geschrieben oder gesagt habe, genügend Beachtung fand, um mich selbst zu überzeugen, dass es einen bleibenden Einfluss in unserer Gesellschaft ausgeübt hat – das ist Erfüllung.
Aber ich sage euch, und ich bitte euch, mir zu glauben: Multipliziere all diese kleinen Triumphe millionenfach, zähle sie alle zusammen – und sie sind nichts, weniger als nichts, höchstens ein Hindernis, wenn sie gemessen werden an einem einzigen Schluck vom lebendigen Wasser, welches Jesus Christus jedem anbietet, der Durst nach Leben hat, egal wer oder was jemand ist.“
In Offenbarung 22,17 spricht Jesus die letzte Einladung aus: „Wen da dürstet, der komme; wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst.“ Jeder, der will, nehme das Wasser des Lebens umsonst.
Das ist die Maria, die zu den Füßen Jesu saß. Das ist David, der gesagt hat: „Eins will ich, ich will in der Nähe Gottes sein.“ Er war ein Mann nach Gottes eigenem Herzen.
Das wünsche ich uns für diese Woche: dass wir das Bessere erwählen. Geh spazieren mit Jesus – das kannst du auch heute Abend tun. Geh spazieren mit ihm, rede mit ihm, hör auf ihn. Er lebt. Er ist in uns, er ist bei uns. Er ist nicht entfernt, sondern jedem von uns nahe. Er wünscht sich nichts mehr, als dass wir mit ihm leben.
Das Bessere erwählen – das wünsche ich uns von ganzem Herzen.
Lieber himmlischer Vater, ich möchte dir so danken für dein gutes Wort. Ich möchte dir danken, lieber Jesus, dass du es gut mit uns meinst und uns so sehr liebst.
Aber Jesus, ich wünsche mir so, dass ich auch lerne, dich zu lieben. Nicht immer nur zu glauben, was du willst, sondern wirklich in Abhängigkeit zu dir zu leben – jeden Tag zu fragen: Herr, was willst du, dass ich heute tue? Welchen Menschen willst du durch mich begegnen? Welche Dinge willst du, dass ich heute erledige?
Herr, verzeihe, wenn wir diese Frage viel zu selten stellen, weil wir glauben, zu wissen, wie die Dinge liegen, und uns mit Beschäftigungen und Sorgen ablenken.
Danke für dein gutes Wort. Und Vater, ich bete um einen Durst, um einen Hunger nach dir und deinem Wort, nach der Gerechtigkeit, denn du hast versprochen: Sie werden gesättigt werden.
Herr, es ist nicht der Mangel an Hunger, der uns schadet, sondern oft diese Gleichgültigkeit. Herr, ich bete einfach, dass wir wirklich lernen, nach dir zu fragen. Schenk uns dieses Wollen, diesen Hunger, diese Freude an dir.
Darum bete ich von ganzem Herzen. Amen.
