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Gott wurde arm für uns

21.12.1996Jesaja 53,1-2

Einleitung

Man erzählt von Viktoria, der Königin von England, dass sie während ihres Aufenthalts in ihrer Sommerresidenz Balmoral gern in einfachen Kleidern durch den Wald wanderte und sich freute, wenn sie unerkannt blieb. Vor einigen Jahren geriet sie während eines solchen Spaziergangs in ein heftiges Unwetter. Als sie eine alte Hütte sah, rannte sie auf sie zu, um sich unterzustellen. In dieser Hütte lebte eine alte Bäuerin allein, die das Haus nur verliess, um nach ihrer Ziege zu sehen und den kleinen Garten zu bestellen. Die Königin grüsste sie und fragte, ob sie ihr einen Regenschirm leihen könne, sie werde auch dafür sorgen, dass er schnell zurückgebracht würde.
Die alte Frau hatte die Königin noch nie gesehen, sie hatte also keine Ahnung, wer da bei ihr Unterschlupf gesucht hatte.
"Nun", antwortete sie ziemlich mürrisch, "ich habe zwei Schirme. Der eine ist sehr gut, fast neu. Ich habe ihn kaum gebraucht. der andere ist alt, er ist nichts mehr wert, den können Sie nehmen; den neuen verleihe ich keinem - wer weiss denn, ob ich ihn jemals zurückbekomme."
Mit diesen Worten gab sie der Königin den abgetragenen alten Schirm, dessen Stangen nach allen Seiten Herausspießten.
Die Königin dachte, bei diesem Wetter sei ein schlechter Schirm immer noch besser als gar keiner, und nahm ihn höflich an. Sie dankte der Frau und ging mit einem kleinen Lächeln hinaus.
Doch wie gross war der Schrecken der armen alten Frau, als am nächsten Morgen ein Diener in der königlichen Livree eintrat und ihr im Namen der Königin Viktoria den alten Schirm zurückbrachte! Sie lasse danken und versichern, dass er ihrer Majestät gute Dienste geleistet habe, sagte der Überbringer.
Wie traurig war die Frau nun, dass sie der Königin nicht das Allerbeste, das sie besass, angeboten hatte, und wieder und wieder klagte sie: "Wenn ich es nur gewusst hätte! Oh, wenn ich es nur gewusst hätte!“ (1)

Ja - wenn ich es nur gewusst hätte! Oh - wenn ich es nur gewusst hätte! Wieviel Menschen werden wohl denken, wenn sie vor dem lebendigen Gott stehen: Wenn ich es nur gewusst hätte?

I. Jesus wird in Armut geboren

Wenn ich gewusst hätte, dass dieses Kind, das wir an Weihnachten feiern wirklich so eine wichtige Bedeutung für die Welt hat. Unsere Zeit, die Weihnachten anscheinend so ernst nimmt. Mit einem solchen Aufwand feiert, läuft doch mehrheitlich achtlos an der Krippe vorbei. Man singt Lieder wie:
Freue dich Welt, dein König naht. Mach deine Tore weit...
Aber wer glaubt den wirklich, dass hier ein echter, ja der König aller Könige gefeiert wird?
Hätte ich gewusst, dass er wirklich der wahre König ist! Oder das bekannte Lied:
O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Welt ging verloren, Christ ist geboren. Freue, freue dich, o Christenheit!
Inbrünstig wird dieses Lied in der Weihnachtszeit gesungen und ohne das „O du fröhliche“ keine Weihnachten.
Aber wer glaubt denn noch, dass die Welt verloren ging? Wer glaubt denn noch, das Jesus gerade deshalb in diese Welt kam?
Hätte ich gewusst, dass das, was ich gesungen habe wirklich stimmt! Mögen viele sagen. Es ist nicht zu fassen, wie man ein Fest feiert und den, welchen man feiert und besingt, aber im Grunde hat man dieses Kind beiseite geschoben. Man müsste vielleicht sogar sagen: Jesus wird an Weihnachten weggefeiert. Er wird einfach verharmlost, er wird missbraucht zur Unterhaltung in unserer Kultur. Weihnacht wird zum Anlass der schönen Gefühle.

Eine Schlagzeile im TAGI (2) von gestern macht das deutlich:
Für die Girls war Weihnachten
Weihnachten war für diese jungen Mädchen, das Konzert der Backstreet Boys am Freitagabend im Hallenstadion. Es war für sie Weihnachten, weil es so unsagbar schön war. Ihre Gefühle erlebten Höhenflüge. Seit einigen Tagen beherrscht die Wetterforscher eine Frage, oder sie werden mindesten mit dieser Frage bestürmt: Werden wir eine weisse Weihnacht erleben? Schnee scheint zur Weihnacht zu gehören, damit die Atmosphäre stimmt. Weihnachten hat im Denken unserer Mitmenschen viel mehr mit Gefühlen zu tun, als mit der Tatsache der Geburt des Retters der Welt. Die Gefühle als Jesus geboren wurde, waren nicht so wohlig.

Die Geburt Jesu steht im Gegensatz zu unserem Leben und unseren Werten. Jesus, der König ist, kommt in Betlehem zur Welt. In eine Futterkrippe wird er gelegt, weil man sonst keinen Platz für ihn fand. Nicht wie man das von einem König erwartet, wird er in Jerusalem im Palast geboren. Weg vom pulsierenden Leben eines Königspalastes kommt der Sohn Gottes in diese Welt. Eigentlich macht Gott dadurch ein Grundprinzip deutlich, das wir in der ganzen Schrift finden, es lautet: Denn es ist kein Ansehen der Person vor Gott. Rö.2,11. Mit anderen Worten, bei Gott zählen andere Werte, als die, die in unserer Gesellschaft hochgehalten werden. Weder Kleidung, Ansehen, gesellschaftliche Stellung, finanzielle Verhältnisse. Diese Werte, die für uns eine Person bedeutend und wertvoll erscheinen lassen, gelten bei Gott nicht. Gott hat eine ganz andere Perspektive. Er sieht uns Menschen ganz anders. An seinem Sohn hat er ein Beispiel gegeben wie ernst ihm dieser Grundsatz ist. Er hätte nämlich seinen Sohn in Pomp und Glanz in diese Welt kommen lassen können. Er hätte ihm alle Insignien der Herrlichkeit zukommen lassen können. Aber Gott wollte das nicht. Sondern er sandte seinen Sohn in Armut in diese Welt. Im Jesaja lesen wir das ganz eindrücklich: Er schoss auf vor ihm wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. / Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet. Jes.53,2-3. Man wollte ihn nicht einmal ansehen! Und die Folge war, dass man ihn ablehnte: Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. / Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, / die nicht aus dem Blut noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind. Joh.1,11-13.

Sie verurteilten und verspotteten ihn. Ja - sie bezichtigten ihn der Gotteslästerung (Mt.26,65) und bestraften ihn mit dem Tod am Kreuz. Sogar die Mutter und die Geschwister von Jesus nahmen Anstoss an ihm. Und er ging in ein Haus. Und da kam abermals das Volk zusammen, so dass sie nicht einmal essen konnten. / Und als es die Seinen hörten, machten sie sich auf und wollten ihn festhalten; denn sie sprachen: Er ist von Sinnen. Mk.3,20-21.

Evangelisation

Und als sie dann zu Jesus kamen seine Mutter und seine Brüder zu ihm schickten, um ihn zu rufen: Jesus komm, deine Mutter, Brüder und Schwester sind da. Antwortete Jesus: Wer ist meine Mutter und meine Brüder? / Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise sassen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! / Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter. Mk.33-35. Man kann an Jesus Anstoss nehmen, oder man kann ihn achten und ihn ehren. An Jesus scheiden sich die Menschen. Ja, an Weihnachten ist man tolerant. Man ist bereit sich fromme Lieder anzuhören, man findet das sogar richtig und schön. Doch darf dieses Kind in der Krippe ja nicht wachsen. Es soll ja seinen Mund nicht öffnen. Denn wenn dieses Kind den Anspruch erheben will, dass es zur Rettung für uns Menschen gekommen ist. Wenn es sagen will, dass wir verloren sind und der Hölle entgegen gehen. Ja, wenn Jesus sagt: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich. Joh.14,6. oder: So auch jeder unter euch, der sich nicht lossagt von allem, was er hat, der kann nicht mein Jünger sein. Lk.14,33. Dann ist es bald fertig mit der Toleranz. Dann sind das plötzlich Menschen, die diese Worte Jesus in den Mund gelegt haben usw. Doch befürchte ich, dass die Menschen einmal erschrocken dastehen werden und sagen: Hätte ich es nur gewusst oder, hätte ich doch nur ernst genommen, was ich von der Bibel hörte! Jesus möchte gerne eingeladen werden: Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. / Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, / die nicht aus dem Blut noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind. Joh.1,11-13. Willst Du Jesus nicht einladen? Niemand ist zu arm oder zu reich. Gott sieht nicht auf Deine gesellschaftlichen Attribute, ob Du Nobelpreisträger oder Handlanger bist, das interessiert ihn eigentlich nicht. Du bist ihm als Person wichtig. Er liebt Dich, weil Du sein Geschöpf bist. Er möchte zu Dir kommen, dass in Dir neues Leben entsteht, das nur er schenken kann. Er will zu Dir kommen, weil nur er Dich vor der Hölle retten kann. Er ist und bleibt der Retter, der einzige Retter der Welt.

II. Die Armut Jesu ist für uns eine Herausforderung

Die Armut Jesu ist auch eine Herausforderung an uns Christen. Nicht insofern, dass wir alle Arm werden müssen. Aber es ist eine Herausforderung unsere Werte zu überdenken. Was heisst es denn konkret, dass bei Gott kein Ansehen der Person ist. Ich möchte dies am Beispiel einer der ersten Gemeinde deutlich machen. Jakobus schreibt: Liebe Brüder, haltet den Glauben an Jesus Christus, unsern Herrn der Herrlichkeit, frei von allem Ansehen der Person. / Denn wenn in eure Versammlung ein Mann käme mit einem goldenen Ring und in herrlicher Kleidung, es käme aber auch ein Armer in unsauberer Kleidung / und ihr sähet auf den, der herrlich gekleidet ist, und sprächet zu ihm: Setze du dich hierher auf den guten Platz! Und sprächet zu dem Armen: Stell du dich dorthin! Oder: Setze dich unten zu meinen Füssen! / ist’s recht, dass ihr solche Unterschiede bei euch macht und urteilt mit bösen Gedanken? Jak.2,1-4. Wie sieht es denn bei uns aus. Wie beschreiben wir die Bedeutung unserer Gemeinde. Bewerten wir einander gemäss der Stellung in der Welt, oder gemäss der Stellung in Christus? Versuchen wir nicht oft unseren persönlichen Wert zu steigern, indem wir uns besonders um angesehene Menschen scharen? Diese Persönlichkeiten leiden oft darunter, weil sie mit Christen zusammensein möchten, die nicht wegen ihrer Stellung sich um sie scharen, sondern einfach, weil sie Christen sind.

Eine Schweizer Skirennfahrerin war ganz überrascht, als sie in Rennen siegte, wie sie plötzlich ihre Meinung gefragt und wichtig wurde, obwohl sie sich mit vielen Fragen gar nicht beschäftigte und nicht kompetent war, aber weil sie im Skifahren so erfolgreich war, verlangte man von ihr Dinge, die sie völlig überforderte. So kann es auch jemandem gehen, der zu Christus findet. Weil er in der Gesellschaft eine gute Stellung bekleidet, erwartet man von ihm Dinge, die man noch gar nicht erwarten kann. Einfach deshalb, weil es uns oft schwerfällt, die Stellung in Christus und die Stellung in der Gesellschaft auseinander zu halten. Haben wir nicht die Tendenz, die Wichtigkeit und Bedeutung und das Niveau unserer Gemeinde dadurch darzustellen, indem wir aufzählen, wieviel Ärzte, Akademiker, Unternehmer, Millionäre, Direktoren, Generaldirektoren usw. bei uns sind? Nichts gegen diese Geschwister, ich freue mich auch sehr, dass solche Geschwister in der Gemeinde Jesu sind. Es geht nur darum, dass wir damit richtig Umgehen, denn der Wert in der Gemeinde leitet man nicht von der gesellschaftlichen Stellung ab, sondern vom dem, was Jesus an uns getan hat. Jakobus sagt weiter: Hört zu, meine lieben Brüder! Hat nicht Gott erwählt die Armen in der Welt, die im Glauben reich sind und Erben des Reiches, das er verheissen hat denen, die ihn lieb haben? Jak.2, 5.

Der Glaube zählt bei Gott, das Vertrauen, das wir ihm entgegenbringen. Jesus sagt diesbezüglich ein klares Wort: Und er sprach zu ihnen: Ihr seid’s, die ihr euch selbst rechtfertigt vor den Menschen; aber Gott kennt eure Herzen; denn was hoch ist bei den Menschen, das ist ein Greuel vor Gott. Lk.16,15.

Anwendung

Jakobus gibt einen praktischen Ratschlag: Ein Bruder aber, der niedrig ist rühme sich seiner Höhe; / wer aber reich ist, rühme sich seiner Niedrigkeit, denn wie eine Blume des Grases wird er vergehen. Jak.1,9-10. Der Bruder, der niedrig ist in den Augen der Welt, der soll sich seiner Höhe rühmen. Er soll sich darüber freuen, dass er ein Kind Gottes, ein Königskind ist, und dass er einmal in die Herrlichkeit eingehen wird. Er steht vor der Krippe und freut sich über den Reichtum, den er durch Jesus hat Wer reich ist, soll sich seiner Niedrigkeit rühmen. Er soll sich dessen Bewusst sein, wie vergänglich sein Reichtum ist, dass er nichts mitnehmen kann. Er soll sich vor Augen halten, dass er in eine Herrlichkeit eingehen wird, die nichts mit seinem Ansehen in der Welt zu hat, sondern allein damit, dass er ein Kind Gottes geworden ist. Er steht an der Krippe und erkennt, wie alles verblasst im Angesichts des Sohnes Gottes, der ihm das wahre Leben schenkt. Wenn jeder das entsprechende tut, dann werden wir so Leben, wie es Gott dachte. Dann muss der Reiche kein schlechtes Gewissen haben, dass er reich ist. Der Arme muss sich nicht schämen dass er Arm ist. Jeder, ob Arm oder Reich, wird in der Gemeinde geachtet und geliebt, denn Gott selbst macht das so.

Schluss

Die Geburt Jesu führt uns an die echten Werte des Lebens. Gott macht uns dadurch deutlich, worauf es ankommt. Mit einem Weihnachtslied von Peter Strauch möchte ich zum Schluss kommen, das Lied befindet sich in unserem Gesangbuch (158): Gott wurde arm für uns, Gott wurde arm für uns, damit wir durch seine Armut reich werden, wurde Gott arm für uns. Reichtum, Ehre, Karriere, Einfluss, Macht und Geld, all das suchen wir und sind doch einsam in der Welt. Wir sind nie zufrieden, nein, wir wollen immer mehr, und doch bleiben unsre Herzen leer. Gott lies uns nicht laufen. Kommt und hört den Freudenton: Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott uns seinen Sohn. Er verliess den Himmel, wurde Mensch, genau wie wir. Seine Armut öffnet uns die Tür. Von der Krippe bis zum Tod am Kreuz auf Golgatha trug Gott unsre Sünde. Unsre Rettung ist nun da. Er schenkt uns das Leben, er gibt uns Geborgenheit. Seine Gnade trägt uns durch die Zeit. Gott wurde arm für uns, Gott wurde arm für uns, damit wir durch seine Armut reich werden, wurde Gott arm für uns. Amen

(1) Corrie ten Boom: Weihnachtserinnerungen (Wuppertal: Brockhaus, 1978), S.45-46. (2) Tages-Anzeiger, 21./22. Dezember 96, S. 11.