
Hallo und herzlich willkommen zu Machbar, dem Podcast für Alltagsmissionare. Ich bin Christian, und heute ist Martin bei mir zu Gast. Martin P. Grünholz, habe ich gelesen. Ich bin ganz gespannt, wofür das P steht. Verrätst du es uns?
Peter. Ah, Peter. Okay. Aber du nennst dich einfach Martin?
Genau, also er von der Martin. Das andere hat eine längere Geschichte.
Ja, genau. Herzlich willkommen, schön, dass du da bist!
Danke.
Auch in dieser Folge bekommt ihr wieder konkrete Hilfestellungen – hoffentlich. Ich verspreche sie schon mal –, wie ihr einen evangelistischen Lebensstil entwickeln könnt und Menschen in eurem Umfeld einen Schritt näher zu Jesus begleiten könnt.
Martin, wir werden uns heute darüber unterhalten, was eigentlich das Evangelium ist. Wenn wir es mit unserem Nächsten teilen wollen, ist es ja auch wichtig, es zu verstehen und so verständlich zu machen, dass unser Gegenüber es begreift. Darüber wollen wir gerne reden.
Aber zuerst zu dir, Martin: Du bist gelernter Industriekaufmann, habe ich gelesen, und hast dann Theologie studiert. Jetzt bist du Dozent für Dogmatik, Ethik, Gemeindepraxis und Kirchengeschichte hier an der BTA in Wiedenest, die auch als Forum Wiedenest bekannt ist. Übrigens ist das bei uns direkt um die Ecke – im biblischen Sprachgebrauch nur einen Steinwurf entfernt.
Ich weiß nicht, ob ich so weit werfen kann, aber es sind wirklich nur ein paar Meter. Ich laufe hier jedenfalls immer vorbei. Du bist auch zu Fuß gekommen?
Genau, da ich hier in Wiedenest wohne, laufe ich quasi immer bei Heuckelbach vorbei und dann direkt über die Bahntrasse weiter zum Forum Wiedenest. Von daher habe ich beides täglich vor Augen.
Sehr schön. Du bist außerdem Mitbegründer der Mediathek und es liegt euch offenbar am Herzen, klarzumachen, warum die Bibel glaubwürdig ist und welche fundamentalen Wahrheiten sie uns vermittelt. So habe ich eure Mediathek wahrgenommen, zu der es auch einen Podcast gibt.
Der Begriff Evangelium wird von den meisten Christen so verstanden, dass es das ist, was Menschen begreifen müssen, die noch keine Christen sind. Es wird als die Grundlage des Glaubens gesehen, also das, was notwendig ist, um überhaupt glauben zu können. Man bezeichnet es oft als das ABC oder die Milch, um in der Sprache des Hebräerbriefs zu bleiben. Danach geht man davon aus, dass später die „richtige“ Theologie folgt.
Martin, was verstehst du unter dem Evangelium von Jesus Christus? Kannst du das in wenigen Sätzen zusammenfassend erklären?
Ja, also ich würde dir auf jeden Fall zustimmen, dass die meisten Menschen sagen: „Ja, das ist doch völlig klar.“ Wenn man aber genau die Frage stellt: „Was ist eigentlich das Evangelium?“, herrscht meistens erst einmal Schweigen im Raum.
Mark Dever, ein Pastor in den USA, macht das zum Beispiel so: Bei den Gemeindeaufnahmen fragt er immer: „Erklär mir das Evangelium.“ Dann kommt meistens nur die Antwort: „Evangelium ist Jesus.“ Und das ist schon mal gut, ein guter Ansatz.
Deswegen will ich genauso starten: Das Evangelium ist in erster Linie eine Person. Auch das Markus-Evangelium beginnt so. Das Evangelium ist Jesus Christus, der Sohn Gottes. Jesus Christus ist der Herr, der Gottessohn, der in diese Welt gekommen ist, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.
Das ist eine Kurzdefinition: Jesus Christus, der Sohn Gottes, ist für uns gekommen, um uns zu erlösen.
Ja, okay, cool.
Jemand hat einmal gesagt: Das Evangelium ist nicht das ABC, sondern das ABZ des Glaubens. Inwiefern stimme ich dieser Aussage zu?
Ich würde sagen, dass das Evangelium eben nicht nur eine Wahrheit ist, die man einmal verstanden haben muss, um dann in Ordnung zu sein. Es geht vielmehr darum, dass es sich um eine Person handelt, Jesus Christus, und dass diese Person untrennbar mit dem Evangelium verbunden ist.
Das bedeutet, dass ich mich wirklich von Jesus Christus und von der Botschaft des Evangeliums durchdringen und verändern lassen muss. Es ist also mehr als nur eine Wahrheit, die ich mal verstanden und akzeptiert habe. Vielmehr ist das Evangelium eng verbunden mit der Gnade Gottes.
Hier kommt schon zum Ausdruck, dass ich mich durchdringen lassen oder durchdrungen werden soll. Genau das ist das Lebensfundament für uns. Gerade als Christen merken wir, dass es das Lebenselixier ist, mit Jesus Christus unterwegs zu sein, vom Evangelium getragen und angetrieben zu werden und schließlich selbst Botschafter dieses Evangeliums zu sein.
Deshalb stimme ich der Aussage zu, dass wir immer wieder neu begreifen müssen, was das Evangelium bedeutet, um von dort aus verändert zu werden. Aus diesem Grund ist das Evangelium tatsächlich das ABZ des Glaubens – eine sehr treffende Aussage.
Wo du eben gesagt hast, dass es vielen Christen schwerfällt, das Evangelium klar und präzise zu erklären, muss man daran denken: Unsere Aussendienster berichten häufig davon.
Wir nennen das den Gemeindeprozess. Dabei bieten wir Gemeinden an, dass wir in diese Gemeinden gehen und genau das Thema bearbeiten: Wie evangelistisch sind wir eigentlich als Gemeinde?
Das beginnt schon damit, dass man – als Teil oder Phase dieses Prozesses – die ersten acht Kapitel des Römerbriefs in Gruppen gründlich durchstudiert. Oft ist eine der ersten Fragen in diesem Zusammenhang: Was ist eigentlich das Evangelium? Was sagt die Bibel dazu? Die meisten haben darauf kaum eine Antwort oder geben sehr unterschiedliche Antworten.
Das ist spannend. Deshalb finde ich es super, dass du da bist und wir ein bisschen mehr darüber reden können. Das richtige Verständnis vom Evangelium prägt automatisch auch meinen Evangelisationsstil. Es gibt mir das Bedürfnis, den Glauben zu teilen. Es ist für mich eine Freude, kein Zwang.
Inwiefern hat das Verständnis des Evangeliums dein persönliches Leben und deine Beziehung zu anderen Menschen beeinflusst? Was hat sich bei dir möglicherweise auch verändert, während du im Glauben über die Jahre gewachsen bist?
Ich bin in einer christlichen Familie aufgewachsen, in einem klassischen pietistischen Elternhaus. Daher war es für mich von Anfang an relativ normal, an Jesus Christus zu glauben.
Tatsächlich gab es aber einen entscheidenden Punkt, an dem ich das Evangelium wirklich für mich entdeckt habe – als die Gnade mich gefunden hat. Das hat vieles auf den Kopf gestellt. Meistens bezeichnen wir diesen Moment als Bekehrung. Gerade für Kinder aus christlichen Elternhäusern ist es wichtig, so etwas zu erleben, um wirklich zu verstehen, dass Gott uns rettet, dass die Gnade uns rettet. Das Evangelium ist nicht nur eine dogmatische Wahrheit, sondern etwas, das erfahrbar ist.
Diese Erfahrung hat in mir viel bewirkt. Sie hat Heilung ausgelöst, eine innere Heilung, die mich selbst ganzheitlich gesund gemacht hat. Von da an habe ich nach und nach gemerkt, wie das Evangelium meine Persönlichkeit verändert. Es folgten Schritte, die aufeinander aufbauen – insbesondere der Aspekt der Nachfolge. Ich selbst wurde verändert.
Wir erfahren innere Heilung, und das hat sichtbare Auswirkungen auf mein Leben, meinen Lebensstil und natürlich auch auf mein Umfeld. Dabei zu merken, dass ich das in meinem Leben wirklich nachvollziehen kann, ist für mich sehr bedeutsam.
Wenn heute Leute, die mich vielleicht noch aus meiner Teenagerzeit oder Kindheit kennen, hören würden, dass ich später Pastor geworden bin und jetzt Theologie-Dozent bin, würden sie sagen: „Das ist nicht mehr der Martin von früher.“ Das ist ein Segen, den man erleben darf. Zu sehen, dass das Evangelium Spuren hinterlassen hat, ist mehr als nur eine kleine Nuance. Es sind wirklich fundamentale Veränderungen – es ist wirklich lebensverändernd.
Martin, in einem Videoprojekt hast du einmal gesagt, man kann den Menschen nicht verstehen, wenn man sich nicht mit der Lehre der Sünde beschäftigt. Das ist ja in unserer heutigen Gesellschaft eigentlich so: Wenn überhaupt der Begriff Sünde richtig verstanden wird, wird er oft gar nicht verstanden. Das Thema ist auch nicht beliebt und wird sofort mit Religiosität, Verboten und Ähnlichem in Verbindung gebracht.
In vielen Gemeinden verzichtet man zunehmend darauf, das Thema Sünde zu thematisieren. Man konzentriert sich lieber auf die Liebe Gottes, was ja etwas Schönes und Positives ist. Wie siehst du das? Welche Rolle spielt die Lehre der Sünde beziehungsweise die Liebe Gottes in der Verkündigung des Evangeliums?
Als ich Pastor war, habe ich mich nach einiger Zeit mit einem guten Freund getroffen. Er ist gleichzeitig ein Gemeindediensleiter. Er sagte zu mir: „Hey Martin, ich habe morgen etwas richtig Krasses vor. Ich mache eine Predigtreihe über Sünde.“
Ich fragte: „Was ist richtig krass?“ Er antwortete: „Nee, ich rede auch mal wirklich über die Sünde.“ Ich war völlig perplex und dachte: „Vor was redest du denn sonst?“
Dann hat mich irritiert, wie ungewöhnlich es ist, überhaupt über Sünde zu predigen. Mir wurde dort erstmal bewusst, dass es gar nicht so normal ist, eigentlich über Sünde zu predigen. Für mich war das irgendwie völlig normal. Wenn ich predige, dann predige ich über Sünde, Verlorenheit und darüber, zu verstehen, was die Gnade ist, die uns durch das Evangelium rettet.
Das ist natürlich die Grundlage: Ich muss verstehen, dass ich gerettet werden muss. Deshalb bin ich zweifelsohne sofort bei dem Thema Verlorenheit und Sünde. Das muss ich erklären, verstehen und immer wieder aufgreifen, um überhaupt zu erkennen, was das Evangelium ist und was mich rettet.
Von der Definition, was eigentlich das Evangelium ist: Wenn jemand fragt, wo man mit dem Evangelium eigentlich anfangen soll, dann ist eine gute Antwort Markus 1,1. Dort wird deutlich, dass das Evangelium eine Person ist, nämlich Jesus Christus.
Als beste Erklärung und Zusammenfassung würde ich jedoch 1. Korinther 15,3-5 nennen. Diese Stelle erklärt genau, was das Evangelium ist: Christus ist für unsere Sünden gestorben, nach der Schrift; er ist begraben worden und am dritten Tag auferstanden, ebenfalls nach der Schrift. Er ist erschienen, zuerst von Kephas, dann von den Zwölfen und so weiter.
Jesus ist für uns gekommen, um für uns zu sterben und aufzuerstehen. Sobald ich sage, dass er das für uns getan hat, stellt sich die Frage: Habe ich das überhaupt gebraucht? Bis dahin habe ich mich noch gar nicht gefragt, ob ich das brauche. Hier komme ich genau zum Thema Sünde und Verlorenheit. Ich bin auf Rettung angewiesen.
Man ist also schon mitten in der Botschaft. Eigentlich kann man sagen, dass die Botschaft der Gnade obsolet ist, wenn nicht klar ist, wovon gerettet werden muss – nämlich von meiner Sünde und meiner Verlorenheit. Das habe ich in einem Offenbar-Podcast thematisiert, der den Titel trägt: „Gerettet, aber wovon?“ Mir ist oft gar nicht mehr klar, wovon wir eigentlich gerettet werden wollen.
Wir wollen alle gerettet werden oder die Liebe Gottes erfahren, wie sie in Römer 5 beschrieben wird: Die Liebe Gottes erweist sich darin, dass er uns geliebt hat, als wir noch Sünder waren. Erst dann wird der fundamentale Unterschied der Liebe Gottes sichtbar – dass sie völlig unverdient ist und die Gnade mich rettet.
Gerade hier zeigt sich, dass die Liebe Gottes nicht vergleichbar ist mit der Liebe, die ich zu meiner Frau oder meinen Kindern habe. Die Liebe Gottes ist völlig anders, weil sie komplett unverdient ist. Im Gegenteil: Er liebt mich, obwohl ich ihn gehasst habe.
Sünde ist hier als Rebellion zu verstehen. Ich will gar nicht an ihn glauben, und alles in mir sträubt sich gegen ihn – und trotzdem liebt er mich.
Hier wird besonders deutlich, was Sünde ist, was Verlorenheit bedeutet, wie tief die Verlorenheit in uns steckt und wie tief die Gnade und Liebe Gottes reicht. Das Evangelium rettet uns genau hier.
Mir geht es manchmal so, dass ich, wenn du das gerade ausführst, daran denken muss: Je länger ich im Glauben bin und je mehr ich darin vielleicht auch fortschreite oder erkenne, wer ein Christ ist – obwohl ich noch vieles nicht erkannt habe –, desto mehr merke ich, wie sündig ich eigentlich bin und woraus Jesus mich gerettet hat.
Dieses Bewusstsein ist einem oft nicht so klar, vor allem wenn man aus einem frommen Haus kommt. Dann denkt man: „So schlimm wie die Welt bin ich ja nicht“, in Anführungszeichen. Genau. Bei mir ist das jetzt nicht so, aber wenn jemand wirklich aus Drogenabhängigkeit oder Kriminalität kommt, dann ist das natürlich anders.
Eigentlich ist es so, dass dieses Bewusstsein wahrscheinlich mit der Zeit kommt, im Prozess der Heiligung. Je mehr man Christus kennenlernt, desto mehr lernt man auch, die Sünde zu hassen und zu sagen: „Meine Güte, wo bin ich eigentlich hergekommen?“
Als die Ehebrecherin zu Jesus gebracht wurde, um gesteinigt zu werden – sie wurde auf frischer Tat beim Ehebruch ertappt –, da fragten viele: „Wo ist eigentlich der Mann dazu?“ Aber egal. Jesus sagte: „Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“ Dann bückte er sich nieder und schrieb etwas auf die Erde.
Das Evangelium berichtet, dass daraufhin die Ältesten nacheinander gingen, zuerst die Ältesten und zuletzt die Jüngsten. Die Ältesten haben es als Erste verstanden. Genau das ist es, was du eben gesagt hast: Die, die am ältesten sind, merken oft am meisten, wie sehr sie auf die Gnade angewiesen sind.
Vielleicht ist es tatsächlich auch ein Prozess des Älterwerdens, bei dem man mehr reflektiert. Es gibt bestimmt psychologische und soziologische Erklärungen dafür. Aber diese Abhängigkeit zu erkennen – wie sehr ich ein elender Sünder bin und dass ich auf die Gnade angewiesen bin –, das wird einem mit der Zeit bewusst.
Ja, das ist wirklich wunderbar.
In deiner Vita auf der Website vom Forum Wiedenest schreibst du: Das Evangelium von Jesus Christus ist die einzige Hoffnung für die Welt. Das ist eine ziemlich exklusive Aussage, die wenig Interpretationsspielraum lässt. Was ist denn an dem Evangelium von Jesus Christus so einzigartig, dass du sagst, es ist die eine Hoffnung für die Welt?
Die Frage ist: Worauf verlasse ich mich? Was ist eigentlich das Fundament, auf das ich mein Leben baue? Für mich war das während meines Studiums eine zentrale Frage. Damals habe ich den Heidelberger Katechismus kennengelernt – im Freikirchenkontext. Ich habe auch gemerkt, dass viele von den Ständen der BTA zunächst keinen Zugang dazu hatten. Es ist ja ein alter Katechismus aus dem 16. Jahrhundert, reformierte Theologie.
Die erste Frage fasst das aber sehr prägnant zusammen, wenn sie fragt: Was ist denn einziger Trost im Leben und im Sterben? Diese Frage ist auch exklusiv formuliert: Was ist denn einziger Trost? Natürlich könnte man im Leben viele Dinge als tröstlich ansehen. Aber was tröstet mich fast ausschließlich im Sterben?
Hier wird es deutlich, wie auch die Bibel in Psalm 90 sagt: Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben, damit wir klug werden. Was trägt dann wirklich? Im Sterben hält mich weder meine Gesundheit – die ist dann offensichtlich dahin – noch meine Familie, die mich vielleicht begleitet. Letztlich können sie mich nur auf dem Weg begleiten, sie halten mich nicht mehr.
Alle Dinge wie Ansehen, Geld oder andere Besitztümer, die wir in dieser Welt haben, zerbrechen in diesem Moment. Die Frage ist: Was hält dann? Und wer hält?
Für mich war das während meines Studiums sehr eindrücklich. Die Antwort lautet: Mein einziger Trost ist, dass ich nicht mir selbst gehöre. Ich bin nicht mein Eigen, sondern meines getreuen Heilands Jesu Christi eigen, der mit seinem teuren Blut für alle meine Sünden bezahlt hat. Im tiefsten Sinne gehöre ich nicht mir selbst.
Ich glaube, das ist etwas, was zunächst nicht zu unserer Lebensrealität passt. Wir sind völlig diesseits orientiert, unsere Gesellschaft sowieso. Über das Sterben und das Ende machen wir uns kaum Gedanken. Das ist auch ein Ausdruck unserer Zeit, zumindest in der westlichen Kultur und der säkularen Gesellschaft. Das betrifft auch Christen nicht unberührt.
Gerade deshalb ist dieses Bewusstsein so wichtig: Was trägt am Ende, wenn alles andere zerbricht? Dann wird sichtbar, was wirklich trägt und was letztlich nicht trägt. Vieles trägt in dieser Welt nicht, auch wenn wir viel Schein drumherum haben.
Daher ist genau das die Botschaft, von der ich komme. Deshalb habe ich das so als Zitat zusammengefasst. Es lehnt sich an 2. Korinther 5,21 an: Wir sind Botschafter in Christi statt. Lasst euch versöhnen mit Gott! Denn das ist das Einzige. Gott hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir die Gerechtigkeit Gottes empfangen.
Die einzige Hoffnung ist also, auf dem Boden der Versöhnung mit Gott zu stehen. So wie es Epheser 2,14 sagt: Wer in Christus Frieden hat, der hat tatsächlich auch Frieden in sich selbst und zwischenmenschlich.
Ich glaube, das ist auch die Brücke zum Alltag. Viele Menschen sehnen sich nach innerer Heilung, nach Versöhnung, nach geheilten Beziehungen und nach menschlicher Gemeinschaft. Wir sehen eine Welt voller Krisen und Katastrophen und sehnen uns nach Frieden. Doch dieser Frieden ist innerweltlich nicht möglich.
Billy Graham hat einmal gesagt: Wie sollen sie denn Frieden haben, wenn sie den Friedensfürsten nicht kennen? Genau deshalb komme ich zu dem Schluss: Es muss Jesus Christus sein, der Friedensfürst. Er ist die einzige Hoffnung, die uns verwandelt und deren Auswirkungen wir erleben können.
Es ist interessant, den Gedanken wirklich vom Ende her zu denken, wie es auch in diesem Psalm ermahnt wird. Die Fragen zu stellen: Was trägt eigentlich? Was hält am Ende? Das erlebe ich immer wieder, auch im persönlichen Gespräch mit Menschen, mit Andersgläubigen. Das ist ein guter Anknüpfungspunkt. Diese Fragen gehen tief und treffen einen, wenn man an so einem Punkt angekommen ist. Wenn man aber ehrlich nachdenkt, erkennt man, dass die Dinge, an denen wir unser Herz hängen und von denen wir meinen, sie retten uns, am Ende nicht tragen.
Die Kasualien sind dabei besonders wichtig. Gerade wenn ich aus dem sakramentalen Dienst komme, sehe ich, dass man bei den Kasualien am einfachsten mit dem Evangelium anknüpfen kann. Was sind Kasualien? Das sind besondere Anlässe im Leben, wie zum Beispiel die Segnung nach der Geburt, die Taufe, Beerdigungen oder Hochzeiten. Das sind die großen gestalteten Punkte in unserem Leben.
In den Freikirchen gibt es meist am Anfang eine Segnung, dann vielleicht den Abschluss des biblischen Unterrichts, und am Ende Beerdigungen oder Hochzeiten. Die katholische Kirche hat noch mehr solcher Kasualien, etwa Firmung und Konfirmation. Diese Anlässe sind stark an die großen Lebensumbrüche gebunden und werden sichtbar. Man hat die Geburt, dann die Taufe, später etwa mit sieben Jahren die Erstkommunion, mit vierzehn die Firmung oder Konfirmation, und mit zwanzig weitere Übergänge.
Diese Kasualien versuchen, die großen Lebensphasen abzudecken: Geburt, der Einstieg von der Kindheit in die beginnende Teenagerzeit, dann der Übergang von der Teenagerzeit zur Jugendzeit, der Übergang von der Jugend ins Erwachsenenalter, und am Ende die letzte Ölung vor der Beerdigung. Das ist sehr klug gemacht, denn an diesen Punkten werden entscheidende Weichen gestellt.
Aus theologischer Sicht müssen diese Weichenstellungen als eine Art Initiationsritus gestaltet werden. Wir wollen Menschen bei diesen großen Wegmarken ihres Lebens begleiten, weil genau dort die Fragen auftauchen: Was trägt? Was brauche ich jetzt für die nächste Phase? Ich glaube, es ist auch im freikirchlichen Kontext wichtig, diese bewusste Gestaltung für die unterschiedlichen Lebensphasen neu zu gewinnen. Denn hier sind Fragen da, und die Menschen sind offen oder sehnen sich nach Wegweisung. An diesen Punkten hat man auch das Recht, in das Leben der Menschen hineinzusprechen.
Das habe ich auch in meinem Beruf und im Umgang mit nichtchristlichen Arbeitskollegen erlebt. Gerade bei solchen Ereignissen entstehen Gespräche: wenn jemand ein Kind bekommen hat, bei Hochzeiten oder Beerdigungen, wenn jemand gestorben ist. Meine Arbeitskollegen sind bis heute immer offen für diese Gespräche. Es sind Fragen da, und sie sehnen sich nach Spiritualität im weitesten Sinne. Das ist für uns als Alltagsmissionare ein wichtiger Anknüpfungspunkt.
Obwohl heute viele Menschen später heiraten und sich das Leben dadurch etwas verschiebt, bleiben die Menschen länger jugendlich oder werden nicht wirklich erwachsen.
Bei Heukemach sprechen wir immer wieder vom Weg der kleinen Schritte – vielleicht hast du davon noch nicht gehört. Wir meinen damit, dass wir diesen Weg gehen wollen, ohne gleich alles auf einmal zu erwarten. Oft haben wir die Hoffnung in uns, dass der andere das Evangelium sofort hören muss, und dann bringen wir gleich das ganze Evangelium auf einmal. Aber es ist besser, das Schritt für Schritt zu tun, besonders in der Begleitung und gerade dann, wenn man in persönlichen Beziehungen steht.
Christen sagen oft, und uns wird auch oft gesagt: „Ich muss doch das ganze Evangelium verkünden, ich darf doch nichts zurückhalten.“ Aber was ist eigentlich das ganze Evangelium? Ich würde sagen, das ganze Evangelium ist das, was in 1. Korinther 15 steht: Christus ist für uns gekommen, gestorben, auferstanden und rettet uns.
Oder man kann es auch mit den vier Punkten beschreiben, die oft als anschauliches Beispiel dienen: Gott liebt uns, aber die Sünde trennt uns von Gott, Christus ist für uns gestorben, und dann die Frage: Was macht das mit dir? Das ist das ganze Evangelium.
Natürlich stellt sich die Frage, wie und wann der richtige Zeitpunkt ist, gerade in den Beziehungen zu nichtchristlichen Freunden, das Evangelium zu teilen. Ich finde, das ist der erste Ansatzpunkt. Es gibt soziologische Untersuchungen, die zeigen, dass Menschen, je länger sie Christ sind, umso weniger Kontakt zu Nichtchristen haben. Es wäre natürlich schön, wenn alle im Laufe der Zeit Christen würden.
Wenn man sich die Untersuchung von Philippa Ptolemais anschaut, merkt man, dass viele Bekehrungen nicht in Gemeinden stattfinden. Aber man merkt auch, dass Menschen, die viele Jahre oder Jahrzehnte Christ sind, oft nur noch in einer „frommen Blase“ leben.
Deshalb ist genau das der Punkt: Habe ich überhaupt noch Beziehungen, wirklich Freundschaften zu Nichtchristen? Und bin ich bereit, mit ihnen unterwegs zu sein und Beziehungen aufzubauen? Ich glaube, das ist der wesentliche Einstiegspunkt.
Sehe ich sie? Öffne ich mein Herz für meinen Nächsten? Habe ich wirklich jemanden im Blick und sage: „Nein, mit diesem Menschen will ich eine Beziehung aufbauen, eine Freundschaft, in der hoffentlich auch das Evangelium weitergegeben werden kann“?
Aber ich glaube, es beginnt vorher: mit dem Aufbau der Beziehung. Das ist ja auch unser ureigenes Anliegen mit diesem Podcast, Christen zu ermutigen, sich danach auszurichten und dem Herrn nachzufolgen – den Aposteln und vielen anderen, die das vor uns getan haben.
Wir haben diesen Ruf und Auftrag, den der Herr uns gegeben hat: Menschen zu fischen und Jünger zu machen. Das können wir nicht aus unserer „Blase“ heraus tun. Wir sind gesandt in diese Welt, er hat uns hier zurückgelassen, und das ist unser Auftrag.
Vor allem geht es über persönliche Beziehungen, in denen wir Menschen in unseren Alltag hineinschauen lassen, in denen Menschen Teil unseres Lebens sind und wir uns nicht abgrenzen. Das hast du sehr gut gesagt – das spricht mir aus dem Herzen.
Wenn wir das Evangelium auf sein Wesen reduzieren müssten, welche Aspekte der guten Nachricht würdest du als unverzichtbar bezeichnen? Welche Punkte dürfen bei der Vermittlung des Evangeliums auf keinen Fall fehlen – egal, ob es auf einmal oder in kleinen Schritten geschieht?
Die Verlorenheit haben wir schon erwähnt. Würdest du damit anfangen? Nein, ich finde tatsächlich, dass von den vier Punkten die Liebe Gottes besonders geschickt an erster Stelle steht. Gott hat dich aus Liebe geschaffen und zur Beziehung mit ihm bestimmt.
Von „Evangelium explosiv“ gibt es so einen Pitch, den kennst du doch? Von Uli Heess, oder? Ja, Uli Heess heißt er, genau. Das ist vom Forum Evangelisation, genauer gesagt vom Forum Evangelium explosiv. Ich nehme mir deinen Blog als Beispiel, um zu sagen: Wie kann ich das eigentlich darstellen?
Am Anfang war Gott. Gott hat uns Menschen aus Liebe als sein Gegenüber geschaffen. Er sehnt sich danach, dass wir wirklich mit ihm verbunden sind. Diese Beziehung ist unsere Bestimmung. Unser Leben und unsere Identität finden nur in dieser Beziehung mit Gott ihre Erfüllung.
Das Problem ist nun, dass diese Beziehung zerstört wurde, weil der Mensch gesündigt hat. Deshalb erleben wir diese Trennung. Die Sünde verhindert die Beziehung zwischen uns und Gott. Sie zerstört sie sogar vollständig und macht sie unmöglich.
Genau das ist unser Problem als Menschen: Wir merken, dass unsere Sehnsucht nach dieser Beziehung nach wie vor besteht. Wir sind auf diese Beziehung mit Gott angelegt, aber sie ist unmöglich geworden.
Aus diesem Grund musste Gott selbst Mensch werden. Er musste ganz Mensch werden, uns gleich werden – bis auf die Sünde. Am Kreuz nahm er die Sünde auf sich, trug sie ans Kreuz und starb für sie. Er ging ins Grab, blieb dort aber nicht.
Gott hat ihn auferweckt. Christus ist nicht nur auferstanden, sondern auch erhöht worden. Nach der Himmelfahrt ist er zurück bei seinem Vater.
Durch das, was Christus getan hat, ist nun eine neue Beziehung mit Gott möglich. Wir können wieder mit ihm in Kontakt treten – aber nur durch das, was Christus für uns getan hat.
Das lässt sich relativ schnell erklären. Natürlich kann man es auch Schritt für Schritt vermitteln, aber es beginnt immer mit der Liebe Gottes zu uns und der Erschaffung. Zugleich gibt es einen Resonanzbogen: Wir merken, dass wir für eine andere Welt geschaffen sind.
C. S. Lewis schreibt oft über den Begriff der Sehnsucht. Wenn wir in uns eine Sehnsucht spüren, die durch nichts in dieser Welt gestillt werden kann, merken wir, dass wir für eine andere Welt geschaffen sind.
Dabei ist alles einseitig: Bei der Liebe Gottes und bei der Sehnsucht in uns. Wir merken, dass wir eigentlich diese Beziehung zu Gott haben sollten, aber gleichzeitig merken wir, dass wir dazu nicht fähig sind.
Dann kommen wir zum Thema Verlorenheit und Sünde. Ich muss gar nicht mit einer moralischen Ebene anfangen. Ich muss nicht sagen: „Du hast das und das falsch gemacht.“ Natürlich stimmt das, aber vor allem geht es um den Beziehungsaspekt.
Ich merke: Ich passe nicht zu Gott, aber ich sehne mich nach ihm. So ähnlich wie Jesaja bei seiner Berufung, der sagt: „Ich bin ein Mann mit unreinen Lippen und wohne unter einem Volk mit unreinen Lippen.“ Er erkennt: „Wehe mir, ich vergehe!“ Er spürt tief, dass er nicht in diese Beziehung mit Gott passt, aber er sehnt sich genau danach.
Hier sind wir mitten im Bereich der Sünde. Es geht darum zu erklären, dass ich merke: Mein Leben passt nicht zur Heiligkeit Gottes. Das ist ein Beziehungsbegriff.
Das Moralische, also das, was sichtbar wird, ist nicht der Kern, sondern Ausdruck und Folge der eigentlichen Sünde.
Dann kann man die Lehre von der Gnade erklären: Christus ist gekommen, um gerade für diese Sünde zu sterben, um uns zu erlösen, zu suchen und zu retten, was verloren ist (Lukas 19,10). Und hier setzt die Heilung an – die Möglichkeit, wieder in Beziehung mit Gott zu treten.
Jesus hat seinen Zeitgenossen oft in Gleichnissen gesprochen, also in einer Art Bildrede. Sein Anliegen war es dabei immer, geistliche Wahrheiten so zu vermitteln, dass sie auch vom Gegenüber verstanden werden können.
Philipp Bartholome, den du eben schon zitiert hast, spricht davon, dass wir in einer nachchristlichen Zeit leben. Die Menschen sind zunehmend ahnungslos, auch was die Grundlagen des Evangeliums betrifft. Wie kann man diese Grundwahrheiten des Evangeliums im Sinne des Weges der kleinen Schritte als Alltagsmissionar kommunizieren, ohne einerseits zu überwältigen, aber andererseits auch nicht zu simplifizieren? Das ist eine Herausforderung.
Was kannst du da für einen Tipp geben?
Wenn wir heute sagen: „Ja, es ist wie der gute Hirte, der seine Schafe ruft“, schauen mich heute Leute an und sagen: „Okay, mach das Hirte so genau!“ Wenn ich hier einkaufen fahre, zum Beispiel in Bergneustadt, da sind immer ein paar Schafe am Straßenrand, aber ohne Hirte.
Genau, es ist ein Bild, das heute für uns oder für ganz wenige Leute eine Alltagsrelevanz in unserem Kontext hat. Hier müssen wir also genau hinschauen: Was sind die Bilder, was sind die Metaphern, die den Leuten vertraut sind? Ich glaube, es ist einfacher, wenn du selbst die Fragen aufgreifst, in denen die Leute stecken, um diese Bilder zu nutzen.
Oft wird gesagt, man kann nicht über Sünde reden. Aber wenn man mal in die Zeitung schaut, Fernsehen guckt oder Serien sieht, dann wird eigentlich recht häufig von Sünde gesprochen. Allerdings in anderem Zusammenhang. Da ist dann von „Klimasündern“ die Rede. Und man merkt: Was heißt denn Klimasünde? Dann wird sofort moralisch argumentiert, und der Begriff „Sünde“ ist da.
Oder beim Fußball: Es gibt den Begriff „Rotzünde“. Wenn jemand die Notbremse zieht, heißt es, er hat eine „Rotzünde“ begangen. Oder wenn ich merke, dass ich im Sommer wieder zu viel gegessen habe, dann war die Versuchung zu groß und es war eine Sünde.
Ich glaube, diese Begriffe sind tatsächlich da, sie werden nur moralisch anders gefüllt. Aber man kann durchaus auch die christlichen Begriffe genau hier ansetzen und sagen: „Hey, ich glaube, Sünde ist etwas anderes.“ Es gibt Bilder, an die man anknüpfen kann, und so aus dem Alltag Brücken schlagen.
Ich habe meistens die Erfahrung gemacht, dass es viel einfacher ist, wenn Leute wissen, dass ich Christ bin. Dann werde ich oft angesprochen, weil die Menschen Fragen haben.
Als ich noch kein Pastor war, war es schon so, und als Pastor ist es sowieso noch mal einfacher. Wenn jemand fragt: „Was machst du beruflich?“, sage ich: „Ich bin Pastor.“ Dann kommt oft die Reaktion: „Was? Du bist doch noch so jung! Pastor gibt es doch nur bei alten Leuten.“ Das ist das Bild, das viele haben.
Das Allermeiste, was die Leute zuerst sagen, wenn ich sage, ich bin Pastor, ist: „Aber evangelisch, oder?“ Das war oft die erste Assoziation. „Du darfst heiraten“ – das war tatsächlich die erste Reaktion.
Nicht jeder ist Pastor, aber es war mir immer wichtig, dass die Leute wissen, dass ich Christ bin. Dann merken sie in ihrem Alltag, wo sie selbst denken: „So etwas darfst du ja nicht machen.“ Dann fragen sie: „Warum nicht?“ „Weil du Christ bist.“ „Okay, warum?“ Und schon ist man beim Thema.
In dem Großraumbüro, in dem ich früher gearbeitet habe, hat mich mein Chef immer wieder vorgestellt, wenn wir Besuch hatten: „Das hier ist Herr Grünholz, das ist unser Christ.“ Wenn man getauft ist, kann man auch taufen, sagte er manchmal. Direkt neben meinem Schreibtisch war ein Waschbecken.
Da haben mich Leute oft entsetzt angeschaut und gefragt: „Wie jetzt?“ Dann habe ich gesagt: „Ja, ich bin Christ.“ Taufe können wir noch mal besprechen, aber sofort war ich so vorgestellt worden. Die Leute waren erst mal irritiert, was das bedeutet.
Ich bin ein gläubiger Christ. So hast du eine einfache Ebene, auf der die Leute mitkommen, dich ansprechen oder auch umgekehrt zu dir kommen, wenn wirklich etwas in ihrem Leben schiefgeht – wenn eine Not da ist, eine Krebserkrankung, oder ein Arbeitskollege von seiner Frau verlassen wurde.
Dann kommen die Gespräche, und es wird gefragt: „Warum lässt Gott das zu?“ Oder: „Du glaubst doch an Gott, warum?“ Dann kommen die Bilder und Geschichten mitten aus dem Leben der Menschen heraus.
Die Grundvoraussetzung ist, dass sie wissen, dass wir Christen sind.
Martin, was denkst du, was die Knackpunkte sind, also die schwierigsten Themen, mit denen man Menschen heute eher konfrontiert? Wo ist es schwer verständlich, und wo muss man wirklich gute Metaphern nutzen?
Sünde haben wir jetzt so genannt, aber gibt es andere Themen, bei denen du sagst: „Boah, das ist den Menschen heute so fremd, das sind wirkliche Knackpunkte beim Evangelium?“ Die Heiligkeit Gottes ist so etwas für viele abstrakt, nicht greifbar. Genau das liegt daran, dass wir heute eigentlich kein Konzept von Heiligkeit mehr haben. Heilig bedeutet ja Unterschied zu profan, das, was ausgesondert ist. Das ist etwas, das für viele wirklich sehr herausfordernd ist.
Obwohl wir das im Sprachgebrauch auch verwenden. Man sagt: „Das ist mir heilig“, das heißt, das ist mein, das ist besonders. Deswegen glaube ich, diese ganzen Bilder sind nicht weg, sondern wir können nur wenig damit anfangen. Man muss sich gut überlegen, welche Metaphern man verwenden kann, gerade beim Thema Heiligkeit. Was heißt das: heilig, was heißt abgesondert? Im normalen Sprachgebrauch anzuknüpfen, finde ich hilfreich. Ich verwende das gerne öfter: „Was ist dir heilig? Was meinst du damit?“ – „Das ist meine Privatsphäre, das gehört mir, das ist mir besonders, das ist mir sehr wichtig.“ Da kann man auch Metaphern verwenden, um das zu erklären.
Was gibt es noch für Metaphern? Hast du da ein Erlebnis gehabt, gerade auch in deiner Vergangenheit, wo es um die Kommunikation des Evangeliums ging? Wo du einen Aspekt des Evangeliums immer wieder erklärt hast und einfach nicht verstanden wurdest, bis du es auf eine ganz andere Art erklärt hast? Gibt es solche Situationen?
Ich glaube, vor allem das Thema Leid ist eine große Herausforderung. Hier merken die Leute oft nicht, wie sie damit umgehen sollen. Man kann abstrakt darüber philosophieren, aber wenn jemand selbst betroffen ist oder wirklich Schmerzen hat, bringt das gar nichts. Das erinnert mich ein bisschen an Hiob und seine Freunde, die versucht haben, Antworten zu geben. „Hätten sie geschwiegen, wir leidigen Tröster, da hättet ihr Propheten geblieben.“ Eigentlich war das Beste, was sie am Anfang gemacht haben, dass sie einfach da waren. Sie saßen sieben Tage lang schweigend mit Hiob im Staub.
Das Buch von Timothy Keller „Gott im Leid begegnen“ finde ich so unglaublich stark. Am Anfang sagt er, wenn du selbst leidest und mitten im Leid bist, dann lies bestimmte Kapitel zuerst. Wenn du philosophisch mit der Frage ringst, lies andere Kapitel zuerst. Sonst liest er das Buch von vorne bis hinten. Das finde ich sympathisch, weil er genau diesen Unterschied macht.
In dem Buch kommen beide Aspekte gleich gut zum Tragen: das persönliche Dasein, das Ringen mit dem Leid, und das andere, das eine philosophisch-theologische Antwort gibt. Ich habe gemerkt, dass ich oft am Anfang versucht habe, Leid zu erklären, und dabei nicht weitergekommen bin. Wenn jemand im Leid steckt oder mit Schreckensnachrichten konfrontiert ist – Terror, Anschlag – dann ist es vor allem wichtig, wirklich dabei zu sein. Leid klar als Leid zu definieren und zu sagen: „Ja, es ist Leid, und es ist schrecklich.“
Was ich dann mache, ist, erst einmal einen Rettungsring zuzuwerfen und zu sagen: „Stimmt, das ist wirklich absolut schrecklich.“ Dann lenken wir den Blick auf den, der selbst gelitten hat. Für mich ist das der Isenheimer Altar, ein Altar in der Nähe von Colmar, kurz vor der Reformationszeit gemalt von Matthias Grünewald. Ein unglaublich genialer Altar, zu dem es viele Bücher gibt.
Dort sieht man den gekreuzigten Christus, der pestkrank ist, sein ganzer Körper ist von Pestbeulen übersät. Der Altar wurde dort aufgehängt, wo Pestkranke zum Sterben hingekommen sind. Es war eine riesige Pestepidemie, und die Leute wussten: „Ich sterbe daran.“ Was machen sie? Sie blicken auf den Gekreuzigten, der die Pest trägt.
Ich finde, das ist so tief: Leid ist nicht zu erklären, nicht warum und wie. Sondern man wirft den Leuten den Rettungsring zu, indem man gemeinsam auf den Gekreuzigten schaut, der selbst im Leid ist. Diese Blickverschiebung hilft oder hat mir auch geholfen zu merken: Was ist der Ansatzpunkt?
Wenn jemand mit mir über Theodizee diskutieren will, kann er das gerne tun. Aber wenn ich jemandem begegne, der gerade eine Fehlgeburt erlitten hat, braucht der keine abstrakte Erklärung, warum Gott das vielleicht zugelassen hat. Da ist der Blick auf den Gekreuzigten wichtiger.
Einerseits wirklich Empathie zu haben, Anteil zu nehmen, auch wenn man eine gewisse Distanz wahrt. Natürlich sind die, die selbst gelitten haben, besonders fähig zu trösten, wie Paulus im 2. Korintherbrief schreibt. Aber wirklich gemeinsam den Blick auf Christus zu lenken, ist ein sehr guter Tipp.
Gibt es zeitgenössische Geschichten, Parabeln oder Ähnliches, die du benutzt, um das zeitlose Erfahren des Heiligtums in die moderne Welt zu übersetzen? Kannst du noch andere Beispiele nennen? Ja, genau, hast du weitere Beispiele dafür?
Das Thema Sünde haben wir bereits angesprochen, und das hast du schon schön dargestellt. Aber zum Beispiel das Thema Himmel und Hölle ist ja auch schwierig. Wenn man mit seinem Gegenüber darüber spricht und dieser sagt: „Ach, Hölle, das ist doch so etwas Grausames“, dann frage ich mich: Was machen wir mit all den ungesühnten Grausamkeiten dieser Welt? Was mache ich mit einem Märtyrer, der sich in die Luft sprengt und sich damit quasi jeglicher innerweltlichen Justiz entzieht?
Ist es gerecht, dass er gerettet wird? Ist es gerecht, dass er nicht zur Verantwortung gezogen wird und dass damit wirklich alles aus ist? Bei solchen Fällen merke ich immer, dass sich jemand einem innerweltlichen Gericht entzieht. Und da brauche ich gar nicht erst groß bei Hitler anzufangen, der sich erschießt, oder bei anderen Beispielen wie Stadien und so weiter.
Ich kann ganz gut nachvollziehen, wo jemand vergewaltigt wurde und der Täter nie gefasst wurde. Dieses Leid macht deutlich, wie sehr wir uns eigentlich danach sehnen, dass am Ende wirklich Gericht gesprochen wird. Das wird dann angreifbar. Ich merke, ich sehne mich eigentlich danach, dass es am Ende ein jüngstes Gericht gibt, bei dem alles offenbar wird.
Das wird auch schrecklich für mich selbst sein, weil ich dann merke: Mist, da wird auch mir alles offenbart. Aber genau hier entdecken wir diese Sehnsucht nach Gerechtigkeit, die wir in uns tragen. Da wird es plastisch. Ich will doch, dass die Täter nicht einfach davonkommen und am Ende alles unter den Teppich gekehrt wird. Ich habe eine große Sehnsucht danach, dass wirklich Gerechtigkeit hergestellt wird.
Ich glaube, hier wird das Gericht sichtbar und zeigt uns, dass es auch Buße gibt, wirklich auch Gnade und Vergebung. Aber wo das nicht geschehen ist, da gibt es auch ein Gericht, also eine Verlorenheit. Hier wird ein doppelter Ausgang sichtbar: Es gibt Erlösung, aber auch Verlorenheit. Unser Gerechtigkeitsempfinden drängt uns quasi dazu.
Das ist wahrscheinlich auch ein Rest unserer Ebenbildlichkeit Gottes als Menschen, als von Gott geschaffene Wesen. Wir haben diesen Sinn für Gerechtigkeit, auch wenn er in einer ungerechten Welt oft sehr verdreht ist. Trotzdem sehnen wir uns irgendwo nach Gerechtigkeit.
Genau, das ist ja der Baum, von dem Adam und Eva gegessen haben: das Wissen um Gut und Böse. Es ist Fluch und Segen zugleich. Natürlich heißt es: „Ihr werdet sein wie Gott, ihr könnt es erkennen.“ Aber zugleich wird euch dadurch eure Verantwortung viel stärker bewusst.
Davor war es ein einfacher, ganz einfältiger Gehorsam. Jetzt sind wir überhaupt erst dazu fähig, Verantwortung zu übernehmen. Dann kannst du auf Christus verweisen, der Gerechte, der für uns die Ungerechtigkeiten getragen hat und unsere Gerechtigkeit ist. Das ist genial.
So, wie Zinzendorf es geschrieben hat: „Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid. Damit will ich vor Gott bestehen, wenn ich in den Himmel eingehe.“ Also eine Gerechtigkeit, die mich umkleidet.
Und noch etwas Wichtiges: Es ist eben nicht aus eigener Leistung. Wir Christen sind nicht gerechter, hoffentlich sündigen wir weniger, und wir haben unseren Auftrag, gegen die Sünde anzukämpfen. Zugleich leben wir nicht so, als sei jetzt alles in Ordnung.
Nein, wir leben aus seiner Gerechtigkeit, und das ist die Lehre der Gnade des Evangeliums. Das bleibende Evangelium ist, dass ich es immer wieder neu brauche, mich unter das Evangelium von Jesus Christus zu stellen, dass er mich mit seiner Gerechtigkeit umkleidet und mich dadurch befähigt, immer wieder neue Schritte zu gehen.
Jetzt ist es ganz schön für uns, so darüber zu reden. Wir sind da ganz in hoher Übereinstimmung über die Wahrheit des Evangeliums. Aber wie ist es eigentlich, wenn du das jemandem erklären möchtest, der überhaupt keine christliche Vorbildung hat, keinen christlichen Hintergrund, vielleicht sogar skeptisch oder gleichgültig gegenüber Religion ist und das alles im Grunde genommen ablehnt? Wie ist da dein Ansatz mit so jemandem?
Es gibt das sehr Konfrontative. Es gibt aber auch Phasen, in denen es wirklich notwendig ist, wenn wir eine Evangelisation machen und Leute eingeladen sind. Dann ist es klar, dass es eine Evangelisation ist, bei der man den Leuten auch einen Spiegel vorhält, sie anspricht und vielleicht auch überfordert. Das gibt es, und es ist wichtig, dass es das gibt. Für viele ist dieses Wachrütteln, wenn sie schon innerlich vorbereitet sind, oft eine Hilfe.
Jetzt machen wir es auch wirklich immer fest und nicht einfach nur schleichend rein. Eine Geburt kündigt sich schleichend an, aber am Ende kommt sie dann wirklich sehr deutlich und brachial. Von daher gibt es einen Vorbereiter dazu. Es braucht wirklich diesen Punkt, an dem es auch konkret ist: "Wenn ihr heute seine Stimme hören werdet, so verschließt eure Herzen nicht." Aber der Weg davor ist oft eine lange, vorbereitende Begleitung, um die Beziehung zu pflegen.
Ich glaube, bei Alltagsmissionaren ist gerade das entscheidend: diese Beziehungen zu bauen, mit Leuten unterwegs zu sein und da Schritte zu machen. Tabitha Bühne hat vor kurzem so geschrieben, dass sie eigentlich erschrocken war. Sie war im Hotel und dort war ein altes Ehepaar, das nur genörgelt hat. Beim Frühstück stellte sie fest, dass sie vorm Essen beten. Da dachte sie: "Oh nein, Mist!" und sagte: "Ja, was für ein Bild gebe ich nach außen ab?" Das war so die Rückfrage und der Impuls von Tabitha, Beziehungen zu bauen, um Licht zu sein und mit anderen unterwegs zu gehen, sodass sie merken: Bei uns ist etwas anders.
Karl Thulman erinnert uns ganz neu daran, dass wir eigentlich in einer Situation sind, die viel stärker als nachchristliche Gesellschaft zu sehen ist, ähnlich wie die alte Kirche in den ersten 300 Jahren, bevor das Christentum Staatsreligion wurde. Christen waren damals völlig anders. Gerade durch dieses Anderssein, durch eine Kontrastgesellschaft, haben sie hineingewirkt. Leute merkten: Warum sind sie so anders? Wie gehen sie miteinander um? Besonders im ethischen Bereich.
Christen im ersten Jahrhundert waren diejenigen, die sich am lautstärksten gegen Abtreibung eingesetzt haben. Das ist kein neues Thema, sondern schon damals aktuell. Die Christen gingen über die Müllberge von Rom, wo Kinder ausgesetzt wurden – eine Form von postnataler Abtreibung. Die Kinder, die man nicht wollte, wurden ausgesetzt. Die Christen waren dort und sagten: "Nein, jedes Leben ist wertvoll." Sie sammelten die Kinder ein und gründeten große Waisenhäuser.
Das wirkt durch einen Kontrast. Leute werden aufmerksam, weil sie merken: Warum ist es bei euch anders? Das heißt erst einmal noch nicht viel mit dem Evangelium, sondern einfach, dass sie es spüren. Sie merken, dass sie eine Christus offenbarende Gesellschaft erleben.
Genau zu diesem Thema ist gerade ein Buch erschienen, das wir auch noch vorstellen werden. Es heißt "Eine Christus offenbarende Gesellschaft – eine anziehende Gemeinde", gerade neu erschienen im 3L Verlag. Es beschreibt eine Gemeinschaft, die Christus offenbart und in der man diesen Unterschied spürt. Daraus entsteht Neugierde.
Ein ganz praktisches Beispiel, wie wir es in meiner alten Gemeinde gemacht haben: Wenn eine Geburt in der Familie war, war sowieso alles erst einmal drunter und drüber. Bei uns haben die Frauen eine Krabbelgruppe gegründet und hatten das auf dem Herzen: "Wir unterstützen die neue Familie." Es wurde einfach für sie gekocht.
Die Familie bekam dann drei Wochen lang jeden Tag um zwölf Uhr Besuch. Jemand brachte ihnen in der Regel ein dreigängiges Mittagessen. Das war am Anfang innerhalb der Gemeinde. Dann sagte eine Frau aus der Gemeinde: "Hey, meine Nachbarin bekommt jetzt auch ein Kind. Die sind hierhergezogen und kennen hier niemanden. Komm, lass uns auch etwas für sie machen."
So entwickelte sich das, dass wir auch im Umfeld der Gemeinde, wenn jemand ein Kind bekam, gefragt haben: "Wie sieht es aus, wir würden euch gerne unterstützen." Dann stand ich teilweise vor Häusern oder Wohnungen, habe Essen abgegeben und die Leute nie vorher gesehen.
Viele haben gesagt: "Hey, hier sind Leute, die unterstützen uns ganz sichtbar und ganz praktisch. Warum machen die das eigentlich?" Leute kamen ins Nachdenken. Wenn sie wissen, dass das Christen sind, die das machen, weil sie sich über das Leben freuen, weil sie sich freuen, dass ein Kind geboren wurde, und ganz praktisch helfen wollen, dann entsteht Interesse.
Etliche sind dadurch auch zu Krabbelgruppen gekommen. Dort merkten wir, dass andere Mütter da sind, eine Gemeinschaft, in der Kinder sind, die einen Blick und ein Herz dafür haben. So konnten wir Leute integrieren.
Ich glaube, es geht darum, diese Schritte auf der Beziehungsebene zu bauen. Das ist das eine. Dann, wenn das nach und nach aufgebaut werden kann, Beziehungen entstehen, die uns erleben und Christus sichtbar wird durch unsere Unterschiedlichkeit, wird auch deutlich, warum das so ist.
Sehr schön! Ja, cool!
Wie machst du das eigentlich als Dozent? Wie vermittelst du deinen Studierenden, wie sie im Alltag als Alltagsmissionare das Evangelium weitergeben können?
Bei uns ist die Bandbreite der Studierenden an der BTA sehr unterschiedlich. Einige gehen in die äußere Mission irgendwo in der Welt. Andere wiederum gehen in den hauptamtlichen Gemeindedienst. Dort steht vor allem der Dienst in der eigenen Gemeinde im Vordergrund.
Dann gibt es Studierende, die sagen: „Ich möchte ein Jahr, zwei, drei oder vier Jahre investieren, aber eigentlich im Bereich Workplace Ministry tätig sein.“ Sie wollen an ihrem Arbeitsplatz Alltagsmissionare sein und dort das Evangelium weitergeben.
Das ist eine große Herausforderung. Es gilt zu unterscheiden, mit wem man es zu tun hat: Ist es jemand, der später in seinen alten oder einen neuen Beruf zurückkehrt? Oder ist man im Gemeindekontext aktiv? Die Art und Weise der Mission verändert sich stark.
Wer im Gemeindedienst tätig ist, hat natürlich viel mehr Kontakt zu Christen als zu Nichtchristen. Wer jedoch einen ganz normalen, säkularen Beruf ausübt, ist viel stärker und natürlicher in der Alltagsmission eingebunden.
Ich glaube, es ist wichtig, den Blick dafür zu haben: Habe ich ein Herz für meine nichtchristliche Umgebung? Fange ich an, für sie zu beten? Ist es mir wirklich wichtig, dass Christus ihnen begegnet? Und suche ich nicht nur nach Türen und Wegen, sondern bete auch darum?
In meiner Teenagerzeit geisterte das Zitat herum: „Rede nicht ungefragt von deinem Glauben, sondern lebe so, dass du gefragt wirst.“ Das finde ich problematisch. Es heißt damit nämlich: Rede nicht darüber. Die Leute könnten uns sonst nur als besonders gute Menschen oder Humanisten wahrnehmen.
Nein, wir sollen von unserem Glauben reden. Natürlich soll unser Handeln das auch widerspiegeln, also Christus offenbaren. Rede und Tat sollen sich nicht widersprechen.
Genau das passiert leider viel zu häufig. Auch Peter hat das festgestellt. Deshalb sollten wir nach Möglichkeiten suchen und sagen: „Ich will, dass mein Glaube sichtbar wird.“ Ich suche nach Gelegenheiten, wo mir ein „Elfmeter“ hingelegt wird, und nutze diese Chance.
Wenn Menschen merken, dass ich Christ bin und gerne über meinen Glauben spreche, kommen immer wieder Sprüche. Arbeitskollegen machen sich manchmal lustig oder bringen irgendwelche Bemerkungen.
Darauf sollte man entspannt reagieren und sich nicht denken: „Oh, jetzt machen sie sich schon wieder lustig“ oder „Ich werde verfolgt.“ Das sind einfach Sprüche, die eingestreut werden. Man sollte das Selbst nicht zu wichtig nehmen.
Genau das kann man nutzen. Wenn jemand einen Spruch bringt, kann man darauf reagieren. Je nachdem, was gesagt wird, lernen wir, wie wir antworten können – vielleicht sogar mit einem Spruch, der auf Christus hinweist.
So wird der Glaube im Alltag zum Gesprächsthema. In meinem alten Arbeitsplatz war es völlig normal, dass im Büro über Glauben gesprochen wurde. Das war richtig schön.
Das Büro war ein säkularer Arbeitsplatz, ich war Industriekaufmann. In der ganzen Abteilung gab es keine anderen, zumindest keine anderen lebendigen, wiedergeborenen Christen nach unserem Verständnis. Trotzdem wurde ständig über Glauben gesprochen – weil ich da war.
Mein Chef sagte immer wieder: „Seit du hier bist, ist der Religionspegel massiv angestiegen.“ Das fand er gut. So kann man ganz natürlich Gelegenheiten nutzen, um den Glauben weiterzugeben. Sehr schön.
Boah, wir könnten wirklich noch lange weiterreden, aber kommen wir zum Schluss. Ich möchte die Folge gerne mit einer persönlichen Note abschließen. Sicher hast du auch viel gelernt, aber welche Herausforderungen hattest du selbst bei dieser ganzen Thematik? Also Evangelium, Evangelium vermitteln – was war da so? Kannst du da etwas mit uns teilen? Was die Leute wissen sollten, ist, dass wir uns immer mehr in einer Gesellschaft bewegen, die einfach postchristlich ist. Die Menschen haben keine Ahnung mehr, was Glaube wirklich bedeutet.
Wenn man sich mit älteren Generationen trifft, gibt es oft noch einen gewissen religiösen Grundpegel, an den man anknüpfen kann. Bei den Jüngeren ist das einfach nicht mehr vorhanden. Das wahrzunehmen und zu wissen, okay, das hat Chancen, aber auch Grenzen, ist wichtig. Natürlich kann ich viel weniger auf etwas hinweisen. Auf der einen Seite sind die Menschen wieder religiös oder spirituell offener.
Wir befinden uns einfach in einer Situation wie Paulus auf dem Areopag. Er merkt, dass er ihre Religiosität sieht. Dabei beginnt es ja so, dass Paulus im Geist ergrimmt, also richtig sauer wird über den ganzen Götzendienst. Aber dann knüpft er an diesen Altar „dem unbekannten Gott“ an. Als Dogmatiker würde ich sagen, Paulus – die haben doch gar nicht wirklich an Jahwe gedacht oder an Jesus Christus, das war ihnen noch unbekannt. Das, was Paulus macht, ist dogmatisch extrem grenzwertig.
Aber er knüpft an ihre Religiosität an und sagt: Hey, sie haben eine Sehnsucht. Das wertzuschätzen, obwohl er vorher sauer war, ist mutig. Er lehnt sich ganz stark aus dem Fenster, knüpft an, um dann Christus zu bekennen. Am Ende sagt er auch, dass das, was sie hier machen, eigentlich Quatsch ist. Das wird deutlich, aber nur von Jesus Christus, der gestorben und auferstanden ist.
An diesem Punkt geht es um die Auferstehung. Da sagen die Leute: Okay, jetzt war es aber. Trotzdem gab es einige, die mehr wissen wollten. Genau so habe ich das eigentlich gemerkt: Einerseits ist es wichtig, anzuknüpfen und nach Chancen zu suchen, andererseits darf man nicht verbissen sein und von den Leuten erwarten, dass sie sofort alles verstehen. Das war für mich eine große Entlastung.
Zu merken, dass mein Auftrag ist, Zeuge zu sein. Aber eine Folge davon ist auch, dass manche Leute sagen: Davon will ich nichts hören. Paulus erlebt, dass sich Leute abwenden, manche sind offen und wollen noch einmal darüber reden, manche kommen zum Glauben, andere wenden sich ab. Hier nicht verbissen zu sein, sondern zu sagen: Nein, ich will Zeuge sein. Und wenn jemand es nicht hören will, okay, vielleicht ist er noch nicht so weit. Dann soll man dafür beten, dass Gott ihm das Herz öffnet, und sagen: Vielleicht kommt das noch.
Das ist ja Gottes Werk. Wir können niemanden bekehren, aber das ist richtig so. Das ist wichtig zu verstehen, weil wir oft denken, es hängt alles von uns ab. Jetzt muss es jemand verstehen, er muss es doch begreifen. Aber Gott hat viele Wege und er redet mehrmals. Manche werden gerettet, verstehen das Evangelium und nehmen es an, andere nicht und lehnen es ab.
Wir sind nicht für die Frucht verantwortlich. Wir sollen treue Botschafter sein. Wenn Christus wiederkommt, soll er sagen: Ja, du treuer Knecht. Das heißt nicht, dass Frucht egal ist, aber unser Fokus ist so: Ich will wirklich das Evangelium aussäen und darauf vertrauen, dass der Herr sein Wort nicht leer zurückkommen lässt.
Wenn jemand von unseren Hörern und Zuschauern sich intensiver mit dem Thema beschäftigen möchte, welches Buch würdest du empfehlen? Vor allem, wenn es darum geht, was das Evangelium ist.
Craig Gilbert hat das Buch „Was ist das Evangelium?“ geschrieben. Auch Ray Audland hat ein kurzes Büchlein veröffentlicht, das einfach „Evangelium“ heißt. Beide Schriften fassen die Kernpunkte sehr gut zusammen.
Wenn es darum geht, das Evangelium zu vermitteln oder zu leben, würde ich vor allem David Platts „Keine Kompromisse“ empfehlen. Das Buch ist etwas tiefergehend und herausfordernder. Ebenso finde ich Dietrich Bonhoeffers „Nachfolge“ sehr wertvoll.
Gibt es nicht auch einen Kurs zu „Nachfolge“ oder von Bonhoeffer zu diesem Thema? Das weiß ich nicht genau, könnte aber gut sein. Zu David Platts Buch „Keine Kompromisse“ gibt es auf jeden Fall einen Kurs. Den empfehlen wir euch ebenfalls und werden ihn in die Shownotes aufnehmen.
Dieses Buch zeigt deutlich, was das Evangelium eigentlich bedeutet und wie sich daraus unser ganzes Leben in der Nachfolge sichtbar macht.
Ein ganz neues Buch, das ich ebenfalls empfehlen möchte, ist „Eine fremde neue Welt“ von Karl Schumann, das letztes Jahr erschienen ist. Es ist sehr gut geeignet, um zu verstehen, wie unsere heutige Welt tickt.
Gerade für Christen, die schon eine oder zwei Generationen älter sind, wird deutlich, dass sich die westliche, säkulare Gesellschaft fundamental verändert hat. Wir leben in einer neuen Welt, die uns oft fremd vorkommen kann. Deshalb müssen wir unsere eigene Identität darin erkennen.
Karl Schumann macht in „Eine fremde neue Welt“ eine sehr gute Zeitanalyse. Am Ende kommt er genau zu dem Punkt, dass wir diese Welt erst verstehen müssen, damit wir weder naiv noch hoffnungslos werden.
Beides wäre problematisch: Wenn wir hoffnungslos sind, erkennen wir nicht, dass das Evangelium eine Kraft hat, die verändert – so wie es in 1. Korinther 1 und Römer 1 beschrieben wird. Andererseits sollten wir auch nicht naiv sagen: „Ach, ist doch alles gar nicht so schlimm.“
Die Botschaft des Evangeliums hat eine trennende Wirkung und bewirkt eine klare Scheidung, ähnlich wie bei den Schächern am Kreuz links und rechts von Jesus. Das Evangelium teilt also wirklich.
Diese Erkenntnis ist zentral bei Karl Schumann. Er betont, dass wir in einer Situation leben, die der der frühen Kirche ähnelt. Deshalb müssen wir den ganzen Ratschluss Gottes verkündigen und dadurch Zeugen sein für die Gemeinschaft, die Christus offenbart.
„Eine fremde neue Welt“ habe ich selbst noch nicht gelesen, aber „Der Siegeszug des modernen Selbst“ kenne ich. Ist das die ausführlichere Version, während das andere eine Essenz daraus ist?
Genau. „Der Siegeszug des modernen Selbst“ ist ein umfangreiches und anspruchsvolles Werk. Es ist sehr detailliert und herausfordernd. Karl Schumann wurde darauf angesprochen und hat daraufhin „Eine fremde neue Welt“ geschrieben, das etwas leichter verständlich ist und sich eher an „Normalsterbliche“ richtet.
Er betont zwar, dass „Eine fremde neue Welt“ keine Zusammenfassung von „Der Siegeszug des modernen Selbst“ ist. Trotzdem kann man es als Kurzessenz bezeichnen.
Das Buch ist zugespitzter und leichter verständlich, aber dennoch anspruchsvoll – auch für Nicht-Theologen. Es beschäftigt sich mit philosophischer Entwicklungsgeschichte und ist sehr hilfreich, um die heutige Welt zu verstehen.
Besonders wertvoll ist es, den Anfang und das Ende des Buches zu lesen, wenn man sich auf ein umfangreiches Werk vorbereiten möchte. So kann man besser nachvollziehen, wie diese Welt aussieht und was wir daraus machen sollen.
Vielen Dank, sehr schön. Zum Abschluss noch eine Frage: Welchen Tipp hast du für unsere Podcast-Hörer? Was liegt dir am Herzen, was möchtest du ihnen mitgeben?
Einen Tipp habe ich: Seid Botschafter an Christi Statt – wirklich so, wie es in 2. Korinther 5,20 heißt. Lasst euch mit Gott versöhnen. Genau. Habt den Mut, wirklich Botschafter zu sein. Nicht zu denken: „Ich muss erst mal alles genau verstehen.“ Ich glaube, das hemmt uns. Wir haben nie alles verstanden. Das Evangelium ist für uns nicht etwas, das wir im tiefsten Innern vollständig begreifen. Sobald man meint, es verstanden zu haben, muss man eigentlich wieder von vorne anfangen.
Lasst euch davon nicht hemmen. Sagt: „Hey, nein, ich will Botschafter sein, ich will Zeuge meines Herrn sein.“ Habt einfach den Mut, rauszugehen und zu sagen: Christus ist die Hoffnung in dieser Welt. Das will ich mit meinen Worten und Taten sichtbar machen. Habt diesen Mut, lasst euch nicht hemmen, sondern geht einfach hin und seid treue Botschafter. Verweist auf Jesus, den gekreuzigten und auferstandenen Herrn.
Vielen Dank, Martin, das war ein perfektes Schlusswort. Das war nicht abgesprochen.
Ja, ich freue mich, dass ihr wieder zugehört habt und mit dabei wart. Ich hoffe, ihr konntet ein paar neue Gedanken zum Evangelium mitnehmen. Auch einige Ideen für Metaphern, wie man das Evangelium erklärt und worauf es ankommt.
Übrigens erscheint morgen oder übermorgen nach Veröffentlichung dieses Podcasts ein neuer Blogartikel zum Thema. Dort geht es um fünf konkrete Bilder, die erklären, was Jesus am Kreuz getan hat.
Wenn du Fragen oder Anregungen hast, schreib mir gerne an machbar@heukebach.org. Lass uns auch an deinen eigenen Erfahrungen zum Thema Alltagsmission teilhaben. Das würde mich sehr freuen. Wann ist es vielleicht mal total daneben gegangen? Oder wann hast du jemanden einen Schritt näher zu Jesus bringen können? Lass uns das als Community miteinander teilen. Ich möchte einfach ermutigen, auch voneinander zu lernen.
Für jede Einsendung gibt es übrigens das neue machbar-Giveaway. Was es genau ist, verrate ich noch nicht – es ist noch in der Mache. Aber wenn du schreibst, werden wir auf jeden Fall etwas für dich haben. Lass dich überraschen.
Wenn euch der Podcast gefällt, freuen wir uns natürlich auch über Kommentare und Weiterempfehlungen. Das hilft uns, dass der Podcast bekannter wird. Und wenn du eine Bewertung machen möchtest, freuen wir uns natürlich über fünf Sterne.
Wenn du uns auf YouTube schaust, drücke am besten auf die Glocke, damit du keine neue Folge mehr verpasst.
Ich sage Tschüss und danke dir, lieber Martin. Wir werden uns bestimmt noch mal sehen. Danke, dass du der Einladung gefolgt bist.
Sehr gerne. Gottes Segen.
Okay, tschüss, bis bald.