Einführung in die alttestamentliche Verheißung und persönliche Erfahrungen
Es ist immer wieder schön, diese alttestamentlichen Verheißungen zu lesen. Heute Abend möchte ich mit Ihnen Micha 5 lesen, die Weissagung von Bethlehem. Micha 5, Verse 1 bis 5.
Sigrid sagte, Sie könnten den Text auswendig. Nein, das kann ich nicht ganz, aber ich habe ihn im Memory. Jetzt muss ich doch nochmal ins Memory, denn es ist wirklich ganz toll. Ich wurde reich beschenkt, gerade wenn man manchmal etwas trübe arbeitet und denkt, wir kennen die Bibel doch viel zu wenig.
Deshalb wollte ich Ihnen heute Mut machen, den Micha zu lesen. Vor acht Tagen hatte ich die große Ehre, in einer Kasi-Kirche zu predigen. Diese Kirche liegt in einem stark eingeschränkten Gebiet, in das man normalerweise nicht hineinkommt – als Pfarrer sowieso nicht. Ich selbst bin Entwicklungsexperte und habe ein Visum für sechs Tage bekommen. Dieses Visum wurde seit vielen Jahren beantragt und kam dann ganz plötzlich zur Adventszeit.
Dort haben sie es geschafft, dass ich in einer Dorfkirche mit etwa sechshundert Teilnehmern predigen konnte. Es war wunderschön, diese Aufnahmebereitschaft zu erleben. Vielleicht machen wir irgendwann doch noch einmal ein Martini, denn in diesem Jahr haben wir auch viel erlebt, unter anderem in Ostasien. Das war sicher ein ganz besonderer Höhepunkt.
Einer der Stammesleute, die an der tibetischen Grenze leben – es sind alles Menschen mit tibetischer Geschichte – erzählte, dass sein Vater im Alter den ganzen Tag von morgens bis abends nur die Bibel gelesen hat, seitdem er zum Glauben kam. Er hat die Bibel immer wieder von Anfang bis Ende durchgelesen. Ich dachte, das ist schon beeindruckend. Das prägt einen Menschen. Das ist etwas Schönes.
Wir lesen oft Zeitung oder gucken Fernsehen. Ob wir dabei viel Vernünftigeres lesen, weiß ich nicht. Deshalb ist es so schön, wenn man die Bibel wirklich kennenlernt. Ich habe festgestellt, dass den Micha kaum jemand kennt. Wir meinen immer, wir kennen die Bibel, aber das stimmt so nicht.
Die Prophezeiung von Bethlehem und ihre Bedeutung
Das Wort haben sie gelernt: „Und du, Bethlehem Ephratha, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei.“ Herr ist hier immer der göttliche Herr, dessen Ursprung von Anfang und Ewigkeit her gewesen ist.
Eine ganz tolle Prophezeiung, die erst Paulus wieder aufgegriffen hat. Indes lässt er sie leiden bis zu der Zeit, dass die, welche gebären soll, geboren hat. Das ist ein schwieriger Satz. Verstehen Sie so etwas? Ganz einfach: Es ist Leidenszeit bis zur Geburt, und wenn die Geburt kommt, ist es Freudenzeit.
Eine Frau wird ein Kind gebären, und da wird dann der Rest seiner Brüder wiederkommen zu den Söhnen Israel. Das wurde zu einer Zeit prophezeit, als Israel noch gar nicht zerstreut war. Die Zeit, in der Micha spricht, bis zur Geburt Jesu, wissen Sie, wie weit das ist? Es sind etwa siebenhunder Jahre. Das ist so weit wie von uns bis zu Barbarossa, zu den Staufern, zu Friedrich dem Zweiten, wenn man sich das vorstellt.
Eine Prophezeiung, die die ganze jüdische Geschichte umfasst, und da geht schon von der Rückkehr der verstreuten Israeliten eine wahnsinnige Prophetie aus. Er wird aber auftreten und weiden in der Kraft des Herrn und in der Macht des Namens des Herrn.
Jetzt kommt das Hirtenbild. Die Bibel verwendet das Hirtenbild, was mich immer wundert. Wenn Sie unsere Hirten anschauen, sind sie meist schlecht rasiert und nicht gut geduscht. Es sind keine sympathischen Leute. Aber uns gefällt das Friedensbild des Hirten, das Behüten, so wunderbar.
Das schönste Bild ist der 23. Psalm und der gute Hirte aus Johannes 10, weil das Hirtenamt durch Jesus so schön geprägt ist. Er wird weiden und auftreten, und sie werden sicher wohnen, denn er wird zur selben Zeit herrlich werden, soweit die Welt ist.
Und ich sage mal, es muss doch heißen: Es wird Friede sein, heißt er, er wird Frieden sein. Die Leute können gar nicht begreifen, was in der Weihnachtsgeschichte „Frieden auf Erden“ bedeutet. Im rasenden Getümmel gibt er Frieden.
Adventsverheißungen prägen diese Zeit, und Bibelchristen wollen immer mehr von diesen Adventsverheißungen verstehen und die Linien durch die ganze Bibel sehen. Gestern war die schöne Losung aus 2. Samuel 7, wo Gott sagt: „Ich will dir ein Haus bauen.“ Und dann hieß die Losung: „Gottes Wort ist Wahrheit,“ am Ende dieser Verheißung, die Nathan David überbringt.
Die Realität menschlicher Schwächen und die Bedeutung der Adventsverheißungen
David hätte bloß Ärger mit seinen Kindern gehabt: im Kinderzimmer Blutschande und Mord. Im Haus des Pfarrers – David war ja auch Priester – geht es manchmal wild und turbulent zu. Pfarrerskinder haben es oft schwer. Das ist auch bei David so. Wie bei Saturi konnte er es nicht besser steuern. Die Bibelpersonen sind selten Moralvorbilder. Mit Kindern hat man viel, viel Ärger.
Die Frau, die am Sonntagmorgen angerufen hat, sagte: „Ich wollte in den Gottesdienst kommen, muss aber nach Kleve. Mein Sohn ist verhaftet worden wegen Drogenschmuggels.“ Gemeint ist Frau Ludwig Hofacker. Sie betet auch und weiß, dass der Teufel eine Realität ist. Die Adventsverheißungen sind etwas Großes. Hier haben wir eine Verheißung von Bethlehem.
Warum Bethlehem? Wo kommt Bethlehem in der Bibel vor? Wo haben wir Bethlehem? Bei David, bei der Salbung Davids. Wo haben wir das vorher? Bethlehem, Bibelkenner erinnern sich, ist mit Rachels Tod verbunden. Rachel war die hübsche Frau im Gegensatz zur weniger attraktiven Lea. Rachel, Jakobs Frau und Mutter, stirbt bei der Geburt ihres letzten Kindes.
Jüdische Frauen, wenn sie schwanger sind, gehen nach Bethlehem. Heute ist das sehr gefährlich, weil Bethlehem mit dem Stadtteil Beetsche Ur der schlimmste palästinensische Stützpunkt ist. Beetsche Ur liegt unten bei Bethlehem, und oben an der Straßengabelung steht ein Gebäude, wo dann die Juden von morgens bis abends hoffen: „Herr, bewahre mich bei meiner Geburt.“ Bethlehem ist also biblisch bedeutsam.
Wir finden Bethlehem noch einmal in der Bibel, für Bibelkenner ganz gut, im zweiten Buch Samuel Kapitel 23. Dort hat David etwas ganz Schlimmes gemacht. Er hat mit seinen Soldaten im Übermut gesagt: „Wer hat Mut und holt mir Wasser aus dem Brunnen von Bethlehem?“ Zu dieser Zeit war Bethlehem von den Philistern besetzt.
Deshalb erzähle ich das nur so nebenbei: Die Philister waren zur Zeit Davids, genauer gesagt zur Zeit Sauls, so weit vorgedrungen und hatten Bethlehem besetzt. Bethlehem war ein wichtiger Straßenknotenpunkt – die Straße von Jerusalem nach Hebron und Ägypten. Diese Straße lief oben über die Berge, nicht unten an der Küste entlang. Sie war wichtig und ist es heute noch; sie führt nach Hebron hinunter.
Oben waren die Philister drin, und die Männer holten das Wasser. David hat das Wasser ausgeschüttet und gesagt, er habe nicht gewollt, dass sie ihr Leben riskieren. Dennoch werden diese Männer in der Reihe der großen Helden noch einmal aufgeführt, die von Bethlehem kamen.
Jetzt haben wir die Weissagung von der Geburt Jesu in Bethlehem. Deshalb ist es interessant: Wie kommt Micha überhaupt auf diese Sache mit Bethlehem? Sonst haben wir das nie. Beim Jesaja gibt es die Ankündigung, dass Galiläa dran ist – Galiläa, wo das Licht scheinen wird, im Heidenland Galiläa. Und genau das ist später bei Jesus passiert.
Hier haben wir also die Prophezeiung von Bethlehem.
Micha als Dorfprophet in schwieriger Zeit
Deshalb kurz ein Wort zu Micha. Er wirkt etwa zur Zeit Jesajas, zur Zeit, als Ahas König in Israel war und die Assyrer versuchten, dieses Vorland zu erobern. Das war die Zeit, als das Nordreich mit Samaria erobert wurde und das Nordreich im Jahr 701 aufhörte zu existieren. Vor dieser Zeit wirkt Micha.
Micha stammt aus Morosche, einem kleinen Nest bei der Philisterstadt Gath. Es ist ein ganz kleines Dörflein, er kommt also aus unbedeutendem bäuerlichem Hintergrund. Das ist ganz anders als bei Jesaja, der sehr viel mit Königen zu tun hat. Micha hatte nie Kontakt zu Königen und hat sich nie in die Politik Jerusalems eingemischt. Er war offenbar ein Dorfprophet, sicher auch einer, der unbekannt war.
Später wird Micha noch einmal erwähnt, bei Jeremia. Als Jeremia verhaftet wurde, wird erwähnt, dass man damals auch Micha leben ließ. Er hat ebenfalls Oppositionspolitik gemacht. Micha muss also sehr provozierend gesprochen haben. Wenn man die ersten zwei, drei Kapitel liest, merkt man, dass Micha die Sünde ganz massiv anprangert. Er zeigt das Unrecht auf, wie das Volk geplagt wird, wie die Reichen den Armen jagen und ihm noch das Letzte wegnehmen.
Die Übertretungen und Sünden werden deutlich benannt. Micha fordert: „Bringt euer Leben in Ordnung!“ Manchmal wird heute in der Christenheit so getan, als ob Gott das nicht so genau nimmt. Worauf will man das gründen? Bringt euer Leben in Ordnung! Das heißt in meiner Bibel, im Neuen Testament, dass wir Rechenschaft geben müssen über jedes unnütze Wort, das wir geredet haben. Christen müssen Menschen sein, die ihr Leben heiligen und reinigen.
Es ist wichtig, dass unser Leben mit dem übereinstimmt, was uns das Wort Gottes sagt. Die ersten Kapitel von Micha sind großartig. Er zeigt auf, wie sie dem Götzendienst anhängen. Dann folgt der Wehruf über die Macht, die das Volk beraubt. Gegen die führenden Männer in Juda spricht er deutlich.
Plötzlich, in Kapitel vier, kommt eine Heilszusage. Der große Theologe Johann Tobias Beck sagt einmal, dass Micha es liebt, Gegensätze einander gegenüberzustellen. Über diesem sündigen Volk richtet Gott sein Heil auf und setzt so den Eben. Er sagt: „Und dann wird es geschehen, dass alle Völker der Welt zum Zion wallfahrten.“
Dann kommt dieses schöne Wort: „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen.“ Das ist nicht das, was die Friedensbewegung auf ihre Fahnen schreibt. Es wird so sein, wenn das Heil an Jesus kommt und sein Königreich aufrichtet. Die große Erwartung ist, dass der Herr den Völkern gebietet mit seinem großen Wort, und jeder wird unter seinem Weinstock sitzen. Es wird Frieden sein.
Bis Vers fünf, damit wir ein wenig Bibelkenntnis haben und Freude daran, so etwas zu lesen. Dann folgt noch einmal die Begnadigung des zerschlagenen Volks, Vers neun. Das gefällt mir besonders: „Warum schreist du denn so laut? Ist der König nicht bei dir?“ – „Nein, der König ist nicht da.“
Diese Figuren waren ja gar keine Könige. Ahas und Hiskia sind nur ein bisschen andeutungsweise genannt, aber sie waren nie mehr das Kaliber von David. „Warum schreist du denn so laut? Ist der König nicht bei dir?“
In Kapitel fünf kommt nun der König, der kommen wird. Und was für ein König das ist! Er kommt aus Bethlehem. Das lacht mich an, wie Moroschet. Da sagt jemand: „Alexander, wo kommst du denn her?“ – „Aus Hintertupfingen.“ – „Nicht Moroschet, sondern aus Hintertupfen.“
Aus dem kleinsten Nest kommt der Messias, nicht aus Jerusalem, sondern aus Bethlehem, das so klein ist.
Die Bedeutung von Bethlehem und das Wirken Gottes in der Kleinen
Warum Ephrata? Das ist mal interessant. Es gibt Dinge in der Bibel, die niemand erklären kann. Niemand hat Ephrata wirklich erklären können, man weiß nicht, was es genau ist. Ich habe nur archäologische Lexika durchgesehen und so weiter. Ephrata ist vielleicht ein Flurname, wie ein Filter, aber sicher weiß es niemand. Es gab zwei Bethleems: Ein Bethlehem lag bei Jerusalem, das man oft Ephrata nannte, und ein anderes Bethlehem beim Tabor.
Warum es so genannt wird, weiß niemand. Das macht aber nichts, denn Namen sind ja Schall und Rauch. Aber du bist klein – darum geht es doch. Gott wirkt unter den Kleinen. Das ist ein Geheimnis, das im Neuen Testament ganz oft vorkommt und hier wieder erwähnt wird: Du bist ganz klein.
Die Erwählung, das Wunder, warum es gerade dieses Bethlehem ist, liegt nicht daran, dass wir groß sind. Das ist das Geheimnis unseres Lebens, nicht weil wir etwas darstellen. Und das ist in der Weihnachtsgeschichte sehr wichtig. Gott handelt, weil er sich in seiner Gnade herablässt und sagt: So soll es sein.
Zur Zeit, als Micha wirkte, versuchten die Könige immer wieder, mit Ägypten anzubändeln und die großen Armeen Ägyptens zum Schutz aufzubieten. Schon Jesaja sagte damals: Ihr müsst glauben, ihr müsst Gott vertrauen – das ist das Geheimnis. Und er kann es schützen. Hier ist es ganz ähnlich: Das Wunder der Erwählung.
Ich denke hier natürlich an das, was Paulus sagt, 1. Korinther 1,26: Nicht das, was gewaltig ist, hat Gott erwählt, nicht das, was groß ist, sondern das Kleine.
Es ist immer wieder so, wenn wir uns umschauen, wie wir selbst von Gott benutzt werden. Man muss nicht denken, es müsse etwas anderes sein. Gott benutzt uns mit unserer Schwäche. So wie er die Jünger und die Kleinen benutzt hat, so hat er auch Bethlehem benutzt. Dass er dort geboren wurde, in dieser kleinen Stadt, etwa zehn Kilometer von Jerusalem entfernt, ist für uns ein Sinnbild dafür, dass Gott das Kleine liebt – das Verachtete, das Unbedeutende – und nicht das Große.
Dass Bethlehem erwählt wird, hat seine Bedeutung, weil Gott noch einmal an die Davidsgeschichte anknüpft. Das finden wir auch bei den Propheten. Vielleicht schlagen Sie es einfach nebenher noch ein bisschen auf: Jeremia 23,5 ist eine Verheißung von David, auch eine Adventsverheißung.
Jeremia 23,5: Siehe, es komme die Zeit, spricht der Herr, dass er dem David einen gerechten Spross erwecken will. Dieser soll ein König sein, der wohl regiert und Recht und Gerechtigkeit im Land übt. Er ist ein Sohn Davids, ein Nachkomme aus dem Geschlecht Davids, der wirken wird. Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden und Israel sicher wohnen. Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: Der Herr unsere Gerechtigkeit.
Hier ist das Heilungswerk Jesu enthalten, der die Menschen von den Sünden reinigen wird. So versteht man, warum Zacharias in seinem Lobgesang wieder an diese Verheißung anknüpft und warum Maria davon singt. Das alles ist im Alten Testament schon ausgesagt.
Auch Hesekiel 34, im schönen Hirtenkapitel, ist wichtig:
Hesekiel 34,23: Ich will ihnen einen einzigen Hirten erwecken, der sie weiden soll, nämlich meinen Knecht David. Er wird sie weiden und ihr Hirte sein. Ich, der Herr, will ihr Gott sein, aber mein Knecht David soll der Fürst unter ihnen sein, das sage ich, der Herr.
Hesekiel war etwa zweihundert Jahre nach Micha. Aber das ist das, was Gott immer enthüllt und durch die Propheten schon angekündigt hat.
Wir finden es auch noch einmal in Sacharja 12,8 und Sacharja 13,1: Noch einmal wird ein David kommen. David war ja nicht fehlerlos, aber er ist ein Vorbild, eine Abschattung dessen, was in Jesus zu uns kommt.
Das Wirken Gottes in der Tiefe und die Majestät des Messias
Jetzt noch einmal etwas zu diesem Kleinen von Bethlehem, von diesem Dörflein – ich würde es so nennen, auch wenn es eine Stadt war, eher ein Städtlein. In dem Lobgesang der Hanna wird die Erfahrung beschrieben, dass dies die Art Gottes ist, wie er immer wirkt (1. Samuel 2,8). Der Lobgesang der Hanna ist ein vorlaufendes Stückchen zum Lobgesang der Maria. Dort heißt es: Er erhebt „den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, dass er ihn setze unter die Fürsten und den Thron der Ehre erben lasse.“
Das ist eine Erfahrung, die wir an Bethlehem machen. Es ist ein Grundgesetz des Handelns Gottes. Ganz ähnlich singt dann Maria in Lukas 1,52, ich lese es: „Erstößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen; die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen.“
Ganz ähnlich heißt es im Psalm 113, wo man immer wieder schön sieht, wie diese Gedanken in der Bibel aufgenommen und ergänzt werden. Psalm 113,6-7: „Der Oben thront in der Höhe, der Herr niederschaut in die Tiefe.“ Es ist so groß bei Gott, dass er nicht über das Tiefe hinwegschaut, sondern sich für das interessiert, was unten in der Tiefe ist. Er richtet den Geringen auf aus dem Staub und erhöht den Armen aus dem Schmutz, damit er ihn neben die Fürsten seines Volkes setzt.
Für mich ist das eine Ermutigung, dass Gott in unserem Leben so wirken will. Er holt uns aus der Tiefe heraus, wie er die Erwählung an Bethlehem sichtbar gemacht hat. Das hat Micha so eindrucksvoll ausgedrückt, dass es gar nicht erklärt werden kann. Warum? Weil Gott noch einmal anknüpft an die unheilvolle Geschichte der Nachfolger Davids. Schon David war ein Verworfener und konnte nicht der Messias sein. Auch seine Nachfolger konnten nicht der Messias sein; sie passten nicht einmal mehr in das große Vorbild ihres Stammvaters David.
Nun kommt die große Majestät des kommenden Messias. Micha spricht nicht viel von dem, der kommen soll, außer dass er sagt, dass er von Ewigkeit zu Ewigkeit ist. Das ist nur ganz andeutungsweise gesagt, man will es verstehen. Die Geburt ist nur ein ganz kleiner Teil dessen, was dieser Messias wirklich ist. In der theologischen Fachsprache nennt man das Präexistenz: Er hat schon existiert, lange bevor die Welt da war. Und er wird am Ende der Zeit der sein, der der Herr ist.
Paulus hat das wieder aufgenommen in Kolosser 1,16: Christus ist der Mittelpunkt der ganzen Schöpfung. Durch ihn ist alles geworden, das Sichtbare und das Unsichtbare. Das ist schon bei Micha angedeutet in der großen, herrlichen Weissagung. Oder bei Paulus: Er ist der zweite Adam, der den Schaden des ersten Adam wieder zurechtbringt.
Unsere Überzeugung ist: Jesus ist eben nicht bloß ein Mensch, der geboren wird, und auch nicht nur jemand, der vielleicht durch sein Verhalten groß war. Er ist der Gottessohn. Das sagen uns die Propheten schon und künden es an.
Das Leiden vor der Freude und die Sammlung Israels
Und dann bestimmt Gott die Zeiten. Er lässt die Menschen leiden, bis die Zeit erfüllt ist. Da fragt man sich: Herr, warum lässt du sie so lange leiden? Warum verkürzt du nicht das Leiden? Gott lässt sie leiden und plagen.
Israel ist durch furchtbare Not hindurchgegangen: den Makkabäeraufstand, die Römerbesetzung und die Diadochenkämpfe. Doch dann, wenn die Zeit erfüllt ist, sagt Gott: Jetzt kommt die Freudenzeit. Jetzt ist nicht mehr Leidenszeit, sondern Freudenzeit.
Mit dem Kommen Jesu beginnt diese Freudenzeit. Auf dem Hirtenfeld wird zuerst verkündet und immer wieder heißt es: Ich verkündige euch große Freude, freut euch in dem Herrn alle Wege. Mit dem Kommen Jesu beginnt die Freudenzeit, bis die, die gebären soll, geboren hat.
Das Geheimnis wird auch nur in diesem schwierigen Satz kurz umschrieben: „Und dann wird er den Rest seiner Brüder wiederbringen zu den Söhnen Israels.“ Es ist wunderbar, dass wir aus den Heiden mit hineingenommen sind in diese eine neue Gemeinde, die der Heiland, der kommende Messias, sammelt. Da gehören wir mit dazu.
Das schöne Hirtenbild zeigt, dass er auftreten und weiden wird in der Kraft des Herrn und in der Macht des Namens des Herrn, seines Gottes. Sein Name ist so groß. Was mit dem Namen umschrieben ist, ist immer sein Werk, das er tut. Er ist der Erlöser, der Heiland, der Richter, der Prophet, der Priester und der Versöhner. Das ist sein Name, mit dem er wunderbar wirkt.
Er setzt das in die Tat um, und sie werden sicher wohnen. Daran erkennt man auch das Werk des Heilandes: Sie werden sicher wohnen, denn er wird zur selben Zeit herrlich werden, soweit die Welt ist.
Persönliche Erfahrungen mit der weltweiten Mission und der Friedensbotschaft
Wenn mir dieses Vorrecht geschenkt ist, das immer wieder zu erleben – an den Enden der Welt, unbeschreiblich schön. Nanga Parbat und Mount Everest habe ich in meinem Leben noch nie gesehen. Doch wenn man da hinten an diesem Himalaya entlang zu den entferntesten Bergen geht, ist das eine besondere Erfahrung.
Ich hatte nur Sommerkleidung und dünne Hemden dabei, aber es war kälter als bei uns – nachts regelmäßig unter Null Grad in ungeheizten Räumen mit nicht verschließbaren Fenstern. Ich habe in meinem Leben noch nie so schrecklich gefroren wie dort hinten.
Dort leben etwa 90 Christen, gläubige Menschen, Bibelchristen. Sie sind wunderbar missionarisch tätig und tragen das Evangelium nach Burma hinein, zu den Nagas und den Misos. Frau Weber hat mit ihnen schon in Thailand zusammengearbeitet. Vielleicht ist das die schönste Generation von Missionaren, die bis an die Enden der Welt das Heil von Jesus verkünden wird. Das ist es, was uns erfüllt.
Uns geht es nicht um Konfession. Diese Christen sind interessant, sie sind überhaupt keine Pfingstler. Sie sind ganz presbyterianische Baptisten, aber fröhliche Christen mit einer Hingabe, einer Liebe und Herzlichkeit. Bis so weit die Welt reicht, ist das der Auftrag: Es muss in der ganzen Welt verkündet werden, in der ganzen Welt muss der Name Jesu groß werden. Das ist der Auftrag, dem wir dienen.
Jemand hat mich einmal gefragt, ob man der Hungerhilfe spenden muss. Das ist sicher alles recht und gut. Aber wir wollen unsere Opfer immer dort einsetzen, wo über der sozialen Tat auch der Name Jesu zum Leuchten kommt. Es ist so wichtig, dass das zusammenkommt: Über der Liebestat auch der eine Name, über alle Namen, so weit die Welt ist. Und er wird Friede sein.
Das ist die Friedensbotschaft, die in der Weihnachtsgeschichte angekündigt wird. Nie ist im Neuen Testament auch nur der Versuch gemacht worden, uns einzulullen, als ob Frieden sei. Und das, was auch die politischen Schwärmer immer wieder so uns vorreden, als ob Frieden sei – denn das ist ja gar nicht so.
In der Welt herrscht Krieg. Gehen Sie mal heute durch Stuttgart, schauen Sie in die Häuser hinein, was dort an Elend, Leid, Streit und Hass herrscht. Und selbst dort, wo der äußere Frieden hergestellt ist, tobt der Nationalismus furchtbar. Er ist ja aus dem Boden geschossen. Auch ganz Asien wird erschüttert durch den Nationalismus.
Man hat sich jahrelang so dumm gegeben, als ob die Völker keine Bedeutung hätten. Natürlich kommt das Volksempfinden. Und wenn unsere Politiker das leugnen und so tun, als ob man das mit ein bisschen Rockkonzert unterkriegen könnte – es gibt ein Volksbewusstsein. Man lebt in Völkern.
Wir wollen nicht nationalistisch überheblich sein, im Gegenteil. Es ist ja interessant, wie ganz neue Strömungen plötzlich kommen, wie der Ost-West-Gegensatz wegfällt. Eine unruhige Welt, in der ein Volk sich erhebt, wieder das andere beunruhigt. Und da ist plötzlich Frieden in dem rasenden Getümmel dieser Welt, so wie Jesus im Boot im Sturm sagt: "Schweig und verstumme!" Und es wird ganz still.
Wir leben mitten in der Welt. Sie kommen heute aus einem hektischen Berufsalltag und sagen: Ich bekomme heute Abend wieder Frieden, weil ich auf Jesus blicke. Er sagt: "In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden."
Die Welt wird uns Angst machen, auch noch in der letzten Todesstunde. Aber ich darf mich bergen unter dem Friedefürsten Jesus. Im alten Furtbachhaus – wer das noch erlebt hat, wo heute das Krankenhaus ist – da war hinten dieses Jesusbild in der Mitte. Wir hatten dort unsere Schulfeiern. Das war für mich immer nicht der liebste Ort, ich war ja nicht so gern in der Schule wie Sie. Aber da war das einige Schöne: Darunter stand, „Er ist unser Friede.“ Das werde ich nie vergessen. Er ist unser Friede. Es ist die Mitte. Das hat mich schon als Kind in diesen Schulfeiern begleitet.
So hat es dieser Saalnehmer, der ja im Kirchenkampf des Dritten Reichs eine ganz große Bedeutung gehabt hat, formuliert: Er ist unser Friede. Nicht „der Friede wird sein“, sondern wir werden in viele Auseinandersetzungen hineingerissen, um Jesu willen. Es wird Kampf sein in der Welt. Wir müssen uns wehren, wir werden widersprechen müssen, wir werden verachtet werden. Und er wird Friede sein.
Es gibt in dieser Welt sicher bis zum Kommen Jesu keinen Frieden, sondern das Böse wird sich immer tollkühner aufspielen und immer schlimmer wirken. Es wird immer wieder so sein, dass die Gemeinde unter dem Kreuz lebt. Und das ist gerade in dieser Micha-Weissagung so wichtig.
Wer das anders erwartet und denkt, dass wir auch als Gemeinde anders leben können, der ist ein Schwärmer, der ist weltfern. Wir leben nur so in diesem Widerspruch und können das immer nur mit neuem Glauben ergreifen und miteinander festhalten: Er ist unser Friede.
Das ist doch unser Dienst, dass wir den einen stärken und seinen Blick auf Jesus richten. Und er sagt: „Ja, warum? Warum bin ich krank? Warum schenkt mir der Herr das nicht? Ich habe es doch nur in ihm, den Frieden.“
Darum haben manche in ihrer Familie großes Leid, darum sind sie angefochten, darum sind sie auch bedrückt und belastet und von Krankheit geplagt. Und er ist der Friede. Das ist wunderbar, wenn man dann aufatmen kann und sagen kann: Er gibt mir Frieden.
„Solches habe ich mit euch geredet, dass ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Johannes 16,33) Das war das Ingratsage, und das andere ist Johannes 14,27: „Er wird Friede sein.“ Das andere war der Epheserbrief, was ich da vom Fortbacher aus zitiert habe. Epheser 3, glaube ich, war das andere.
Johannes 14,27: „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“ Anderes hat uns Jesus nie versprochen.
Es kann jetzt einer kommen und sagen: „Ja, warum willst du nicht mehr? Ich will ja mehr. Ich wollte doch, dass in dieser Welt alle Waffen schweigen.“ Die Welt ist ja so lächerlich.
In der Stuttgarter Zeitung der letzten Woche stand, als die französischen Truppen den ersten Somali getötet hatten – erste Todesopferin in Somalia, nachdem 300 Tote waren – die zählen die Toten erst, die durch Militärerschießen sterben.
Wenn die Amerikaner in Bosnien eingreifen würden, dann würde es heißen: erste Todesopferin Bosnien, nicht? Weil das ja heute verrückt ist, dass man meint, die, die Gewalt haben, der Polizist – man kann diese ganze verschobene Denkweise gar nicht mitvollziehen in unserem Geschlecht. Unsere Welt wird nur durch Druck überhaupt in einem Waffenstillstand gehalten, nur unter Androhung von Gewalt einigermaßen, nicht einmal im Friedenszustand, sondern in einer Balance.
Nur durch die Autorität der Staatsmacht wird das Böse in Schach gehalten. Da gibt es keinen Frieden in dieser Welt, leider nicht.
Hätte ja keiner von uns gedacht, wenn mal die betrogenen Atomwaffen weg sind, dass das wieder völlig neu kommt aus Nationalismus. Und doch nicht nur bei Deutschen. Er erschüttert Israel, wie sie gegen die Palästinenser in Lothal gestern plötzlich gekämpft haben. Es gibt auch Nationalismus im Judentum. In allen Völkern der Welt bricht das auf einmal wieder auf.
Ich habe den Indern gesagt: „Ich bin so froh, seitdem ihr den Tempel da kaputt gemacht habt, sind wir von den Schlagzeilen weg.“ Im letzten tibetanischen Grenzdorf weiß jeder, was in Deutschland passiert, über jeden Steinewerfer. „Schau jetzt Fernsehen, es ist furchtbar.“
Also muss man aufpassen, es ist ein hektisches Gemache, nicht das, was gerade durch die Medien läuft – wahnsinnig. Kein anderes Gesprächsthema plötzlich mehr über Deutschland. Da gibt es nichts mehr, als: Was ist bei euch los? Aber nach zwei Tagen war Ruhe, weil sie ihren Tempel zerbrochen hatten. Und dann waren wir mal weg vom Fernsehen – war super.
Aber sehen Sie, der Friede dieser Welt, der ist etwas ganz anderes als der Frieden, den wir in Jesus haben. Davon redet die Weihnachtsgeschichte: Frieden auf Erden, das ist der Friede, den er gibt.
Mir ist es so leid, dass in so vielen Kirchen das nicht mehr gepredigt wird, sondern immer nur der Frieden. Dann wird von den Schüssen in Sarajevo und was weiß ich alles gesprochen, und der ganze Weihnachtsabend wird wieder vom Maschinengewehrfeuer begleitet, das irgendwo läuft.
Wir sollten diesen Frieden den Menschen wieder verkünden.
Gedanken zu Joseph, Maria und der Geburtsgeschichte
Zum Abschluss möchte ich noch etwas zur Weihnachtsgeschichte sagen und dabei den Vater Schneller erwähnen. Es hat mich immer sehr gefreut, wie dieser alte Vater Schneller uns ein paar Lichtblicke schenkte. Das mag zwar nicht viel sein, aber ich möchte trotzdem kurz an die Weihnachtsgeschichte anknüpfen.
Der Vater Schneller lebte im Heiligen Land, baute dort ein syrisches Waisenhaus auf und schrieb unvergessliche Bücher. Diese sollte man sich aus Omas Bücherschrank sichern und immer wieder lesen, denn sie sind sehr schön. Besonders gern schrieb er über Bethlehem.
Er vertrat die These – und das sind alles Thesen, die uns vielleicht schockieren, deshalb möchte ich sie im Bibeltraining vortragen –, dass der Wohnort von Joseph Bethlehem war. Er gründet das auf die Weihnachtsgeschichte nach dem Matthäusevangelium. Nach Schneller war Jesus offenbar ein Bürger Bethlehems, seiner Stadt.
Doch warum war Jesus dann auswärts geboren? Schneller erklärt, dass sich im Land über die Jahrhunderte wenig geändert hat. Das kann man heute noch nachvollziehen. Die Bürger von Bethlehem sind gut im Kalksteinbau. Übrigens heißt das griechische Wort „Tekton“ nicht Zimmermann, sondern eigentlich Handwerker. Es bezeichnet jemanden, der mit Steinen und allem Möglichen arbeitet, also Hausbauer.
Joseph war nach Nazareth gegangen und war dort wie ein Gastarbeiter für etwa dreiviertel Jahr. Er war mit Maria verlobt. Als die Volkszählung kam, musste er zurück in seine Stadt, wo sein Wohnort war. Dort wurde er gezählt. Die Vorstellung, dass man nach seinen Vorfahren über zwanzig Generationen gerechnet wird, gibt es im römischen Zensus nicht. Man wird dort gezählt, wo man seine Wohnung hat. Da Joseph nur auswärts arbeitete, musste er zum Zensus zurück.
Maria hätte eigentlich nicht mitmüssen, denn Frauen wurden im römischen Zensus nicht erfasst, nur die Männer, weil Frauen keine Steuern zahlten. Maria ging aber mit, weil Joseph sein Haus in Bethlehem hatte. Die Familie war dort ansässig. Das ist die Version von Schneller.
Diese Darstellung ist wirklich toll zu lesen und keineswegs überflüssig. Der biblische Wortlaut wird dadurch nicht verfälscht. Im Gegenteil, er bringt Licht ins Dunkel. Denn in der Bibel steht nichts von einem „dicken Wirt“, der Maria und Joseph nicht aufnehmen wollte. Diese Figur, die oft in Weihnachtsgeschichten auftaucht, ist eine Erfindung. Ich habe selbst schon Joseph und sogar den dicken Wirt gespielt.
Es wird oft erzählt, die Leute von Bethlehem hätten Maria und Joseph nicht aufgenommen. Doch das steht so nicht in der Bibel. Dort heißt es nur, sie hatten keinen Raum in der Herberge. Das griechische Wort „Herberge“ bezeichnet aber nicht unbedingt ein Gasthaus oder Quartier. Es ist dasselbe Wort, das auch für den Abendmahlssaal verwendet wird – einfach ein Raum.
Ich erinnere mich, dass der große Alttestamentler Riesener aus Tübingen uns einmal erklärte, dass die Häuser in Bethlehem meist aus nur einem Raum bestanden. Vermutlich handelte es sich um das Familienquartier. Hatte Joseph schon ein eigenes Quartier oder wohnte er noch im Haus seiner Eltern? Nun kam er mit seiner hochschwangeren Frau zur Entbindung.
Natürlich waren noch andere Leute in der Stube. Deshalb ging man in den Nebenraum, wo die Haustiere waren. So kam die Geburt zustande, und das Kind wurde in die Krippe gelegt. Das ist völlig verständlich und passt zur Darstellung in Bethlehem.
Joseph geht also in seine Stadt zurück. Warum erzählt dann aber Lukas, dass Jesus vom Geschlecht Davids war? Schneller sagt, das sei Lukas wichtig, um zu zeigen, dass sich die Prophetie erfüllt. Für die Römer war es nicht wichtig, ob Jesus vom Geschlecht Davids war, sondern dass Joseph nach Bethlehem zurückkehrte. Für die Römer war das unbedeutend, es war nur für den Bibelkenner wichtig, der die Wege Gottes sucht.
Bis die Weisen aus dem Morgenland kamen, blieb Joseph in Bethlehem. In einem Gasthaus wäre das völlig undenkbar gewesen. In einer Karawanserei kann man höchstens ein bis zwei Tage bleiben. Joseph blieb in seinem Haus und musste erst kurz vor dem Kindermord fliehen. Sonst wäre er noch länger dort geblieben. Es heißt sogar, er wäre wieder nach Bethlehem zurückgekehrt, wenn nicht der Engel ihm gesagt hätte, er solle nicht mehr dorthin zurückkehren, weil es zu gefährlich sei. Bethlehem war also sein Ort.
Er geht dann wieder zurück nach Nazareth. Ich erwähne das, weil es teilweise notwendig, aber auch hochinteressant ist. Um die Weihnachtsgeschichte ranken sich viele Vorstellungen. Uns geht es um das Bibelwort selbst. Das ist völlig verständlich, aber auch sehr eindrücklich.
Ich möchte Ihnen auch Freude machen, falls Sie zuhause das Buch „Kennst du das Land?“ haben. Dort ist ausführlich beschrieben, dass den armen Leuten von Bethlehem oft Unrecht getan wird. Vielleicht waren sie gar nicht so schlecht. Aus dem Bibelwort lässt sich deuten, dass sie sich jedenfalls nichts zuschulden kommen ließen.
Jesus wurde geboren, wie damals fast alle Kinder geboren wurden: in einem Haus mit nur einem Raum. Das war ein Problem – wohin mit der schwangeren Frau, wo das Baby hinlegen? Es war kalt. Vielleicht fand die Geburt in einer Höhle unter den Häusern statt, wo auch das Vieh war. Das war der wärmste Ort. Wenn Sie alte Bauernhäuser kennen, wissen Sie, dass über dem Stall das wärmste Zimmer war. So war es damals auch.
In Bethlehem wird es besonders im Winter sehr kalt. Interessant ist auch, dass die Stätte der Geburtskirche für uns heute so fremd wirkt durch den ganzen Schmuck und die Überladung. Wahrscheinlich ist es aber historisch der richtige Platz. Hieronymus schrieb, als er dort war, dass noch die alten heidnischen Tempel standen.
Diese Tempel wurden von den Römern bei Christenverfolgungen an Stellen errichtet, wo Kapellen standen. Für Archäologen ist das ein Beweis, dass wir dort sind. Denn sonst hätten die Römer nie in Bethlehem einen heidnischen Tempel gebaut. Sie errichteten solche Tempel immer an Orten, an denen Christenverehrung stattfand.
Das lässt sich auch bei Golgatha und anderen Orten feststellen. Für Archäologen ist es sicher, dass an der Stelle der heutigen Geburtskirche Jesu wohl die ersten Anbetungsstätten und Erinnerungsorte an seine Geburt waren.
Für uns ist es nicht entscheidend, ob es genau die Plätze sind. Aber dieser kleine Exkurs ist wichtig. Wenn es schwierig war und ich Sie verwirrt habe, vergessen Sie es einfach wieder. Es ist nur ein Nachgeschmack, weil es interessant ist, sich Gedanken zu machen.
Das Wichtigste ist, dass das Bibelwort stimmt, genau so, wie es die Bibel sagt. Manche Vorstellungen aus Krippenspielen sind oft etwas verzerrt. Gerade an dieser Stelle erhält die Weihnachtsgeschichte oft eine besondere Würze und wird interessant. Manche Sozialpredigten zu Weihnachten leben davon, dass sie klagen, wie hartherzig die Menschen sind, und bringen dann noch die Asylfrage ins Spiel.
Dabei war Josef gar nicht im Asyl. Er war kein Flüchtling, das ist überhaupt nicht wahr. Bethlehem war seine Heimatstadt, und er war in seinem Haus, ganz normal.
Deshalb habe ich das gesagt. Es ist interessant, und man kann damit sogar Theologen zum Nachdenken bringen.