Ein neues Jahr mit Gottes Führung beginnen
Ich habe für den heutigen Sonntag einen Abschnitt aus dem Zweiten Buch Mose, Kapitel 33, ausgewählt. Dieser Abschnitt bewegt mich sehr. Was liegt vor Ihnen in diesem neuen Jahr? Was bedrückt Sie heute? Was ist Ihr Schmerz, und was sind Ihre Freuden?
Heute findet in einer Familie eine Verlobung statt – schön, was alles an einem Tag geschehen kann und was das neue Jahr mit sich bringt. Doch der Herr will in unserem Leben handeln und wirken.
Mose sprach zu dem Herrn: „Siehe, du sprichst zu mir: Führe das Volk hinauf. Aber lass mich nicht wissen, wen du mit mir senden willst.“ Er erinnert an die Stelle, die ich zitiert habe, 2. Mose 33,12: „Du hast gesagt: Ich kenne dich mit Namen.“ Mose fährt fort: „Und du hast Gnade vor meinen Augen gefunden. Habe ich denn Gnade vor deinen Augen gefunden? So lass mich deinen Weg wissen, damit ich dich erkenne und Gnade vor deinen Augen finde. Sieh doch, dass dies dein Volk ist!“
Gott antwortete: „Mein Angesicht soll vorangehen.“ Im Englischen heißt es: „Meine Gegenwart soll vorangehen.“ Er verspricht: „Ich will dich zur Ruhe leiten.“
Mose aber sagte zum Herrn: „Wenn nicht dein Angesicht vorangeht, so führe uns nicht von hier hinauf. Denn woran soll erkannt werden, dass ich und dein Volk vor deinen Augen Gnade gefunden haben? Ich achte darauf, dass du mit uns gehst, damit ich und dein Volk erhoben werden vor allen Völkern, die auf dem Erdboden sind.“
Der Herr sprach zu Mose: „Auch das, was du jetzt gesagt hast, will ich tun, denn du hast Gnade vor meinen Augen gefunden, und ich kenne dich mit Namen.“ Das heißt: persönlich.
Mose bat weiter: „Lass mich deine Herrlichkeit sehen.“
Gott antwortete: „Ich will vor deinem Angesicht alle meine Güte vorübergehen lassen und will dir kundtun den Namen des Herrn. Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.“
Gott sprach weiter: „Mein Angesicht kannst du nicht sehen, denn kein Mensch wird leben, der mich sieht.“
Und der Herr fügte hinzu: „Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felsnische stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin. Dann will ich meine Hand von dir tun, und du darfst hinter mir hersehen. Aber mein Angesicht kann man nicht sehen.“
Mose als Vorbild im Glaubensweg
Es ist gut, wenn man im neuen Jahr solche Vorbilder hat wie Mose, einen ganz großen Mann, den größten im alten Bund. Selbst der Sänger David kann ihm nicht das Wasser reichen. Von ihm kann man lernen, von ihm kann man Maß nehmen. In vielem haben andere es besser als Mose.
Das heißt aber auch, dass Mose ein sehr geplagter Mann war. Es kann sein, dass Gott Menschen schwer führt. Ich freue mich für jeden von Ihnen, der das nicht durchleiten muss. Gott hat Mose in ein Amt gestellt, das man mit menschlicher Kraft gar nicht leisten konnte.
Er sollte ein störrisches, ungehorsames Volk führen und Priester über das Volk Gottes sein. Ach, jeder, der in irgendeiner Weise so eine Aufgabe übernimmt – das fängt schon bei einer Mutter an, bei jemandem, der Verantwortung für junge Menschen trägt, in der Jugendarbeit wirkt oder bei anderen, die Verantwortung für unser Volk oder unsere Stadt fühlen – der weiß, wie schwer diese Last ist. Wer sagt: „Ich kann die Last nicht tragen, wenn Gott mich haftbar macht für das Leben dieser Menschen und ich soll das Licht Gottes hineintragen“ – der spürt, dass das eine ganz große Verantwortung ist.
An Mose kann man lernen, wie es ist, eingesetzt zu sein im Auftrag Gottes als Hirte und Führer. Aber so groß wie Mose war, das müssen Sie verstehen. Er hatte eine ganz einzigartige Nähe zu Gott. In den Versen davor, wenn Sie noch hineinschauen, steht etwas über das Zelt der Offenbarung, die Stiftshütte. Dort hat Mose mit Gott gebetet. Wie hat er denn gebetet? Wie man mit einem Freund redet.
Sie brauchen gar nicht diese komplizierten und feierlichen Worte zu benutzen. Wir meinen oft, im Gottesdienst müsste es irgendwie besonders hochgestochen sein. Das Höchste ist aber, wenn Sie so mit Gott reden können, wie man mit einem Freund redet. Oder wie es Paulus sagt: wie Kinder mit dem Vater babbeln. Herrlich, wenn man das kann – ganz freimütig und ungeschützt.
Im Hebräerbrief wird Mose dafür gerühmt. Nehmen Sie das alles im Blick auf Ihre Belastungen für dieses neue Jahr hinein: Er hielt sich an den, den er nicht sah, als sähe er ihn. Bei ihm war dieser klare, fixierte Blick auf den Herrn, der alle Macht hat, der so stark ist, der ihn erwählt hat. Er wollte so in dieser unmittelbaren Begegnung mit Gott sein.
In der Glaubensgalerie von Hebräer 11 ist es wunderbar zu sehen, wie das Vertrauen auf Gott Mose so stark gemacht hat.
Die Demut und Stärke durch Gottes Gegenwart
Man kann das sehr gut am Beispiel von Mose zeigen. Vielleicht erschrecken viele in ihrem eigenen Leben oft vor der Begegnung mit dem heiligen, mächtigen Herrn. Diese Begegnung macht uns sehr klein und demütig. Sie zerbricht unsere Heuchelei, unseren Stolz und unseren Hochmut sowie unsere Einbildung, was wir alles wären. Mose wurde vor dem ewigen Herrn sehr klein.
Doch die wahre Stärke, den Mut und die Kraft für seinen Dienst bezog er aus der Gegenwart des Herrn. Das war ihm sehr wichtig. So stand er wie ein Fels in der Brandung, als alle anderen die Nerven verloren – dort am Schilfmeer.
Vor ihm war das Wasser, rechts die Felswände, die sie nicht hinaufklettern konnten. Dann kamen die Heere der Ägypter mit ihren schnellen Wagen. Mose rief nur: „Tretet nur hin, steht fest und seht zu, welches Heil der Herr heute an euch tun wird.“ Und Gott hat es getan.
Gott ist derselbe auch heute. Er will in diesem Jahr viel an ihnen tun. Sie brauchen keinen Augenblick die Nerven zu verlieren. Sie dürfen wissen: Einfach nur hinstehen, zusehen, was er macht, und die Hände in den Schoß legen. Ja, ich sage es mal so: Dort, wo sie nichts mehr tun können, weil sie am Ende sind mit ihren Möglichkeiten, da kommt Gott.
Das hat Mose gewusst. Deshalb fürchtete er sich nicht vor dem Grimm des Pharao. Ja, der Pharao hatte Zorn. Wir haben alle Angst vor Menschen, denn es gibt sehr böse Menschen. Mose war völlig diesem Despoten ausgeliefert, diesem Pharao – und er fürchtete ihn nicht.
Werden Sie nicht der Knecht der Menschen, besonders in diesem neuen Jahr. Passen Sie sich in keinem Punkt den Menschen an. Dazu ist Ihr Leben viel zu kostbar. Sie sind im Tempel Gottes und brauchen sich niemals an Zeitgeist und Mode anzupassen. Leben Sie für den Herrn!
Das Ringen um Gottes Nähe
Aber jetzt lasst uns einmal anschauen, wie Mose um die Nähe Gottes gerungen hat. Das geschah nicht nur einmal in seinem Leben. Wir haben gerade gesagt, dass diese Nähe Mose Festigkeit gegeben hat. Dadurch konnte er auftreten, war sicher und geborgen und konnte im Dienst für den Herrn etwas bewirken. Doch er hat um diese Nähe Gottes gerungen.
Wenn er im Zelt der Stiftshütte gebetet hat, dann sprach er mit Gott wie ein Freund mit einem Freund. Oft hat er vor Gott einfach seinen Jammer und seine Hilflosigkeit ausgeschüttet. Das ist ein biblisches Bild. Ähnlich finden wir es später bei Hiskia, der einen schrecklichen Brief erhielt. Nachdem er den Brief wieder ins Kuvert gesteckt hatte, ging er ins Heiligtum und sagte: „Herr, hier ist das Problem, bitte mach du etwas daraus. Ich schaffe es nicht.“ So hat es Mose gemacht, wenn Furchtbares passiert war.
Es ist gut, dass diese Geschichten schon in den ersten Büchern der Bibel stehen, im zweiten Buch Mose. Dort wird früh berichtet, dass mitten im Gottesvolk, unter den Gläubigen, die die größten Wunder und Offenbarungen Gottes erlebt hatten, solche Sünden geschehen sind. Kurz nachdem Mose mit Gott gesprochen hatte, bauten sie ein goldenes Kalb. Solche Sünden sind in der gottlosen Welt gar nicht möglich.
Die Sünden im Volk Gottes schreien zum Himmel. Man kann beobachten, wie sie herumgesprungen sind wie Weltmeister und geschrien haben: „Der hat uns aus Ägypten geführt!“ Und dann haben sie noch an diesen Unsinn geglaubt, den größten Humbug verzapft. So etwas erlebt man auch heute in der Gemeinde, wenn der Teufel wie ein brüllender Löwe verführt und Verwirrung stiftet.
Hat das keine Bedeutung für uns heute? Wir sind doch fortwährend bedroht, vom Wort abzuweichen und uns von anderen Dingen ablenken zu lassen, statt in der Einfachheit auf Christus zu vertrauen. Dann sagt Mose: „Ich kann nicht mehr, Herr, ich kann dein Amt, das du mir anvertraut hast, nicht mehr ausüben.“
Oft wird so getan, als sei es eine große Glaubenshaltung, wenn man Anklagen gegen Gott erhebt. Doch wenn Sie gegen Gott Anklage führen, schaden Sie sich nur selbst. Als sterblicher Mensch haben Sie nie das Recht dazu, auch wenn Sie Gott nicht verstehen.
Machen Sie es lieber so, wie viele andere es getan haben: Knien Sie vor Gott nieder und sagen: „Ich verstehe dich nicht, aber ich suche deine Nähe. Lass mich dein Angesicht wiedersehen.“
Die Sehnsucht nach Gottes Angesicht
Es liegt an den Umständen, die oft so schwierig sind in unserem Leben, das ist ganz klar. Wenn unser Leib zerfällt und unsere Seele in Depressionen versinkt, wie soll man da noch Gottes Nähe spüren können? Doch dann sagt man: Herr, lass mich doch wieder dein Angesicht sehen.
Was meint er eigentlich mit dem Angesicht? Er will Gott persönlich sehen. Sie kennen das doch: Wenn Sie einem Menschen in die Augen sehen, interessiert es nicht mehr, ob die Schuhe geputzt sind. Sie wollen ihn in die Augen sehen, Sie wollen ihn wirklich kennen. Ein Blick – ich möchte doch einmal Gott in die Augen sehen können. Es ist eine Bitte: Ich will dich sehen können, damit ich es weiß, ich vertraue dir, ich kann zu dir sprechen.
Das Gebet ist etwas ganz Wichtiges. Darum zerstören Sie nie diese herrliche Gabe. Natürlich ist das mit unserem Verstand oft nicht zu verstehen: die Form des stillen Gebets, wie soll das funktionieren, wenn doch jeder ganz anders ist und Gott daher hört? Es ist ein Wunder, ein Geheimnis, das wir hier bekennen: dass Gott sich ihnen offenbart in den Dunkelheiten ihres Lebens.
Mose bindet sich einfach an Gott, auch wenn er ihn nicht mehr versteht – in dieser schweren Führung, warum das am Sinai geschehen muss und warum er in diese Aufgabe gestellt wurde. Ganz ähnlich hat es Jeremia erlebt: „Herr, wenn ich nur nie geboren wäre.“ Aber dir als Mann zu dienen, das ist das Allerschwierigste. Das kann einem sehr schwer werden, wenn man im Dienst des Herrn steht.
Denken Sie nicht, dass es Menschen, die in der Mission sind oder die dem Herrn in einem vollzeitigen Dienst dienen, anders ergeht als denen, die es nur teilweise tun. Was kommt jetzt? Machen wir Schluss und lassen es. Ich kenne einen guten Freund, der ein großartiger Bibelausleger war und eine sehr bedeutende Hochvatervereinigung leitete. Aber ich weiß, wie er angefangen hat: bei seinem Vater. Und plötzlich sagt er: „Jetzt spalte ich Holz und gehe nicht mehr auf die Kanzel, das hat keinen Wert.“ Man kann irgendwo müde werden.
Herr, lass mich doch wieder deine Herrlichkeit sehen – das ist sinnvoll, nicht Holz spalten. Suchen Sie die Nähe des Herrn und beten: Herr, lass mich dein Angesicht wiedersehen. Ich will dir doch wieder begegnen. Ich mache gerne einen Einschnitt.
Das Ringen um Gewissheit im Glauben
Also das ist mir wichtig gewesen: Mose ringt um die Nähe Gottes. Jetzt möchte ich Sie auf etwas anderes aufmerksam machen: Er ringt um Gewissheit.
Wir saßen vor ein paar Tagen in einem Kreis zusammen und haben gesagt, das Thema der Gewissheit im Glauben ist ein Punkt, der viele unserer evangelischen Mitchristen, auch viele unserer Theologen, zur Weißglut treibt. Man kann es nicht genau wissen, sagen die im Glauben, man muss immer so hoffen, vielleicht. Oft passiert mir das auch, wenn ich jemanden frage: Sind Sie gewiss? Und dann sagen sie: Ach, wissen Sie, gewiss kann man ja nie sein und so.
Das war das Übel, das Martin Luther so gebrandmarkt hat: Dass eine Kirche die Leute in der Abhängigkeit hielt. Noch mal eine Wallfahrt, noch mal eine Opfergabe. Du kannst nie wissen, ob es genug war. Du schmeißt halt nochmal was in den Kasten. Aber es gibt keine Gewissheit. Das ist eine Reformation, wenn das in unserer Kirche noch gelten sollte, neben der Schrift das absolute Zentrale gewesen.
Es gibt eine völlige Gewissheit, und ich pflege manchmal sogar noch dazu zu sagen, weil das besonders reizend ist, eine Sicherheit – nicht eine falsche Sicherheit, als ob man da jedes Wort falsch verstehen könnte. Also nicht so, als ob man jetzt darauf los sündigen könnte, sondern es gibt eine Gewissheit, wo man einfach sagen kann: Das hat mir der Herr geschenkt, und ich darf das haben, im Glauben mich daran freuen und Gewissheit erleben.
Darum will er die Herrlichkeit Gottes sehen. Wollen Sie die Herrlichkeit Gottes sehen?
Einer aus unserer Gemeinde hat mir mal seinen Arbeitsplatz gezeigt, eine große Straßenbaustelle an der Bundesstraße. Da stand ein Lkw-Fahrer und hat gewartet, so wie die Lastwagenfahrer dort alle sitzen, und hat gelesen, bis er seinen Teiler abladen konnte. Ich habe gedacht, es interessiert mich mal, was liest der? Kriminalromane? Dann war es ein Buch von Herold: „Sein Kommen von der Herrlichkeit Gottes“. Er war ein Aussiedler aus Russland, von der Gemeinde in Schwäbisch Gmünd.
Es fällt heute schon auf, wenn jemand so etwas liest in der Straßenbahn: „Von der Herrlichkeit Gottes“. Ist Ihnen das eine Sehnsucht? Herr, ich will mal deine Herrlichkeit schauen!
Bei uns entblödet man sich ja nicht zu sagen, das sei schon eine hohe theologische Diskussion, zu fragen, ob es einen Gott gibt. Das ist eine dumme Diskussion. Sondern ich will die Herrlichkeit Gottes sehen.
Der Teufel weiß, dass es einen Gott gibt sogar. Und die zittern, die Teufel, so steht es in der Schrift. Aber ich will die Herrlichkeit Gottes sehen.
Was ist denn das? Der Strahlglanz, der auf dem Hirtenfeld aufgeleuchtet ist. Es kommt immer wieder vor: Die Herrlichkeit Gottes, die den Tempel erfüllt hat. Warum will er denn das sehen? Warum genügt ihm das nicht?
Wir finden das ja verschiedentlich. Wir finden das bei Elija, wie er in einer großen Depression bis zu diesem Berg Sinai läuft und sich auch in einer Höhle versteckt. Dann zieht der Sturm an ihm vorüber, es folgt ein Beben und zum Schluss eine sanfte Stille. Er will Gottes Herrlichkeit sehen. Er hat sie auch nur vorbeiziehen sehen.
Er ist beschrieben, wie die Herrlichkeit Gottes aus Jerusalem auswandert, aus dem Osttor. Wir können viele Stellen erwähnen: die Verklärung, wo Jesus auf dem Berge drei Jüngern erschien, und es war so unaussprechlich groß, etwas von der überirdischen Herrlichkeit Jesu zu sehen.
Paulus hat irgendein Erlebnis gehabt, von dem er schreibt. Johannes beschreibt es in der Offenbarung. Und immer ist das Gleiche: Sie konnten Gott selbst nicht sehen. Kein Mensch wird leben, der Gott sieht.
„Ich müsste stracks vergehen, wie Wachs in Feuer zerschmilzt“, sagt Paul Gerhardt. „Ich kann Gott nicht sehen. Ich bin ein sündiger Mensch, ich bin ein diesseitiger Mensch.“ Es ist ein ganz großes Wunder, dass wir mit unseren Augen die Herrlichkeit Gottes in der Ewigkeit sehen dürfen. Etwas total anderes.
Die Gnade Gottes als Fundament des Glaubens
Und das, was Mose jetzt so wichtig war: Er versteht Gott nicht mehr. Er ist ja irgendwo auch an Gott gescheitert. Er soll Gottes Volk ins gelobte Land führen, doch Gott weiß, dass das Volk ein böses Herz hat. Dieses böse, ungläubige Herz handelt gotteslästerlich. Dann kommt der Zorn Gottes und das Gericht.
Mose selbst ist ja noch Vorbild Jesu, Vorläufer Jesu. Er tritt dazwischen als Fürbitter für das Volk: „Herr, tilge meinen Namen aus dem Lebensbuch, ich will sterben, lasst doch diese Leute leben. Ich möchte nur, dass Menschen gerettet werden.“ So hatte Mose es wichtig, dass sie herausgerettet werden aus dieser schrecklichen Not des bösen Herzens, damit sie zu Gott kommen.
Und jetzt sagt Mose: „Herr, ich verstehe dich nicht. Du hast mir aufgetragen, ich soll das Volk weiterführen.“ Ganz anders eine Mutter, die verzweifelt ist und zu ihren ungläubigen Kindern spricht, wenn sie die Last tragen für eine gottlose Welt. Sie sagt: „Ich will doch die Menschen zu Christus führen, und ich kann es nicht mehr ertragen. Nicht wegen des Spottes, den sie gegen mich machen – das dürfen sie ja –, sondern weil ich die Blindheit und die Verlorenheit dieser Welt nicht mehr ertrage. Wie kann ich denn da das tun?“
Er sucht jetzt noch über alle Freundschaft hinaus irgendeinen Anblick. Und jetzt kommt es in diesem Wort, das Mose da betet: fünfmal dieses Wort, von dem natürlich viele sagen, ach, das Wort ist abgegriffen und hat für mich nichts mehr zu bedeuten – das Wort der Gnade, Herr, deine liebevolle Zuneigung. So wie sie es das erste Mal erfahren haben: „Mich nimmt er an, ich bin geliebt bei Gott, und er hat meine Schuld durchgestrichen.“
„Herr, du hast das gesagt: Ich habe Gnade vor dir gefunden. Wenn ich Gnade gefunden habe, dann bitte, jetzt lass doch deine Gnade mich sehen über dieser schrecklichen Schuld dieses Volkes.“ Eine sehr vermessene Bitte. Er will Gott nicht sehen, so wie manche Visionäre das vielleicht wollen. Er will etwas sehen von dieser huldvollen Gnade Gottes. So wie es ein Mensch erlebt, der zum Glauben kommt und plötzlich ergriffen wird, weil er das gar nicht verstehen kann.
Zunächst sieht er den strafenden Gott, und Gott ist ein strenger und heiliger Gott. Aber dann auf einmal erlebt er das Überwältigende: „Nein, mir hat er alles vergeben und alles weggenommen.“ Fünfmal wird ihm dies zugesagt, fünfmal: „Du hast mir das mit der Gnade zugesprochen, ich will deine Gnade fassen.“
Philipp Friederich Hiller hat ein Liedgedicht, das ganz am Ende seines Liederkästleins kommt, seines Andachtsbuches mit zweimal 365 Liedern: „Die Gnade sei mit allen, die Gnade unseres Herrn, des Herrn, dem wir hier wallen und sehen sein Kommen gern. Auf dem so schmalen Pfade gelingt uns ja kein drittes. Gehe seine Gnade denn bis zum Ende mit.“
Mose sagt: „Ich kann nicht auf meine Treue, auf meinen Glaubensmut bauen, ich kann bloß auf dich bauen, Herr. Auf Gnade kann man trauen. Man traut ihr ohne Reu, und wenn uns je will grauen, so bleibt’s: der Herr ist treu. Wird stets der Jammer größer, so glaubt und ruft man doch: Du mächtiger Erlöser, du kommst, so komme doch, damit wir nicht erliegen. Muss Gnade mit uns sein, denn sie flößt zu dem Siegen Geduld und Glauben ein.“
Herr, ich möchte das doch ganz fest wissen, dass über jeder Stunde dieses neuen Jahres deine Liebe liegt, dein Erbarmen. Dass du nichts anderes willst als retten und heilen, dass du das Böse besiegst und dass du mich bewahrst und umgibst. Herr, das muss sein, sonst gehe ich keinen Schritt mehr weiter. Dann lege ich mein Amt nieder und mache nicht mehr weiter.
Und Gott sagt: Ja, es soll so sein, ich will vorangehen. Sie können sich nicht in Umrissen vorstellen, wie wunderbar diese Gnade sie umgeben will. Nichts Äußeres hat Gott ihnen versprochen, nie gesagt, dass sie nicht krank werden. Welche falschen Propheten haben das erfunden! Aber er hat ihnen seine Gnade so zugesichert, so wie sie es erleben können, auch in dunklen Stunden ganz neu, oft oder in herrlichen Sommertagen beim Urlaub und wo es ist.
Er will ihnen seine Güte zeigen: „Herr, ich will das doch sehen. Mir geht es nicht um irgendwelche irdischen Vorteile, ich will nur, dass deine Sache, Gott, zum Siege kommt.“
Gottes Schutz und Führung trotz Schwäche
Und dann macht er die Erfahrung, wie Gott ihn in diese Felsenluft stellt und sagt: „Du kannst mir nur hinten nachsehen.“
Es war ja schon so, als Gott Mose berufen hatte: „Ich werde sein, der ich sein werde.“ Er sagte: „Zieh deine Schuhe aus, denn du stehst auf heiligem Land. Das ist mein Name. Du wirst erfahren, dass ich mich in deinem Leben mächtig erweise.“
Mose war sehr schüchtern, was mich eigentlich wundert. Er stammte aus dem Hause Pharaos und hatte die höchste Erziehung Ägyptens genossen. Doch dann scheiterte er an seiner Lebensführung, als er einen ägyptischen Frohn erschlug. Er erkannte, dass er mit seinen eigenen Schlüssen vor Gott ganz verkehrt handelte.
Daraufhin war er vierzig Jahre lang Wüstenhirte in Midian. Barfuß wanderte er durch diese trostlose, heiße, wasserlose Wüste. Dann rief Gott ihn und sagte: „Jetzt gehst du zum Pharao!“
Mose antwortete, dass er das nicht könne, weil er viel zu schwach sei. Doch Gott sagte: „Ich lege meine Worte in deinen Mund. Geh!“
Wissen Sie, wie es ausging? Es war der größte Reinfall! Mose war schon am Ende und sagte: „Herr, ich werfe den Bettel hin. Das hat doch keinen Wert, mit dir etwas zu bewirken. Ich tauge nicht.“
Die Israeliten sagten daraufhin: „Du bist der Schlimmste! Jetzt hast du uns noch mehr Probleme eingebrockt. Es ist alles noch viel schlimmer, seitdem du dich eingemischt hast.“ So ist es, wenn man Gott folgt.
In 2. Mose 6 erscheint der Herr und sagt: „Ich bin der allmächtige Gott.“ Er heißt „allmächtig“, was etwas ganz anderes bedeutet, als wir oft denken. Wir verbinden das mit Grenzenlosigkeit, doch Gott vollendet seine Kraft besonders in den Schwachen.
Er offenbart sich Mose jetzt so, wie er sich bisher nicht gezeigt hat. Mose kannte ihn als den allmächtigen Gott, wie er von Abrahams Zeit an bekannt war, der in den Schwachen mächtig wirkt. Nun wird Mose ihn auch als „Herr“ erfahren.
Dann tut Gott seine Wunder an Pharao. So geht es bei Mose von einer Erkenntnis Gottes zur nächsten. Am Sinai erkennt er die unbegreifliche, nie endende Gnade Gottes.
Diese Gnade verführt uns oft zu spitzbübischem Denken: „Dann kann ich ja mit der Gnade Schindluder treiben. Dann kann ich lustig drauf lossündigen.“ Doch Gott lässt sich von seiner Gnade nicht beeindrucken. Er sagt: „Ich lasse dich in der Felsenluft stehen und gucke dir bloß nach.“
In diesem Jahr werden Sie oft nachschauen und sagen: „Herr, ich habe nicht geahnt, dass du schon da warst, dass du die Hände der Ärzte geführt hast, dass bei dir nichts unmöglich ist, dass du herausgeführt hast.“
Ein Freund von mir, ein sehr bekannter Missionsleiter, erlebte, wie sein siebenjähriger Sohn bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Als seine Frau starb, fiel er in sehr tiefe Schwermut. Die Ärzte waren machtlos, und er wurde in eine christliche Nervenklinik eingeliefert.
Später erzählte er, eine Patientin habe gesagt: „Was, Sie sind auch hier? Das hätte ich aber nicht gedacht.“
Warum weiß man nicht, dass auch Glaubende in Tiefen fallen können, in Dunkelheiten? Doch er schrieb später in einem Vortrag: „Es ist etwas Wunderbares, auch in der schwersten Schwermut, in diesen ganz furchtbaren, bedrückenden Gefühlen war doch eines nie ausgelöscht: Die Gnade Gottes birgt mich, und ich kann nicht verloren gehen.“
Das ist großartig, wenn der Herr uns in seiner Gnade sein Angesicht sehen lässt, auch in den Dunkelheiten des Lebens. Wir können nicht garantieren, was über uns kommt. Aber darum bitten wir den Herrn: „Herr, halte mich fest auch im Dunkel der Todesanfechtung, halte mich fest in den Krankheiten, in deiner Nähe und in deiner Liebe.“
Auch in den Anfechtungen, wenn wir für Gott Großes wagen wollen – hoffentlich wollen Sie in der Spur Moses mitgehen – wagen Ihre jungen Leute viel für den Herrn. Doch der Herr wird seine Leute auch immer wieder demütigen im Dienst.
Da kann man nicht prahlen. Die Sieger Gottes waren nie Prahler.
Die Verwandlung im Bild Christi
Dieser Mann mit seiner Schwermut hat es niedergeschrieben. Er sagte, dass er erst am Ende seines Lebens erkannt hat, dass vor Gott nicht das zählt, was er immer geglaubt hatte, was er vor Gott getan hat. Vielmehr ist Gott etwas ganz anderes wichtig: dass er in sein Bild hineingestaltet wird.
So steht es im Neuen Testament bei Paulus, dass wir Christus ähnlich werden sollen.
Denken Sie daran, dass Gott in diesem neuen Jahr vielleicht gar nicht das Ziel hat, Sie wie einen Arbeitsroboter zu gebrauchen. Manche Menschen reagieren darauf sogar mit Wut. Vielmehr will der Herr Ihnen nur seine Gnade zeigen – wie er Sie überschütten und führen möchte.
„Lass mich deine Herrlichkeit sehen“, sagt der Herr. Was Sie gebetet haben, will er tun.
Wir dürfen erfahren, erkennen und sein Erbarmen überwältigend erleben.
Die Ausstrahlung der Herrlichkeit Gottes in unserem Leben
Und wie ist Mose dann losgezogen? Als er später zum Volk kam, konnten sie nicht in sein Angesicht schauen. Er trug kein Make-up, sondern hatte eine Decke vor die Augen gehüllt. Denn etwas vom Ebenbild Gottes leuchtete hervor.
Wissen Sie, Sie müssen jetzt nicht nach mystischen Erlebnissen suchen. Das wäre wieder ein Missverständnis. Der Herr hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben. Das Licht der Herrlichkeit Gottes will einen Widerstrahl aus Ihnen hervorbringen.
In Christus ist das doch voll und ganz da. Wir sehen in Christus die Herrlichkeit des Vaters. Sie dürfen unter dem Kreuz Jesu stehenbleiben, ihn anbeten und voller Freude singen: „Ich kenne deine Güte und deine Liebe, Jesus.“ Weiter können sie in dieser Welt doch nicht kommen. Amen.