Einen wunderschönen Abend zusammen. Es ist mir eine große Freude, heute bei euch zu sein, hier bei den Eliten von München, wie ich gehört habe.
Ich habe Matthias vorher angeboten, über einen kurzen Text von sechs Versen zu sprechen, aber er hat das abgelehnt. So etwas kam vor kurzem schon vor. Deshalb dachte ich: Gut, nehmen wir einen Text, der wahrscheinlich noch nicht vorkam, aber über acht Kapitel geht. Wenn schon, denn schon.
Was ich von dieser Gemeinde gehört habe, ist, dass ihr es gewohnt seid, Schritt für Schritt durch den Bibeltext zu gehen. Deshalb hoffe ich, ihr habt alle gut gegessen und nicht zu viel vorneweg, damit ihr für den Rest des Abends fit seid.
Ich schätze, wenn wir wirklich besonders für diesen Text Gottes Gnade brauchen, dann lasst uns noch einmal zusammen beten:
Vater, wir glauben, bekennen und hängen daran, dass jedes einzelne Wort in diesem Buch dein Wort ist. Wir wissen, dass jedes davon nötig, wertvoll und kostbar ist, um unser Leben zu erhalten. Darum beten wir, dass du auch jetzt gerade in diesen Abendstunden durch deinen Geist und durch dieses Wort zu uns redest.
Wir beten das im Namen deines wunderbaren Sohnes, Amen.
Die zentrale Botschaft der Hoffnung in Gottes Macht
Was hier wie acht lange und sehr komplizierte Kapitel wirkt, ist eigentlich eine kurze und relativ einfache Botschaft. Diese lautet: Die alles überragende Macht Gottes ist die Hoffnung für unser Leben.
Und es ist nicht nur die Hoffnung für unser Leben in bestimmten Situationen. Vielleicht befinden sich einige von euch gerade jetzt in einer Lage, in der sich euer Herz vor einigen Minuten noch zusammengekrampft hat oder es jetzt tut. Ihr habt Sorgen, Nöte und Schwierigkeiten, in denen ihr steckt. Hoffnung ist etwas, das wir grundsätzlich für unser Leben brauchen. Sie ist sozusagen der Motor für alles, was wir im Leben letztendlich tun.
Wenn du Student bist und für dein nächstes Examen lernst, macht es nur Sinn, wenn du die Hoffnung hast, es auch zu bestehen. Deshalb haben einige von euch vielleicht aufgehört zu lernen. Nur wenn du die Hoffnung hast, dass deine Beziehung zu deinem Partner noch zu retten ist, wird es dir auch sinnvoll erscheinen, dich noch dafür aufzureiben.
Und nur wenn du die Hoffnung hast, dass sich deine Situation irgendwie noch ändern lässt, wirst du auch bereit sein, Hilfe dafür aufzusuchen. Wir müssen auf irgendetwas hoffen, damit es in unserem Leben weitergehen kann. Nur wenn es gerade da, wo ich mich jetzt befinde, offensichtlich nichts zu geben scheint, worauf ich hoffen könnte, dann hilft das Prinzip „Hauptsache Hoffnung“ vielleicht ganz gut. In den meisten Fällen hilft es aber nicht wirklich weiter.
Es braucht einen realistischen Grund für uns zu hoffen, und genau das will Hesekiel hier in diesen acht Kapiteln tun. Wenn du dich fragst, warum er dafür acht Kapitel braucht, dann liegt das daran, dass es Situationen im Leben gibt, für die manchmal ein paar einfache Sätze nicht ausreichen. Wir brauchen mehr als nur eine schnelle, kurze Antwort.
So eine Situation ist der Zustand des Volkes Israel, zu dem Hesekiel hier spricht. Wenn ihr das Buch Hesekiel bis Kapitel 24 anschaut, seht ihr, dass es eigentlich nicht schlimmer kommen könnte als das, was in diesem Kapitel vor unserem Text erreicht ist. Alles ist weg. Wenn Hesekiel Franzose wäre, würde er sagen: „Rien n’est plus“ – die ganze Heimat ist verloren.
Israel ist im Exil, und alles, was ihr Leben bestimmt hat – das Zentrum ihres Lebens, Jerusalem, der schöne Tempel – ist zerstört und hinüber. Das ist ungefähr so, als würdest du morgen zur Arbeit gehen und nach zwei Stunden erfahren, dass dir gekündigt wurde. Du packst deine Sachen, gehst zum Parkplatz und merkst, dass dein Auto geklaut ist. Du entscheidest dich, nach Hause zu laufen, und brichst dir beide Beine. Als du zu Hause ankommst, merkst du, dass du deinen Schlüssel vergessen hast. Und irgendwann, als du endlich drin bist, ist deine Frau abgehauen.
Da braucht es ein bisschen mehr als nur „Kopf hoch“. Aber es wirkt vielleicht in der Art und Weise, wie Hesekiel diese Kapitel geschrieben hat oder wie Matthias sie gelesen hat, nicht auf den ersten Blick besonders erbaulich in so einer Situation.
Die Gefahren des Hoffnungsverlustes und der falschen Hoffnung
Nur diese Drohreden gegen die Völker in diesem Buch stehen hier, weil Gott weiß, dass wir, wenn Probleme in unserem Leben auftauchen, vor allem zwei Gefahren ausgesetzt sind.
Die erste Gefahr ist, dass wir unsere Hoffnung auf Gott verlieren. Die zweite Gefahr besteht darin, dass wir unsere Hoffnung von Gott weg verlagern, um uns vor diesen Herausforderungen zu schützen.
Diese lange Rede hier besteht eigentlich aus zwei gleichen Teilen: Die ersten vier Kapitel enthalten Drohreden über sechs Nationen, und dann folgen noch einmal vier Kapitel mit Drohreden nur über Ägypten.
All diese Kapitel sind verbunden durch eine große Wahrheit, die sie durchzieht: Gott ist allmächtig.
Daraus ziehen wir für heute Abend zwei Schlussfolgerungen, zwei Implikationen.
Implikation 1: Gottes Allmacht als Grund zur Hoffnung
Implikation Nummer eins: „Gott ist allmächtig, darum verliere deine Hoffnung nicht.“
Hesekiel nimmt sich hier viel Zeit und Raum, um uns zu zeigen, dass Gott die völlige Kontrolle über jeden möglichen Feind und jede Sorge in eurem Leben hat. So nennt er die Ammoniter, die Moabiter, die Edomiter, die Philister, Tyros, Sidon – nenn, wen du willst, was du willst, Gott hat all diese Sorgen in seiner Hand.
Alles, was euch, Israel, alles, was euch hier heute Abend Sorgen machen könnte, ist das, was Gott hierdurch zunächst einmal sagen will: Es ist in meiner Hand. Alles, was dir Grund geben könnte, irgendwo deine Hoffnung zu verlieren, untersteht meiner Macht. Ob es dein Job ist, ob es deine Kinder sind, ob es dein Partner ist, ob es dein Körper ist oder ob es die gesamtpolitische Wetterlage ist – es gibt nichts auf dieser Welt, nichts in diesem Leben, das Gott entgeht.
Was wir hier haben, ist eigentlich die ausführliche, alttestamentliche Variante von Matthäus 10,29: „Werden nicht zwei Spatzen für ein paar Pfennige verkauft, und nicht einer von ihnen wird auf die Erde fallen ohne den Willen eures Vaters?“ Bei euch aber sind selbst die Haare des Hauptes alle gezählt. Das fasst der Heidelberger Katechismus zusammen mit den Worten: „Jesus Christus bewahrt mich so, dass ohne den Willen meines Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupt fallen kann.“
Wenn du ein Haar verlierst, dann ist das eine schlechte Sache. Ich merke, einige von euch werden jetzt an dieser Stelle nervös. Es ist nicht nur eine schlechte Sache, weil es dich äußerlich ein bisschen älter aussehen lassen könnte, sondern vor allem, weil es ein sichtbares Anzeichen für den Verfall deines Körpers ist, der ganz sicher irgendwann zum Tod führt.
Für uns ist das relativ irrelevant, weil jeder von uns im Durchschnitt 100.000 Haare auf seinem Kopf hat – also die meisten von uns. Manche von uns empfinden den Verlust von jedem einzelnen Haar als persönlichen Verlust, und ich fühle mit euch, ohne genau zu wissen, was das bedeutet. Für Gott, obwohl es für die meisten von uns irrelevant ist, ist es nicht irrelevant.
Von den Billionen Haaren, die heute an diesem Sonntag von Milliarden Köpfen auf diesem Planeten fallen, fällt kein einziges zu Boden, ohne dass Gott, der Herrscher dieses Universums, am Rand des Universums steht und sagt: „Jetzt!“ Wenn Gott dirigiert, wann du dein nächstes Haar verlierst, wie viel mehr, wann, ob und wie du deine Gesundheit verlierst, deine Nerven verlierst, deine Ruhe verlierst.
So ermutigend diese Wahrheit ist, so schwierig ist sie auch. Denn ganz offensichtlich sind die Strafgerichte Gottes, mit denen er seine Macht über die Feinde seines Volkes ausübt, Strafgerichte, die er wiederum durch andere Völker ausführt. Diese halten sich nicht unbedingt an christliche Maßstäbe, wie sie mit den anderen Völkern umgehen, die sie für Gott richten.
So heißt es in Kapitel 30, Vers 10: „So spricht der Herr, Herr: Ja, ich werde den Prunk Ägyptens wegschaffen durch die Hand Nebukadnezars, des Königs von Babel. Er und sein Volk mit ihm, die gewalttätigsten Nationen, werden herangeführt werden, um das Land zu verheeren, und sie werden ihre Schwerter gegen Ägypten ziehen und das Land mit Erschlagen erfüllen.“
Wenn Gott tatsächlich die Völker, Länder und Regierungschefs dieser Welt in seiner Macht souverän lenkt, dann lenkt er offensichtlich auch irgendwie das Böse, das sie tun. So wie hier Babylon, so wie Kim Jong Il oder andere, die nicht genannt werden, auf diesem Planeten handeln.
Wenn Gott tatsächlich alles in seiner Macht hat, was in deinem Leben passiert, dann lenkt er anscheinend in irgendeiner Weise auch das Böse, das uns persönlich geschieht – wenn du ungerecht behandelt wirst oder vielleicht sogar misshandelt wirst.
Einer meiner geschätzten Lehrer, bei dem ich gelernt habe, die Bibel auszulegen, hat versucht, es so darzustellen: Gott ist wie ein Maler, der ein wunderschönes Bild mit unserem Leben malt. Der Teufel steht daneben mit einem Bottich schwarzer Farbe. Immer mal wieder taucht er seinen Pinsel ein und macht einen schwarzen Fleck auf dem Bild, das Gott gerade malt. Aber Gott nimmt diesen schwarzen Fleck und malt daraus etwas Schönes.
Diese Erklärung reicht nicht aus für die Macht Gottes, weil es so klingt, als müsste Gott auf das reagieren, was passiert. Gott hat niemals einen Plan B. Alle Macht auf Erden, wie Jesus es sagt, bedeutet alle Macht auf Erden – alles läuft nach Plan A. Gott plant sein Bild von vornherein mit den Klecksen und bestimmt, wo und wann sie hinkommen.
Ich glaube, die Bibel offenbart uns ein höheres Verständnis von der Macht Gottes, die sogar in irgendeiner Weise das Böse, das geschieht, mit einschließt. Das finden wir nicht erst hier bei Hesekiel.
Ich nenne euch ein Beispiel, das ihr wahrscheinlich gut kennt. Ihr müsst nämlich die Bibel aufschlagen und denkt an die Geschichte von Joseph, der von seinen Brüdern nach Ägypten verkauft und als Sklave misshandelt wird. Am Ende der Geschichte spricht Joseph zu seinen Brüdern: „Ich bin Joseph, euer Bruder, den ihr nach Ägypten verkauft habt. Nun seid nicht bekümmert und werdet nicht zornig auf euch selbst, dass ihr mich hier verkauft habt. Denn zur Erhaltung des Lebens hat Gott mich vor euch hergesandt, um euch am Leben zu erhalten, für eine große Rettung.“ Nicht ihr habt mich hierher gesandt, sondern Gott.
Gott plante die Errettung von Josephs Familie, und in diesem Plan war das Böse, das seine Brüder ihm antaten, enthalten. Gott plant also damit, er reagiert nicht bloß darauf.
Das wirft die Frage auf: Ist Gott der Urheber des Bösen in der Welt? Heißt es nicht in Psalm 119 über Gott: „Du bist gut und tust Gutes“? Schreibt nicht Johannes im ersten Johannesbrief: „Gottes Licht und gar keine Finsternis ist in ihm“? Diese Verse sagen doch, Gott will immer das Gute, nicht das Böse.
Zeigt uns dieser Text hier nicht zugleich, dass Gott das Gute will, aber auf einem Weg erreicht, der das Böse einschließt, das er eigentlich nicht will? Jetzt kommen wir langsam auf eine Ebene, bei der ihr etwas Dextroenergien braucht, um noch zu folgen. Aber es ist offensichtlich möglich, dass Gott das Böse plant, ohne dafür verantwortlich zu sein.
Hier ein persönliches Beispiel: Letztes Jahr auf dem Rückflug von Pakistan stieg ich in Lahore ins Flugzeug zusammen mit 300 anderen Personen. Wir saßen im Flugzeug, es war angenehm warm, besonders, weil das Flugzeug stand und keine Klimaanlage an war. Nach etwa 45 Minuten Vorbereitungszeit begann das Flugzeug, sich auf die Startbahn zu begeben.
Wir fuhren an, der Pilot gab Vollgas, aber in dem Moment, in dem er abheben sollte, machte er eine Vollbremsung. Die Stimmung kippte plötzlich, alle wurden wieder aufmerksam. Das Flugzeug fuhr zurück in den Hangar, und eine Durchsage kam: „Wir haben offenbar ein technisches Problem.“ Das hatte jeder bemerkt.
Die Ingenieure wurden ins Flugzeug geholt, und man sagte, in zehn Minuten sei alles gelöst – was auf Deutsch heißt: in fünfzig Minuten. Nach knapp einer Stunde fuhr das Flugzeug wieder auf die Startbahn. Der Pilot gab erneut Vollgas, doch wieder kam die Vollbremsung.
Jetzt stellten sich erste Fragen. Das Flugzeug fuhr wieder zurück in den Hangar, und die Durchsage kam: „Das technische Problem wurde offensichtlich nicht gelöst.“ Die Ingenieure kamen wieder, und es hieß, es gehe in zehn Minuten weiter. Alle bereiteten sich darauf vor, dass es wieder eine Stunde dauern würde – und so war es auch.
Beim dritten Versuch ging das Flugzeug wieder auf die Startbahn. Der Pilot gab Gas, aber nicht mehr so viel wie vorher. Er bremste schon vorher ab und fuhr zurück in den Hangar, nur um uns die hoffnungsspendende Botschaft durch die Lautsprecheranlage zu geben: „Die Ingenieure sind noch einmal da und versuchen, das Problem zu lösen.“
Eine weitere Stunde später, es war mittlerweile Nachmittag, entschied man sich, das Flugzeug zu räumen. Das war eine gute Idee, denn alle Anschlussflüge waren natürlich verpasst, und die meisten kamen ein bis zwei Tage später zu Hause an.
Ich weiß nicht genau, warum Gott das so geplant hat. Vielleicht, um meine Geduld mehr zu üben, vielleicht, um mehr Zeit zum Beten oder Kontakte Knüpfen zu haben. Sicher ist eines: Gott hatte zu jedem Moment in dieser Situation, an diesem Wochenende, vollständig die Kontrolle über alles, was geschah.
Aber die Fluggesellschaft hatte die Verantwortung. Gott war nicht schuld an der Verspätung, aber es war Teil von Gottes Plan. So ist das Böse und Sündhafte irgendwie in Gottes Plan enthalten, ohne dass er notwendigerweise daran schuld ist.
Das klingt für manche vielleicht etwas heretisch, aber ich glaube, das ist eine notwendige Schlussfolgerung aus dem, was wir eigentlich glauben und warum wir hier sind.
Schauen wir kurz in Apostelgeschichte Kapitel 4. Hier beten die ersten Christen, und in Vers 24 heißt es: „Herrscher, der du den Himmel und die Erde und das Meer gemacht hast und alles, was in ihnen ist.“ In Vers 27 heißt es weiter: „In dieser Stadt versammelten sich in Wahrheit gegen deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast, sowohl Herodes als auch Pontius Pilatus mit den Nationen und den Völkern Israels, alles zu tun, was deine Hand und dein Ratschluss vorherbestimmt hat, dass es geschehen sollte.“
Das bedeutet, dass die Kreuzigung von Jesus Christus, ausgeführt unter Herodes und Pilatus – der schreckliche, ungerechte Mord am Sohn Gottes – etwas war, was Gott in seiner Macht geplant hatte.
Das größte Unrecht, das je auf diesem Planeten geschehen ist, war nicht einfach ein riesiger Klecks Satans auf dem Bild Gottes von dieser Welt, auf dem Gott dann sagt: „Machen wir mal ein Kreuz daraus.“ Es war sein souveräner, guter Plan, um das Ausmaß der Herrlichkeit seiner Gnade zu zeigen – ganz genau durch das Leid eines Gerechten, getötet und verspottet von Ungerechten, der stellvertretend für Sünder stirbt.
Dass Gott das Böse in unserem Leben, das Schlechte in unserem Leben in seiner Macht lenkt und kontrolliert, ist Kern des Evangeliums. Nehmt diesen Teil von Gottes Macht weg, und das Kreuz ist ein Unfall oder vielleicht eine Notlösung.
Wir brauchen ein hohes Bild von der Macht Gottes. Und das ist es, was Hesekiel hier tut. Er führt all diese Gewalten und Mächte um Israel herum sehr ausführlich auf, um zu zeigen: Ja, deine Sorgen, deine Verletzungen mögen vor dir stehen wie ein riesiger Berg. Gott weiß, dass sie schlimm und schwierig sind, und diese Dinge sind schlecht und böse in seinen Augen.
Aber obwohl wir nicht immer im Einzelnen erklären können, warum und was an Elend und Ungerechtigkeit um uns herum in unserem Leben geschieht, wissen wir gleichzeitig: Gott steht nicht hilflos daneben. Er weiß, was er tut, auch jetzt in deinem Leben.
Das ist die erste Schlussfolgerung hier: Weil Gott allmächtig ist, darum verliere deine Hoffnung nicht.
Implikation 2: Die Gefahr falscher Hoffnungen
Wenn Gott die höchste, allumfassendste Macht im Universum ist, bedeutet das im Umkehrschluss, dass alle anderen Mächte es nicht sind. Das führt uns zu unserer zweiten Beobachtung aus dem zweiten Teil dieses langen Textes: „Gott ist allmächtig, darum verlagere deine Hoffnung nicht.“
Hier ist die andere Möglichkeit: Es ist gut möglich, dass es ein großes Problem in deinem Leben gibt, du aber trotzdem sagst, alles sei gut und du bist zufrieden. Vielleicht sagst du das, weil dein Job noch gut läuft oder weil du dich fit und gesund fühlst. Oder wenn du morgens in den Spiegel schaust, denkst du vielleicht: „Sieht glänzend aus.“ Ich kenne das so nicht persönlich, aber es gibt Menschen, die so empfinden.
Oder du kommst heute Abend in die Gemeinde, und es ist gut möglich, dass die Leute dich fragen: „Wie geht’s dir?“ Und du antwortest: „Bestens, Gott sei Dank.“ Wegen all der guten Dinge in deinem Leben, die Gott dir gegeben hat. Diese Dinge können die Rolle übernehmen, die eigentlich Gott haben sollte. Sie werden der Grund deiner Hoffnung, die du als Christ ausstrahlst, die aber eigentlich nicht viel mit Gott selbst zu tun hat.
Von außen kann es so wirken, als hättest du großes Gottvertrauen. Doch vielleicht hast du das längst aufgegeben. Der eigentliche Grund, warum du optimistisch in die nächste Woche gehst, sind ganz andere Dinge in deinem Leben.
Das ist der zweite Teil, Kapitel 29 bis 32, der sich interessanterweise nur mit Ägypten beschäftigt. Er nimmt so viel Raum ein wie der erste Teil über alle anderen Völker zusammen. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass Ägypten nicht nur ein weiteres Sinnbild für einen Feind Gottes Volkes ist, der sie dazu bewegen könnte, ihre Hoffnung aufzugeben. Ägypten ist vielmehr ein Sinnbild für die Verführung Israels, seine Hoffnung auf etwas anderes als Gott zu setzen.
In der ganzen Geschichte Israels im Alten Testament ist Ägypten immer wieder die attraktive Alternative zu Gott. Das beginnt bei Abraham im verheißenden Land, als eine Hungersnot ausbricht. Was tut er? Er flieht nach Ägypten. Ein Kapitel später nimmt er das vermeintlich bessere Stück Land, das wie Ägypten aussah. Als Sarah unfruchtbar ist, kommt die Lösung, dass vielleicht ihre Magd Hagar aus Ägypten aushelfen könnte.
Auch in der Geschichte des Königreichs Israel ist es immer wieder so, dass Ägypten die naheliegendste Hilfe bei Problemen mit Nachbarstaaten ist. Wenn ihr die Propheten Jesaja, Jeremia und Hesekiel lest, findet ihr immer wieder die Warnung: Verlasst euch nicht auf Ägypten!
Durch die ganze Lebensgeschichte Israels hindurch ist Ägypten die attraktive, greifbare, scheinbar verlässlichere Alternative zu Gott – das schöne, mächtige Ägypten. Das kann auch bei uns der Fall sein.
Ägypten fragt dich vielleicht: Kann Gott dich wirklich glücklich machen ohne Ehepartner? Kann Gott dir wirklich Geborgenheit geben ohne ein eigenes Haus? Kann Gott dir wirklich Stabilität bieten ohne eine stabile Familie? Kann Gott dir wirklich Erfüllung schenken ohne Ansehen für deine Arbeit oder Ausbildung? Kann Gott deine Zukunft absichern, auch wenn du nur ein paar hundert Euro auf dem Konto hast?
Ägypten bietet dir an, dass die Liebe von anderen dir Stabilität gibt, statt die Liebe von Jesus Christus. Es bietet dir an, dass das Ansehen, das du durch deine Leistungen erhältst – vielleicht auch in der Gemeinde – dir Zufriedenheit verschafft, statt das Bild, das Jesus Christus von dir hat, der alles an deiner Stelle geleistet hat.
Es bietet dir an, dass dein Aussehen dir Selbstbewusstsein gibt, statt der Glaube an Jesus Christus, der dich bedingungslos wertschätzt und liebt. Dein Vermögen und deine klugen Investitionen sollen dir mehr Sicherheit geben als die Zusagen Gottes in seinem Wort.
Aber wenn Gott allein allmächtig ist, dann müssen die Hoffnungen, die diese Welt bietet, trügerisch sein. Sie haben nicht die Macht, ihre Versprechen einzuhalten. Deshalb wird uns Ägypten hier als eine scheinbar souveräne Macht mit viel Glanz und Stolz vorgeführt, die letztlich nicht hält.
Schaut noch einmal in Hesekiel Kapitel 29, Vers 3: So spricht der Herr: „Siehe, ich will an dich, Pharao, König von Ägypten, du großes Seeungeheuer, das inmitten seiner Ströme liegt, das sagt: ‚Mein Strom gehört mir, und ich selbst habe ihn mir gemacht.‘“
„Eh, Gott, ich lege Haken in deine Kinnbacken, ich werfe dich in die Wüste. Den Tieren der Erde und den Vögeln des Himmels gebe ich dich zum Fraß. Und alle Bewohner von Ägypten werden erkennen, dass ich der Herr bin. Weil du dem Haus Israels, meinem Volk, eine Stütze aus Schilfrohr warst. Wenn sie dich mit der Hand anfassten, knicktest du ein und rissest ihnen die ganze Schulter auf. Und wenn sie sich auf dich lehnten, zerbrachst du und ließest ihnen allen die Hüften wanken.“
Nach diesen Versen folgt eine sehr lange, eindrückliche Beschreibung, wie Gott dieses stolze und scheinbar mächtige Ägypten zermalmen wird. Vier ganze Kapitel lang wiederholt Hesekiel diese Gewissheit. Mal richtet sich die Botschaft an das ganze Volk, mal ist es ein Klagelied auf den Pharao, dann wieder anders formuliert. In meiner Bibelausgabe sind es sechs Seiten mit siebenundneunzig Versen, die uns eindringlich einprägen sollen: Die Hoffnung auf Ägypten ist trügerisch. Sie wird nicht halten, sie wird vergehen.
Das Einzige, was hält, ist Gott. Dein Vertrauen auf deine Fähigkeiten, dein Studium, deine Ausbildung oder deinen Arbeitsplatz zu setzen, ist trügerisch. Es ist gut, ein fleißiger Ingenieur zu sein oder zu werden. Aber eine Fehlentscheidung im Management, eine Finanzkrise oder ein Abgasskandal kann das Ende bedeuten.
Deine Hoffnung auf dein Studium und dein diszipliniertes Lernen zu setzen, so wichtig und gut es ist, ist trügerisch. Geht mal in die Altstadt bei eurem Evangelisationseinsatz und trefft vielleicht ein paar fleißige Studenten aus Syrien, denen ihr Studium hier in Deutschland jetzt nichts mehr bringt.
Dein Vertrauen auf deine große Liebe zu setzen, ist trügerisch, weil dein Ehepartner auch ein gefallener Sünder ist. Er kann dich nicht besser zufriedenstellen als Gott.
Dein Vertrauen auf dein Gehalt, auf deinen gut geführten Haushalt oder auf die guten Ausbildungs- und Zukunftsperspektiven deiner Kinder zu setzen, ist trügerisch. Es mag nicht so scheinen und dem widersprechen, was du siehst, aber die Hoffnung, dein Leben auf etwas anderes als Gott zu stützen, ist trügerisch.
Das ist besonders tragisch, weil eines Tages Gott all die falschen Hoffnungen dieser Welt zerbrechen wird – so wie Ägypten.
Schaut noch einmal in Kapitel 30, Vers 4: „Wehe dem Tag, denn nah ist der Tag, ja nah ist der Tag des Herrn, und das Schwert kommt gegen Ägypten. Zittern herrscht in Kusch, wenn der Erschlagene in Ägypten fällt und man seinen Prunk wegnimmt. Wenn seine Grundfesten niedergerissen werden, werden Kusch und Put und Lud und das ganze Völkergemisch und Kub und die Söhne des Bundeslandes mit ihnen durchs Schwert fallen.“
Irgendwann wird sichtbar sein, dass es eine große Täuschung war, das Leben auf etwas anderes als Gott zu stützen. Irgendwann werden alle, die ihre Hoffnung nicht auf ihn gesetzt haben, daran zerbrechen.
Gottes Mittel gegen die Verlagerung der Hoffnung
Was tut Gott, um uns davor zu bewahren? Ich möchte euch drei Dinge nennen, die Gott uns gibt, damit unsere Hoffnung nicht von ihm wegverlagert wird.
Nummer eins: Er gibt uns Jesus. Schaut, wie Israel verführt wurde – auch Jesus wurde durch die verlockenden Angebote dieser Welt versucht. Satan bot ihm an, ihn zu versorgen, als er Hunger und Durst hatte. Doch Jesus verwies auf den allmächtigen Gott. Satan bot ihm Schutz in Gefahr an, aber Jesus verwies wieder auf den allmächtigen Gott. Satan versprach ihm Ansehen und Zufriedenheit durch den Wohlstand dieser Welt, doch Jesus verwies erneut auf den allmächtigen Gott.
Jesus hatte einen klaren, ungetrübten und unabgelenkten Blick auf die Allmacht Gottes. Deshalb fiel er nicht auf die schnellen, scheinbaren Lösungen Satans ein. Weil er daran festhielt, dass Gottes Macht und Gottes Plan vollkommen sind – selbst wenn dies kurzfristig Verzicht, Leid und Schmerz bedeutet – errang er den Sieg über all diese Versuchungen am Kreuz auf Golgatha. So können alle, die ihre Hoffnung auf diesen Jesus Christus setzen, erlöst werden von einem Leben, das seine Hoffnung auf etwas anderes als Gott setzt.
Das ist das Grundproblem unseres Herzens, das Grundproblem der Sünde: unsere Hoffnung auf irgendetwas anderes zu setzen als auf ihn – selbst wenn es nur auf uns selbst ist. Und nicht nur das: Er erlöst uns nicht nur von dieser Tendenz, von diesem Zwang, unsere Hoffnung weg von Gott, unserem Schöpfer und Herrn, zu verlagern. Er verändert uns auch durch sein Wort, sodass Jesus die einzige lebendige Hoffnung und der Grund unserer Freude wird.
Gott gab uns Jesus als den einzigen Weg, durch den Leben in der Hoffnung auf Gott möglich ist. Doch das geschieht nicht automatisch. Manchmal ist Jesus zwar irgendwie da, theoretisch, aber der Werbeprospekt im Briefkasten oder die Anzeige auf dem iPad scheint doch näher.
Sobald Gott weiß, dass wir so versucht sind, gibt er uns Prüfungen – das ist der zweite Punkt. In seiner Gnade bewahrt er uns davor, unser Vertrauen nicht vollständig auf ihn, nicht vollständig auf Jesus zu setzen. Es kann sein, dass Gott einmal über deinen Kontostand, deinen Job, deine Karriere, deine Beziehung oder deine Gesundheit sagt: „Ich werfe dich in die Wüste.“
Weil du meinem Kind eine Stütze aus Schilfrohr warst, lasse ich es schmerzhaft erfahren, dass du einknickst, wenn man sich auf dich verlässt. So soll es verstehen und glauben: Ich bin der Einzige in diesem Universum, der so viel Macht hat, dass er immer und absolut hält.
Es ist möglich, dass er aus Liebe und Gnade uns Prüfungen gibt, weil er weiß, dass wir schwach sind und leicht zu beeinflussen. Auch in unserem Leben mit Jesus gibt er uns ein drittes Geschenk: Er gibt uns die Gemeinde.
Vielleicht fragst du dich: Muss das wirklich sein? Jede Woche hier zusammenzukommen, Gottesdienst am Sonntag, dann noch morgens, vielleicht sogar zusätzlich abends, dazu Kleingruppen jede Woche und Gebetstreffen. Brauchen wir wirklich so viele Lieder, Predigten und so viel Gemeinschaft?
Warum? Weil wir vergessen. Wir brauchen eine hörbare, spürbare, greifbare und ständige Erinnerung an das, was wirklich zählt und worauf es wirklich ankommt. Deshalb ist es gut, wichtig und eine Gabe Gottes, hier zusammenzukommen, zu singen: „Halleluja, Christus ist der Herr, nichts brauche ich noch mehr.“
Mitten in meinen Gedanken und meiner Woche wiederzuhören, mit anderen Dutzenden oder Hunderten zusammen zu bekennen, die Bibel aufzuschlagen und zu sehen und zu glauben: Ja, Gott ist wirklich so großartig. Tausend Likes auf Facebook sind dagegen unbedeutend.
Die Gemeinde ist ein Geschenk Gottes, das dir hilft, gemeinsam daran zu erinnern, unsere Hoffnung nicht von Gott wegzuverlagern.
Die verheissene Zukunft für die Hoffnung auf Gott
So acht lange, komplizierte Kapitel mit eigentlich einer einfachen Botschaft: Die alles überragende Macht Gottes ist der Grund für deine Hoffnung.
Das ist lebenswichtig, weil wir – wie Israel – in dieser Spannung leben. Wir schwanken zwischen dem Verlust unserer Hoffnung und dem Verlegen unserer Hoffnung auf etwas anderes.
Schau zum Schluss genau in der Mitte zwischen diesen zwei Teilen: den Prophezeiungen über die Völker in Kapitel 25 bis 28 und dann über Ägypten in den Kapiteln 29 bis 32. Genau in der Mitte richtet Hesekiel noch einmal den Blick in die Zukunft derer, die ihre Hoffnung völlig auf Gott, in Jesus Christus, setzen werden.
Kapitel 28, Vers 24. Hier kommt diese Wahrheit zusammen, in der Mitte zwischen beiden Teilen:
„Für das Haus Israel soll es nicht mehr einen stechenden Dorn und einen schmerzenden Stachel geben, von allen Nachbarn um sie her, die sie verachten. Und sie werden erkennen, dass ich der Herr bin.“ So spricht der Herr, Herr.
„Wenn ich das Haus Israel aus den Völkern sammle, unter die sie zerstreut worden sind, und ich mich an ihnen vor den Augen der Nationen als heilig erweise, dann werden sie in ihrem Land wohnen, das ich meinem Knecht Jakob gegeben habe.“
Eines Tages, wenn die Herrschaft und Macht von Jesus Christus vollkommen über alles und für alle sichtbar sein wird, dann wird es keinen Grund mehr geben, angesichts einer Übermacht von Sorgen die Hoffnung zu verlieren.
Und dann wird es keinen Grund mehr geben, angesichts scheinbar besserer Alternativen die Hoffnung zu verlagern.
Eines Tages gilt:
„Und sie werden in Sicherheit darin wohnen und Häuser bauen und Weinberge pflanzen, und sie werden in Sicherheit wohnen, wenn ich Strafgerichte geübt habe an allen, die sie verachteten aus ihrer Umgebung. Und sie werden erkennen, dass ich der Herr bin, ihr Gott.“
Das heißt übersetzt: Die hier ihre Hoffnung auf Jesus Christus setzen, werden einmal für immer ungetrübt genießen, was sonst niemand ihnen bieten kann – die Sicherheit und Zufriedenheit in der Gegenwart von einem allmächtigen Gott.
Beten wir zusammen:
Vater, wir danken Dir für diese Wahrheit, die gut und notwendig ist in jedem Moment unseres Lebens.
Und ich bete, dass du uns durch deinen Geist daran erinnerst, deine Macht und Herrlichkeit, die du uns offenbart hast, in Jesus Christus vor Augen zu haben – in jedem Schritt, den wir gehen dürfen, mit dir, zu dir und für dich.