Verehrte, liebe Freunde! Es gibt weniger beachtete Weihnachtsgeschichten in der Bibel. Zum Beispiel in Johannes 18 sagt Jesus: „Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit eintreten und die Wahrheit bezeugen soll.“ Dazu ist Jesus geboren.
Deshalb sind wir auch heute Morgen beieinander, damit wir Wahrheit hören und unser Gewissen, unser Herz und unsere Empfindungen neu auf die Wahrheit ausgerichtet werden.
Ich spreche nicht gern von Weihnachtsgeschichten. Unser Lehrer hat einst, im Jahr 1937, gesagt, wir feiern kein Christfest, sondern das Julfest. Damals sollte man die Menschen wieder ins Germanentum hineinführen. Seitdem habe ich eine besondere Empfindung dafür entwickelt, und das gilt heute umso mehr.
Je weniger die Welt von Christus redet, desto mehr wollen wir vom Christfest sprechen. Christ, der Retter, ist da.
Weniger bekannte Perspektiven auf Weihnachten
Die zweite große, weniger bekannte Christfestgeschichte steht in Galater 4. Ich möchte Sie bitten, die Bibel aufzuschlagen, denn wir haben eine Bibelarbeit und wollen gemeinsam an der Bibel arbeiten.
Im Galaterbrief, Kapitel 4, sagt der Apostel Paulus in den Versen 4 und 5:
„Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan, damit er die, die unter dem Gesetz waren, erlöste, damit wir die Kindschaft empfingen. Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsere Herzen, der schreit und ruft: Abba, lieber Vater!“
Jetzt wollen wir einfach Zeile für Zeile dem Text ein wenig nachgehen, beginnend mit „Als die Zeit erfüllt war“.
Atempausen in Geschichte und Leben
Teil eins möchte ich mit Ihnen ein wenig darüber sprechen.
Es gibt in der Weltgeschichte Atempausen, ebenso in persönlichen Lebensphasen. Solche Atempausen wirken zunächst so, als seien sie erfüllte Zeit.
Denken wir daran, als wir geboren wurden. Als unsere Mütter uns zur Welt brachten, dachten sie: Jetzt ist es geschafft. Dieses herzige Kind – wenn wir es ansehen, erinnern wir uns an die Freude: Mein Kind ist geboren, gesund. Doch bald kamen die Sorgen. Wenn das Kind nicht richtig trinken wollte, wenn es das Gehen lernte, das Sprechen. Dann folgten die Schulsorgen: Findet es den richtigen Lebensgefährten, den passenden Beruf? Es war eine Atempause nach der Geburt.
Ich erinnere mich noch, als die letzten Kriegsgefangenen aus der russischen Gefangenschaft zurückkamen. Adenauer hatte sie damals freigekauft. In Friedland läuteten die Glocken. „Nun danket alle Gott.“ Ach, jetzt ist der Krieg vorbei, dachten alle, die das miterlebten. Wenn heute im Fernsehen davon berichtet wird, steigen vielen die Tränen in die Augen. Jetzt ist das Schrecken vorbei.
Aber was war mit den Kriegerwitwen? Was mit denen, die schwer krank aus der Gefangenschaft zurückkamen und nicht mehr in ihr früheres Leben fanden? Was mit denen, deren Ehe zerbrochen war? Das war eine Atempause – aber noch keine erfüllte Zeit.
Der Wiederaufbau – wie sind wir ihn angegangen? Als junger Mann habe ich Steine gekratzt und die ersten Häuser wieder aufgebaut. Dann kam das Wirtschaftswunder. Plötzlich konnte man alles kaufen. Supermärkte wie in Amerika entstanden – zum Beispiel in Langensteinbach: Edeka, neben Aldi und Lidl in großer Fülle.
Unser Kanzler des Wirtschaftswunders, Wirtschaftsminister Erhard, ist in Schwermut gestorben. Vielleicht dachte er, er habe das deutsche Volk auf einen falschen Weg geführt, auf einen Weg, auf dem nur noch das Materielle zählt.
Atempause – das ist noch keine erfüllte Zeit.
Ich habe gestern erwähnt, dass ich 1961 als jüngster Delegierter an der Weltkirchenkonferenz in Neu-Delhi teilnehmen durfte. Damals, 1961, wurden die Staaten Afrikas und Asiens in die Selbständigkeit entlassen. In der Euphorie der Selbständigkeit standen Länder wie Indien, Pakistan, Nigeria und Tansania im Fokus.
Auf unseren Tischen als Delegierte lag nur eine politische Entschließung, zu der wir Stellung nehmen konnten. Es war damals das Problem Angola. Sonst gab es 1961 weltpolitisch kaum Probleme.
Wenn wir zurückblicken, sehen wir auch in der Weltgeschichte Atempausen.
Vierzehn Jahre später, bei der Weltkirchenkonferenz in Nairobi, hatten wir 364 Resolutionen zu Weltproblemen. Einige betrafen Gegenden der Welt, von denen wir kaum wussten, wo sie überhaupt liegen.
Es gibt Atempausen – aber sie sind noch keine erfüllte Zeit.
Geistliche Atempausen und die Erwartung des Reiches Gottes
Und Paulus sagt: „Als aber die Zeit erfüllt war…“ Es gibt auch im Geistlichen Zeiten der Atempause.
Ich komme aus Württemberg, und meine Sprache verrät es. Ich stamme aus Korntal, einer Gemeinde, die 1819 gegründet wurde. Innerhalb der Landeskirche war sie eine gewisse selbständige Gemeinde. Dort war die Erwartung groß für das Jahr 1836.
Man munkelte, Johann Albrecht Bengel, der große Bibelausleger, habe die Wiederkunft unseres Herrn für das Jahr 1836 vorausgesagt. Er lebte hundert Jahre zuvor und sagte nicht, dass Jesus wiederkommt, sondern dass in diesem Jahr bessere Zeiten für das Reich Gottes anbrechen würden.
Und tatsächlich entstanden damals Rettungshäuser für Straßenkinder sowie die ersten diakonischen Einrichtungen für Blinde, Schwerhörige, behinderte Kinder und alte Menschen. Der Gründer von Korntal hatte entdeckt, dass Witwen besonders schlecht dran sind, und baute ein Auffanghaus für Witwen.
Das Reich Gottes begann in Württemberg. Man spricht vom Reichsgotteszeitalter, das von Korntal ausging – wenn auch nur für eine gewisse Zeit. Es war eine Atempause in der Mitte des 19. Jahrhunderts für das Reich Gottes.
Ludwig Hofacker hatte die Erweckung nach Württemberg gebracht. Er war ein großer Prediger, doch es war noch nicht die erfüllte Zeit.
Schluss jetzt mit Teil 1. Atempause gibt es, aber erfüllte Zeit ist etwas anderes.
Die Bedeutung der erfüllten Zeit zur Geburt Jesu
Paulus spricht in Zahl 2 von der erfüllten Zeit, vom Höhepunkt, von dem Moment, in dem die Zeit ihren Höhepunkt erreicht hat. Es ist die Spitze dessen, worauf Gott zugehen will.
In Tübingen hatten wir einen frommen Professor für das Neue Testament, Martin Hengel. Er sagte immer, dass man, rein menschlich betrachtet, eine ideale Zeit hätte auswählen können, in der der Retter der Welt geboren werden sollte. Diese Zeit wäre um das Jahr null gewesen. Wir rechnen ja immer noch vor und nach Christi Geburt. Genau diese Zeit hätte man auswählen müssen.
Damals herrschten hundert Jahre Frieden im Römischen Reich – etwas, das in der Weltgeschichte unvorstellbar ist. Heute sind wir froh, dass wir in Deutschland schon 70 Jahre Frieden haben. Damals aber reichte der Friede von Ägypten bis Britannien.
Im Römischen Reich war Griechisch die gängige Sprache. So wie heute viele junge Leute vor allem Englisch sprechen, wurde damals Griechisch als Hauptsprache verwendet. Die Menschen ließen einander leben. Sogar die Religion aus Jerusalem, das Judentum, wurde in Rom angesehen und geduldet.
Das römische Reich war durch ein beeindruckendes Straßennetz verbunden. Noch heute gibt es in den Heimatregionen der Römer Spuren von Römerstraßen. Die Römer bauten großartige Straßen quer durch Europa und rund um das gesamte Mittelmeer.
Wenn die Nachricht vom Retter der Welt verbreitet werden sollte, war dies die ideale, erfüllte Zeit. Quer durchs römische Reich wartete man sehnsüchtig auf einen Erlöser. Kaiser Augustus bezeichnete sich selbst als Soter, als Retter, weil er wusste, dass ein Warten darauf bestand, wann endlich der wahre Retter der Welt kommen würde.
Als die Zeit erfüllt war, sagte Martin Hengel, war es wie ein längst vorbereitetes Bettchen für den Retter der Welt, in das er hineinkommen konnte.
Doch der Apostel Paulus meint noch mehr, wenn er von der erfüllten Zeit spricht.
Persönliche Erfahrungen mit dem Begriff der erfüllten Zeit
Nebenbei bemerkt, bin ich derzeit beeindruckt von der persönlichen Korrespondenz, die Helmut James Graf von Moltke mit seiner Frau Freya von Moltke geführt hat. Dies geschieht vor dem Hintergrund seiner Hinrichtung nach dem 20. Juli 1944. Er war einer, der vorausschauend plante, wie der geistige Wiederaufbau Deutschlands nach dem Krieg aussehen sollte. Aus diesem Grund wurde er vom Volksgerichtshof angeklagt und zum Tode verurteilt.
Die beiden haben erstaunliche Briefe vom Gefängnisseelsorger heraus- und hineingeschmuggelt. Freya von Moltke bestimmte, dass die Briefe erst nach ihrem Tod veröffentlicht werden dürfen. Sie ist erst vor einem Jahr gestorben, weshalb die Briefe jetzt erst veröffentlicht wurden – und sie sind tief bewegend.
Helmut James Graf von Moltke hatte eigentlich von Jugend an wenig mit Kirche, Bibel und Jesus zu tun. Er war ein traditioneller Christ, der an Heiligabend und Karfreitag, wie damals üblich, als Gutsherr von Greisau die Gottesdienste besuchte. Im Gefängnis begann er jedoch, die Bibel zu lesen. Er sagte zu seiner Frau, sie sollten sich vornehmen, jeden Tag drei Kapitel in der Bibel zu lesen. Das besprachen sie miteinander.
Mich erstaunt immer wieder, was diesen Mann, der kaum mit der Bibel vertraut war, plötzlich so an der Bibel faszinierte. Er sagte, unübertroffen sei der Apostel Paulus – genau wie wir gerade. Bei Paulus gibt es ständig Rückverweise auf das Alte Testament und auf die Worte Jesu. Man muss diese mithören. Es ist, als ob Paulus eine Saite anreißt und plötzlich erklingen die Töne des Alten Testaments und die Worte Jesu mit. Jemand, der kaum mit der Bibel vertraut war, spürte das.
Hoffentlich wachsen auch wir so in die Bibel hinein, dass uns das plötzlich elementar bewusst wird. Er sagte: Bei jedem Wort des Paulus hört man schon Weissagungen auf Jesus im Alten Testament, die erfüllt sind – wieder das Stichwort „erfüllte Zeit“.
Woran hat Paulus wohl gedacht, als er sprach, dass die Zeit erfüllt sei? „Siehe, schau, es kommt die Zeit, da will ich mit dir einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund, der mit den Vätern geschlossen wurde. Sondern das soll der neue Bund sein. Ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihre Sünden vergeben. Sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein.“ Das ist jetzt erfüllt, was vom Propheten Jeremia angekündigt wurde (Jeremia 31).
Auch Jesaja 9 sagt: „Siehe, es wird eine junge Frau schwanger werden und einen Sohn gebären, und bei ihm wird wahr werden: Gott mit uns, Immanuel.“ Jetzt ist Gott persönlich da. Das ist erfüllt, was der Prophet Jesaja schon 700 Jahre vor dem Kommen Christi geschaut hat.
Oft gibt es beim Propheten Hesekiel das Bild eines offenen Brunnens, eines offenen Quells gegen alle Unreinigkeit. „Und es wird die Missetat meines Volkes weggenommen werden.“ Das ist bei Jesus erfüllt, was Hesekiel vorausgeschaut hat.
Beim Propheten Sacharja, mit dem wir uns gestern beschäftigten, heißt es: „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm.“ Entscheidend ist, dass er arm sein wird – in Jesus erfüllt. Erfüllte Zeit, als die Zeit erfüllt war – ein Moment zum Atem anhalten, weil bei Gott alles auf diesen Punkt zulief.
Helmut James Graf von Moltke sagte in seinem persönlichen Erleben, dass Gott sich so viel Mühe gegeben hat für die eine Stunde, in der er vor dem Volksgerichtshof vor Freisler stand. Der Präsident des Volksgerichtshofs fragte ihn: „Von wem empfangen Sie Ihre Befehle, von Adolf Hitler oder von Jesus?“ Und da durfte er noch im Volksgerichtshof bekennen: „Von Jesus.“
„Mein Liebes“, schrieb er seiner Frau, „dass sich Gott so viel Mühe für mich gegeben hat, für diesen Augenblick.“ Für ihn persönlich war es erfüllte Zeit. Paulus meint jedoch, dass es erfüllte Zeit für unsere Welt war, als Gott seinen Sohn sandte.
Die Menschwerdung des Sohnes Gottes
Nun wollen wir den zweiten Satz im Galaterbrief Kapitel 4 als einen dritten Teil betrachten, über den wir nachdenken möchten: „Da sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau.“
Einer wie wir – so unterschiedlich unsere Lebensschicksale auch sein mögen, das haben wir gemeinsam: Wir sind geboren von einer Mutter. Seht, wie tief sich der Höchste hier beugt, wie tief einer wie wir, der doch so anders ist als wir, sich herablässt. Damit wird uns klar, dass wir, die wir eine Mutter haben, die Adressaten von Gottes Hilfe sind.
Gott sandte seinen Sohn nicht zu den Vollkommenen, nicht zu den Superklugen. Er fragte nicht nach unserem Intelligenzquotienten. Die Adresse der Hilfe Gottes sind diejenigen, die vom Weib geboren sind.
An zwei Stellen wird deutlich, dass der Herr Jesus uns Menschen meint, wenn er von seiner Hilfe spricht: Zum einen bei seiner Geburt „vom Weib geboren, von einer Frau geboren“, zum anderen beim Sterben. Der Herr Jesus hat auch den Tod durchlitten, so wie jeder von uns einmal sterben wird, sterben muss.
Doch seitdem der Herr Jesus als Hilfe Gottes vom Vater zu uns gesandt wurde, können selbst diese beiden grundlegenden Daten unseres Lebens anders aussehen.
Vor wenigen Wochen ist der Bruder Dr. Rolf Dannbaum in Heidelberg gestorben, zuletzt Pfarrer an der Kapellengemeinde und früher Direktor der Sekretärsschule des CFHM. Auf seiner Todesanzeige stand: „Geboren zum Sterben am 25. Februar 1925, gestorben zum Leben am 15. November 2011.“
Wir sterben nicht einfach, damit es aus ist, sondern wir sterben zum Leben. Dazu hat Gott uns Menschen, die wir geboren sind und sterben müssen, als Adressaten bestimmt. „Für euch, für euch ist es gegeben.“
Da sandte Gott seinen Sohn. Jesus hat einmal im Gleichnis von den Weingärtnern davon gesprochen, dass Gott seine Propheten zum Volk Israel geschickt hat, um sie daran zu erinnern: „Ihr sollt Frucht bringen und mir Frucht bringen.“ Doch sie hörten nicht darauf, sie schmähten die Boten Gottes.
Da sprach der Herr des Weinbergs: „Ich habe noch einen, meinen lieben Sohn, den werden sie hören.“ Hier merken wir, was Gott bewegt hat. Er hat das Beste, was er geben kann, noch nicht zurückgehalten, um die Menschheit zu wecken.
Das steht hinter diesem Satz des Paulus: „Da sandte Gott seinen Sohn.“ Helmut James Graf von Moltke hat Recht, wenn er sagt, dass hier so vieles mitschwingt.
Wenn wir über diese Worte nachdenken, taucht plötzlich das Gleichnis von den Weingärtnern auf. Da jammert Gott in Ewigkeit.
Martin Luther hat in seinem großen Lied, das ich gestern schon angedeutet habe, geschrieben:
„Nun freut euch, lieben Christengemein, und lasst uns fröhlich springen.“
Doch zugleich heißt es:
„Da jammert Gott in Ewigkeit mein Elend ohne Massen unermesslich.“
Sehen Sie das Elend, das Paulus im Römerbrief Kapitel 7 beschreibt: Das Gute, das ich will, das tue ich nicht; das Böse, das ich gar nicht will, das tue ich. Die Worte, die mir herausrutschen, der Zorn, die Ungeduld, mein Neid – das Böse, das ich nicht will, das tue ich. „Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen?“
Da jammert Gott in Ewigkeit: „Mein Elend ohne Massen.“ Er dachte an seine Barmherzigkeit, er wollte mir helfen. Er wandte sich mir mit dem Vaterherz zu – das war für ihn kein Scherz. Er ließ sein Bestes kosten.
Das steht über unserem Christfest: Voll Staunen dürfen wir erkennen, dass Gott sein Bestes ließ kosten. „Ich habe noch einen, meinen lieben Sohn.“ Er sandte seinen Sohn.
Herausforderungen und Hoffnungen im Glauben heute
Teil vier
Zuerst haben wir über Atempausen gesprochen, zweitens darüber, was wirklich erfüllte Zeit ist, und drittens haben wir darüber nachgedacht, da sandte Gott seinen Sohn.
Man sollte viel mehr erschrecken über das, was mit dem Islam über die ganze Welt und nun auch zu uns kommt, als es die Christenheit hier tut. Eine Religion, die die Weltherrschaft anstrebt, sollte uns alarmieren. Doch das Gute daran ist auch, dass der Islam uns neu bewusst macht, was wir am Sohn Gottes haben.
Wenn der Islam sagt, Gott habe keinen Sohn, so sagen doch die alten christlichen Bekenntnisse: „Vom Vater in Ewigkeit geboren“. Der Sohn gehört schon vor aller Zeit zu Gott, er ist ein Teil Gottes.
Eine große theologische Lehre meiner Generation, Karl Barth, hat gesagt, dass schon in der Schöpfungsgeschichte ein Hinweis darauf steckt, wie eng Jesus als der Sohn Gottes zum Vater gehört. Wenn es dort heißt: „Lasst uns Menschen schaffen“, dann ist nicht nur ein „Ich“ gemeint, sondern ein „Wir“. Jesus ist schon mit hineingenommen in den Schöpfungsprozess.
Die Bekenntnisse sagen: Vor aller Zeit, vor der Grundlegung der Erde – im Epheserbrief heißt es, du hast uns geliebt, deshalb sandte Gott seinen Sohn.
Die Sohnesgeschichten in der Bibel zeigen das auch, etwa über den missratenen, rebellischen Sohn Absalom. Der Vater klagt: „Absalom, beni, beni Absalom“, was heißt: „Mein Sohn Absalom.“ Gott wollte, er wäre für ihn gestorben. So können Väter an ihren Söhnen, an ihren Kindern hängen.
Die Abraham-Geschichte sagt: „Nimm deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, geh auf den Berg Moria.“ Weil Abraham seinen einzigen Sohn nicht verschont hat, wird das in Römer 8 aufgenommen. Dort steht, was erst in Mose 22 steht: Er hat seinen eingeborenen Sohn nicht verschont – und nicht nur Abraham, sondern der ewige Gott hat seinen eingeborenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle dahingegeben.
Wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?
Gott sandte seinen Sohn, den, der mit dem Vater so vertraut war. Im sogenannten Hohen Priesterlichen Gebet, Johannes 17, heißt es deutlich: „Vater, ich will, dass die bei mir seien, die du mir gegeben hast.“ Wir wünschen uns, dass wir alle zu denen gehören, die der Herr Jesus vom Vater gegeben sind.
Jesus hat diesen heiligen Willen: „Vater, ich will, dass die bei mir seien, die du mir gegeben hast, dass sie meine Herrlichkeit sehen. Vater, du hast mich geliebt, ehe die Welt gegründet war“ (Johannes 17). „Vater, dass sie eins seien, gleich wie wir, Vater, du in mir und ich in dir.“ Der Sohn ist aufs Engste verbunden mit dem Vater.
Dem Sohn musste man nicht sagen, das musst du tun. Der Herr Jesus brauchte eigentlich kein Gesetz, keine Gebote Gottes. Jesus hat einmal gesagt: „Der Sohn kann nichts von sich selbst tun. Was er den Vater tun sieht, das tut auch der Sohn.“ Es war eine Gleichgestimmtheit.
Er brauchte keine Befehle von Gott, keine Warnung: „Das tut man doch nicht.“ Er war mit dem Vater aufs Engste verbunden.
Die Rettungsaktion Gottes durch Jesus Christus
Diesen Sohn hat Gott sich vom Herzen gerissen zu der Rettungsaktion, sondersgleichen. Es wird immer wieder gesagt, gerade in unseren Tagen, dass wir nicht verstehen, was es eigentlich bedeutet, dass Jesus in die Welt kommt und für unsere Sünden stirbt. Das ist schwer zu begreifen für unser kleines Gehirn.
Unser lieber Bruder Ayid Fernando, ein leitender Christ in Sri Lanka, früher Ceylon genannt, hat gesagt: Wir haben das Geheimnis der Stellvertretung schon in unserem Blut, das uns durchpulst. Wenn ein Infekt auch nur durch die kleinste Wunde eintritt, dann wird eine Blutvergiftung, also das Sterben des ganzen Körpers, verhindert. Das geschieht dadurch, dass die wenigen weißen Blutkörperchen, die im Vergleich zu den roten Blutkörperchen nur eine kleine Menge ausmachen, sich auf den Eindringling, die Infektion, stürzen und lieber ihr eigenes Leben geben. Dieses Leben, das sie opfern, bezeichnen wir später als Eiter. Dabei handelt es sich um die gestorbenen, im Kampf getöteten weißen Blutkörperchen, die sich auf die Eindringlinge gestürzt haben, damit der Körper erhalten bleibt.
So hat Ayid Fernando gesagt: Wir haben in unserem Blut, das uns durchpulst, schon das Geheimnis der Stellvertretung. So hat Gott gesagt: Jesus, gib dich hinein in diese von der Sünde durchwirkte, vergiftete Welt, damit Menschen erhalten bleiben und mit dir leben können.
Jesus hat einmal seinen Zeitgenossen gesagt: Wer Sünde tut, der ist der Sündeknecht. Ihr gehört euch doch nicht selbst, auch wenn ihr meint, ihr könntet euer Leben selbst bestimmen. Aber wir wissen oft, dass wir eigentlich sagen: „Ich weiß gar nicht, wie ich dazugekommen bin, diese Dummheiten zu machen. Es ist über mich gekommen, ich bin mitgerissen worden, ich wollte doch gar nicht.“ Jesus sagt: Der Sklave der Sünde ist gefangen, aber wen der Sohn freimacht, der ist wirklich frei.
Liebe Brüder und Schwestern, wir sind beieinander, und hier werden wir uns ganz neu gewiss machen lassen, dass Jesus uns freimachen kann. Weil er vom Vater gesandt wird, ist er noch einmal ganz anders als die weißen Blutkörperchen gegen den Eindringling. Nicht wir mit unserem guten Willen oder unseren Vorhaben kämpfen, sondern er kämpft für mich.
Wir können mit dir, du starker Heiland, beten: Du musst uns den Sieg legen. Mit dir dürfen wir so beten.
Der Zweck der Sendung Jesu und die Kindschaft der Gläubigen
Wozu ist Jesus in die Welt gesandt?
Jetzt sind wir beim Abschnitt 5. Im Vers 5 wird auch auf Galater 4 verwiesen: Damit er die, die unter dem Gesetz waren, erlöste, damit wir die Kindschaft empfingen. Das hat der Herr Jesus klar gemacht.
Er sagt: „Ich bin der Weg“ (Johannes 14). Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater ohne mich. Aber mit mir kommt man zum Vater – nicht nur zu einem heiligen, ewigen Gott, sondern zum Vater selbst. Mit mir kommt man zu ihm. Ich nehme euch mit, damit ihr wirklich von Gott angenommen seid als seine Kinder. Nicht mehr Sklaven der Sünde, sondern von Gott adoptiert, angenommen, akzeptiert und in die Arme genommen.
Darauf verstand der Herr Jesus, als Maria Magdalena ihn erkannte. Sie sagte: „Jesus, mein Herr, Rabbi, Rabbuni.“ Jesus antwortete: „Halt, es ist noch nicht die Stunde zum Umfangen. Die kommt einmal in Ewigkeit, aber ich fahre zuerst auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“
Die Frucht des Sterbens Jesu ist, dass er als unser gesandter Sohn uns hineinnehmen kann in die Sohnschaft, uns ganz eng mit hineinnimmt.
Ich muss Ihnen gestehen: Ich habe ein Leben lang etwas schwer damit getan, das Grundgebot zu verstehen, dass wir Gott lieben sollen von ganzer Seele und mit all unseren Kräften. Jesus hat ja alle Gebote im Alten Testament zusammengefasst: Du sollst Gott lieben, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit all deinen Kräften und mit ganzem Gemüt.
Ich hatte immer etwas Respekt vor Gott, vor einer Autorität, und fragte mich, ob ich vor ihm bestehen kann. Jahrelang habe ich mir vorgestellt: Wenn ich dann zitternd vor dem heiligen Gott stehe und alles offenbar wird, was in meinem Leben falsch war – und das ist sehr viel –, dann steht Jesus auf und sagt: „Vater, für den trete ich ein.“
Inzwischen ist mir klar geworden, dass es gut ist, manchmal alt zu werden, damit der Herr Jesus einem noch manches klar machen kann. Ich darf nicht unterscheiden zwischen dem heiligen Gott, der Autorität, und dem lieben Herrn Jesus. Wenn ich vor den Vater trete, wird das Angesicht des himmlischen Vaters vor Freude strahlen, weil sein ewiger Plan bei mir, dem kleinen Rolf Schepfuch, zum Ziel gekommen ist: dass ich mit Jesus lebe.
Dazu hat er den Sohn gesandt. Bei ihm hat es Wert gehabt – bei mir und hoffentlich auch bei Ihnen. Sie können darauf vertrauen: Wenn Sie Jesus haben, muss er nicht erst für Sie eintreten. Wenn Sie Ihr Leben mit Jesus angenommen haben, den Gott gesandt hat, dann wird der Vater strahlend vor Freude sagen: Mein Plan der Rettung der Welt ist bei dieser Frau, diesem Mann zum Ziel gekommen.
Seitdem kann ich in meinem Gebet voll großer Freude auch sagen, wie Paulus sagt: „Abba, lieber Vater.“ Nicht nur Respekt, sondern du guter Vater, der du so gut mit mir gemeint hast, dass du den Sohn von deinem Herzen gerissen hast und mir gesandt hast, lieber Vater, damit ich mich auf die Ewigkeit freuen kann.
„Darf kein Gerichte scheuen“, sagt Paul Gerhard, „wie sonst ein Sünder tut. In ihm kann ich mich freuen, hab einen Heldenmut, weil der Vater sich freut, aber lieber Vater.“
Paulus hat das in Römer 8 immer wieder aufgenommen: Wir dürfen „Papa“ sagen, voll großer Dankbarkeit und Liebe zu Gott. Das ist das Ziel.
Die Bedeutung des Gesetzes und die Nachfolge Jesu
Aber jetzt haben wir noch einen Satz nicht beachtet: „Geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan.“ Das Gesetz war, wie Paulus gerade im Galaterbrief sagt, ein Zuchtmeister. Es sollte uns ein wenig beim Heiligen Gott halten, damit wir nicht in die gröbsten Sünden hineinfallen.
Und Israel hat sich daran gehalten. Das Gesetz sagte: Das darf man nicht tun, das muss man lassen, lass die Finger davon und tu das Gute. Es war der Zuchtmeister.
Aber jetzt sagt Paulus: Als die Zeit erfüllt war, können wir das tun, was Gott wichtig ist – aus Liebe. Wir brauchen nicht mehr die Befehle.
Lassen Sie mich ein einfaches Beispiel gebrauchen. Als unser Vater von sechs Kindern weg und in französischer Kriegsgefangenschaft war – ich war der älteste von sechs Geschwistern – habe ich manchmal dumm gedacht: Wenn es mir schließlich gelungen war, als Fünfzehnjährigem einen Bezugschein für ein paar Holzklötze zu bekommen und diese mit unbrauchbarem Werkzeug zu spalten, dachte ich: Hoffentlich sieht jetzt der Vater von Frankreich aus, was für ein feiner Kerl ich bin, dass ich für die Familie sorge, wenn er nicht da ist.
Verstehen Sie, alles, was ich getan habe, besonders als Stellvertreter des Vaters, dachte ich: Wenn der Vater das wüsste, hätte er Freude daran. Ich habe es nicht getan, weil man es tun musste oder weil die Mutter gesagt hat: „Endlich besorgt hoffentlich einer Holz, hoffentlich besorgt uns einer den Bezugsschein, hoffentlich sorgt einer so.“ Ich habe es aus Liebe getan.
Es ist ein einfaches Beispiel, aber es ist viel mehr so. Wenn wir so mit dem himmlischen Vater verbunden sind, möchten wir ihm doch keinen Kummer machen. Doch nicht bloß, wenn er den Zeigefinger hebt: „Das macht man als rechter Christ nicht, das tut man als Evangelikaler nicht.“ Nein, ich möchte dem Vater Freude bereiten. Voller Freude sieht er auf mich herab.
Das sollte uns bestimmen, wenn wir singen: „Christ, der Retter ist da.“ Als die Zeit erfüllt war, davon leben wir bis heute. Gott hat seinen Sohn gesandt, sich losgerissen von seinem Herzen, von einer Frau geboren, damit wir, die wir Mütter haben, wissen: Wir sind die Adressaten. Und er hat ihn unter das Gesetz getan, damit wir die Kindschaft empfingen.
Jesu Gehorsam und die Verheißung der Erhöhung
Was ist gemeint mit dem Gesetz? Dem Herrn Jesus muss man nicht sagen: Du sollst den Vater lieben von ganzem Herzen und den Nächsten. Das hat Jesus automatisch aus Liebe zum Vater getan.
Aber was war denn die Gesetzmäßigkeit? Zum Beispiel steht in 2. Mose 34, als Mose sagte: „Für das gottlose Volk, lieber Gott, wenn du das Volk austilgen willst, bin ich bereit, stellvertretend für das Volk zu sterben.“ Das heißt im Psalm: Er warf sich in die Bresche, er war bereit, Bürger und Stellvertreter zu sein.
Und Gott sagt: Nein, ich will das tun, wenn die Zeit gekommen ist. Da kommt der Begriff „Zeit“ ins Spiel. Es war noch eine ausstehende Aufgabe, dass einer stellvertretend für die Sünder stirbt. Das, was Mose angeboten hat, hat Gott nicht akzeptiert. Jesus hat sich so unter das Gesetz gestellt, dass er es erfüllt hat.
Ein zweiter Hinweis: Jesus erwähnt immer wieder – vielleicht ist es Ihnen bisher noch nicht aufgefallen –, dass es immer wieder zitiert wird bei Matthäus, Lukas und Markus: „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, aber wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht.“ Das ist die Gesetzmäßigkeit Gottes.
Jesus, der sich selbst erniedrigt hat, wird in Philipper 2 beschrieben. Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, den er festhalten wollte. Stattdessen erniedrigte er sich selbst und nahm die Gestalt eines Knechtes an. Er wurde wie ein anderer Mensch geboren, von einer Mutter, und erschien als Mensch.
Er erniedrigte sich selbst noch einmal, wie Paulus betont, und wurde gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz. Darum hat Gott ihn erhöht.
Das sind die zentralen Stichworte: Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht. Nicht „trotzdem“ hat ihn Gott erhöht, oder „aber“, sondern „darum“, weil er dieses göttliche Gesetz erfüllt hat, an dem auch wir teilhaben dürfen: Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht.
Quer durch die Kirchengeschichte sind es die Erniedrigten Gottes gewesen – die Ausgelachten, die Ausgestoßenen –, die dazu Ja gesagt haben, die als dumm angesehen und für dumm verkauft wurden, die Gott erhöht hat.
Jesus hat sich unter dieses Gesetz stellen lassen und erfahren, dass er von Gott erhöht wurde.
Dankbarkeit und Lobpreis für das Kommen Christi
Dieser Jesus, der große Retter, Christus, der Retter, ist da. Wir dürfen ihn jetzt in diesen Christfestzeiten preisen – in großer Dankbarkeit.
Er ist darauf aus, mitten in der Nacht zu leuchten und uns zu Kindern des ewigen Gottes zu machen. Herr Jesus, hab herzlichen Dank, herzlichsten Dank, dass du dich so hineingegeben hast in unser menschliches Wesen.
Du kannst empfinden, wie es uns ums Herz ist, auch wenn wir Respekt haben vor dem ewigen Gott und Angst, dem heiligen Gott begegnen zu müssen. Du willst uns doch die Kindschaft mit dir zum Vater schenken, in einer ganz großen, ewigen Geborgenheit.
Hab Dank für diese Gewissheit und pflanze sie uns ein als unverrückbare Gewissheit! Amen.