Einführung in das Spannungsfeld von Christentum und Staatsgewalt
Wie ist das Verhältnis eines Christen zum Staat? Fünf Punkte, die du wissen solltest
Theologie, die dich im Glauben wachsen lässt – Nachfolge praktisch: dein geistlicher Impuls für den Tag. Mein Name ist Jürgen Fischer, und heute geht es um Widerstand gegen die Staatsgewalt oder zivilen Ungehorsam.
Gestern sind wir in das Thema „Der Christ als Staatsbürger“ eingestiegen. Wir haben gesehen, wie wir als Himmelsbürger ganz besondere Menschen sind. Einerseits wissen wir um Gottes Reich und seine Herrschaft, die weit über das hinausgeht, was man sieht.
Unser Herr Jesus ist Herr der Herren und König der Könige. Er hat am Kreuz wirklich den Teufel besiegt. Durch die Auferstehung wurde er vom Vater zum ewigen König gekrönt. Jesus herrscht – auch wenn er das noch im Hintergrund, im Verborgenen tut, so herrscht er doch.
Er hat ein Volk, das ihm folgt. Dieses Volk ist die Gemeinde. Schritt für Schritt kommen Menschen zu ihm. Sie werden, wie Paulus es sagen würde, aus der Macht der Finsternis gerettet und in das Reich von Gottes Sohn versetzt.
Diese Geretteten sind schon ein ganz besonderer Haufen Himmelsbürger, aber gleichzeitig hier auf der Erde mit dem Auftrag, das Evangelium zu predigen. Sie sind in der Welt, aber nicht von der Welt. Sie sind ein bisschen wie Jesus.
Sie sind sein Leib, sein verlängerter Arm, mit dem er sein ewiges Reich auf dieser Erde in den Herzen von Menschen, die sich bekehren, aufrichtet. Wie Jesus nicht von der Welt war, so sind auch seine Jünger nicht von der Welt.
Wir wissen darum, dass wir hier nicht wirklich hingehören. Wir sind Aliens, auf der Erde gestrandete Außerirdische, die sich danach sehnen, zum Mutterschiff zurückzukehren. Und wir können es einfach nicht abwarten, bis es endlich so weit ist.
Die Ambivalenz der Loyalität gegenüber Staat und Gott
Bis dahin leben wir hier und schätzen es, in einer stabilen Demokratie zu leben, weil wir wissen, dass Gott eine gute Regierung schätzt. Allerdings gibt es natürlich Grenzen in der Wertschätzung. So sehr Gott gegen Anarchie und Rebellion ist, und so sehr die Geschichte immer wieder zeigt, dass jeder gewaltsame Umsturz mit unsäglichem Leid verbunden ist, so klar muss auch sein, dass unsere Loyalität als Christen immer irgendwie geteilt bleibt.
Was es bedeutet, sich unterzuordnen, werden wir morgen betrachten. Heute möchte ich die Frage beantworten: Wo müssen wir Nein sagen? Nein zu den Ansprüchen, die der Staat an uns als Christen stellt. Nein sagen und dafür bewusst Strafe riskieren.
Dass es solche Momente gibt, sehen wir deutlich in der Apostelgeschichte. Die erste Gemeinde entsteht, und schon nach kurzer Zeit kommt es zu Konflikten mit der Regierung, die damals Hoher Rat genannt wurde. Nach einer Predigt im Tempel wird die Lage ernst, und die Apostel Johannes und Petrus werden tatsächlich eingesperrt.
Die ersten Konflikte der Christen mit der Staatsgewalt
Am nächsten Tag findet die Verhandlung statt. Da es schwer ist, den Aposteln einen konkreten Vorwurf zu machen, endet die Verhandlung mit einem Verbot.
In Apostelgeschichte 4,18-19 heißt es: „Und als sie sie gerufen hatten, das sind die Apostel, gebot ihnen der Hohe Rat, sich überhaupt nicht im Namen Jesu zu äußern noch zu lehren. Petrus aber und Johannes antworteten und sprachen zu ihnen: ›Ob es vor Gott recht ist, auf euch mehr zu hören als auf Gott, urteilt ihr.‹“
Schon hier wird deutlich, dass die Apostel für sich eine Grenze ziehen. Jesus hatte ihnen geboten, das Evangelium zu predigen: „Geht hin in die ganze Welt und predigt das Evangelium der ganzen Schöpfung.“ Das lesen wir am Ende des Markus-Evangeliums. Das ist der Auftrag: Geht hin, predigt!
Und jetzt soll ihnen das Reden über Jesus verboten werden? Nein, da machen sie nicht mit. Also predigen sie weiter und werden prompt erneut inhaftiert.
Ungehorsam aus Gewissensgründen
Inhaftiert, vor den Hohen Rat gestellt und nun natürlich des Ungehorsams angeklagt. Der Hohepriester formuliert es so in Apostelgeschichte 5,28: „Wir haben euch streng geboten, in diesem Namen nicht zu lehren, und siehe, ihr habt Jerusalem mit eurer Lehre erfüllt und wollt das Blut dieses Menschen auf uns bringen.“
Damit meint er, dass sie uns in den Augen der Zuhörer verantwortlich machen wollen dafür, dass Jesus zu Unrecht gekreuzigt wurde. Der Vorwurf lautet also, ihr tut nicht, was wir sagen. Wie könnt ihr es wagen, gegen den Wunsch des Hohen Rats weiter zu predigen?
Und jetzt kommt der entscheidende Vers, Apostelgeschichte 5,29: „Petrus und die Apostel aber antworteten und sprachen: Man muss Gott mehr gehorchen als Menschen.“
„Man muss Gott mehr gehorchen als Menschen“ – das ist der entscheidende Punkt, das „mehr als“. Unsere Loyalität gehört dem Staat, in dem wir leben, und sie gehört Gott. Wir wollen gern tun, was man von uns verlangt, solange es kein klares Gebot Gottes gibt, das etwas anderes fordert.
Dann werden wir tatsächlich Gott mehr gehorchen als den Menschen.
Kriterien für zivilen Ungehorsam
Wichtig ist, dass es sich um ein klares Gebot Gottes handeln muss. Wenn der Staat mir verbietet, über Jesus zu reden, dann muss ich Gott mehr gehorchen als den Menschen.
Weitere Beispiele wären vielleicht Situationen, in denen der Staat mich auffordert, Menschen zu ermorden. Dann müsste ich ganz klar sagen: Nein, das werde ich nicht tun. Und wenn mich das mein Leben kostet, muss ich das in Kauf nehmen. Meine Loyalität gehört Gott, und mein Gott hat mir Mord verboten. „Du sollst nicht morden“ – so heißt es bereits in den Zehn Geboten.
Ja, ich werde Gott mehr fürchten als Menschen. Die Freunde von Daniel sind mir dabei ein großes Vorbild. Nebukadnezar stellte ein goldenes Standbild auf und befahl, sich vor diesem niederzuwerfen und es anzubeten. Wer das nicht tat, sollte in den Feuerofen geworfen werden. Den dreien war das jedoch egal. Sie sagten: Nein, das machen wir nicht. Sie blieben bei ihrem Nein, obwohl sie nicht wussten, ob Gott sie retten würde oder nicht.
Dass sie gerettet wurden, wissen wir, die wir die Geschichte lesen, aber sie selbst wussten das nicht. Ihnen war klar: Unser Nein an dieser Stelle – wir werden keine anderen Götter anbeten – kann uns den Tod bringen.
Meine Loyalität gehört sowohl dem Staat, in dem ich lebe, als auch Gott. Fordert der Staat von mir etwas, das ganz klar gegen ein offensichtliches Gebot Gottes verstößt – und damit meine ich nicht mein persönliches Wohlbefinden, meinen Geschmack oder meinen Wunsch nach Selbstverwirklichung, auch nicht das, was man gesunden Menschenverstand nennen würde –, dann muss es wirklich ein klares Gebot Gottes sein.
Und wenn mein Staat verlangt, dass ich dieses Gebot Gottes brechen soll, dann muss ich sagen: Nein, das geht nicht.
Vorsicht vor leichtfertigem Widerstand
Und seien wir bei diesem Nein ein wenig vorsichtig. Wir leben in einer Zeit, in der Individualismus bis an die Grenze der Eigenwilligkeit und Unbelehrbarkeit großgeschrieben wird.
Wisst ihr, es sind doch die Heiden, die meinen, dass sie in diesem Leben ihr großes Glück finden müssten. Wir können da doch eigentlich ganz entspannt bleiben. Unser Job ist es nur, Gottes Reich zu bauen.
Wir haben unser Glück doch schon gefunden. Wir haben den Herrn Jesus und mit ihm Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligkeit, Erlösung und alles, was wir uns sonst noch wünschen. Mehr brauchen wir wirklich nicht.
Deshalb müssen wir uns nicht über jede Ungerechtigkeit, Einschränkung oder Fehleinschätzung der Regierung aufregen. Wir müssen nicht gleich die Keule des zivilen Ungehorsams herausholen, nur weil die Mehrwertsteuer erhöht wird, man das Singen im Gottesdienst einschränkt oder auf meiner Lieblingsautobahn Tempo 130 vorgeschrieben wird.
Lasst uns da ein wenig vorsichtig sein. Es gibt den Punkt, an dem wir sagen müssen: „Ich muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Aber dieser Punkt ist erst erreicht, wenn der Staat etwas von mir fordert, was ganz klar und offensichtlich einem Gebot Gottes widerspricht.
Praktische Anregung zum Nachdenken
Was könntest du jetzt tun? Du könntest dir einige Situationen überlegen, in denen ein Christ zu Recht Nein zu den Forderungen des Staates sagen müsste. Nimm dazu einfach die zehn Gebote als Ausgangspunkt deiner Überlegungen.
Das war's für heute. Falls du die App noch nicht hast, besorge sie dir doch.
Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.