Man bekommt viel mit von Gemeinden, in denen alles andere als eine gute Entwicklung stattfindet, sage ich mal. Manchmal gibt es Streit zwischen verschiedenen Gruppen in der Gemeinde. Oft zieht sich dieser Streit bis in die Leiterschaft und die Ältestenschaft hinein.
Manche Gemeinden entfernen sich, obwohl sie sich biblische Gemeinden nennen, immer mehr von dem, was in der Bibel steht und von den dort vorgegebenen Maßstäben. Wenn man das beobachtet oder davon hört, ist man oft frustriert und ratlos.
Was hätte man im Vorfeld tun können, um das zu vermeiden? Hätte man überhaupt etwas tun können? Oder was könnte man jetzt tun, um die Situation zu bereinigen, zu ändern oder die Richtung zu korrigieren? Könnte man überhaupt etwas tun? Manchmal ist man einfach ratlos.
Ich beobachte auch die Entwicklung von einzelnen Menschen, auch von Geschwistern. Man sieht bei manchen, dass sie sich Stück für Stück vom Herrn oder von seinen Maßstäben entfernen, irgendwie weggleiten. Dann überlegt man, ob man im Vorfeld etwas hätte tun können, um das zu verhindern. Oder ob man jetzt noch etwas tun kann, um diesen Trend aufzuhalten oder umzukehren.
Oft bin ich ehrlich gesagt ratlos. Und dann frage ich mich manchmal, ob Gott auch ratlos ist. Das ist das Thema heute, basierend auf den Kapiteln aus Jesaja, die wir uns anschauen: die Ratlosigkeit Gottes.
Jesaja macht in Kapitel 6 eine Art Rückblende und beschreibt seine Berufung zum Propheten. Das war das erste, was er als Prophet erlebt hat – sein erster Auftrag von Gott. Es wird erwähnt, dass das im Todesjahr des Königs Usia war.
Wenn man Jesaja 1,1 liest, sieht man, dass Jesaja als Prophet während der Regierungszeit von vier Königen über Juda, also das Südreich Israels, diente: Usia, dessen Sohn Jotham, dessen Sohn Ahas und schließlich der berühmte König Hiskia. Da er im Todesjahr von Usia berufen wurde, wirkte er offensichtlich nur noch kurz in dessen Regierungszeit, vielleicht ein paar Monate, und hauptsächlich unter den drei folgenden Königen.
Wir haben gesehen, dass der eigentliche Anfang eigentlich in Kapitel 6 liegt. Die Kapitel 1 bis 5 bilden so eine Art Vorwort. Dort fasst Jesaja – oder Gott durch Jesaja – bereits einiges zusammen und setzt die eine oder andere Spitze in dem, was er dem Volk zu dieser Zeit sagen will.
Jesaja ist kein Geschichtsbuch, obwohl es auch geschichtliche Elemente enthält. Der einzige Abschnitt, der wirklich als Geschichtsbuch gelten kann, sind die Kapitel 36 bis 39. Dort wird die Geschichte Hiskias erzählt, insbesondere die Belagerung durch die Assyrer. Das ist die berühmte Geschichte, in der ein Engel das gesamte assyrische Heer in einer Nacht vernichtet.
Diese vier Kapitel erzählen also Geschichte – die Geschichte Hiskias. Selbst diese Kapitel sind vermutlich nicht in der originalhistorischen Reihenfolge angeordnet. Aber dazu kommen wir in späteren Vortragsreihen noch ausführlicher.
Ansonsten ist es so, dass Jesaja das, was er sagt, nicht unbedingt in der historischen Reihenfolge aufschreibt, in der er die Prophezeiungen ursprünglich mündlich an das Volk übermittelt hat. Er ordnet die Inhalte vielmehr anders. Manchmal ist diese Ordnung für uns schwer zu durchschauen, und ich werde das auch nicht überall auflösen können. Für heute Abend gilt: Nicht alles ist in historischer Reihenfolge.
Die ersten fünf Kapitel, die Szenen, die Jesaja dort zum Teil lebendig macht, stammen nicht aus der Zeit vor seiner Berufung, die ja erst in Kapitel 6 beschrieben wird. Es sind Prophezeiungen, die er später von Gott empfangen hat. Unter der Leitung des Heiligen Geistes hat er jedoch beschlossen, diese fünf Kapitel an den Anfang seines Buches zu setzen.
Wenn man diese fünf Kapitel betrachtet und ein wenig analysiert, merkt man, dass es bestimmte Themen gibt, die in Kapitel 1 auftauchen und dann wieder in Kapitel 5. Genau diese Themen wollen wir heute Abend ein wenig betrachten, also Kapitel 1 und Kapitel 5. Dazwischen liegt ein Block, der die Kapitel 2 bis 4 umfasst.
Die poetische Sprache Jesajas und das Bild des Weinbergs
Steigen wir ein – und da es historisch tatsächlich noch vor Kapitel 1 liegt, beginnen wir mit Kapitel 5. Jesaja ist nicht nur Prophet, sondern auch Poet. Wenn man dieses Buch, besonders die ersten Kapitel, in einer guten Übersetzung mit gutem Deutsch liest, wird man merken, dass es wahrscheinlich außer ein paar Psalmen kein Buch gibt, das poetischer geschrieben ist und mehr Wucht in der Sprache hat als Jesaja.
Jesaja verwendet eine sehr bildreiche und kraftvolle Sprache. Eigentlich müsste man seine Worte immer laut irgendwo rezitieren, um die Wirkung zu spüren. Er beginnt Kapitel 5 mit einem Liebeslied, das wahrscheinlich nicht ganz so wuchtig ist, sondern eher ein wenig romantisch.
Jesaja 5,1 lautet: „Nun will ich singen von meinem Geliebten ein Lied meines Lieben, von seinem Weinberg.“
Der Geliebte hatte einen Weinberg auf einem Hügel mit sehr fruchtbarem Boden. Er zäunte ihn ein, säuberte ihn von Steinen, bepflanzte ihn mit Edelreben, baute einen Turm in seiner Mitte und hieb auch eine Kelter aus.
Historisch ist nicht sicher nachvollziehbar, ob dies der Anfang eines Liedes ist, das Jesaja selbst für sein Buch oder seine Reden gedichtet hat, oder ob es der Anfang eines damals verbreiteten Liebesliedes war, das Jesaja hier kurz zitiert. Auf jeden Fall könnte es, wie gesagt, der Beginn einer sehr romantischen Liebesgeschichte sein.
Ein Mann trifft sich mit seiner Geliebten in seinem Weinberg, und die Umgebung allein regt zu vielen poetischen Vergleichen an. „Schau, unsere Liebe könnte so sein wie dieser Weinberg.“ Er könnte ihr vor Augen führen, wie viel er in diesen Weinberg investiert hat und wie viel er in diese Beziehung investieren möchte.
Es gibt viele Parallelen: „Ich habe eine Mauer gebaut, eine Schutzmauer, und einen Wachturm.“ Er wird alles tun, um die Beziehung zu beschützen, um sie zu schützen und die Beziehung, die gerade zwischen ihnen wächst. Er spricht vom Boden, den er bearbeitet hat – von den Steinen, die er entfernt hat, und vom umgegrabenen Boden. Er ist bereit, in die Beziehung zu investieren.
Er spricht von Edelreben. Wenn die Beziehung wächst, werden beide die Früchte genießen können, so wie man reife Trauben oder einen fruchtigen Wein genießt.
Die Parallele, die Jesaja zieht, ist klar: Es geht um die Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel. Gott ist hier der Weinbergbesitzer. Was hat Gott nicht alles in diese Beziehung investiert – über Jahre, Jahrzehnte, ja Jahrhunderte! Er hat versucht, dieses Volk und die Beziehung zu beschützen, zu bearbeiten und zu investieren, damit beide die Früchte dieser Beziehung genießen können.
Ein romantischer Start.
Ich weiß nicht, wie Nils dieses Lied vertonen würde, besonders wenn man weiterliest. Ich musste an die Musik unserer damals 15-jährigen Nachbarin denken, die öfter mal unsere Wohnung beschallte. Viele dieser Musikstücke beginnen mit sehr leisen, harmonischen Tönen – zumindest in unserer Wohnung leise –, meistens elektronische Musik, die aber klang wie Geigen oder Hirtenflöten. Das passt gut zu dem, was wir gerade gelesen haben.
Wahrscheinlich würde ich so anfangen, ob mit Original-Holzinstrumenten oder elektronisch. Doch dann haben diese Lieder oft einen Bruch: Es gibt einen schrillen Elektrosound, danach beginnen die Bässe zu dröhnen, und Rap oder Hip-Hop setzen ein, den man durch die Decke nicht mehr wörtlich versteht.
Ich dachte, das passt irgendwie zu diesem Lied. Nach dem sehr melodischen Teil, mit dem ich die Verse 1 und 2 untermalen würde, würde ich wahrscheinlich einen schrillen Elektrosound machen, der abrupt abbricht – so ungefähr wie ein Crash an der Festplatte –, dann ein oder zwei Takte Pause, und dann eine Stimme, die ohne Musikuntermalung den nächsten Satz sagt.
Alles war so romantisch in diesem Weinberg, und plötzlich kommt der Satz: Der Weinbergbesitzer erwartete, dass der Weinberg essbare Trauben bringt, doch er brachte wilde, ungenießbare Trauben.
In diesem kurzen Halbsatz, in zwei Halbsätzen, ist die ganze Romantik weg. Den Rest des Liedes könnte man eigentlich ganz gut rappen.
Die Enttäuschung Gottes über Israel
Ich möchte ein paar Verse überspringen und direkt zu Vers 7 gehen, wo das Bild, das Lied und die poetische Sprache dieses Liedes aufgelöst und erklärt werden. Dort erklärt Jesaja: „Denn der Weinberg des Herrn der Heerscharen ist das Haus Israel, und die Männer von Juda sind die Pflanzung seiner Freude. Er wartete auf Recht, aber siehe, Blutvergießen; er wartete auf Gerechtigkeit, aber siehe, ein Hilferuf.“
Gott hatte diesen Weinberg gepflanzt. Er hatte viel in Israel investiert, wie gesagt. Er hatte zwei Ziele, wahrscheinlich sogar noch mehr, aber in diesem Zusammenhang spielen diese beiden eine Rolle.
Das erste Ziel ist natürlich die Beziehung. Er wollte, dass die Menschen in Israel in einer harmonischen Beziehung zu ihrem Gott leben – eine Beziehung, die für beide Seiten beglückend ist. Wir werden sehen, dass dieses Ziel grundsätzlich gescheitert ist.
Das zweite Ziel war, sagen wir mal, zumindest ein Land und ein Volk, das dadurch auffällt, dass Gerechtigkeit das Zusammenleben prägt. Dass jeder sein Recht bekommt, vor allem – was damals außergewöhnlich gewesen wäre – auch die Schwächeren. Er wollte, dass Gerechtigkeit sein Volk prägt, dass diese Nation dadurch geprägt ist, dass niemand, auch nicht die Schwächsten der Gesellschaft, übergangen oder an den Rand gedrängt wird, sondern jeder sein Recht erhält.
Er wollte, dass es ein besonderes Land, ein besonderes Volk ist. Er hatte Gesetze gegeben, die viele Regeln enthalten, die sich um das soziale Zusammenleben drehen und besonders die Schwachen schützen.
Er sagt: „Ich habe diesen Weinberg gepflanzt, ich habe in dieses Land investiert, ich habe in dieses Volk investiert, mein ganzes Gesetz habe ich da hineingegeben, ich habe Propheten geschickt. Und ich habe erwartet, dass ich Recht und Gerechtigkeit finde.“
Doch was findet Gott, wenn er hinschaut? Wenn er sich in diesem Land umschaut, damals zur Zeit Jesajas, ungefähr um 720 oder 730 vor Christus, was findet er?
Statt Recht und Gerechtigkeit findet er Blutvergießen und Hilferufe, Verzweiflung.
Wenn wir nun weiter in Kapitel 5 von Jesaja hineinschauen, muss uns eines klar sein: Jesaja redet nicht zu uns. Wir sind nicht der eigentliche Adressat. Denn man kann das, was er sagt, nicht einfach mit Deutschland vergleichen. Deutschland war nie das Volk Gottes, auch wenn manche es als Teil des christlichen Abendlands sehen. Es war nie Gottes berufenes Volk. Deutschland war nie ein Land, das aus Gläubigen bestand oder bei dem Gott den Anspruch hatte, dass es aus Gläubigen besteht.
Wir können also nicht einfach etwas von Israel auf unseren Staat übertragen.
Glücklicherweise können wir auch das, was Jesaja sagt, nicht eins zu eins auf unsere Gemeinden übertragen. Das wäre bitter. Abgesehen davon haben wir als einzelne Gemeindeglieder oft gar nicht so viel miteinander zu tun, dass wir uns ständig gegenseitig ausbeuten könnten – vielleicht würden wir es sonst tun, keine Ahnung.
Diese Gewalttaten und Ausbeutungen, die es damals gab, waren ein Thema der Propheten, nicht nur Jesaja, sondern auch der Propheten seiner Zeit. Wenn man Micha liest, der exakt zeitgleich lebte, findet man die gleichen Themen.
Jesaja spricht also zu seiner Zeit, und wir müssen uns zunächst anschauen, was damals war und was Gott dem Volk sagen wollte. Er spricht nicht direkt zu uns, aber trotzdem spricht und schreibt er für uns. Er möchte, dass wir daraus lernen, was Gott Israel zu sagen hat.
Die sechs Wehrufe Gottes über Israel
Wenn wir Jesaja 5 weiterlesen, sehen wir, dass Gott im Großteil des Kapitels sechs Wehrufe über sein Volk durch Jesaja ausrufen lässt. Wir werden diese nicht alle im Detail lesen, aber ich möchte die sechs Wehrufe zumindest mit euch anlesen und gemeinsam betrachten, worum es dabei geht.
Es geht um die Dinge, die Gott wirklich stören – Blutvergießen, Hilferufe, die Art und Weise, wie diese Gesellschaft „tickt“. Wie empfand Gott damals die Gesellschaft des Volkes Gottes? Wie empfand Jesaja sie? Warum hat Jesaja diese Themen ganz an den Anfang seines Buches gestellt?
Wir beginnen mit Vers 8, Jesaja 5,8, dem ersten Wehruf:
„Wehe denen, die Haus an Haus reihten, Feld an Feld schoben, bis kein Raum mehr war, und ihr allein sesshaft wurdet inmitten des Landes.“
Hier geht es genau darum: Es gibt Menschen, die schwächer sind. Manche sind von ihrer Persönlichkeit her schwächer, andere haben kein gutes Netzwerk, wieder andere sind einfach arm. Gerade in Situationen, in denen sie vielleicht Schulden machen müssen, weil sie mit ihrem Geld, ihrem Einkommen oder ihrer Ernte nicht über die Runden kommen, sind sie besonders verletzlich.
Andere hingegen sind stark. Sie befinden sich in einer starken Position. Jesaja sagt: Wehe euch, die Reichen in Israel, die gerade die Schwachen verdrängen. Besonders deutlich wird das auf dem Immobilienmarkt. Bestimmte Reiche und Immobiliengesellschaften reißen immer mehr Grundbesitz an sich, sodass die Schwächeren am Ende nichts mehr übrig behalten.
Sie werden aus ihrem Besitz verdrängt. Die Reichen reihten Haus an Haus und Feld an Feld. Die Reichen werden immer reicher und zu Großgrundbesitzern. Für die Ärmeren, für die Schwächeren bleibt nichts übrig. Ihr ursprünglicher Besitz wird ihnen weggenommen.
Das ist eine Katastrophe in einem Wirtschaftssystem, das hauptsächlich auf Landwirtschaft beruht. Bei uns hat Landbesitz nicht mehr ganz so viel Bedeutung. Aber in einem System, in dem du in deinem Haus genug Platz für eine Werkstatt brauchst und anschließend Felder bewirtschaften musst, um über die Runden zu kommen, ist es eine Katastrophe, wenn der Grundbesitz immer mehr in wenigen Händen konzentriert wird.
Gott sagt: Wehe euch, die ihr die Schwachen verdrängt, sodass nur noch wenige übrig bleiben, denen alles gehört. Wir würden das heute einfach „freie Marktwirtschaft ohne Begrenzung durch Sozialgesetzgebung“ nennen.
Genuss und Verantwortungslosigkeit
Zweite Wehe, Vers elf
Die zweite Wehe richtet sich an diejenigen, die etwas besitzen und für die Wohlstand und Wellness eine sehr hohe Priorität haben. Ich lese Vers elf: „Wehe denen, die sich früh morgens aufmachen, um dem Bier nachzulaufen, bis spät am Abend bleiben, bis Wein sie erhitzt, und Laute und Harfe, Tambourinen und Flöte. Und Wein sind bei ihrem Gelager; das Handeln des Herrn schauen sie nicht, und das Werk seiner Hände sehen sie nicht.“
Hier geht es nicht um Alkoholismus oder um Leute, die früh morgens in der Trinkhalle oder, wie es in dieser Gegend heißt, am Wasserhäuschen stehen. Nein, hier geht es um diejenigen, die genug haben, sodass ihr Geld für sie arbeitet oder sie Angestellte haben. Diese Menschen können sich nicht erst abends oder am Wochenende mit ihren Freunden zusammensetzen, um zu feiern, sondern sie haben eigentlich den ganzen Tag Zeit dafür.
Gott sagt: Wehe euch, dass der Genuss für euch an erster Stelle steht. Wehe euch, dass ihr andere für euch arbeiten lasst, sie ausnutzt und euch selbst ein schönes Leben macht. Das ist, was er in diesem Land, in diesem Volk beobachtet hat.
Drittes Wehe
Ehrlichkeit und ein soziales Gewissen spielten im Wirtschaftsleben damals eine immer geringere Rolle. Das betraf nicht nur die Wirtschaft selbst, sondern, wie wir gleich sehen werden, auch die Justiz. Es ging nicht mehr nur um kleine, versteckte Unregelmäßigkeiten. Es ging darum, dass der Bruch von Gesetzen und die Ausbeutung anderer gesellschaftsfähig geworden waren, dass man es nicht mehr verstecken musste. Die Mächtigen hielten sich für unantastbar und hatten für göttliche Gerichtsdrohungen nur Spott übrig.
Vers 18, das dritte Wehe: „Wehe denen, die die Ungerechtigkeit ziehen mit Stricken der Nichtigkeit und die Sünde wie mit Wagenseilen.“
Ungerechtes Handeln wurde einfach sichtbar für alle durch die Straßen gezogen – bildlich gesprochen. Jeder durfte es sehen, man musste seinen Gesetzbruch nicht verstecken und seine Unfairness auch nicht. Wenn ein Prophet kam oder jemand, der noch ein Empfinden dafür hatte, wie Ethik eigentlich aussehen sollte in dieser Gesellschaft und in diesem Wirtschaftsleben, dann stand da, dass die das sprechen, und jetzt werden sie sarkastisch: „Er beeile, er beschleunige sein Werk, damit wir es sehen, und der Plan des heiligen Israels möge herannahen und kommen, damit wir ihn erfahren.“
Sie sagen: Ja, wie lange sagt ihr das schon, dass wir irgendwann für unsere Handlungen zur Verantwortung gezogen werden? Und es ist nichts passiert. Und Leute, es wird auch nichts passieren, weil wir sind die, die am Ruder sind. Und es ist kein Gott, der eingreifen wird. Gott sagt: Wehe ihnen.
Das vierte Wehe
Moralische Maßstäbe werden umgekehrt. Wir hatten es kurz am Sonntag bei dieser Stelle, Kapitel 5, Vers 20: „Wehe denen, die das Böse gut nennen und das Gute böse, die Finsternis zu Licht machen und Licht zu Finsternis, die Bitteres zu Süßem machen und Süßes zu Bitterem.“
Ja, und es ist so, oder? Viele Verhaltensweisen bekommen heute einfach andere Preisschilder, vor allem andere Bezeichnungen. Man kann das Böse gut nennen. Die Ausbeutung der Schwächeren heißt nicht mehr Ausbeutung, sondern kluges Wirtschaften und Unternehmergeist. Was früher vielleicht Steuerbetrug hieß, heißt heute kreative Bilanzierung. Und was man als Recht des Stärkeren diffamieren könnte, heißt einfach freie Marktwirtschaft.
Umgekehrt kann man das Gute böse nennen. Es gab Regeln und Gesetze in Israel, gerade in den Punkten, die Jesaja angesprochen hat. Jemand, der in Schuldknechtschaft kam, ein israelischer Bürger, der sich verschuldet hatte und sich als Knecht verkaufen musste, sollte spätestens nach sechs Jahren freigelassen werden, mit einem Staatskapital, um ein neues Leben aufzubauen. Land musste spätestens nach fünfzig Jahren den ursprünglichen Besitzern der ursprünglichen Familie zurückgegeben werden.
Aber man kann solche guten Sozialgesetze auch diffamieren, man kann das Gute böse nennen. Man kann sagen, diese alten Regeln, die in diesem alten Gesetzbuch stehen, taugen nicht für unsere Zeit. Sie seien schädlich für das Investitionsklima, wenn man sie wirklich beherzigen würde. Und man kann sie abschaffen.
Gott sagt: Wehe, wehe denen, die das Böse gut nennen und das Gute böse.
Fünftes Wehe
Jetzt kommen wir zu etwas Zeitlosem: der Arroganz des modernen Menschen, die Gott hasst und über die er ein Wehe ausspricht und Gericht ankündigt. Der Mensch hält sich für besonders klug, gerade wenn er diese alten Regeln Gottes nicht mehr will und meint, es besser zu wissen, was für die Zukunft des Landes, vor allem aber für seine eigene Zukunft, richtig sei. Als sich nach den guten Regeln Gottes zu richten und sich ihnen zu unterwerfen.
Vers 21: „Wehe denen, die in ihren eigenen Augen weise und bei sich selbst klug und verständig sind.“
Zum Schluss kommt Jesaja zur Justiz, die eigentlich alles retten sollte, die Grenzen setzen sollte denen, die sich auf Kosten anderer ausbreiten, die anderen ihr Recht nehmen. Wahrscheinlich haben sich die Juristen an ihren Stammtischen gerühmt, dass sie die seien, die die Gesellschaft irgendwie noch am Laufen halten.
Was sagt Gott über sie? Vers 22: „Wehe denen, die Helden sind, um Wein zu trinken, und tapfere Männer, um starkes Getränk zu mischen.“ Am Stammtisch sind sie Helden, nicht nur, weil sie viel vertragen, sondern weil sie angeblich so viel Gutes für die Gesellschaft tun.
Aber wie sieht es im Alltag aus? Wie sieht es in ihrem Berufsleben aus? Wie sieht es dort aus, wo sie Recht sprechen müssen? Sie sprechen den Gottlosen für ein Geschenk gerecht und entziehen den Unschuldigen ihr gerechtes Anliegen. Sie waren nicht diejenigen, die Recht und Gerechtigkeit im Land durchgesetzt haben, auch wenn sie sich vielleicht dafür auf die Schulter klopften.
Im Alltag waren sie alles andere als Helden, im Alltag waren sie hauptsächlich korrupt. So beschreibt Gott durch Jesaja die damalige Gesellschaft. Alle Parallelen zur heutigen Gesellschaft sind rein zufällig? Nein, sie sind zu erwarten, wenn Menschen nicht einmal den Anspruch haben, Volk Gottes zu sein.
Eine Zusammenfassung dieser Korruption hat Jesaja schon in seinem ersten Kapitel beschrieben, Kapitel 1, Verse 21 bis 23. Ich lese das auch nur ganz kurz an. Er spricht über Jerusalem, die Hauptstadt, von der alles ausgeht und in der sich alles konzentriert. Er schreibt: „Wie ist zu Hure geworden die treue Stadt, sie war voll Recht, es gab eine Vergangenheit, die besser war. Gerechtigkeit wohnte darin. Wenn man einen Platz suchte, wo man sein Recht bekommen würde, ging man nach Jerusalem. Und jetzt? Mörder!“
„Wow, dein Silber ist zu Schlacken geworden, dein Bier mit Wasser verdünnt.“ Es ist so, als wäre der Prozess, wie man Silber aus metallhaltigem Stein gewinnt, umgekehrt worden. Es sei nicht mehr Silber aus Gestein gewonnen worden, sondern das Silber, das noch da war, ist zu Schlacken geworden.
„Deine Fürsten sind widerspenstig und kooperieren mit Dieben, jeder von ihnen liebt Bestechung und jagt nach Geschenken. Der Weise verschafft ihnen nicht Recht, und die Rechtssache der Witwe kommt nicht vor sie!“
Das war schon in Kapitel 1 die kurze Zusammenfassung, wie Gott die damalige Gesellschaft in Israel beurteilt hat – die Gesellschaft der Hauptstadt. Früher gab es Gerechtigkeit und Rechtssicherheit in dieser Stadt, und jetzt wohnen dort Mörder, Diebe und Korruption. Gott sagt: Es ist wie eine Hure, es scheint in dieser Stadt alles käuflich zu sein.
Interessant ist, wie Jesaja in Kapitel 1 sein Buch anfängt. Gott sagt: „Ich habe Kinder großgezogen und aufgezogen, und sie sind von mir abgefallen. Ein Ochse kennt seinen Besitzer, und ein Esel kennt die Krippe seines Herrn, Israel aber erkennt nicht, mein Volk versteht nicht.“
„Wehe der sündigen Nation, dem Volk belastet mit Ungerechtigkeit, Nachkommen, die Übles tun, Söhne, die Böses tun. Sie haben den Herrn verlassen, den heiligen Israels verschmäht, sind rückwärts gewichen.“
Er sagt, Israel, dieses Volk, dieses Land, seine Führer handeln dümmer als das dümmste Nutztier. Mein Ochs und ein Esel wissen, von wem sie abhängig sind, von wem sie ihren Segen bekommen, die tägliche Ernährung. Mein Volk aber rafft nicht, dass es von mir abhängig ist. Sie denken, sie können sich gegen mich wenden und setzen alles aufs Spiel, was sie durch mich haben. Sie sind geprägt von Gottlosigkeit und haben sich von meinen Vorstellungen und Maßstäben distanziert. Sie sind geprägt von Ungerechtigkeit – ein düsteres Bild der damaligen Gesellschaft.
Kommen wir noch einmal kurz zurück zu Jesajas Lied in Kapitel 5. Wir haben gesehen, dass Gott sagt: Ich habe alles für dieses Volk investiert, wie ein Weinbergsbesitzer alles investiert, um einen Weinberg sicher und fruchtbar zu machen. Ich habe alles investiert und erwartet, dass etwas Gutes dabei herauskommt.
Wie wir gerade in diesen Weherufen und in den Zusammenfassungen in Kapitel 1 gelesen haben, ist nichts dabei herausgekommen von dem, was Gott sich gewünscht hat. Das Gegenteil. Er vergleicht es mit Trauben, die man nicht essen kann, die zu bitter und zu sauer sind, um sie zu essen.
Jetzt lesen wir weiter in diesem Lied. Wir haben ja den Sprung gemacht von Vers zwei zu Vers sieben, und jetzt lesen wir kurz das, was dazwischen steht, Vers drei: „Nun denn, Bewohner von Jerusalem und Männer von Juda, richtet doch zwischen mir und meinem Weinberg! Was kann ich noch für meinen Weinberg tun, das ich nicht getan hätte?“
Wörtlich steht da: Wenn ich erwartet habe, dass er essbare Trauben brächte, warum brachte er wilde, ungenießbare Trauben? Was hätte ich noch tun können? Das war die Frage vom Anfang, oder? Was hätte Gott noch tun können?
Wir hatten es am Sonntag kurz. Die Regierungszeit Usias war 52 Jahre lang, und es ging dem Volk wirklich gut im Laufe dieser Zeit, zunehmend gut. Es schien, als wollte Gott sie überschütten mit Frieden, Sicherheit und wirtschaftlichem Wohlergehen.
Wir können einen kurzen Ausflug machen in 2. Chronik Kapitel 26. Ich lese euch ein bisschen was vor über die Regierungszeit Usias.
2. Chronik 26:3: „Sechzehn Jahre war Usia alt, als er König wurde, und er regierte zweiundfünfzig Jahre in Jerusalem. Der Name seiner Mutter war Jecholja von Jerusalem. Er tat, was recht war in den Augen des Herrn, nach allem, was sein Vater Amasja getan hatte. Er suchte Gott in den Tagen Sechaias, der kundig war in den Gesichten Gottes. In den Tagen, als er den Herrn suchte, gab Gott ihm Gelingen.“
„Er zog aus und kämpfte gegen die Philister, riss die Mauern von Gad, von Jabna und von Astort nieder. Er baute Städte um Astort und unter den Philistern. Gott half ihm gegen die Philister, gegen die Araber, die in Gurbal wohnten, und gegen die Mäuniter. Die Ammoniter entrichteten Usia Tribut. Sein Name drang bis nach Ägypten, denn er war überaus stark geworden.“
Also führte er Kriege, aber diese Kriege fanden außerhalb seiner Grenzen statt. Diese Kriege kosteten unterm Strich kein Geld, sondern brachten Geld nach Juda durch die Tributzahlungen der besiegten Völker. Usia wurde überaus stark – militärisch, aber vor allem auch wirtschaftlich.
Er baute Türme in Jerusalem auf dem Ektor, auf dem Taltor und auf dem Winkel und befestigte sie. Er baute Türme in der Wüste und grub viele Zisternen, denn er hatte viel Vieh sowohl in der Niederung als auch in der Ebene. Er hatte Ackerbauern und Weingärtner im Gebirge und am Kamel, denn er liebte den Ackerbau.
Das heißt, er befestigte alles und kultivierte alles, weil es jetzt sicher war. Man konnte es kultivieren. Man baute Wachtürme, die weithin schauen konnten. Man hatte ein Heer, das stark genug war. Man konnte Gegenden des Landes kultivieren, wo man sich bisher nicht getraut hatte, weil man Überfälle von Nachbarvölkern befürchtet hatte.
Das wirtschaftliche und militärische Potenzial nahm zu. Usia hatte ein kriegsführendes Heer, das den Scharen in den Kampf zog. Nach der Zahl ihrer Musterung waren es fast dreizehntausend, und unter ihrer Leitung stand eine Heeresmacht von 307 Mann. Das war für die damalige Zeit ein Wahnsinnsheer, mit dem wahrscheinlich in der direkten Umgebung niemand konkurrieren konnte.
Usia bereitete dem ganzen Heer Schilde, Lanzen, Helme, Panzer, Bögen und Schleudersteine. Das heißt, er rüstete sie professionell aus. Es war keine Bauernarmee mit Mistgabeln in der Hand.
Vers 15: „Er machte in Jerusalem Maschinen, eine Erfindung von Technikern, die auf den Türmen und Zinnen sein sollten, um mit Pfeilen und großen Steinen zu schießen. Sein Name ging aus bis in die Ferne, denn wunderbar wurde ihm geholfen, bis er stark wurde.“
Das war ungefähr die Zeit Usias. Für israelische Verhältnisse und für Verhältnisse außerhalb der Großreiche war er eine unglaubliche militärische Macht – für ein paar Jahre zumindest – und dadurch Wohlstand und ein Gefühl von Sicherheit in der Bevölkerung.
Gott sagt: Was hätte ich noch für euch tun sollen?
Zu den 52 Jahren kommt noch die Regierungszeit seines Sohnes Jotham hinzu. Ich lese noch ein paar Verse aus 2. Chronik 27 von Anfang an:
„25 Jahre war Jotham alt, als er König wurde. Er regierte sechzehn Jahre in Jerusalem. Der Name seiner Mutter war Jeschua, eine Tochter Zadoks. Er tat recht in den Augen des Herrn nach allem, was sein Vater getan hatte, nur ging er nicht in den Tempel des Herrn. Aber das Volk handelte noch böse.“
Interessante Stelle an dem Satz, vor allem an der Stelle: „Das Volk handelte noch böse.“ Das heißt, all das, was Gott investiert hat, jetzt schon über Jahrzehnte, hat nichts daran geändert, dass das Volk anders lebte, als Gott es vorgeschrieben und erwartet hatte.
Er baute das obere Tor des Hauses des Herrn, auch an der Mauer des Ofel baute er viel. Er baute Städte im Gebirge Juda. Bisher waren es Wachtürme, jetzt wurden es Städte. In Wäldern baute er Burgen und Türme. Er kämpfte mit dem König der Kinder Ammon und überwand sie.
Die Kinder Ammon gaben ihm in jenem Jahr hundert Talente Silber, zehntausend Chor Weizen und zehntausend Chor Gerste. Das ist auf jeden Fall viel. Chor ist eine Maßeinheit. Das entrichteten ihm die Kinder Ammon auch im zweiten und dritten Jahr. Jotham erstarkte, denn er richtete seine Wege vor dem Angesicht des Herrn, seines Gottes.
Was hätte ich noch für euch tun sollen, sagt Gott. Jetzt hätte ich noch mehr in euch investieren können, in dieses Land.
Wir wissen nicht, ob es nie aufgehört hat mit diesen sozialen Ungerechtigkeiten, zu welchem Zeitpunkt sie überhandnahmen, diese Erfolgsgeschichte, dass die, die reich geworden waren, noch reicher werden wollten und die Unterdrückten trotz des allgemeinen Wohlstands doch arm waren in diesem reichen Land.
Aber spätestens nach Jotham, als der Enkel Usias, Ahas, auf den Thron kam, wird sehr deutlich, wie weit und wie schnell er sich von Gott entfernen konnte und wie wenig die Treue zu Gott in diesem Volk verwurzelt war.
Ahas entfernte sich sehr schnell vom Weg seines Großvaters und seines Vaters. Er tat genau das Gegenteil.
Noch ein paar Verse aus 2. Chronik, dann kommen wir zurück zu Jesaja.
„Zwanzig Jahre war Ahas alt, als er König wurde.“ Kapitel 28, Vers 1: „Er regierte sechzehn Jahre in Jerusalem und tat nicht, was recht war in den Augen des Herrn wie sein Vater David, sondern er wandelte auf den Wegen der Könige von Israel“, also der Könige des Nordreichs, die sich schon lange von Gott distanziert hatten.
Er machte auch den Baalim – also Fruchtbarkeitsgöttern – gegossene Bilder und räucherte im Tal des Sohnes Sinons. Er verbrannte seine Söhne im Feuer, nach den Gräueln der Nation, die der Herr von den Kindern Israel vertrieben hatte. Er opferte und räucherte auf den Höhen und Hügeln unter jedem grünen Baum.
Das ist typisch für eine Agrargesellschaft. Wenn du Gott nicht anbetest, wirst du Fruchtbarkeit anbeten, Wirtschaftswachstum, meistens damals mit Sex verbunden, mit irgendwelchen Orgien und Prostituierten in den jeweiligen Tempeln.
Bei Ahas ging es so weit, dass Kinder diesen Götzen geopfert wurden. Wahnsinn, so schnell ging es bergab.
Was wird Gott tun?
Gott hat beschlossen, seine Vorgehensweise zu ändern und zu richten.
Ich lese noch ein paar Verse weiter, 2. Chronik 28, Vers 5: „Da gab ihn der Herr, sein Gott, in die Hand der Könige von Syrien, und sie schlugen ihn, führten eine große Menge Gefangene von ihm weg und brachten sie nach Damaskus.“
„Auch in die Hand der Könige von Israel wurde er gegeben.“ Also die Könige des Nordreiches, die ihm eine große Niederlage beibrachten. Pekach, der Sohn Remaljas, war der König damals des Nordreiches. Er schlug in Juda an einem Tag 120.000 Mann, alles tapfere Leute, „weil sie den Herrn, den Gott ihrer Väter, verlassen hatten“. Dann kamen noch der Kronprinz und ein Heerführer von den Prominenten um.
In Vers 8 steht, dass ungefähr 200.000 Männer, Frauen, Söhne und Töchter deportiert wurden.
Du hast ein Heer, vielleicht nicht mehr ganz so groß wie früher. Der Großvater hatte noch ein Heer von über 300.000 Leuten, und an einem Tag kommen 120.000 Soldaten um. An einem Tag.
Jesaja drückt es in Jesaja 5 poetisch aus, in diesem Lied. Er meint genau das Gleiche:
„Nun, so will ich euch tun, was ich meinem Weinberg tun will: seinen Zaun wegnehmen, und er wird abgeweidet werden; seine Mauern niederreißen, und er wird zertreten werden. Ich werde ihn zu Prärie machen, er soll weder beschnitten noch gehackt werden, und Dornen und Disteln werden in ihm aufschießen. Ich will den Wolken gebieten, dass sie keinen Regen auf ihn fallen lassen.“
Gott sagt: Ich werde dieses Land nicht mehr von seinen Nachbarvölkern beschützen. Ich werde diese Mauer, die ich gemacht habe, abreissen, so dass jeder über dieses Land herfallen kann, Menschen umbringen, die Ernte rauben. Nicht mehr ihr werdet sie besiegen, sondern sie euch. Ihr werdet Tribut zahlen.
Wenn wir in 2. Chronik weiterlesen würden, würden wir Stellen finden, dass sie jetzt Tribut zahlen.
Gott sagt: Ich habe so viel in diesen Weinberg investiert. Was hätte ich noch tun sollen? Und jetzt werde ich es anders probieren. Ich werde euch euren Nachbarn ausliefern. Ihr werdet nicht mehr Wohlstand, sondern Not erleben. Vielleicht kommt ihr dann zu mir und ruft um Hilfe.
Das eine hat nicht funktioniert. Ich werde nicht mehr in euch investieren, ich werde euch nicht mehr segnen. Es wird keinen Regen geben – praktisch und übertragen.
Der nächste Schritt in der Geschichte, Jesaja 5,24: „Darum ist der Zorn des Herrn gegen sein Volk entbrannt, und er erstreckt seine Hand gegen es aus und schlägt es. Die Berge erbeben, und ihre Leichname sind wie Müll inmitten der Straße. In alldem wendet sich sein Zorn nicht ab, und noch ist seine Hand ausgestreckt.“
Eine Stelle, auf die Jesaja später zurückkommt.
Aber gehen wir noch einmal zurück zu Jesaja 1, ganz an den Anfang dieses Buchs. Hier beschreibt Jesaja die Situation.
Wir haben gesehen, dass Jesaja in Kapitel 5 zuerst die Zeit unter Usia und Jotham beschreibt, wo es dem Volk wirklich gut ging. Gott sagt: Was hätte ich noch tun sollen für euch, damit ihr mir nachfolgt, mir loyal bleibt und meinen Maßstäben folgt?
Und jetzt, unter Ahas und später auch zum Teil unter Hiskia, verändert Gott seine Vorgehensweise. Die Situation wird immer schwieriger, die Not immer größer, Verzweiflung.
Lesen wir Jesaja 1 bis 5.
Diese Phase der Geschichte beschreibt Jesaja hier. Er sagt: „Warum werdet ihr noch weiter geschlagen? Warum bleibt ihr bei Rebellion? Von der Fußsohle bis zum Haupt ist nichts Gesundes an ihm, Wunden und Striemen und frische Schläge, sie sind nicht ausgedrückt, nicht verbunden und nicht mit Öl erweicht worden.“
„Euer Land ist eine Wüste, eure Städte sind mit Feuer verbrannt. Eure Äcker verzehren Fremde vor euren Augen, und eine Wüste ist es.“ Wie eine Umkehrung durch Fremde.
Er sagt: Wohin sollte ich noch schlagen? Ihr seid wie jemand, der schon übersät ist mit Schlägen. Es gibt keine gesunde Stelle auf eurem Rücken mehr, wo ich noch hinschlagen könnte. Euer Land ist verwüstet. Was soll ich euch noch wegnehmen? Eure Felder werden von Fremden abgeerntet, und es ist wie eine Umkehrung durch Fremde. Sie ernten so, wie ein feindliches Besatzungsheer das tut, das kein Interesse hat, dass nächstes Jahr auch etwas wächst.
Wir haben eine Streuobstwiese. Die einfachste Möglichkeit, Äpfel zu ernten, ist, den Baum umzusägen. Komme ich gut dran, brauche ich keine Leiter. Ich werde das nicht tun. Aber wenn ich ein Belagerungsherr bin, warum soll ich es nicht tun?
Das ist, was Jesaja meint, was Gott meint: eine Umkehrung durch Fremde. Euer Land wird abgeerntet vor euren Augen, ihr könnt nichts dagegen tun. Und es wird so abgeerntet, dass ihr wisst, wir können auf Jahre eigentlich nichts mehr damit anfangen.
Und die Tochter Zion, Jerusalem, ist übrig geblieben wie eine Hütte im Weinberg, wie eine Nachthütte im Gurkenfeld, wie eine belagerte Stadt.
Das bekam ganz neue Aktualität, als unter Hiskia das syrische Heer alle Städte in Israel eroberte, Jerusalem belagerte, und nichts übrig war als diese Stadt.
Wir unterschätzen die Situation manchmal. Wir denken, Juda ist erst drei Generationen später durch die Babylonier deportiert worden. Es steht da, dass die Assyrer schon viele von der Bevölkerung dieser anderen Städte deportiert haben zu dieser Zeit.
Das ist die Frage hier im Buch Jesaja, die Frage in Jesaja 5 und Jesaja 1.
Die Frage in Jesaja 5 ist: Ich habe euch über Jahrzehnte, letzten Endes über Jahrhunderte, so viel Gutes getan. Was hätte ich noch tun sollen, um eure Loyalität zu gewinnen?
Jesaja 1 sagt: Ich habe so viel Not geschickt in euer Land, damit ihr aufwacht, zu mir umkehrt. Was könnte ich euch noch antun, damit ihr zu mir kommt, meine Hilfe sucht und Buße tut?
Ich habe beides versucht: euch zu beschenken und zu schlagen, und irgendwie hat nichts dazu geführt, dass ihr zu mir gekommen seid.
Gott sagt: Ich bin ratlos, was soll ich noch tun?
Können wir etwas daraus lernen?
Ich habe am Anfang gesagt, Jesaja spricht nicht zu uns, aber er ist aufgeschrieben für uns. Und obwohl unsere Situation so völlig anders ist als damals, unsere Situation als Christen, gibt es auch heute Nichtgläubige, aber auch Gläubige, bei denen es die Notwendigkeit für Umkehr gäbe.
Gott steht oft vor dem gleichen Dilemma: Was soll er tun? Wie kann er Menschen erreichen? Wie kann er die Seinen bewegen, seine Wege zu gehen?
Ich weiß nicht, ob du Erfahrung damit hast. Was müsste Gott tun, um deine absolute Loyalität zu gewinnen?
Ich weiß nicht, ob du Zeiten hattest in deinem Leben, in denen du den Eindruck hattest, dass Gott konkret eingreift, dir hilft, um deine Loyalität zu gewinnen, wie am Anfang im Weinberg, als es dir einfach gut ging, als Gott dich beschenkt hat.
Denk mal nach: Was hat es bei dir bewirkt? Hat es bewirkt, dass du Gott mehr liebst, dass du dich ihm hingegeben hast aus Dankbarkeit? Hat er dich gewonnen? Oder hast du vor allem deine Bequemlichkeit genossen in solchen Zeiten?
Vielleicht hast du auch Zeiten erlebt, umgekehrt, in denen Gott persönliche oder gemeindliche Katastrophen geschickt hat – vielleicht wirst du sie noch erleben –, damit wir überhaupt aufwachen wie in Jesaja 1.
Wenn es in der Vergangenheit schon mal passiert ist, hat es dich gewonnen? Oder hast du dich eher innerlich von Gott zurückgezogen, bist auf Distanz gegangen, weil du von Gott enttäuscht warst?
Aber was hätte Gott tun sollen, um dich zu gewinnen? Was müsste er tun, damit du ihm nachfolgst und seinen Willen tust?
Ist Gott manchmal ratlos, wenn er dein Leben anschaut? Ich glaube, das ist die Frage, die uns Jesaja stellt.
Aber wir wissen, dass Gott nicht bei seiner Ratlosigkeit stehen geblieben ist. Ihr meint, zuerst hat er die Karten noch tiefer gemacht, und sie sind in die babylonische Gefangenschaft gegangen. Das hat einiges bewirkt. Es war nicht völlig wirkungslos.
Im zweiten Teil seines Buches schaut Jesaja in die ferne Zukunft. Ab Kapitel 40 meistens nur ein paar Generationen, aber ab und zu auch in die ferne Zukunft.
Ich möchte zum Abschluss noch ein paar Verse aus diesem zweiten Teil lesen, Jesaja Kapitel 40.
Ich fange ganz am Anfang an: „Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott. Redet zum Herzen Jerusalems und ruft ihm zu, dass ihre Mühe vollendet ist, dass ihre Schuld abgetragen ist, dass sie von der Hand des Herrn doppeltes Empfang hat für alle ihre Sünden.“
Irgendwann ist diese babylonische Gefangenschaft zu Ende, wie gesagt, die das eine oder andere bewirkt hat. Gott sagt: Genug, genug gestraft, versuchen wir es noch einmal von vorne.
Dann geht es weiter, Vers 3: „Stimme eines Rufenden in der Wüste: Bahnt den Weg des Herrn, ebnet in der Steppe eine Straße für unseren Gott! Jedes Tal soll erhöht und jeder Berg und Hügel erniedrigt werden. Das Höckrige soll zur Ebene werden und das Hügelige zur Talebene. Und die Herrlichkeit des Herrn wird sich offenbaren, und alles Fleisch miteinander wird sie sehen, denn der Mund des Herrn hat geredet.“
Kommen euch diese Verse bekannt vor? Ja, nicht nur, weil gerade Weihnachten war. Johannes der Täufer zitiert diese Verse und sagt: Das ist mein Job.
Gott fing nicht nach der babylonischen Gefangenschaft einfach noch einmal von vorne an und überlegte, vielleicht funktioniert es beim zweiten Mal. Nein, er war nicht ratlos. Er hatte noch eine Idee.
Er selbst ist gekommen in der Form des Messias, in der Form seines Sohnes. Er selbst ist auf die Erde gekommen, zu seinem Volk.
Der Höhepunkt von Jesaja steht in Kapitel 53. Ich lese Vers 4: „Er hat unsere Leiden getragen, und unsere Schmerzen hat er auf sich geladen. Wir aber hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt. Doch um unserer Übertretung willen war er verwundet, um unserer Ungerechtigkeit willen zerschlagen. Die Strafe zu unserem Frieden lag auf ihm, und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden.“
„Wir alle gingen umher wie Schafe, jeder auf seinem Weg, und der Herr hat ihn treffen lassen, unsere aller Ungerechtigkeit.“
Erinnert euch das an Jesaja 1? Jesaja 1 sagt, alles ist voller Striemen, es gibt keinen Platz mehr, wo ich noch hinschlagen könnte. Jesaja 53 sagt: Ich werde nicht euch weiter schlagen. Ich habe jemand anderen geschlagen für euch.
Aber umso mehr steht für uns die Frage im Raum: Was soll Gott jetzt noch tun, um deine Loyalität zu gewinnen?
Dabei wäre die Lösung damals schon so einfach gewesen. Es wäre so einfach gewesen für das Volk, aber auch für jeden Einzelnen, das Herz Gottes zu gewinnen, ihn selbst im letzten Moment noch zum Umdenken zu bringen.
Wir können jetzt nicht ausführlich auf den Rest von Kapitel 1 eingehen, aber ich möchte diesen einen Vers noch lesen, Vers 18, in einer Übersetzung, die wahrscheinlich den Sinn ganz gut herausbringt, wenn man darüber nachdenkt:
Gott sagt zu seinem Volk: „Kommt denn, lasst uns miteinander rechten, spricht der Herr. Obwohl eure Sünden wie Scharlach sind, könnten sie weiß werden wie Schnee. Obwohl sie rot sind wie Karmesin, könnten sie werden wie Wolle. Ihr müsst nur zu mir umkehren.“
Es ist nicht leicht, seine Gewohnheiten zu ändern. Es ist nicht leicht, aus dem Fahrwasser herauszugehen, in dem die ganze Gesellschaft drin ist.
Aber wisst ihr, was Gott hier sagt, was nicht schwer ist? Es ist so leicht, sein Herz zu gewinnen, Gott umzustimmen. Es ist nicht schwer. Obwohl eure Sünden wie Scharlach sind, könnten sie weiß werden wie Schnee. Obwohl sie rot sind wie Karmesin, könnten sie werden wie Wolle.
Das ist unser Gott. Manchmal ist er ratlos: Was soll ich noch tun? Er ist einen ganz neuen Weg gegangen.
Es ist so leicht, zu ihm zu kommen, es ist so leicht, seine Sünden loszuwerden, es ist so leicht, seine Hilfe und seine Freundlichkeit zu bekommen. Es ist so leicht, sein Herz zu gewinnen.
Was sollte Gott noch tun?
Umkehrung von Moral und Recht
Das vierte Wehe: Moralische Maßstäbe werden umgekehrt.
Wir hatten es kurz am Sonntag bei diesem Vers, Jesaja Kapitel 5, Vers 20: „Wehe denen, die das Böse gut nennen und das Gute böse, die Finsternis zu Licht machen und Licht zu Finsternis, die Bitteres zu Süßem machen und Süßes zu Bitterem.“
Ja, und es ist so, oder? In vielen Verhaltensweisen werden einfach andere Preisschilder angebracht, vor allem andere Bezeichnungen. Man kann das Böse gut nennen. Ich meine, Ausbeutung der Schwächeren heißt eben nicht mehr Ausbeutung, sondern es wird als kluges Wirtschaften und Unternehmergeist bezeichnet.
Was früher vielleicht Steuerbetrug hieß, nennt man heute kreative Bilanzierung. Und was man als Recht des Stärkeren diffamieren könnte, heißt, wie gesagt, einfach freie Marktwirtschaft.
Umgekehrt kann man das Gute böse nennen. Es gab Regeln und Gesetze in Israel, gerade in den Punkten, die Jesaja angesprochen hat. Jemand, der in Schuldknechtschaft geriet – ein israelischer Bürger, der sich verschuldet hatte und sich als Knecht verkaufen musste – sollte spätestens nach sechs Jahren freigelassen werden. Er erhielt ein Startkapital, um ein neues Leben aufzubauen.
Land musste spätestens nach fünfzig Jahren den ursprünglichen Besitzern, der ursprünglichen Familie, zurückgegeben werden.
Man kann solche guten Sozialgesetze jedoch auch diffamieren. Man kann das Gute böse nennen und sagen, diese alten Regeln, die in diesem alten Gesetzbuch stehen, taugen nicht für unsere Zeit.
Sie seien schädlich für das Investitionsklima, wenn wir solche Regeln wirklich beherzigen. Und man kann sie außer Kraft setzen.
Gott sagt: Wehe, wehe denen, die das Böse gut nennen und das Gute böse.
Arroganz und Korruption in der Justiz
Fünftes Wehe
Nun kommen wir zu einem Thema, das zeitlos ist. Es betrifft das, was Gott hasst und wogegen er ein Wehe ausspricht sowie ein Gericht ankündigt: die Arroganz des modernen Menschen.
Der Mensch hält sich für besonders klug, gerade wenn er die alten Gebote Gottes ablehnt. Er meint, es besser zu wissen, was für die Zukunft des Landes – und vor allem für seine eigene Zukunft – besser sei. Dabei weigert er sich, sich nach den guten Regeln Gottes zu richten und sich ihnen zu unterwerfen.
Jesaja schreibt in Vers 21: „Wehe denen, die in ihren eigenen Augen weise und bei sich selbst klug und verständig sind.“
Zum Schluss wendet sich Jesaja der Justiz zu – jener Institution, die eigentlich alles retten sollte. Die Justiz sollte Grenzen setzen gegenüber denen, die sich auf Kosten anderer ausbreiten und ihnen ihr Recht nehmen. Vielleicht haben sich manche Juristen an ihren Stammtischen damit gerühmt, die Gesellschaft noch irgendwie am Laufen zu halten.
Doch was sagt Gott über sie? In Vers 22 heißt es: „Wehe denen, die Helden sind, um Wein zu trinken, und tapfere Männer, um starkes Getränk zu mischen.“ Am Stammtisch gelten sie als Helden. Nicht nur, weil sie viel vertragen, sondern weil sie angeblich viel Gutes für die Gesellschaft tun.
Aber wie sieht es im Alltag aus? Wie verhalten sie sich in ihrem Berufsleben? Wie handeln sie dort, wo sie Recht sprechen müssen? Sie sprechen den Gottlosen für ein Geschenk gerecht und entziehen das gerechte Anliegen der Unschuldigen.
Sie waren nicht diejenigen, die Recht und Gerechtigkeit im Land durchgesetzt haben, obwohl sie sich dafür vielleicht auf die Schulter klopften. Im Alltag waren sie alles andere als Helden. Hauptsächlich waren sie korrupt.
Das, was Gott durch Jesaja über die Gesellschaft damals entfaltet, weist Parallelen zur heutigen Gesellschaft auf. Diese Parallelen sind nicht zufällig, sondern zu erwarten, wenn Menschen nicht einmal in Anspruch nehmen, Volk Gottes zu sein.
Die Zustände in Jerusalem und die Abkehr von Gott
Eine Zusammenfassung dieser Korruption hat Jesaja bereits in seinem ersten Kapitel beschrieben, genauer in Jesaja 1,2-23. Ich lese diese Verse nur ganz kurz an. Er spricht über Jerusalem, die Hauptstadt, von der alles ausgeht und in der sich alles konzentriert. Dabei schreibt er: „Wie ist zu einer Hure geworden die treue Stadt!“ Früher war sie voller Recht und Gerechtigkeit. Es gab eine bessere Vergangenheit. Gerechtigkeit wohnte darin. Wenn man einen Ort suchte, an dem man sein Recht bekommen konnte, ging man nach Jerusalem.
Und jetzt? Mörder, schreibt er. Er sagt weiter: „Wow, dein Silber ist zu Schlacken geworden, dein Bier mit Wasser verdünnt.“ Es ist, als wäre der Prozess, bei dem man Silber aus metallhaltigem Gestein gewinnt, umgekehrt worden. Das Silber, das einst da war, ist zu Schlacke geworden.
„Deine Fürsten sind widerspenstig und kooperieren mit Dieben. Jeder von ihnen leiht Bestechungsgelder und jagt nach Geschenken. Den Weisen verschaffen sie kein Recht, und die Rechtssache der Witwen kommt nicht vor sie!“ So lautet die kurze Zusammenfassung, wie Gott die damalige Gesellschaft in Israel beurteilt hat – die Gesellschaft der Hauptstadt.
Früher gab es Gerechtigkeit und Rechtssicherheit in dieser Stadt. Jetzt wohnen dort Mörder, Diebe und Korruption. Gott sagt: Es ist wie eine Hure, alles scheint in dieser Stadt käuflich zu sein.
Interessant ist, wie Jesaja in Kapitel 1 beginnt. Gott sagt: „Ich habe Kinder großgezogen und aufgezogen, und sie sind von mir abgefallen. Ein Ochse kennt seinen Besitzer, und ein Esel kennt die Krippe seines Herrn. Israel erkennt nicht, mein Volk versteht nicht.“
„Wehe der sündigen Nation, dem Volk belastet mit Ungerechtigkeit, Nachkommen, die Übles tun, Söhne, die Böses tun! Sie haben den Herrn verlassen, den Heiligen Israels verschmäht und sind rückwärts gewichen.“
Er vergleicht Israel, sein Volk und dessen Führer, mit Nutztieren und sagt: Sie handeln dümmer als das dümmste Nutztier. Der Ochse und der Esel wissen, von wem sie abhängig sind und von wem sie ihren Segen und ihre tägliche Ernährung bekommen. Aber mein Volk rafft nicht, dass es von mir abhängig ist. Sie denken, sie können sich gegen mich wenden und setzen alles aufs Spiel, was sie durch mich haben.
Sie sind geprägt von Gottlosigkeit und haben sich von meinen Vorstellungen und Maßstäben entfernt. Sie sind von Ungerechtigkeit geprägt – ein düsteres Bild der damaligen Gesellschaft.
Die Geschichte der Könige und der Abstieg Judas
Aber kommen wir noch einmal kurz zurück zu Jesajas Lied in Kapitel 5. Wir haben gesehen, dass Gott sagt: Ich habe alles für dieses Volk investiert – wie ein Weinbergsbesitzer, der alles tut, um seinen Weinberg sicher und fruchtbar zu machen. Ich habe alles investiert und erwartet, dass etwas Gutes dabei herauskommt.
Doch wie wir gerade in den Weherufen und in den Zusammenfassungen in Kapitel 1 gelesen haben, ist nichts davon eingetreten, was Gott sich gewünscht hat. Im Gegenteil. Er vergleicht es mit Trauben, die man nicht essen kann, die zu bitter und zu sauer sind.
Jetzt lesen wir weiter in diesem Lied. Vorhin sind wir direkt von Vers 2 zu Vers 7 gesprungen. Nun schauen wir uns kurz an, was dazwischen steht – Vers 3: „Nun denn, Bewohner von Jerusalem und Männer von Juda, richtet doch zwischen mir und meinem Weinberg! Was kann ich noch für meinen Weinberg tun, das ich nicht getan hätte?“
Wörtlich steht da: Wenn ich erwartet habe, dass er essbare Trauben bringt, warum brachte er wilde, ungenießbare Trauben? Was hätte ich noch tun können? Das war die Frage von Anfang an, oder? Was hätte Gott noch tun können?
Wir hatten es am Sonntag kurz angesprochen: Die Regierungszeit Usias war 52 Jahre lang, und es ging dem Volk im Laufe dieser Zeit wirklich gut – zunehmend gut. Es ist, als wollte Gott sie überschütten mit Frieden, Sicherheit und wirtschaftlichem Wohlergehen.
Wir können einen kurzen Ausflug in die Zweite Chronik machen, Kapitel 26. Ich lese euch ein bisschen aus der Regierungszeit Usias vor:
„Sechzehn Jahre war Usia alt, als er König wurde, und er regierte zweiundfünfzig Jahre in Jerusalem. Der Name seiner Mutter war Jecholja von Jerusalem. Er tat, was recht war in den Augen des Herrn, nach allem, was sein Vater Amasja getan hatte, und suchte Gott in den Tagen Sechaias, der kundig war in den Gesichten Gottes. In den Tagen, als er den Herrn suchte, gab Gott ihm Gelingen.
Er zog aus und kämpfte gegen die Philister und riss die Mauern von Gad, die Mauern von Jabna und die Mauern von Aschdod nieder. Er baute Städte um Aschdod und unter den Philistern. Gott half ihm gegen die Philister, gegen die Araber, die in Gurbaal wohnten, und gegen die Mauniter. Die Ammoniter entrichteten Usia Tribut, und sein Name drang bis nach Ägypten hin, denn er war überaus stark geworden.“
Also hat er Kriege geführt, aber diese fanden außerhalb seiner Grenzen statt. Diese Kriege kosteten unterm Strich kein Geld, sondern brachten Geld nach Juda durch die Tributzahlungen der besiegten Völker.
Und er ist überaus stark geworden – hier ist militärische Stärke gemeint, aber auch wirtschaftliche Macht. Usia baute Türme in Jerusalem auf dem Ektor, auf dem Taltor und auf dem Winkel und befestigte sie. Er baute Türme in der Wüste und grub viele Zisternen, denn er hatte viel Vieh, sowohl in der Niederung als auch in der Ebene.
Er hatte Ackerbauern und Weingärtner im Gebirge und am Kamel, denn er liebte den Ackerbau. Das heißt, er befestigte und kultivierte alles, weil es jetzt sicher war. Man konnte kultivieren, Wachtürme bauten, die weit hinausschauten. Er hatte ein Heer, das stark genug war, und konnte Gegenden des Landes kultivieren, die vorher wegen der Überfälle von Nachbarvölkern unsicher waren.
Das wirtschaftliche und militärische Potenzial nahm zu. Usia hatte ein kriegsführendes Heer, das in die Schlacht zog. Nach der Zahl ihrer Musterung zählte man fast dreizehntausend Mann. Unter ihrer Leitung stand eine Heeresmacht von 307 Mann, die den Krieg mit großer Kraft führten und dem König gegen den Feind beistanden.
Für die damalige Zeit war das eine unglaubliche Streitmacht, mit der wohl niemand in der direkten Umgebung konkurrieren konnte. Usia rüstete das Heer professionell aus: Schilde, Lanzen, Helme, Panzer, Bögen und Schleudersteine. Es war keine Bauernarmee mit Mistgabeln in der Hand.
In Vers 15 heißt es: „Und er machte in Jerusalem Maschinen, eine Erfindung von Technikern, die auf den Türmen und Zinnen sein sollten, um mit Pfeilen und großen Steinen zu schießen.“ Sein Name ging in die Ferne, denn wunderbar wurde ihm geholfen, bis er stark wurde.
Das war ungefähr die Zeit Usias. Für israelische Verhältnisse, und für Verhältnisse außerhalb der großen Reiche, war das eine unglaubliche militärische Macht – zumindest für einige Jahre. Dadurch entstand Wohlstand und ein Gefühl von Sicherheit in der Bevölkerung.
Gott sagt: Was hätte ich noch für euch tun sollen?
Zu den 52 Jahren Usias kommt noch die Regierungszeit seines Sohnes Jotham hinzu. Ich lese noch ein paar Verse aus Zweite Chronik 27 von Anfang an:
„Fünfundzwanzig Jahre war Jotham alt, als er König wurde, und er regierte sechzehn Jahre in Jerusalem. Der Name seiner Mutter war Jeschua, eine Tochter Zadoks. Er tat, was recht war in den Augen des Herrn, nach allem, was sein Vater getan hatte. Nur ging er nicht in den Tempel des Herrn, aber das Volk handelte noch böse.“
Interessante Stelle: „Das Volk handelte vor allem noch böse.“ Das heißt, all das, was Gott über Jahrzehnte investiert hatte, hatte nichts daran geändert, dass das Volk anders lebte, als Gott es vorgeschrieben und erwartet hatte.
Jotham baute das obere Tor des Hauses des Herrn und auch an der Mauer des Ofel baute er viel. Er baute Städte im Gebirge Juda, bisher waren es Wachtürme, jetzt wurden es Städte. In Wäldern baute er Burgen und Türme.
Er kämpfte mit dem König der Kinder Ammon und überwand sie. Die Kinder Ammon gaben ihm in jenem Jahr hundert Talente Silber, zehntausend Chor Weizen und zehntausend Chor Gerste. Das ist auf jeden Fall viel – ihr habt es nicht umgerechnet, Chor halt, ne? Das entrichteten ihm die Kinder Ammon auch im zweiten und dritten Jahr.
Jotham erstarkte, denn er richtete seine Wege vor dem Angesicht des Herrn, seines Gottes.
Gott fragt erneut: Was hätte ich noch für euch tun sollen? Jetzt hätte ich noch mehr in euch investieren können, in dieses Land.
Wir wissen nicht, ob die sozialen Ungerechtigkeiten nie aufgehört haben oder wann sie überhandnahmen. Diese Erfolgsgeschichte, dass die, die reich geworden waren, noch reicher werden wollten und die Unterdrückten trotz des allgemeinen Wohlstands arm blieben – das reiche Land war nicht gerecht verteilt.
Aber spätestens nach Jotham, als der Enkel Usias, Ahas, auf den Thron kam, wird sehr deutlich, wie weit und wie schnell er sich von Gott entfernen konnte und wie wenig die Treue zu Gott in diesem Volk verwurzelt war.
Ahas wandte sich sehr schnell ab vom Weg seines Großvaters und seines Vaters, als seine Regierung begann. Er tat exakt das Gegenteil.
Ein paar Verse aus Zweite Chronik, dann kommen wir zurück zu Jesaja:
„Zwanzig Jahre war Ahas alt, als er König wurde“ (Kapitel 28, Vers 1). Er regierte sechzehn Jahre in Jerusalem und tat nicht, was recht war in den Augen des Herrn, wie sein Vater David, sondern er wandelte auf den Wegen der Könige von Israel – also der Könige des Nordreiches, die sich schon lange von Gott distanziert hatten.
Er machte den Baalim, also Fruchtbarkeitsgötzen, gegossene Bilder, und räucherte im Tal des Sohnes Hinnoms. Er verbrannte seine Söhne im Feuer – nach den Gräueln der Nationen, die der Herr von den Kindern Israel vertrieben hatte. Er opferte und räucherte auf den Höhen und Hügeln, unter jedem grünen Baum.
Ja, das ist so in einer Agrargesellschaft. Ich meine, was wirst du anbeten, wenn du Gott nicht anbetest? Du wirst Fruchtbarkeit anbeten, Wirtschaftswachstum – meistens damals mit Sex verbunden, mit irgendwelchen Orgien und Prostituierten in den jeweiligen Tempeln.
Bei Ahas ist es so weit gegangen, dass Kinder diesen Götzen geopfert wurden. Wahnsinn, so schnell ging es bergab.
Gottes Gericht und die Folgen für Juda
Was wird Gott tun? Gott hat beschlossen, seine Vorgehensweise zu ändern und zu richten. Ich lese noch ein paar Verse weiter, 2. Chroniker 28,5: Da gab ihn der Herr, sein Gott, in die Hand der Könige von Syrien. Sie schlugen ihn, führten eine große Menge Gefangene von ihm weg und brachten sie nach Damaskus.
Auch in die Hand der Könige von Israel, also die Könige des Nordreiches, wurde er gegeben. Diese brachten ihm eine große Niederlage bei. Pekach, der Sohn Remaljas, der damals König des Nordreiches war, schlug in Juda an einem Tag 120.000 Mann, alles tapfere Leute, weil sie den Herrn, den Gott ihrer Väter, verlassen hatten.
Dann kam noch der Kronprinz um, ebenso ein Heerführer von den Prominenten. In Vers 8 steht, dass ungefähr 200.000 Männer, Frauen, Söhne und Töchter deportiert wurden. Du hast vielleicht derzeit nicht mehr so ein großes Heer, aber der Großvater hatte ein Heer von über 300.000 Leuten. An einem Tag kamen 120.000 Soldaten um. An einem Tag.
Jesaja drückt das in Jesaja 5 mit seinen Worten poetisch aus, aber er meint genau das Gleiche. Dort heißt es in diesem Lied: „Nun, so will ich euch tun, was ich meinem Weinberg tun will: seinen Zaun wegnehmen, und er wird abgeweidet werden; seine Mauern niederreißen, und er wird zertreten werden. Ich werde ihn zu Prärie machen. Er soll weder beschnitten noch behackt werden, und Dornen und Disteln werden in ihm aufschießen. Ich will den Wolken gebieten, dass sie keinen Regen auf ihn fallen lassen.“
Gott sagt: Ich werde dieses Land nicht mehr von seinen Nachbarvölkern beschützen. Ich werde die Mauer, die ich gemacht habe, abreißen, sodass jeder über dieses Land herfallen kann, dass jeder Menschen umbringen kann, dass jeder die Ernte rauben kann. Nicht mehr ihr werdet sie besiegen, sondern sie euch. Ihr werdet Tribut zahlen.
Wenn wir in 2. Chroniker weiterlesen würden, würden wir Stellen finden, die zeigen, dass sie jetzt Tribut zahlen. Gott sagt: Ich habe so viel in diesen Weinberg investiert. Was hätte ich noch tun sollen? Jetzt werde ich es anders probieren. Ich werde euch euren Nachbarn ausliefern. Ihr werdet nicht mehr Wohlstand, sondern Not erleben. Vielleicht kommt ihr dann zu mir und ruft um Hilfe.
Das eine hat nicht funktioniert. Ich werde nicht mehr in euch investieren, ich werde euch nicht mehr segnen. Es wird praktisch keinen Regen mehr geben – übertragen gesprochen.
Der nächste Schritt in der Geschichte steht in Jesaja 5,24: „Darum ist der Zorn des Herrn gegen sein Volk entbrannt, und er erstreckt seine Hand gegen es und schlägt es. Die Berge erbeben, und ihre Leichname sind wie Müll inmitten der Straße. In alldem wendet sich sein Zorn nicht ab. Noch ist seine Hand ausgestreckt.“
Diese Stelle greift Jesaja später noch einmal auf.
Die vergeblichen Versuche Gottes und seine Ratlosigkeit
Aber gehen wir noch einmal zurück zu Jesaja 1, ganz an den Anfang dieses Buchs. Hier beschreibt Jesaja die Situation. Wir haben gesehen, dass er in Jesaja 5 zuerst die Zeit unter Usia und Jotham beschreibt, als es dem Volk wirklich gut ging. Gott sagt: Was hätte ich noch tun sollen für euch, damit ihr mir nachfolgt, damit ihr mir loyal bleibt, damit ihr mir und meinen Maßstäben folgt?
Unter Ahas und später auch zum Teil unter Hiskia verändert Gott seine Vorgehensweise. Die Situation wird immer schwieriger, die Not wächst, und Verzweiflung breitet sich aus. Lesen wir Jesaja 1 bis 5, so beschreibt Jesaja diese Phase der Geschichte. Er fragt: Warum werdet ihr noch weiter geschlagen? Warum bleibt ihr bei der Rebellion?
Von der Fußsohle bis zum Haupt ist nichts Gesundes an ihm, Wunden und Striemen und frische Schläge. Sie sind nicht verbunden, nicht verbunden und nicht mit Öl erweicht worden. Euer Land ist eine Wüste, eure Städte sind mit Feuer verbrannt. Eure Äcker verzehren Fremde vor euren Augen, und eine Wüste ist es geworden durch Fremde.
Jesaja sagt: Wohin sollte ich noch schlagen? Ihr seid wie jemand, der schon übersät ist mit Schlägen. Es gibt keine gesunde Stelle auf eurem Rücken mehr, wo ich noch hinschlagen könnte. Und euer Land ist verwüstet. Was soll ich euch noch wegnehmen? Eure Felder werden von Fremden abgeerntet. Es ist wie eine Umkehrung durch Fremde. Sie ernten so, wie ein feindliches Besatzungsheer das tut, das kein Interesse daran hat, dass im nächsten Jahr auch wieder etwas wächst.
Wir haben eine Streuobstwiese. Die einfachste Möglichkeit, Äpfel zu ernten, ist, den Baum umzugsägen. Komme ich gut dran, brauche ich keine Leiter. Ich werde das nicht tun. Aber wenn ich ein Belagerungsherr bin, warum sollte ich es nicht tun? Das ist es, was Jesaja meint, was Gott meint: eine Umkehrung durch Fremde. Euer Land wird vor euren Augen abgeerntet. Ihr könnt nichts dagegen tun. Und es wird so abgeerntet, dass ihr wisst, wir können auf Jahre eigentlich nichts mehr damit anfangen.
Und die Tochter Zion, Jerusalem, ist übrig geblieben wie eine Hütte im Weinberg, wie eine Nachthütte im Gurkenfeld, wie eine belagerte Stadt. Das bekam ganz neue Aktualität, als unter Hiskia das syrische Heer alle Städte in Israel erobert hat, Jerusalem belagert wurde und nichts übrig blieb als diese Stadt.
Wir unterschätzen die Situation manchmal. Wir denken, Juda sei erst drei Generationen später durch die Babylonier deportiert worden. Es steht jedoch da, dass die Assyrer schon viele von der Bevölkerung dieser anderen Städte deportiert haben zu dieser Zeit.
Und das ist die Frage hier im Buch Jesaja, die Frage in Jesaja 5 und auch die Frage in Jesaja 1. Die Frage in Jesaja 5 lautet: Ich habe euch über Jahrzehnte, letzten Endes über Jahrhunderte, so viel Gutes getan. Was hätte ich noch tun sollen, um eure Loyalität zu gewinnen?
Jesaja 1 sagt: Ich habe so viel Not geschickt in euer Land, damit ihr irgendwie aufwacht, damit ihr zu mir umkehrt. Was könnte ich euch noch antun, damit ihr zu mir kommt, meine Hilfe sucht und Buße tut?
Ich habe beides versucht: Ich habe versucht, euch zu beschenken, ich habe versucht, euch zu schlagen. Aber irgendwie hat nichts dazu geführt, dass ihr zu mir gekommen seid. Gott sagt: Ich bin ratlos. Was soll ich noch tun?
Die Herausforderung an uns heute
Ja, können wir daraus etwas lernen?
Am Anfang habe ich gesagt, Jesaja spricht nicht direkt zu uns, aber er ist für uns aufgeschrieben worden. Obwohl unsere Situation heute ganz anders ist als damals, gibt es auch heute Nichtgläubige und Gläubige, bei denen Umkehr notwendig wäre. Gott steht oft vor dem gleichen Dilemma: Was soll er tun? Wie kann er Menschen erreichen? Wie kann er die Seinen bewegen, dass sie seine Wege gehen?
Ich weiß nicht, ob du Erfahrung damit hast: Was müsste Gott tun, um deine absolute Loyalität zu gewinnen?
Vielleicht hattest du Zeiten in deinem Leben, in denen du den Eindruck hattest, dass Gott konkret eingreift und dir hilft. So wie am Anfang im Weinberg, wo es dir einfach gut ging und Gott dich beschenkt hat. Denk einmal nach: Was hat das bei dir bewirkt? Hat es dich dazu gebracht, Gott mehr zu lieben und dich ihm aus Dankbarkeit hinzugeben? Hat er dich gewonnen? Oder hast du vor allem deine Bequemlichkeit in solchen Zeiten genossen?
Vielleicht hast du auch umgekehrt Zeiten erlebt, in denen Gott persönliche oder gemeindliche Katastrophen geschickt hat. Vielleicht wirst du solche Zeiten noch erleben, damit wir überhaupt aufwachen, so wie in Jesaja 1. Wenn es in der Vergangenheit schon einmal passiert ist, hat es dich gewonnen? Oder hast du dich eher innerlich von Gott zurückgezogen, bist auf Distanz gegangen, weil du von Gott enttäuscht warst?
Aber was hätte Gott tun sollen, um dich zu gewinnen? Was müsste er tun, damit du ihm nachfolgst und seinen Willen tust?
Ist Gott manchmal ratlos, wenn er dein Leben anschaut? Ich glaube, das ist die Frage, die uns Jesaja stellt. Doch wir wissen, dass Gott nicht bei seiner Ratlosigkeit stehen geblieben ist. Zuerst hat er die Strafen noch verschärft, und sie sind in die babylonische Gefangenschaft gegangen. Das hat einiges bewirkt. Es war nicht völlig wirkungslos.
Gottes neuer Weg und die Verheißung des Messias
Im zweiten Teil seines Buches blickt Jesaja in die ferne Zukunft. Ab Kapitel 40 richtet sich sein Blick meist auf die kommenden Generationen, doch gelegentlich schaut er auch weiter voraus.
Zum Abschluss möchte ich einige Verse aus diesem zweiten Teil, Jesaja Kapitel 40, vorlesen. Ganz am Anfang heißt es: „Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott, redet zum Herzen Jerusalems und ruft ihr zu, dass ihre Mühe vollendet ist, dass ihre Schuld abgetragen ist, dass sie von der Hand des Herrn doppelte Vergeltung empfangen hat für alle ihre Sünden.“
Irgendwann endet die babylonische Gefangenschaft, die das Volk geprägt hat. Gott sagt: „Genug, genug gestraft, wir versuchen es noch einmal von vorne.“ Dann geht es weiter: „Stimme eines Rufenden in der Wüste: Bahnt den Weg des Herrn, ebnet in der Steppe eine Straße für unseren Gott! Jedes Tal soll erhöht werden, jeder Berg und Hügel erniedrigt. Das Höckrige soll zur Ebene werden, das Hügelige zur Talebene, und die Herrlichkeit des Herrn wird sich offenbaren. Und alles Fleisch wird es miteinander sehen, denn der Mund des Herrn hat geredet.“
Kommen euch diese Verse bekannt vor? Nicht nur, weil gerade Weihnachten war. Johannes der Täufer zitiert diese Worte und sagt: „Das ist mein Auftrag.“ Gott begann nach der babylonischen Gefangenschaft nicht einfach noch einmal neu und hoffte, dass es diesmal besser klappt. Er war nicht ratlos, sondern hatte einen Plan.
Er selbst kam in der Gestalt des Messias, seines Sohnes, auf die Erde. Er kam zu seinem Volk. Der Höhepunkt dieser Botschaft steht in Jesaja Kapitel 53. Ich lese Vers 4: „Er hat unsere Leiden getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Wir aber hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt. Doch um unserer Übertretungen willen war er verwundet, um unserer Ungerechtigkeit willen zerschlagen. Die Strafe lag auf ihm zu unserem Frieden, und durch seine Wunden sind wir geheilt worden.“
Wir alle gingen umher wie Schafe, jeder auf seinem eigenen Weg. Der Herr hat ihn getroffen – die Schuld von uns allen. Erinnert euch das an Jesaja 1? Dort heißt es: „Alles ist voller Striemen, es gibt keinen Platz mehr, wo ich noch schlagen sollte. Was soll ich noch tun?“ Jesaja 53 sagt: „Ich werde euch nicht weiter schlagen, ich habe jemanden anders für euch schlagen lassen.“
Doch umso mehr bleibt die Frage: Was soll Gott jetzt noch tun, um deine Loyalität zu gewinnen? Die Lösung wäre damals schon so einfach gewesen. Es wäre leicht gewesen, das Herz Gottes zu gewinnen, ihn im letzten Moment noch zum Umdenken zu bringen – für das Volk und für jeden Einzelnen.
Wir können hier nicht ausführlich auf den Rest von Kapitel 1 eingehen, aber ich möchte noch einen Vers vorlesen, der den Sinn gut trifft. Jesaja 1,18 lautet: „Kommt denn, lasst uns miteinander rechten, spricht der Herr. Wenn eure Sünden auch wie Scharlach sind, sollen sie doch wie Schnee weiß werden. Wenn sie rot sind wie Karmesin, sollen sie wie Wolle werden. Ihr müsst nur zu mir umkehren.“
Es ist nicht leicht, seine Gewohnheiten zu ändern. Es ist nicht leicht, aus dem Fahrwasser der Gesellschaft auszubrechen. Aber wisst ihr, was Gott hier sagt? Was nicht schwer ist? Es ist so leicht, sein Herz zu gewinnen, Gott umzustimmen. Es ist nicht schwer.
Obwohl eure Sünden wie Scharlach sind, können sie wie Schnee weiß werden. Obwohl sie rot sind wie Karmesin, können sie wie Wolle werden. Das ist unser Gott. Manchmal mag er ratlos sein: „Was soll ich noch tun?“ Doch er ging einen ganz neuen Weg.
Es ist so leicht, zu ihm zu kommen. Es ist so leicht, seine Sünden loszuwerden. Es ist so leicht, seine Hilfe und Freundlichkeit zu erfahren. Es ist so leicht, sein Herz zu gewinnen. Was sollte Gott noch tun?