Einführung in das Thema Gebet und Selbstgerechtigkeit
Gott wird Mensch – Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode 624: Der Pharisäer und der Zöllner, Teil 1.
Wir bleiben noch ein wenig beim Thema Gebet. Allerdings geht es jetzt nicht um anhaltendes Gebet, sondern um einen Zöllner und einen Pharisäer, die beide im Rahmen eines Gleichnisses im Tempel beten.
Lukas 18,9: Er sprach aber auch zu einigen, die auf sich selbst vertrauten, dass sie gerecht seien, und die übrigen verachteten, dieses Gleichnis.
Hier lernen wir die Zielgruppe des Gleichnisses kennen: solche, die auf sich selbst vertrauten, dass sie gerecht seien. Diese Haltung hat zudem eine Konsequenz: Sie verachten die übrigen.
Wir merken, dass Jesus, auch wenn es im Gleichnis selbst um einen Pharisäer geht, alle Menschen im Blick hat, die sich für die Guten halten und auf andere herabblicken. Es geht also um Menschen, die mit Selbstgerechtigkeit und Hochmut ein Problem haben.
Die Gegensätze im Tempelgebet: Pharisäer und Zöllner
Lukas 18,10: Zwei Menschen gingen hinauf in den Tempel, um zu beten. Der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Hier haben wir es mit Gegensätzen zu tun. Auf der einen Seite steht der in den Augen aller Juden religiöse Pharisäer, auf der anderen Seite ein Zöllner. Dieser war vielleicht nicht so verhasst und ausgestoßen, wie manchmal behauptet wird, aber im Vergleich zu einem Pharisäer eher nicht das Sinnbild eines Frommen.
Beide gehen in den Tempel, um zu beten. Nun wird es spannend.
Lukas 18,11: Der Pharisäer stand und betete bei sich selbst: »Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin wie die übrigen Menschen – Räuber, Ungerechte, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner.«
Ein wenig kann ich mir kaum vorstellen, dass irgendjemand so betet. Aber Jesus würde uns das Gleichnis nicht erzählen, wenn es nicht genau diese Einstellung bei selbstgerechten Menschen gäbe. Es reicht ja völlig, wenn sie im Herzen vorhanden ist.
Der Pharisäer betete bei sich selbst, wörtlich „zu sich selbst“. Er betet aber nicht wirklich zu Gott. Von Anfang an haben wir es hier nicht mit einem Gebet im eigentlichen Sinn zu tun. Gebet ist auf Gott ausgerichtet. Das hier ist Eigenlob, das sich als Gebet tarnt.
Und es wird noch schlimmer: Was wie ein Dankpsalm beginnt – »Gott, ich danke dir« – schlägt ganz schnell um in einen sehr hässlichen Vergleich mit anderen Menschen. Hier geht es dem Beter nicht darum, Gott zu loben und ihm Dank zu bringen, sondern sich selbst als besonders gerecht darzustellen: »Danke, dass ich nicht bin wie die übrigen Menschen.«
Dieses Gebet offenbart, was im Herzen dieses Mannes ist: ein tiefes Gefühl der Überlegenheit. »Ich bin besser, danke Gott.« Da sind sie, die Übertreter des Gesetzes: die Räuber, die Ungerechten, die Ehebrecher oder auch dieser Zöllner. Und auf der anderen Seite steht er, der Gerechte, der die Gebote hält und Gott gefällt.
Was für ein hochmütiges und gefährliches Denken!
Selbstreflexion über das eigene Gebet
Aber lasst uns kurz innehalten, bevor wir weitermachen. Kann es sein, dass unser Gebet etwas über uns selbst offenbart? Lohnt es sich vielleicht, dass wir uns beim Beten ab und zu selbst zuhören? Ich denke ja.
Und das nicht nur, damit wir nicht plappern. Auch das kann passieren und ist nicht erwünscht. Ich meine, dass wir uns anschauen, worüber wir uns freuen, was wir im Gebet feiern und wie wir im Gebet zu genau den Menschen stehen, die Sünder sind oder die wir für Sünder halten.
Ein Zöllner ist ja nicht allein wegen seines Berufs automatisch ein schlechter Mensch. Jesus hatte kein Problem damit, einen Matthäus in den Kreis der Apostel aufzunehmen. Etwas später im Lukasevangelium begegnen wir Zachäus, der auf spektakuläre Weise Buße tut. Was im Gleichnis nur angedeutet wird, wird in Jericho zur Realität.
Aber zurück zu meiner Frage: Kann es sein, dass uns die Worte, die wir im Gebet sprechen, etwas über uns selbst verraten? Ich bin überzeugt, dass dem so ist.
Hör dir an, wie du im Gebet über dich selbst redest. Wer bist du vor Gott, wenn du allein mit ihm sprichst? Wie präsentierst du dich? Wie offen redest du mit deinem Vater im Himmel über deine Sünde, dein Versagen oder deine Zweifel? Oder geht es dir vor allem darum, deine gute Seite zu zeigen?
Steckt da der Wunsch in dir, Gott zu beweisen, dass du es wert bist, ein Christ oder ein Kind Gottes zu sein? Wert, weil du besser bist, weniger Fehler machst, artiger lebst und dich an alle Regeln hältst?
Und wie redest du über andere Menschen? Kommen sie in deinem Gebet vor? Wenn ja, in welcher Rolle? Stehen sie im Zentrum, weil du für sie bittest und flehst? Oder sind sie nur Randfiguren, weil sich dein Denken fast ausschließlich um dich und deine Bedürfnisse dreht? Oder, noch schlimmer, benutzt du Menschen im Gebet, um dich selbst zu profilieren? Zum Beispiel: „Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin wie die übrigen Menschen.“
Bitte hör dir im Gebet einmal selbst zu. Frage dich ehrlich: Was sagen die Worte, die ich im Gebet spreche, über mich aus? Dasselbe gilt auch für die Worte, die ich nicht spreche – mein Schweigen im Gebet, meine Zurückhaltung, mein Desinteresse.
Die Haltung des Pharisäers und ihre Bedeutung
Lukas 18, die Verse 11 und 12: Der Pharisäer stand und betete bei sich selbst: »Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin wie die übrigen Menschen, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche, ich verzehnte alles, was ich erwerbe.«
Was sagen diese Worte über den Pharisäer aus? Zunächst einmal fühlt er sich überlegen. Er empfindet sich als überlegen, weil er zweimal in der Woche fastet und treu den Zehnten gibt. Er sieht sich als fromm, während die anderen es nicht sind.
Als typischer Pharisäer fastet er am Montag und am Donnerstag. Das Alte Testament fordert dies jedoch nicht. Das mosaische Gesetz kennt das Fasten nur am großen Versöhnungstag, Jom Kippur. Auch beim Zehnten geht der Pharisäer über das Geforderte hinaus.
Er verzehntet alles, was er erwirbt, also auch das, was er kauft. Laut 3. Mose 27,30-32 wurde der Zehnte jedoch vom Ertrag des Landes genommen. Dort heißt es: »Und der ganze Zehnte des Landes, vom Samen des Landes, von der Frucht der Bäume, gehört dem Herrn; es ist dem Herrn heilig. Und der ganze Zehnte von den Rindern und Schafen, von allem, was unter dem Stab vorüberzieht, das Zehnte soll für den Herrn heilig sein.«
Hier ist jemand besonders hingegeben und engagiert, doch seine Haltung ist falsch. Er tut es nämlich nicht, um Gott zu ehren, sondern für sich selbst. Der Pharisäer geht die Extrameile in Sachen Frömmigkeit – aber für sich selbst. Er will gerechter sein als die anderen.
So sehr wir als Christen der Heiligung nachjagen sollen, so sehr müssen wir uns gleichzeitig vor jeder Form von Selbstgerechtigkeit in Acht nehmen. Es geht Gott nicht primär darum, was wir tun. Vielmehr interessiert ihn, warum wir etwas tun. Tun wir es aus Liebe zu ihm, aus Dankbarkeit und Glaubensgehorsam? Oder tun wir es, um uns zu profilieren?
Und wehe uns, wenn wir uns heimlich für unser Engagement selbst auf die Schulter klopfen! Seien wir vorsichtig, denn etwas Selbstgerechtigkeit kann sich in jedem geistlichen Leben einschleichen.
Abschluss und persönliche Herausforderung
Was könntest du jetzt tun? Beantworte diese Frage: Wie würde jemand, der dir beim täglichen Beten zuhört, deine Beziehung zu Gott beurteilen? Was würde er denken?
Das war's für heute.
Vor kurzem habe ich wieder die Berlin News versandt. Darin findest du drei Gebetsanliegen für uns als Ehepaar. Du findest sie in der App. Bete doch für uns.
Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.
