Die zentrale Frage der Reformation und die Kritik an der Ablasspraxis
Ein junger Theologieprofessor nagelte sein selbstgeschriebenes Plakat in lateinischer und deutscher Sprache an die Kirchentür. Auf dem Plakat standen 95 Sätze, die sich immer wieder mit einer großen Frage beschäftigten: Wie kann ein Mensch in den Himmel kommen? Wie kann er seine Schuld vor Gott loswerden?
Vor 487 Jahren war diese Frage genauso brennend wie heute. Doch die Antwort der offiziellen Kirche stimmte nicht mit der Bibel überein. Damals gab es nur eine offizielle Kirche, die römisch-katholische. Ihre Auffassung lässt sich volkstümlich mit dem Vers zusammenfassen: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt.“ So wurde das damals gelehrt.
Genau genommen hatte die katholische Kirche einen Drei-Stufen-Plan, mit dem man angeblich seine Sünden loswerden konnte: Reue, Beichte, Geld. Wenn euch eure Schuld leid tut und ihr sie einem Priester beichtet, und wenn ihr dann als Beweis eurer Reue die kirchliche Bußstrafe bar bezahlt, dann vergibt euch Gott. Außerdem wird euch ein Teil der Strafe erlassen, die ihr hier auf Erden erdulden müsst.
Es war klar, dass viele nun glaubten, man könne sich mit Geld den Himmel erkaufen. Noch mehr: Nicht nur für sich selbst, sondern auch für bereits verstorbene Verwandte konnte und sollte man Ablässe kaufen – so hieß das.
Tetzel, der Mann, mit dem Luther sich anlegte – oder besser gesagt, einer der Männer, mit denen Luther sich anlegte – zog durch die Lande und setzte die Menschen mit solchen Reden unter Druck. „Hört ihr nicht die Stimme eurer toten Eltern und anderer Leute, die da schreien und sagen: Wir sind in schweren Strafen und Pein, wovon ihr uns mit wenig Almosen, also Bargeld, erretten könntet und doch nicht wollt?“
So lehrt die römisch-katholische Kirche, und sie lehrt im Prinzip heute noch dasselbe.
Die Kontinuität der katholischen Lehre und Luthers Erkenntnis
Erst vor wenigen Jahren, also kurz vor der Jahrtausendwende, erschien zum sogenannten Jubiläumsjahr ein Schreiben von Papst Johannes Paul II., in dem er einen neuen Ablass verkündete. Wer die zeitliche Strafe für seine Sünde gemildert bekommen oder gar erlassen haben möchte, braucht auch heute einen zusätzlichen Ablass.
Wer bestimmte Anordnungen erfüllt, kann diesen Ablass für sich selbst und auch für andere erwerben, damit diese schneller aus dem Fegefeuer herauskommen. Er muss dann bestimmte Wallfahrten machen, bestimmte Spenden geben – immer in Verbindung mit dem Besuch einer Messe. Außerdem muss er bestimmte katholische Feiertage einhalten. Wenn er diesen Kriterienkatalog erfüllt, wird ihm oder den Verstorbenen, denen er den Ablass zuwenden möchte, ein Teil der Sündenstrafe erlassen. Dadurch wird die Zeit im Fegefeuer verkürzt oder auf andere Weise gemildert.
Dies ist eines von vielen Beispielen, das zeigt, dass sich die Grundüberzeugungen der römisch-katholischen Kirche in 500 Jahren nicht geändert haben. Nach katholischem Verständnis können sie sich auch gar nicht ändern. So war es damals, vor 487 Jahren, als Martin Luther die Bibel las. Dabei bemerkte er zu seinem masslosen Erschrecken, dass die Lehre der Kirche und die Lehre der Bibel nicht miteinander übereinstimmen. Mehr noch: Sie widersprechen sich völlig, wie Feuer und Wasser.
Der Mönch und Theologieprofessor begriff, dass er jetzt nicht schweigen durfte. Er konnte sich auch nicht einfach tatenlos zurückziehen. Stattdessen begann er eine öffentliche Debatte, die die Welt veränderte. Am Ende entstand eine neue Kirche, weil Wahrheit und Lüge auf Dauer nicht unter einem Dach miteinander leben können.
Die Bedeutung des 31. Oktobers und die Herausforderung der Lauheit
Liebe Geschwister,
unser Thema für heute, den 31. Oktober 2004, passt wie die Faust aufs Auge zum einunddreißigsten Oktober 1517: Lauwarm schmeckt nicht.
Als Martin Luther anfing und seine Mitstreiter für die Wahrheit kämpften, war das nur mit einem heißen Herzen möglich. Es ging um alles oder nichts, lauwarm ging gar nicht.
Sicher haben unsere reformatorischen Brüder damals in bestimmten Phasen auch Fehler gemacht, weil sie eben Menschen waren, wie wir auch. Und wie wir machen auch sie Fehler in ihren Herausforderungen. Das ist wahr. Aber sie haben ihr Leben für das Evangelium in die Waagschale geworfen.
Die Reformation war ein heißer Kampf um Gottes Wahrheit. Wir Evangelikale haben uns zu Recht als die legitimen Erben der Reformation verstanden, weil wir in unserer Zeit für dieselbe Wahrheit eintreten wollen: allein die Heilige Schrift, allein Rettung durch Christus, allein durch den Glauben, allein durch die Gnade, allein Gott die Ehre.
Das sind die großen Sola der Reformation gewesen, und dafür haben sie ihr Leben eingesetzt.
Aber wie steht es nun um unseren reformatorischen Kampf für das Evangelium? Wie steht es um unsere Hingabe an den Herrn Jesus und um unseren Einsatz für sein Wort? Wo stehen wir möglicherweise in der Gefahr, selbst lauwarm zu werden?
Darüber muss heute Abend gesprochen werden.
Die Diagnose der Gemeinde Laodizea als Beispiel für Lauheit
Wenn wir verstehen wollen, was mit „lauwarm“ gemeint ist, dann schauen wir uns den Text an, den Bruder Ruder Vogel zu Beginn vorgelesen hat. Es handelt sich um die Bibelstelle, in der Jesus Christus das Wort „lauwarm“ verwendet. Er spricht es in den Mund oder diktiert es in die Feder des Johannes. Dort heißt es in Offenbarung 3, Vers 14:
„Und dem Engel der Gemeinde in Laodizea schreibe: Das sagt der Amen, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes: Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach, dass du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde. Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts, und weiß nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß.“
Lauwarm schmeckt nicht. Das ist also ein Urteil vom Herrn Jesus selbst. Ihm schmeckt es nicht, wenn seine Leute lauwarm sind. Das ist hier gemeint.
Was „lauwarm“ genau bedeutet, ist unser erster Punkt heute Abend. Wir können es am besten an der Gemeinde von Laodizea studieren. Diese Gemeinde lag im Gebiet der heutigen Türkei und erhielt als erste diesen „blauen Brief“ von Jesus.
Die Situation dieser Gemeinde lässt sich mit einem Satz beschreiben: In Vers 20 sagt Jesus: „Siehe, ich stehe vor der Tür.“ Das beschreibt die Lage dieser lauwarmen Gemeinde. Sie nennt sich noch christlich und gilt wohl auch in den Augen ihrer Gesellschaft als solche. Doch Jesus stellt eine ganz andere Diagnose: Er sagt, er stehe vor der Tür.
Jesus steht also schon draußen bei dieser Gemeinde. Die persönliche Beziehung zwischen ihm und der Gemeinde ist längst blockiert, verbarrikadiert. Die Tür ist verschlossen, und Jesus steht draußen. Die große Frage ist: Wie kam es dazu? Auch diese Frage wird hier beantwortet.
Jesus sagt der Gemeinde nicht nur das Ergebnis: „Ich stehe vor der Tür“, sondern auch die Ursache. Er sagt: „Ach, dass du weder kalt noch warm wärst, aber du bist lau geworden.“ Das war das Problem. Die Gemeinde war lau.
Wenn man fragte: Ja oder Nein? Dann antwortete diese Gemeinde mit einem kräftigen „Jein“. Ist Jesus Gottes Sohn? Ist er auferstanden? Ist die Bibel verbindlich? Ist er der einzige Weg zur Rettung? Jein, jein, jein.
Ist jeder Mensch in Gottes Augen ein Sünder? Ja, aber man darf das nicht ganz so hart sagen. Und der Mensch hat ja auch einige gute Seiten.
Brauche ich unbedingt die Vergebung von Jesus, um mit Gott ins Reine zu kommen? Ja, aber es gibt auch noch andere Wege, auf denen man Gott möglicherweise finden kann.
Gibt es Himmel und Hölle? Ja, natürlich, aber die Hölle wird am Ende wahrscheinlich leer sein.
Ist die Ehe Gottes Ordnung? Ja, aber wenn Leute sich vor Gott versprechen und dann zusammenleben, darf man sie nicht gleich vom Abendmahl ausschließen.
Ist die römisch-katholische Kirche eine Irrlehre? Ja, aber in ihr findet sich auch manches Wahre und Gute, und deswegen sollte man trotzdem zusammenarbeiten.
Hält die Bibel in allen Fragen als letzte Autorität? Ja, aber man kann sie nicht in allen Stellen und Anweisungen wörtlich nehmen. Deshalb sollten heute auch Frauen ruhig Leitung in einer Gemeinde übernehmen können. Da darf man die Bibel nicht ganz so wörtlich verstehen.
„Ja, aber…“ – das war wohl die Lieblingsformel dieser Gemeinde.
Der Begriff „lau“ gehörte schon damals zum Wasser. „Lau“ heißt nicht richtig warm, nicht richtig heiß, abgestanden, neutral, mittelmäßig. Und das verstanden die Leute in Laodizea. Denn das gleiche Problem hatten sie mit ihrer Wasserversorgung.
Die Stadt Laodizea hatte keine eigenen Wasserquellen in der Nähe. Sie wurde über ein Aquädukt versorgt, also über eine unterirdische Wasserleitung. Das Wasser musste erst zehn Kilometer von der Quelle bis nach Laodizea zurücklegen. Das war das Problem.
Wenn das Wasser in Laodizea ankam, war es lauwarm. Und lauwarmes Wasser galt in Kleinasien als ein hervorragendes Mittel, um Übelkeit und Brechreiz auszulösen – ein medizinisches Brechmittel. Das erklärt auch die Aussage: „Ich werde dich ausspeien aus meinem Munde.“ Das ist medizinisch begründet.
Die beiden anderen Städte in der unmittelbaren Umgebung von Laodizea hatten es besser. In Hierapolis gab es heiße Quellen, die als medizinisch wertvoll galten. In Colossä gab es kaltes Wasser, das wunderbar erfrischte. Aber in Laodizea kam das Wasser nach der zehn Kilometer langen Leitung eben nur lauwarm an.
Genauso ist es mit der „Herzenstemperatur“ der Gemeinde bestellt. Sie lieben Jesus nicht von ganzem Herzen. Sie beugen sich nicht ganz unter seine Autorität. Sie kämpfen nicht mit letztem Einsatz für seine Wahrheit. Sie haben immer ihr „Ja, aber“, mit dem sie alles relativieren.
Für viele kam der Glaube gewissermaßen durch eine lange Traditionsleitung zu ihnen, ähnlich wie das Wasser durch die lange Leitung. Sie hatten es von ihren Eltern gehört, die vielleicht schon Paulus predigen hörten. Sie hatten vieles mitbekommen und fanden es nicht schlecht. So lebten sie in den vorgegebenen Bahnen, aber ohne eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus.
Sie folgten ihm nicht von ganzem Herzen als ihrem Herrn. Sie lebten ohne direkte Verbindung zu ihrer Quelle. Sie waren in ihrem normalen Leben seltsam unabhängig von Jesus und auch von der Bibel. Sie waren unbelastet vom Kampf gegen ihre Gleichgültigkeit.
Deshalb waren sie auch nicht umgetrieben von großem Wissensdurst, sondern schämlich zufrieden mit sich selbst. Das ist immer eine Folge von Lauheit: Selbstzufriedenheit und Selbstüberschätzung.
Je weiter ich die Maßstäbe herunterdrücke, je wohltemperierter ich den Glauben verstehe, desto harmloser wird alles. Umso schneller bin ich mit mir und anderen zufrieden, umso weniger rege ich mich auf, umso leichter lege ich mich in Sicherheit und umso blinder bin ich für den wirklichen Zustand, in dem ich vor Gott stehe.
Jesus sagt es so: „Ach, du bist blind.“
„Du bist blind für deine eigene Situation“, heißt es in Vers 17. „Du sagst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts, und weiß nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm und blind und bloß.“
Du leidest an tödlicher Selbstzufriedenheit, und daraus folgt eine tödliche Selbstüberschätzung.
Diese Gemeinde war stolz geworden. Sie hatten sich wahrscheinlich von der Oberflächlichkeit anstecken lassen, für die ihre Stadt Laodizea bekannt war.
In Laodizea erlebte man es verhältnismäßig leicht, wahrscheinlich auch für diese Gemeinde. Wir hören nicht, dass sie mit ihrer flauen Religiosität auf Widerstand stießen.
Laodizea war bekannt für sein florierendes Bankwesen. Es galt als Verkehrsknotenpunkt zwischen Mittelmeer und Nahost. Hier konnte man wunderbare Geschäfte machen. Der Goldpreis spielte dabei eine große Rolle.
Es gab ein medizinisches Institut in Laodizea, dessen Tradition bis ins dritte Jahrhundert vor Christus zurückreichte. Besonders bekannt war die Augenmedizin, die dort erforscht und hergestellt wurde.
Nicht zu vergessen ist die aufblühende Wollindustrie in Laodizea. Weiche Wolle in tiefschwarzer Farbe war das Markenzeichen der Stadt. Die „Laodizea-Kollektion“ trug den Namen der Stadt in weiten Teilen der Welt. Man war stolz darauf und bedacht, den Standort weiter auszubauen.
Wen wundert es da, dass sich eine Gemeinde davon anstecken lassen kann?
Doch bei allem äußeren Glanz der Stadt war das Innenleben der Gemeinde kaputt. So formuliert es Jesus in Vers 17: „Du bist arm, blind und bloß.“ Das griechische Wort „gymnos“ bedeutet nackt.
Das Bankwesen floriert, und du bildest dir ein, dass dein Gemeindeleben auch floriert.
Eure Augensalbe ist berühmt, und du glaubst, du hättest den großen Durchblick.
Eure Textilien erobern den Weltmarkt, und du glaubst, du stehst vor Gott im besten Zwirn und gut betucht da.
Doch du bist „gymnos“, du bist bloß. Du bist nackt. Du kannst deine Sünde nicht verbergen oder vertuschen. Du hast es nur noch nicht gemerkt.
Lauwarm – das war die Situation.
Das ist unser erster Punkt: Was ist lauwarm? Lauwarm ist ein Christsein mit faulen Kompromissen, mit einem ständigen „Ja, aber…“. Und das führt in eine gefährliche Selbstzufriedenheit, die schließlich in Selbsttäuschung mündet.
Die Verharmlosung der Wahrheitsfrage unter Evangelikalen heute
Je länger man sich in einer solchen Situation befindet, desto mehr neigt man dazu, die Dinge schönzureden. Mittelmaß wird als Besonnenheit dargestellt. Man will sich doch nicht so verkämpfen, nicht übertrieben sein und die Menschen nicht mit Konsequenz abschrecken.
Wir meinen, wir seien besonnen und sehen alles ganz weise. Menschenfurcht wird als Friedensliebe verbrämt. Wir möchten mit allen gut auskommen und wollen deshalb keine steilen Thesen aufstellen. Das helfe doch nicht weiter, das wisse man doch.
Verstehen Sie: Mittelmaß wird als Besonnenheit verkauft, Menschenfurcht als Friedensliebe – das ist lauwarm.
Kommen wir nun zu meinem nächsten Punkt und fragen: Worin zeigt sich dieses Lauwarme heute unter uns Evangelikalen? Ich möchte nur einen Punkt herausgreifen, der sehr typisch und meines Erachtens repräsentativ für die Situation ist. Das ist mein zweiter Punkt heute Abend: lauwarm – praktisch die Verharmlosung der Wahrheitsfrage.
Sie haben hier in Breckerfeld in den letzten Monaten selbst erlebt, in welche Stürme man gerät, wenn man sich für die Irrtumslosigkeit der Bibel einsetzt. Wenn man der Bibel das zutraut, was sie von sich selbst sagt, nämlich dass sie das absolut wahre und in jeder Hinsicht zuverlässige und vertrauenswürdige Wort Gottes ist.
Wenn man das sagt, gerät man in den Sturm. Nicht einmal in der Konferenz bibeltreuer Ausbildungsstätten wird von allen die Irrtumslosigkeit der Bibel unterschrieben und geteilt. Plötzlich ist man mit breiter Mehrheit außen vor.
Breckerfeld wurde schon quasi zum Außenseiter. Man war bereit, auch andere Positionen prinzipiell als bibeltreu anzuerkennen. Selbst viele Bibelschulen und Akademien, die für sich in Anspruch nehmen, für die Irrtumslosigkeit einzutreten, wurden plötzlich bereit, auch eine andere Position prinzipiell als bibeltreu anzuerkennen. Sogar eine Position, die davon ausgeht, dass Gottes Wort durchaus Fehler enthalten könne.
Gut, dass die Breckerfelder Schule hier mit heißem Herzen weiterkämpfen will und sich nicht auf einen lauwarmen Kompromiss einlassen wird. Dafür wollen wir auch beten, wie Bruder Vogel uns gebeten hat.
Ein anderes Thema, an dem sich schon viel zu viele lauwarme Kompromisse unter uns ausgebreitet haben, ist die Frage der Einheit und Ökumene. Hier befinden wir uns zeitgeschichtlich in einer besonders dramatischen Situation.
Die ökumenische Entwicklung und die Rolle der römisch-katholischen Kirche
Die Welteinheitsreligion, von der in Offenbarung 17 die Rede ist, nimmt allmählich Gestalt an. Man kann sich diese immer besser vorstellen, und es ist offensichtlich, dass die römisch-katholische Kirche dabei eine herausragende Rolle spielt.
Besonders Papst Johannes Paul II. setzt sich mit großem Eifer dafür ein, eine große religiöse Einheit unter dem Dach der römischen Kirche herbeizuführen. Zum Beispiel empfing er am 14. Mai 1999 den Imam aus Bagdad. Dabei wurde dem Papst ein Koran geschenkt, den er demonstrativ küsste. Damit brachte er zum Ausdruck, dass auch dieser Koran Wahrheit enthält. Katholiken und Moslems glauben letztlich an denselben Gott.
Oder denken Sie an das Treffen in Assisi, das der Papst am 24. Januar 2002 zum wiederholten Mal veranstaltete – bereits zum dritten Mal den Gebetstag der Weltreligionen für den Frieden. Dort waren Vertreter von mindestens zwölf Religionen versammelt. Diese Aktionen stimmen genau mit der katholischen Theologie überein.
Die katholische Kirche glaubt nämlich, dass Gott in vorläufiger Form auch in den Religionen wirkt und sich zeigt. Nach dieser Auffassung enthalten also auch die anderen Religionen Körnchen von Wahrheit. Allerdings kommen diese Ahnungen erst in Vollkommenheit in der römisch-katholischen Kirche zum Ausdruck. Deshalb ist der Papst der berufene Mann, der die Religionen unter seinen Fittichen sammeln und schließlich zur Einheit führen soll.
Wenn die Annäherung der Religionen gelingen soll, muss die Christenheit natürlich in diesem Prozess mit einer Stimme sprechen. Deshalb setzt die römische Kirche alles daran, zunächst die christlichen und sogenannten christlichen Konfessionen unter ihre Fittiche zu sammeln. So kann zumindest eine Christenfraktion gebildet werden.
Zurzeit kümmert man sich besonders um die russisch-orthodoxen Kirchen, weil man den westlichen Kirchen ohnehin nicht mehr viel zutraut. Man sagt, diese würden einem irgendwann wie eine reife Frucht in die Hand fallen, weil sie so dekadent geworden sind.
Wenn man diese Entwicklung beobachtet, scheint die Situation, von der Offenbarung 17 spricht – also eine Weltreligion, die mit einer Stimme redet –, gar nicht mehr so weit entfernt zu sein. Dabei dürfte die römische Kirche mit ihrem Oberhaupt eine ganz entscheidende Rolle spielen.
Es spricht vieles dafür, dass es sich bei der Hure Babylon aus Offenbarung 17 um eine Gemeinschaft der Weltreligionen handelt. Diese wird angeführt von einem verheideten Christentum, unter der Leitung des Papstes und seiner römischen Kirche. Die Reformatoren haben das ganz ähnlich schon im 16. Jahrhundert geahnt, und die weitere Entwicklung hat ihre Erwartungen mehr und mehr bestätigt.
Die Gefahr der Annäherung Evangelikaler an die römisch-katholische Kirche
Tja, und was machen jetzt die Evangelikalen? Es ist tragisch, dass in Westeuropa inzwischen immer mehr Evangelikale bereit sind, enger mit der römischen Kirche und dem Papst zusammenzuarbeiten. Sie suchen, wie man sagt, große Koalitionen, etwa für Evangelisation.
In Deutschland wird dies zum Beispiel beim Jesustag oder bei der Evangelisation pro Christ praktiziert. Diese Veranstaltungen werden ganz offiziell in Kooperation mit der römisch-katholischen Kirche und mit römisch-katholischen Priestern durchgeführt. Viele unserer Geschwister wollen nicht wahrhaben, dass die katholische Kirche an zentralen Punkten gegen die Bibel verstößt. Nicht nur in der Frage der Verheiligung und Maria, so wichtig diese Fragen auch sind, wird immer wieder so getan, als ob man im Grundsatz übereinstimme. Es wird gesagt, es seien nur ein paar folkloristische Zusatzlehren, die die römisch-katholische Kirche verbreitet.
Das stimmt nicht, liebe Geschwister! Wer die Lehre der römisch-katholischen Kirche kennt, weiß, dass sie im Kern ein anderes Evangelium vertritt. Das lässt sich an ihren Schriften und Dokumenten Schritt für Schritt ganz einfach nachweisen. Viele unserer Geschwister wollen das jedoch nicht sehen.
Die charismatische Bewegung suchte schon vor Jahrzehnten intensiv den Kontakt zur römischen Kirche, und jetzt ziehen die Evangelikalen nach. Zuerst haben sie den Schulterschluss mit der Pfingstbewegung und den Charismatikern vollzogen. Ein Meilenstein auf diesem Weg war die Kasseler Erklärung. Die Deutsche Evangelische Allianz versucht nun auch an anderen Stellen der Welt, eine Öffnung zur charismatischen Bewegung durchzusetzen.
Ich habe in Odessa ein Zimmer mit dem Vorsitzenden der Russischen Evangelischen Allianz, Wladimir Raguzow, geteilt. Er hat mich auch übersetzt und berichtete mir, wie von der Deutschen Evangelischen Allianz Druck auf die Russische Evangelische Allianz ausgeübt wurde, sich endlich für eine Kooperation mit dem Pfingstland zu öffnen. Die russischen Brüder wollen das natürlich nicht und werden daran festhalten, so wie ich die Lage einschätze.
Aber das ist es, was wir aus Deutschland exportieren. Der nächste logische Schritt nach der Öffnung zur charismatischen Bewegung ist die Hinwendung zur römischen Kirche. Denn auf der Ebene der charismatischen Bewegungen gibt es schon seit langem intensive Kooperationen.
Immer wieder melden sich prominente evangelikale Führer zu Wort, vor allem in Amerika, Westeuropa und nicht zuletzt in Deutschland. Sie wollen uns näher an die katholische Kirche heranführen. Auch die Evangelische Allianz praktiziert diese Kooperation, zum Beispiel in der Evangelisation. Viele Evangelikale wurden dadurch auf einen falschen Weg gelockt.
Umso dankbarer bin ich für den klaren Kurs der Evangelischen Allianz in Italien. Vor kurzem sprach ich bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit ihrem zweiten Vorsitzenden Dr. Leonardo di Chirico. Er hat dann am nächsten Tag auch hier in Breckerfeld gesprochen. Einige von Ihnen haben ihn bestimmt gehört.
Dr. Chirico hat ganz offen und ehrlich gesagt: Die römische Kirche versucht mit einer langfristigen Strategie, eine große religiöse Einheit unter ihrer Führung zu erreichen. Wer sich mit der römischen Kirche einlässt, für den gibt es nur zwei Möglichkeiten.
Sagte Chirico: Entweder man wird umgarnt, ausgesogen und vereinnahmt von der römischen Kirche – das ist die eine Möglichkeit. Oder man bezieht eine radikal gegensätzliche Position, die den Katholizismus von seinen Fundamenten her in Frage stellt.
Es gibt nur diese beiden Möglichkeiten, sagt uns die Evangelische Allianz in Italien: Entweder wir werden vereinnahmt, ausgesogen und umgarnt, oder wir beziehen eine klar biblisch fundierte, begründete Gegenposition, mit der wir den Katholizismus grundlegend in Frage stellen. Es gibt keinen dritten Weg.
Entweder wir werden geschluckt oder wir kämpfen für die Wahrheit des Evangeliums.
Die Konsequenzen der postmodernen Denkweise im Evangelikalismus
Vielen Evangelikalen fehlt dieser nüchterne Blick. So lässt sich eine offensichtliche Verfallslinie erkennen: Die Hinwendung zur Pfingstbewegung öffnet den Weg zum Katholizismus. Die weitere Hinwendung zum Katholizismus ebnet dann den Weg zum Synkretismus, also zur Zusammenarbeit verschiedener Religionen. Gerade der Papst und die römisch-katholische Kirche setzen sich aufgrund ihrer Theologie sehr stark für diese Zusammenarbeit ein.
In dieser Hinsicht hat das laufende Jahr den Evangelikalen in Deutschland manch traurigen Fortschritt gebracht. Ich denke etwa an die Mitwirkung von Bruder Ulrich Barzani beim Europatag in Stuttgart. Im Mai dieses Jahres wurde dieser Stuttgarter Europatag mitinitiiert von der katholischen Fokolar-Bewegung unter der Leitung von Chiara Lubich. Diese Fokolar-Bewegung ist dafür bekannt – das weiß jeder, der sich nur einmal auf ihrer Homepage verirrt –, dass sie sich nicht nur für die Einheit der Christen einsetzt, sondern für die Einheit der Menschheit.
Chiara Lubich behauptet immer wieder, Jesus habe nicht nur für die Einheit der Christen, sondern für die Einheit aller Menschen und damit auch aller Religionen gebetet. Sie war dort beteiligt, ebenso wie andere, die sich für diese Formen der interreligiösen Kooperation einsetzen. Trotzdem hat einer unserer bekanntesten Evangelisten bei diesem Kongress ganz einvernehmlich mitgewirkt und die Botschaft des Evangeliums neben all diesen anderen Dingen gestellt. Damit hat er unausgesprochen so getan, als ob das alles zusammenpasse und man sich nicht mehr abgrenzen müsse.
Oder denken wir an Gerhard Meyer, den württembergischen Landesbischof, der während meiner Studienzeit eines unserer großen Vorbilder war. Er hat für die Zuverlässigkeit der Bibel gekämpft und immer wieder eine mutige Position in der Auseinandersetzung mit der Bibelkritik bezogen. Er war für viele von uns ein geistlicher Vater. Viele meiner Freunde sind von ihm getraut worden. Ich persönlich durfte auch einen doch guten Kontakt zu ihm haben.
Jetzt hat Gerhard Meyer zum Beispiel bei der Einweihung der neuen interreligiösen Kapelle am Flughafen in Stuttgart mitgewirkt. Dabei waren der katholische Bischof Fürst, der Landesrabbiner Netanel Wormser und der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Württemberg, Mahmut Riyad Galeini. Sie sehen, was hier geschieht. Wir stehen traurig davor und fragen uns: Wie ist so etwas möglich? Wir erkennen wieder dieses Prinzip, dass, wenn man sich einmal auf diese Kooperation einlässt, es ganz schnell passieren kann, dass man immer weiter verstrickt wird in die Folgerungen, die sich daraus ergeben.
Noch ein letzter wichtiger Hinweis: Der ökumenische Bekenntniskonvent, der vor wenigen Wochen in Freudenstadt stattgefunden hat, stand unter der Federführung von Professor Peter Beierhaus. In den letzten Jahren war der Europäische Bekenntniskonvent eine evangelische Veranstaltung gewesen. Diesmal war als Ausrichter die erz-katholische Gustav-Siewert-Akademie mit im Boot.
Zu den Referenten dieser Tagung gehörten bekannte Sprecher aus dem evangelikalen Bereich, wie Professor Horst Beck, Werner Neuer und andere, ebenso wie Professor Beierhaus und einflussreiche katholische Vertreter, darunter die Professoren Konrad Löw, Alma von Stockhausen, Horst Bürkle und weitere.
Das Ergebnis war lauwarm, praktisch. Die Wahrheitsfrage wurde verharmlost, was die Neigung zu faulen Kompromissen fördert. Dies führt zu Abstrichen an der ganzen Wahrheit der Heiligen Schrift.
Ursachen der Abkühlung der Wahrheitsliebe: Das postmoderne Wahrheitsverständnis
Wenn wir uns davor schützen wollen, müssen wir besser verstehen, wie es dazu kommen konnte. Darum soll es in einem kurzen dritten Punkt gehen.
Erstens hatten wir gefragt: Was ist lauwarm? Zweitens ging es um lauwarm praktisch als die Vernachlässigung der Wahrheitsfrage. Drittens fragen wir nun nach den Ursachen für die Abkühlung der Wahrheitsliebe. Wie konnte es dazu kommen?
Kurz gesagt: Die Christen werden immer mehr von dem Wahrheitsverständnis beeinflusst, das sich in unserer Gesellschaft ausbreitet. Dieses Wahrheitsverständnis nennt man das postmoderne Wahrheitsverständnis. Es schwappt immer mehr in unsere eigenen Reihen hinein.
Wer das nachlesen will: Nicht nur der Papst hat ein neues Buch geschrieben, auch ich habe eines verfasst mit dem Titel Evangelisation in der Postmoderne – Wie Wahrheit den Pluralismus angreift. Bei mir gibt es aber wesentlich mehr Bibelzitate als beim Papst, das kann ich Ihnen versprechen. Evangelisation in der Postmoderne kostet 5,90 Euro. Ich habe ein paar Bücher mitgebracht, die liegen auch auf Ihrem Büchertisch aus. So, das war jetzt der Werbeblock.
Wir wollen jetzt in diesem dritten Punkt also fragen: Was sind die Ursachen für die Abkühlung der Wahrheitsliebe? Zum einen ist es wirklich das Einsickern dieses postmodernen Wahrheitsverständnisses in unsere eigenen Reihen.
Was meint Postmoderne? Der Zeitkritiker Wolfgang Welsch hat radikale Pluralität als das Hauptkennzeichen der Postmoderne ausgemacht. Er sagte, fortan stünden Wahrheit, Gerechtigkeit und Menschlichkeit im Plural.
Verstehen Sie: Es gibt nur noch Wahrheiten, Menschlichkeiten, Gerechtigkeiten, und jeder kann seine eigene Position beziehen. Der eine hält es für menschlich, dass der Embryo im Mutterleib geschützt ist, und der andere hält es eben für menschlich, dass eine Frau in den ersten Monaten frei darüber verfügen kann, ob sie das Leben, das in ihr lebt, tötet oder am Leben lässt. Das seien unterschiedliche Menschlichkeiten, Gerechtigkeiten, Wahrheiten.
Der Philosoph Paul Feyerabend bringt diese Überzeugung auf seine berühmte Kurzformel: Anything goes – alles ist möglich. Das ist das Wahrheitsverständnis der Postmoderne.
Ein Symbol dieser postmodernen Denkweise hat der Architekturtheoretiker Charles Jencks geschaffen. 1975 entwarf er ein Haus, in dem verschiedene Stilrichtungen miteinander vermischt werden – ganz verschiedene Stilrichtungen in einem einzigen Haus.
Diese Vorgehensweise wird Patchwork genannt. Dabei gibt es keinen einheitlichen Stil, sondern das gleichberechtigte Nebeneinander unterschiedlichster Formen. Verstehen Sie, diese Architektur transportiert eine ideologische Botschaft. Jencks will damit sagen: Die verschiedenen Formen sind gleich gut und gleichberechtigt.
Alle exklusiven Wahrheitsansprüche sind für immer verboten in der Postmoderne. Erlaubt sind subjektive Wahrheitsbekenntnisse. Solange Sie sagen: Für mich ist Jesus der Größte und der Wichtigste, wird ein postmoderner Gesprächspartner Ihnen antworten: Das freut mich für dich, dass du deinen Weg gefunden hast. Ich gehe zwar einen anderen Weg, aber es ist schön, wenn du deinen Weg gefunden hast.
Persönliche Bekenntnisse sind durchaus erwünscht und erlaubt. Unerwünscht aber sind Wahrheitsbehauptungen mit objektivem Anspruch, denn diese würden dazu führen, dass entgegenstehende Aussagen als unwahr abgelehnt werden müssten.
Man fragt sich: Wie konnte diese Denkweise sich so durchsetzen? Nun, das ist nur durch die Krise der Moderne zu verstehen, die der Postmoderne voranging. Postmoderne heißt ja die Zeit nach der Moderne.
Die Krise der Moderne – was war die Moderne? Die Moderne lässt sich definieren durch Begriffe wie Vernunft, Aufklärung, Wissenschaft, Fortschritt. Die Moderne glaubte, dass der Mensch durch seine vermeintlich eigenständige Vernunft die Wahrheit finden und vom Irrtum unterscheiden konnte. Die vernunftgeleitete Wissenschaft galt als Garant des Fortschritts und der schrittweisen Weltverbesserung.
In der Moderne tritt die Wissenschaft an die Stelle von Religionen. Die Moderne hat alle übernatürlichen Erklärungen abgelehnt. Doch das Konzept der Moderne geriet im zwanzigsten Jahrhundert in eine tiefe Krise. Warum? Weil sich die ganzen Fortschrittshoffnungen und Fortschrittsversprechen nicht in der erwarteten Weise erfüllten.
Die Vernunft und die Wissenschaft waren offensichtlich nicht so leistungsfähig, wie es die Propheten der Moderne versprochen hatten. Trotz mancher Erfolge zieht die Moderne im zwanzigsten Jahrhundert eine erschreckende Bilanz: zwei Weltkriege, Umweltzerstörung, Nuklearbewaffnung, Hungerkatastrophen, die sozialen Verwerfungen als Folge der Industrialisierung, die Fragwürdigkeit vieler Errungenschaften der modernen Technologie – oder denken wir nur an die bedrohlichen Perspektiven der Genforschung.
Man kann zusammenfassend Folgendes sagen: Die Krise der Moderne bringt erst die Postmoderne hervor.
Ich führe das in meinem Buch etwas weiter aus und frage dann, was das für unsere evangelistische Herausforderung in dieser Zeit mit diesen postmodernen Zeitgenossen bedeutet.
Man muss überlegen: Der Glaube an die Vernunft und ihre Leistungsfähigkeit ist in der Postmoderne völlig gescheitert. Folglich zieht man daraus die Schlussfolgerung, dass es sich überhaupt nicht mehr lohnt, auf Denken und begründete Wahrheit zu setzen. Das bringt es überhaupt nicht.
Verstehen Sie, was hier passiert? Hier wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Die Moderne sagte: Die Vernunft kann alles. Die Postmoderne sagt: Die Vernunft kann überhaupt nichts.
Dagegen sagt die Bibel: Die Vernunft ist eine gute Schöpfungsgabe Gottes. Aber auch die Vernunft ist vom Sündenfall betroffen. Deshalb brauchen wir Gottes Hilfe und Gottes Korrektur beim rechten Gebrauch unserer Vernunft.
Wir sündigen auch mit unserem Denken, aber es ist immer noch eine Schöpfungsgabe Gottes. Deswegen wollen wir Gott bitten, dass er unser Denken durch sein Wort leitet, dass er unser Denken in seinen Fehlern korrigiert und dass er uns lehrt, immer mehr nach seinem Plan und nach seinem Konzept zu denken.
Wir wissen in allem, wie stark auch unsere Rationalität, also unsere Vernunft, vom Sündenfall betroffen ist – so sagt es die Bibel.
Die Moderne hatte die Vernunft vergöttert, die Postmoderne verteufelt sie gewissermaßen und sagt, sie kann überhaupt nichts mehr leisten.
Das heißt: Der Einzelne mag für sich seine subjektiven Wahrheiten durchaus behalten und seine subjektiven ethischen Wertsetzungen pflegen, aber er darf dafür bitteschön keine öffentliche allgemeine Gültigkeit beanspruchen. So lehrt die Postmoderne.
Das führt natürlich zu dramatischen Konsequenzen, auch in den ethischen Schicksalsfragen, etwa was die Abtreibung, die Biotechnologie, die Euthanasie oder den Umgang mit der Homosexualität angeht.
Wenn es keine verbindliche Wahrheit mehr gibt, dann kann zu all diesen Fragen jeder glauben und denken, was er will.
Nur die Christen nicht, denn sie vertreten ja eine objektive Wahrheit. Sie sagen: Homosexualität ist Sünde. Damit beziehen sie Position, und das ist natürlich verboten in der Postmoderne.
Die Gefahr der ideologischen Einflüsse innerhalb der Gemeinde
Nun, wo liegt das Problem für die Christen? Die Bibel warnt uns immer wieder davor, dass wir uns nicht von den ideologischen Einflüssen der Welt innerhalb der Gemeinde beeinflussen und trüben lassen sollen. Diese Warnungen finden sich zum Beispiel in Römer 12,2. Die Bibel weiß genau, wie gefährdet wir an dieser Stelle sind.
Das liegt daran, dass die ideologischen Einflüsse innerhalb der Gemeinde Jesu nicht in ihrer schroffen Originalform auftreten. Stattdessen sind sie oft vermischt mit scheinbar christlichen Inhalten, also immer nur in gemässigter Form. Deshalb werden sie von vielen Christen nicht erkannt und folglich unterschätzt.
Je mehr Teil Wahrheit die Lüge verziert, desto schwieriger ist es, die Lüge zu durchschauen. Ich möchte hier nur auf einen Punkt hinweisen, an dem viele Evangelikale von der postmodernen Denkweise beeinflusst wurden und deshalb lauwarm geworden sind in ihrem Kampf für die Wahrheit. Das zeigt sich an der Vernachlässigung der biblischen Lehre. Ich nenne das die Enttheologisierung.
Selbstverständlich wird bei uns nicht offen geleugnet, dass es eine verbindliche und erkennbare Wahrheit gibt, die Gott in der Bibel offenbart hat. Wenn jemand das leugnen würde, würde er sehr schnell durchschaut, und die Christen würden das mit Nachdruck zurückweisen. Das wäre zu offensichtlich. Aber bitte seien wir vorsichtig.
Der Verlust von Wahrheit und der Mangel an biblischer Eindeutigkeit zeigen sich auf christlicher Seite zunächst in einer Vernachlässigung und Geringschätzung der biblischen Lehre. Ja, man sagt nicht, es gibt keine Wahrheit. Aber man schert sich nicht mehr so sehr um die Wahrheit. Man kämpft nicht mehr für die Wahrheit und um Wahrheitsfragen.
Das ist ganz logisch: Je weniger die Christen in der Lehre gefestigt sind, je weniger wir uns regelmäßig mit der biblischen Lehre, mit der Theologie, mit der Wahrheit befassen, desto leichter lassen wir uns in das falsche Einheitsboot hineinziehen. Umso weniger erkennen wir die Gefahr falscher Lehren, und umso schneller sind wir bereit, faule Kompromisse einzugehen.
Dann geht es vielen wie diesem Jäger in einer russischen Fabel. Eines Tages schulterte er seine Flinte und ging in den Wald. Dort begegnete er einem großen Bären. Der Jäger nahm seine Flinte hoch und wollte den Bären töten. Doch der Bär sagte mit sanfter, beruhigender Stimme: „Sollten wir nicht lieber reden statt schießen? Was ist dein Anliegen? Lass uns über die Sache verhandeln, lieber Jäger, lass uns einen Kompromiss schließen.“
Der Jäger ging auf den Vorschlag ein. Er nahm sein Gewehr herunter und sagte: „Nun, was ich brauche, ist ein Pelzmantel.“ „Gut“, meinte der Bär, „darüber lässt sich reden. Aber nun kommt mein Anliegen, lieber Freund: Was ich brauche, ist ein voller Magen. Und jetzt wollen wir einen Kompromiss aushandeln.“
Die beiden setzten sich nieder. Nach einer Weile ging der Bär ganz allein davon. Denn die Verhandlungen waren erfolgreich gewesen: Der Bär hatte einen vollen Magen, und der Jäger war jetzt eingehüllt in einen Pelzmantel – nur unter etwas anderen Bedingungen, als er sich das vorgestellt hatte.
Das ist die Folge von Lauwarmsein. Am Anfang sehen faule Kompromisse ganz harmlos aus, doch am Ende fressen sie uns auf. So ist es uns in vielen Bereichen der Theologie bereits ergangen.
Die pragmatische Tendenz im neuen Evangelikalismus
Die alte evangelikale Theologie war von einer tiefen Leidenschaft für die Wahrheit geprägt. Sie konnte gar nicht anders, als mit Hingabe theologisch zu arbeiten und die gemeindliche Praxis theologisch zu durchdringen.
Im Gegensatz dazu ist der neue Evangelikalismus oft mehr vom Pragmatismus als vom Wahrheitseifer bestimmt. Was hat das zur Folge? Das alte biblische Bekenntnis bleibt offiziell in Geltung, doch es bestimmt immer weniger, wie evangelikale Gemeinden tatsächlich arbeiten und wie ihre Mitglieder im Alltag leben.
Prinzipiell wird die Gültigkeit der Bekenntnisse nicht bestritten. Ich kenne keinen herausragenden Vertreter der Evangelischen Allianz, der die Basis der Evangelischen Allianz infrage gestellt hätte. Dennoch rückt dieses Bekenntnis immer mehr vom Zentrum an den Rand, an die Peripherie. Es bestimmt immer weniger, wie Evangelikale tatsächlich arbeiten und wie ihre Glieder im Alltag leben.
Die biblischen Wahrheiten werden nicht ausdrücklich abgelehnt, doch sie dürfen nicht mehr bestimmen, was in unseren Gemeinden, Akademien und Organisationen wirklich geschieht.
Nehmen wir das Beispiel Gemeindebau. In den letzten Jahren haben sich zunehmend Konzepte verbreitet, die nicht auf einer soliden bibeltreuen Theologie beruhen, sondern vom Pragmatismus geprägt sind. Ich erinnere hier etwa an das Konzept von Willow Creek oder vieles, was mit dem Konzept von Saddleback und Rick Warren verbunden ist.
Ein sehr hilfreiches Buch zu diesem Thema ist „Gott ist nicht pragmatisch“ von meinem lieben Freund Wilfried Plock. Dort deckt er genau diese pragmatischen Tendenzen in diesen Konzepten auf. Nicht alles, was dort gesagt wird, ist völlig falsch, aber es ist nicht wirklich biblisch verankert und begründet. Man bekennt sich zur Gültigkeit der Bibel, doch die biblische Lehre bestimmt nicht, was in diesen Konzepten umgesetzt wird.
Oder denken wir an die Seelsorge. In den letzten zwei Jahrzehnten, wie ich mitbekommen habe, wurde dieser Wandel auch in Deutschland und Amerika, spätestens nach Odessa, verbreitet. Der klassische biblische Ansatz wurde zunehmend durch psychotherapeutische Zugänge überfremdet.
Diese psychotherapeutischen Modelle sind auf dem Boden antichristlicher Weltanschauungen gewachsen. Zum Beispiel Sigmund Freud oder C. G. Jung, der offen zugibt, von einem Medium inspiriert worden zu sein. Dadurch verändern sich die Inhalte der Seelsorge.
Biblische Seelsorge wird durch weltliche, auf antichristlichem Boden entstandene Modelle überfremdet. Man glaubt, das sei irgendwie vereinbar, doch es verschiebt sich, was in der Seelsorge gesagt wird.
Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass dort, wo psychotherapeutische Methoden stark eingesetzt werden, das Thema Heiligung in der Seelsorge immer weiter zurückgedrängt wird. Das lässt sich etwa am Konzept von BTS oder am Seelsorgekonzept von Ignis nachweisen.
Stattdessen setzen sich immer stärker psychologisch begründete Zielvorstellungen an die Stelle biblischer Inhalte. Es geht vor allem um Selbstfindung und Selbstverwirklichung. Der Mensch wird nicht mehr in erster Linie als Sünder verstanden, sondern oft als Opfer.
Er braucht vor allem entsprechende Hilfen und Stützen, zum Beispiel gesprächspsychotherapeutische oder verhaltenstherapeutische Maßnahmen, um sein Verhalten, Erleben und Fühlen zu verbessern.
Wer diese Methoden nicht kennt, lernt oder anwendet und sich nicht selbst einer solchen Ausbildung unterzieht, gilt vielen als nicht in der Lage, unter den heutigen schwierigen Bedingungen verantwortliche Seelsorge zu leisten.
Lesen Sie dazu auch, was Michael Dieterich und andere schreiben. Das ist ein weiteres Beispiel dafür: Niemals würde es Dieterich einfallen, prinzipiell die Bibel in Frage zu stellen.
Doch wie einzelne Fragen in der Seelsorge konkret beantwortet und angegangen werden, darüber entscheidet nicht mehr die biblische Lehre, sondern oft verschiedene therapeutische Konzepte.
Verstehen Sie das Prinzip, das ich hier deutlich machen möchte? Man bestreitet nicht die Gültigkeit der Bibel, doch man lässt die biblischen Inhalte nicht bestimmen, was im Einzelnen in der praktischen Gemeindearbeit wirklich geschieht.
Die veränderte Haltung gegenüber der katholischen Kirche
Letztes Beispiel: die Haltung zur katholischen Kirche.
Früher waren die Evangelikalen sich in der Bewertung weitgehend einig, dass es in der römisch-katholischen Kirche durchaus manchen echten Christen gibt. Klar, nur Gott schaut in das Herz. Aber die römisch-katholische Kirche steht in dem, was sie offiziell lehrt und worauf sie ihre Priester verpflichtet, als Institution und von ihrer offiziellen Lehranschauung her gegen das Neue Testament, gegen die ganze Bibel. Sie ist nicht vereinbar mit dem, was bibeltreue christliche Lehre inhaltlich darstellt.
So war die frühere gemeinsame Haltung.
Bis heute hat die römisch-katholische Kirche ihre Position nicht verändert. Verändert hat sich jedoch die Auffassung evangelikaler Spitzengremien und Repräsentanten. Viele halten die inhaltlichen Unterschiede nicht mehr für so wichtig und tiefgreifend, dass sie etwa gemeinsamer Evangelisationsarbeit, wie bei Pro Christi, im Wege stehen würden.
Präses Christoph Morgan sagt etwa immer wieder: „Wir haben so viel gemeinsam, da wollen wir doch das, was unterschiedlich ist, nicht so stark ins Gewicht fallen lassen.“ Das ist eine ganz deutliche Folge des Eindringens dieser postmodernen Wahrheitsanschauung in verdünnter und verharmlosender Form in unser christliches Denken.
Hier zeigen sich die Ausläufer des postmodernen Wahrheitsverzichts. Das heißt, man nimmt weder die eigene Position noch die des Gegenübers wirklich ernst. Darum verzichtet man auf eine ehrliche Konfrontation, genauso wie auf den Versuch, den anderen zu überzeugen und für die eigene Sicht zu gewinnen.
Verstehen Sie, wo die Reformatoren und auch die alten Evangelikalen für die Wahrheit des Evangeliums wirklich gekämpft haben – mit ihrem Herzblut – und wo sie um die davon Abirrenden gerungen hatten. Da suchen viele neo-evangelikale Funktionäre den diplomatisch-pragmatischen Ausgleich.
Damit wir besser kooperieren können angesichts des Säkularismus, der uns umgibt, brauchen wir gewissermaßen jeden Mann. Also reißen wir die alten Zäune nieder und steigen gemeinsam in den Einheitszug.
Das sind einige Auswirkungen der postmodernen Denkweise mitten im Herzen des Evangelikalismus. Lauwarm ist das Ergebnis, und diese lauwarme Grundhaltung neigt dann zu faulen Kompromissen.
Zusammenfassung der Diagnose und der Aufruf zum Widerstand
Damit sind wir fast am Ende unserer Untersuchung angelangt. Ich frage kurz bei der Regie nach, wie viele Minuten ich noch habe. Acht Minuten, danke, ich gehe also von acht Minuten aus. Das ist sehr lieb.
Ich fasse noch einmal zusammen: Was bedeutet es, lauwarm zu sein? Es ist ein Christsein voller Kompromisse, das zu Selbstzufriedenheit und Selbsttäuschung führt.
Zweitens: Lauwarm praktisch. Das ist die Verharmlosung der Wahrheitsfrage. Wir haben dies am Umgang mit der Irrtumslosigkeit der Bibel und am Umgang mit der Einheitsfrage gesehen.
Drittens haben wir gefragt: Was sind die Ursachen für die Abkühlung der Wahrheitsliebe? Wir haben festgestellt, dass immer mehr Geschwister in unseren eigenen Reihen sich an den Folgewirkungen des postmodernen Wahrheitsverständnisses infiziert haben.
Nun fragen wir zum Schluss: Was ist unsere Verantwortung in dieser Situation? Lauwarm schmeckt nicht – das war die Bewertung unseres Herrn Jesus Christus.
Viertens wollen wir jetzt festhalten: Widerstand gegen Lauwarm, mit heißem Herzen und kühlem Kopf. Wenn Sie den vierten Punkt noch aufschreiben wollen: Widerstand gegen Lauwarm, mit heißem Herzen und kühlem Kopf.
Dazu habe ich neun kurze Thesen, die ich jetzt sehr schnell vortrage, damit ich meine letzten Minuten noch ausschöpfe. Ich bitte Sie dann, diese ganz langsam – Sie können das ja in der Slow Motion machen, auf dem Video oder auf der Kassette – noch einmal nachzuhören.
Neun Thesen zum Widerstand gegen Lauwarm
Erstens: Wir müssen umso fester in der Wahrheit der Heiligen Schrift gegründet sein, um Gottes Weg und Ziel fest im Blick zu haben. Dies erhalten wir nur bei Jesus. In Offenbarung 3,18 sagt er: „Ich rate dir, dass du dir Augensalbe von mir besorgst.“ Wir brauchen die Augensalbe von Jesus, den Durchblick, den nur er geben kann. Deshalb müssen wir gerade in der Auseinandersetzung mit diesen zeitgeschichtlichen Fragen viel beten und den Herrn bitten, dass er uns sein Wort klar verstehen und auch diese Entwicklungen richtig bewerten lässt. Das ist das Erste: fest in der Wahrheit der Schrift gegründet zu sein.
Zweitens: Wir müssen lernen und uns gegenseitig dabei helfen, das aktuelle Zeitgeschehen im Licht der Bibel zu bewerten – so wie es Bruder Vogel vorhin im Eingangsteil getan hat. Dazu gehört auch, dass wir uns die Mühe machen, das postmoderne Denken zu analysieren, zu durchschauen und es mit Gottes Wahrheit zu überwinden.
Drittens: Wir müssen unsere Kinder gezielt auf diese Situation vorbereiten und sie lehren, die Zusammenhänge selbst zu durchschauen. Deshalb habe ich dieses Buch über Evangelisation in der Postmoderne auch meinen beiden Kindern gewidmet, weil sie das brauchen. Es genügt nicht, sie einfach von der Welt fernzuhalten. Wir müssen an ihrer Seite stehen und gemeinsam mit ihnen durch diese Dinge hindurchgehen. Wir müssen sie lehren, das Denken der Welt zu begreifen und mithilfe der Heiligen Schrift zu überwinden. Sie müssen verstehen, was Postmoderne bedeutet und wie der Wahrheit der Heiligen Schrift diese unendlich überlegen ist.
Viertens: Wir müssen auch evangelikalen Brüdern öffentlich widerstehen, wenn sie öffentlich zur Verführung der Gemeinde beitragen.
Fünftens: Wir müssen über den Tellerrand unserer eigenen Gemeinden hinaussehen und die Brüder suchen, die mit uns im gleichen geistlichen Kampf stehen. Hier fühlen wir uns sehr verbunden, so wie es Bruder Vogel angedeutet hat. Was früher einmal die Evangelische Allianz sein wollte – als sie noch von Brüdern wie Fritz Laubach geleitet wurde – könnte, wenn der Herr es schenkt, auch heute noch einmal zusammenwachsen. Ich habe das mal als Arbeitstitel eine „bekennende Evangelische Allianz“ genannt.
Sechstens: Wir müssen den Blick für die wirklichen Machtverhältnisse bewahren und immer wieder neu gewinnen. Nicht diese ganzen Entwicklungen sind übermächtig, sondern unser starker Herr, der diese Entwicklungen in seinem Wort vorhergesagt hat. Er hat gesagt: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“ Und er hat zugesagt: „Mit dieser Gewalt bin ich ganz für dich da, mit dieser Macht. Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt.“ In diese Klammer – „Ihm ist alle Macht gegeben“ und „Er ist bei uns alle Tage“ – setzt der Herr dann seinen Missionsbefehl. Er sagt: „Weil ich alle Macht habe und weil ich dir nahe bin, darum geh du nun hin und richte meine Botschaft treu deinen Zeitgenossen aus.“ (vgl. Matthäus 28,18-20)
Siebtens: Wir dürfen unsere postmodernen Zeitgenossen nicht vorzeitig aufgeben. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Gottes Wahrheit Menschenherzen öffnen kann. Darum suchen Sie immer wieder Kontakte mit Ungläubigen, gehen Sie auf sie zu, nehmen Sie sich Zeit für sie und vertrauen Sie der Durchsetzungskraft des Wortes Gottes. Der Untertitel meines Buches lautet: „Wahrheit greift den Pluralismus an“. Die Wahrheit ist in der Offensive – Jesus Christus mit seinem Wort und nicht der Pluralismus.
Achtens: Wir müssen bereit sein, für Gottes Wahrheit zu leiden und zu kämpfen sowie persönliche Nachteile in Kauf zu nehmen.
Neuntens: Wir dürfen fröhlich glauben, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen müssen.
Abschluss mit einem Zeugnis von Glaubensverfolgung
Wenn das Video möchte, kann hier ein Schnitt gemacht werden. Ich möchte schließen mit einer Geschichte von einem verfolgten Christen, der Ähnliches erfahren hat. Vielleicht passt sie ja doch noch ins Video: Das Eintreten für Gott bedeutet Leiden und Kampf. Es kann niemals lauwarm sein. Trotzdem sind wir beim Herrn geborgen.
Die Geschichte spielt in Nordafrika. Frederick Nolan musste vor seinen Verfolgern flüchten, die ihn wegen seines Glaubens umbringen wollten. Die Hetzer kamen immer näher. Frederick hatte kaum noch Zeit und Kraft zum Laufen. In letzter Sekunde entdeckte er eine kleine Höhle am Rand der Straße. Er bückte sich und kroch hinein.
Doch er wusste: „Ich habe eigentlich keine Chance. Die Verfolger werden kommen, sie werden mich gleich finden.“ Sie waren ihm ja dicht auf den Fersen. Frederick rief zu Jesus: „Herr, wenn du mich jetzt bewahren willst in dieser Situation, dann kannst du es tun. Ich weiß nicht, was dein Weg ist, aber wenn du mich bewahren willst, dann bitte ich dich, rette mich von meinen Verfolgern.“
Plötzlich sah er am Eingang der Höhle eine Spinne, die begann, ihr Netz vor dem Höhleneingang zu bauen, zu spinnen und zu weben. Gerade als die Spinne ihr Netz abgeschlossen hatte, kamen die Verfolger heran. Sie sahen den Eingang der Höhle und das Spinnennetz. Sie sagten: „Hier kann keiner durchgegangen sein.“ Dann liefen sie weiter.
Frederick Nolan war gerettet. Als er die Geschichte später erzählte, soll er gesagt haben: „Wo Gott ist, da ist ein Spinnennetz so sicher wie eine Mauer. Wo aber Gott nicht ist, da ist eine Mauer so unsicher wie ein Spinnennetz.“
Bitte nehmen wir das mit: Wo der Herr ist, da ist ein Spinnennetz so sicher wie eine Mauer. Wo aber der Herr nicht ist, da ist eine Mauer so unsicher wie ein Spinnennetz. Hauptsache, der Herr ist mit uns. Er ist unsere Stärke und unsere Zuflucht.
Dann wird er uns auch davor bewahren, dass wir lauwarm werden. Oder wenn wir lauwarm geworden sind, wird er uns wieder ein heißes Herz schenken und einen kühlen Kopf, der im Vertrauen auf sein Wort und seine Wahrheit mutig vorangeht.