Wir freuen uns, dass Herr Prelat Chefbuch nun Jeremia 23 auslegt. Lieber Bruder, nenne auch den schönsten Titel, den es gibt, nämlich Bruder!
Gestern hatten wir das Thema, das immer ein bisschen schwierig ist, weil die Themen so früh festgelegt werden. Später würde man es gern noch einmal anders formulieren. Jesus will Märtyrer haben, Gott will Märtyrer haben. Es soll deutlich werden, wie weit die Welt von Gott abgefallen ist – fast wie an einem Lackmuspapier.
Gott will Märtyrer haben, ob sie Bonhoeffer oder Klepper heißen, Julius von Jan oder der aus seiner Heimat in Sachsen ausgewiesene Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf. Oder die Märtyrer in Kasachstan, die aus der Krim vertrieben wurden, und die vielen unbekannten Märtyrer.
Damit wird Ihnen deutlich, dass Gott auch in der Tiefe wirken kann. Jeremia hat mitten in der Verzweiflung das bekannte Wort gesprochen: „Warum bin ich geboren?“ Dieses Bekenntnis ist aus ihm herausgebrochen. Doch zugleich sagt er: Der Herr ist bei mir als ein starker Held.
Gott will, dass es dieses Bekenntnis gibt, selbst in Augenblicken, in denen man nichts von seiner Macht spürt. Dennoch bringt Gott einen zum Ziel, weil er da ist.
Heute ist das Thema: Gott hat seine Kirche lieb. Er hat die Kirche lieb, und doch leidet Gott an seinem Volk. Sie haben zum großen Teil schon in der stillen Stunde zuvor Jeremia 23 gelesen – diese Klage über die Obersten des Volkes, über die Priester.
Es gibt ja eine Verkündigung auch bei uns im gesegneten Württemberg, und es gab sie zu allen Zeiten. Das wird vielleicht aus Jeremia 23 deutlich, wo gesagt wird: Gott liebt und liebt und liebt, wie der Volkswagen läuft und läuft und läuft.
Das erinnert an die Gemeinde in Laodizea, die von sich meinte, sie sei reich und brauche nichts. Doch es wurde ihr ausgerichtet: „Welche ich lieb habe, die strafe ich und züchtige ich.“
Gottes Liebe zeigt sich darin, dass er uns schüttelt und uns in seine Liebe erst noch richtig hineinholen will.
Gottes Liebe und das Leiden an seinem Volk
Du hast die erste Liebe verlassen – das wird bei uns oft so ausgelegt, als wärst du nicht mehr so tätig für Gott, nicht mehr so aktiv. Doch nein, du bist wie eine Braut, der es lästig ist, dass der Bräutigam sie mehr als einmal im Monat sehen will. Dir geht meine Liebe auf die Nerven. Ich möchte dich doch noch viel mehr mit brünstiger Liebe, so heißt bei mir Remia, umfangen und gestalten, und du läufst auch weg.
Gott liebt und liebt. Ja, der Bund Gottes ist ungekündigt. Aber gerade deshalb ruft er seinem Volk zu: Kehr doch um! Bekehrung ist das Stichwort, das oft so falsch gebraucht wird. Bis dahin kann man Jude werden, entweder dadurch, dass man eine jüdische Mutter hat, oder durch Bekehrung. Doch was heißt bekehrt? Aus den Heiden kann man sich nicht zu Israel bekehren. Bekehrung gilt in erster Linie für Israel, dem der Bund gilt. Dabei geht es darum, sich aus dem Bund abzunabeln und wieder umzukehren – hinein in die brünstige Liebe Gottes.
Man merkt es deutlich: Im Kapitel 23 taucht das Stichwort der Bekehrung an zwei entscheidenden Stellen auf. Doch es ist das Stichwort bei allen Propheten. Wenn man einmal zusammenzählt, wie oft der Auftrag war, den Siremia zu sagen: „Bekehre dich doch zu deinem Gott!“ – er ist noch dein Gott –, aber du läufst wie eine brünstige Kamelstute in der Wüste davon zu allem Möglichen, was dir interessant erscheint.
Im Kapitel 23 ist es vor allem Vers 22: „Wenn sie die Propheten in meinem, in Gottes Rat gestanden hätten, dann hätten sie meine Worte meinem Volk gepredigt, um es von seinem bösen Wandel und von seinem bösen Tun zu bekehren.“ Wenn sie auch nur einen Hauch von Verständnis gehabt hätten, was mir wichtig ist, hätten sie zur Bekehrung rufen müssen und nicht sagen: „Es gibt kein Unheil, alles in Butter, Friede, Freundschaft, Eierkuchen, Gott liebt euch und hat euch erwählt. Seine Liebe ist günstig, es kann euch nichts passieren.“
Im vorausgehenden Vers, Vers 16, ist es ja klar: „Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch betrügen. Sie verkündigen euch Gesichte aus ihrem Herzen. Sie verachten das Wort des Herrn und sagen: ‚Es wird euch wohlgehen, es wird kein Unheil über euch kommen.‘“
Der Ruf des Jeremia war: Wer in Gottes Rat steht, versteht meinen Ruf zur Bekehrung.
Die Verfehlungen der Propheten und der Aufruf zur Umkehr
Der andere wichtige Punkt in diesem Abschnitt, der uns heute besonders interessieren sollte, ist Vers 14: „Aber bei den Propheten in Jerusalem sehe ich noch Schlimmeres als bei den Samaritern. Dort sehe ich Gräuel.“
Sie brechen Ehe und wir sollten das nicht einfach so verstehen, dass sie anstelle Gottes zu den Baalim, den Baalsgottheiten, gehen. Nein, sie verstehen nicht einmal mehr, was Treue im grundlegenden Verhältnis zwischen Mann und Frau bedeutet.
Sie gehen mit Lügen um und stärken die Boshaften, damit sich niemand von seiner Bosheit bekehrt. Das Grundwort hier ist Bekehrung. Und heute werden wir auch ein wenig über Bekehrung sprechen dürfen.
In Jeremia 3,14 heißt es: „Kehre doch um, du abtrünniges Kind“, spricht der Herr. „Denn ich bin dein Gott. Kehre zu mir um, ich bin und bleibe euer Gott. Lauft jetzt nicht weg!“
Im Kapitel 4, Vers 1 steht: „Willst du dich, Israel, bekehren, so kehre zu mir um.“ Wenn es eine entscheidende Lebenswende bei dir geben soll, dann kehre zu mir um.
Dann folgt ein merkwürdiger Abschnitt ab Kapitel 3, Vers 33. Vielleicht haben Sie sich gefragt: Was bedeutet das mit dieser Last? „Ihr seid die Last des Herrn.“ Was ist die Last des Herrn?
Stellen Sie sich praktisch vor: Wenn Jeremia in Jerusalem auftauchte, sagten die Leute vielleicht: „Da kommt wieder jemand, der uns Beschwerliches verkündet. Hat dir Gott wieder eine Last aufs Herz gelegt? Etwas Notvolles?“ Ja, das ist es.
Aber es ist nicht einfach nur eine Last. Was hat der Herr euch zu sagen? Es ist nicht nur eine Last, sondern auch, dass eine Braut ihren freundlichen Schmuck vergisst – so heißt es in Kapitel 3 bei Mirjam.
Ich möchte euch keine Last bringen, sondern die Freude, dass ihr wieder ganz beim Herrn seid. Warum nennt ihr das eine Last? Warum nennen wir heute eine Busspredigt oft eine Drohbotschaft, auch wenn gar keine Drohung drinsteckt?
Es geht doch um den bräutlichen Schmuck, den Gott uns geben kann.
Die Bedeutung der Bekehrung und ihre Herausforderungen
Ich war im Gespräch mit unserem Dekan in der Prälatur Ulm, als einer der Freunde sagte: „Ach, wissen Sie, Herr Schäffbuch“, und meinte mich, „aber auch all die evangelikalen Freunde, Sie haben es ebenso sehr mit der Bekehrung. Und damit fangen wir Pfarrer nichts an, weil es – und das müssen wir anerkennen – auch ein Reizwort ist.“
Zinzendorf hat in dem schon erwähnten Pfarrspiegel, den er überschrieben hat mit „Jeremias“, gesagt: „Ihr lieben Amtsbrüder, ich weiß, dass sich viele Pietisten viel darauf einbilden, von euch als den unbekehrten Pfarrern zu reden. Das ist nicht gut so, dass man sofort unterstellen will, der ist nicht richtig bekehrt.“ Ein Angstwort für viele Pfarrer.
Deshalb hat Julius Schneewind dasselbe gemeint, aber er hat nach einem neuen Begriff gesucht. In der Schrift nennt man es die geistliche Erneuerung des Verstandes. Er hat das Neutestamentliche von der Anakinosis, von der Erneuerung, aufgenommen, weil er wusste, dass „Bekehrung“ eigentlich abgegriffen ist und so aussieht, als ob man Bekehrung machen könnte.
Dabei wusste schon Hiller: „Gottes Macht, die mich bekehrte, nicht ich habe mich bekehrt“, als ob Bekehrung ganz entscheidend davon abhänge, dass ich ein Datum in meinem Leben weiß. Beim Petrus werden im Neuen Testament fünf oder sechs Daten berichtet, an denen er sich bekehrt hat. Angefangen vom See Genezareth bis nach Antiochien, wo er von seiner Heuchelei bekehrt wurde, und in Joppe, wo seine Bekehrung zum Dienst an Haydn stattfand.
Bekehrung ist so fixiert auf falsche Vorstellungen. Mir tut es immer leid, dass Apostelgeschichte 26, eine Stelle, bei der ich mit der herrlichen modernen Luther-Übersetzung nicht einig bin, so übersetzt wird: „Du sollst sie bekehren, die Heiden, von der Finsternis zum Licht, von der Gewalt des Satans zum lebendigen Gott.“ Da sollte man eigentlich nicht „bekehren“ sagen, sondern „du sollst sie herumreißen“, „du sollst sie hinführen“.
Bekehrung ist für Leute, in deren Leben Gott schon einmal eingegriffen hat, mit denen er seinen Bund geschlossen hat, mit denen er angefangen hat, und jetzt heißt es: „Kehre doch wieder zurück zur ersten Liebe.“ Aber, wie gesagt, es ist ein missverständliches Wort.
Die Bekehrungspredigt, so verstanden als „Kehre doch wieder zum Eigentlichen zurück“, ist in einer Volkskirche elementare Notwendigkeit. Und Israel war eine Volkskirche, weil der Normalfall des Volkes Gottes in Israel und bei uns die Schläfrigkeit ist.
Jesus sagt bei den zehn Jungfrauen, die ausgehen, den Bräutigam zu empfangen: Nicht die Törichten sind eingeschlafen, sondern als der Bräutigam verzog, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein – alle.
Im Epheserbrief heißt es: „Wache auf, der du schläfst, so wird dich Christus erleuchten.“ In der sendenden Offenbarung steht: „Werde wach und stärke das andere, das sterben will.“ Die Schläfrigkeit, die Routine ist der Normalfall.
Hofacker hat seinem Freund Albert Gnapp geschrieben: „Wer so predigt, als ob er lauter Christenleute vor sich hätte, der geht fehl.“ Deshalb hat Hofacker ganz selten „liebe Gemeinde“ gesagt; meist sagte er „liebe Zuhörer“. Und er hat damit nichts Neues gebracht, sondern Luther hat in der Vorrede zur deutschen Messe, die oft zitiert wird, aber an dieser Stelle nicht, gesagt, dass wenn das Volk sich zum normalen Gottesdienst versammelt, viele Gaffer dabei sind. Es waren alles Getaufte, die Gaffer.
Bei Luther hat die Lehre von der Taufwiedergeburt nicht so viel Anhalt, wie wir oft daraus machen. Viele der Anwesenden haben keinen Glauben, sind aber getauft. Die Predigt muss ein Anreiz zum Glauben sein, weil viele von denen, die da sind, noch gar keinen Glauben haben. Getauft sind sie, aber ohne Glauben.
Also ist der Ruf hinein in die volle Gnade der Taufe, des Getauftseins, die eigentliche Aufgabe der volkskirchlichen Predigt. Die liebevolle Zuneigung Gottes zu uns darf keine Selbstverständlichkeit werden.
Dabei müssen wir uns klar machen, dass der Ruf zur Bekehrung auch uns zuerst gilt, mit jenem Fingerspitzengefühl, das der lebendige Gott und seine Apostel haben.
Mich hat vor einem halben Jahr wieder Jesus zur Buße gerufen, als ich am Ende des zweiten Korintherbriefs an das Wort kam, 2. Korinther 13,5: „Prüft euch selbst, ob ihr im Glauben steht, erforscht euch selbst, ob Christus in euch wirkt.“ Der Theorie habe ich viel Glauben. Gott hat viel Heilsames gewirkt, viel Frohmachendes.
Aber was ist eigentlich in mir geschehen – an meiner Mentalität, an meiner Einstellung zum Geld, an meiner Ungeduld, an meiner Überheblichkeit, an meiner Geschwätzigkeit? Was hat Christus gewirkt, wenn das der Inhalt des Glaubens ist? Christus will in mir sein, wie der Weinstock die Rebe in sich hat. „Wer mich liebt, bei dem wird er Vater sein und werde ich Wohnung nehmen.“
Was wirkt er denn? Das war eine Fußpredigt, eine Chance zur Bekehrung, ein Nachdenken, in sich gehen.
Aber sonst kann ja der Ruf zur Bekehrung auch verstanden werden: Was nimmt der sich eigentlich raus? Meint der, er hätte es nicht nötig? Woher kennt er uns? Hat da jemand etwas über uns ihm gesagt, dass bei uns etwas nicht stimmt?
Der Ruf zur Bekehrung kann so störend sein wie das Summen einer Schnake, die man erwischen will und doch nicht erwischt. Aber sie ist da und da.
Der Heidenkuckuck soll mal aufhören mit seinem Bekehrungsruf, der hat es immer mit dem Bekehren.
Wäre es uns lieb gewesen, wenn der Herr Jesus uns gesagt hätte: „Wenn du dich mal einst bekehrst, Herr Jesus, wenn du dich auf einen verlassen kannst, kannst du dann auf mich?“
Der Ruf zur Bekehrung ist zuerst so, dass er alle Emotionen, auch Antiemotionen in uns weckt.
Es ist manchmal notwendig, wenn in Württemberg dann manche Leute sich herausnehmen, die Gemeinde, die uns lieb ist, an die wir gewiesen sind, aufzuspalten in Bekehrte und Unbekehrte. Das würde einmal der Herr Jesus tun, wenn er wiederkommen wird in seiner Herrlichkeit. Dann wird er scheiden, wer wirklich dazugehört und wer nicht.
Also Bekehrung ist ein schwieriges Stichwort und trotzdem: Vielleicht werden wir geheilt im Wortgebrauch, wenn wir noch einmal genauer bei Jeremia und bei Jesus hinhören.
Die frohe Botschaft der Umkehr
Nach dieser ausführlichen Einleitung zum Stichwort Bekehrung, dem Grundwort bei den Propheten und besonders bei Jeremia, folgt ein Abschnitt: Der Ruf zur Umkehr, zur Bekehrung, ist frohe Botschaft.
So heißt es bei Jeremia: „So will ich dein Vater sein, und du sollst mein Sohn sein.“ Dann wirst du wieder im bräutlichen Schmuck erstrahlen. Jesus hat dies erst recht deutlich gemacht, als er den Ruf des Täufers Johannes aufgriff. Markus 1 berichtet: „Das Reich Gottes ist ganz nah herbeigekommen, der Himmel ist offen, kehrt um und glaubt dem Evangelium.“
Umkehr ist eingebettet in diese doppelte Botschaft: Das Reich Gottes ist da, ihr könnt mit den Kräften der ewigen Welt rechnen. Und die Frohbotschaft lautet: Glaubt dem Evangelium, denn kein Mensch ist Jesus und dem lebendigen Gott nebensächlich. Aber es bleibt nicht dabei stehen, sondern fordert auf: Komm doch!
Wie hat Jesus das in seinen Gleichnissen klargemacht? Die Erklärung hat nicht zuerst mit In-sich-Gehen oder Bußbekenntnissen zu tun. Vielmehr ist es, als wenn ein verlorenes Schaf, das sonst verloren ginge und krepieren müsste, gefunden wird und auf den Schultern getragen wird. Es ist, als wenn eine Münze aus dem Dreck der letzten Ritze herausgeholt wird. So ist, wie wir es im Konfirmandenbüchlein hatten, Umkehr: in die offenen Arme des Vaters.
Buße und Umkehr sind Heilung von Schwerkranken, von chronisch Kranken. Umkehr ist, wenn ein verzweifelter Falschfahrer merkt, dass er auf der falschen Fahrbahn ist, und wenn die anderen Wagen anhalten und ihm helfen, dass er umkehrt und wieder in die richtige Richtung fährt. Das ist eine frohe Botschaft.
Auch bei Jeremia heißt es: „Kehrt um zu deinem Gott!“ Und noch im Neuen Testament sagt Petrus in der Pfingstpredigt: „Für euch, nämlich für die Söhne des Bundes, den Gott mit euren Vätern geschlossen hat – das geht voraus für euch zuvörderst –, zuerst hat Gott seinen Knecht Jesus erweckt und zu euch gesandt, euch zu segnen, damit ihr euch bekehren könnt.“
Die Frohbotschaft richtet sich zuerst an Israel, dem der Bund gehört, die Kindschaft, die Väter und der Gottesdienst. Jetzt kommt die Aufforderung: Lasst das nicht bloß Äußerlichkeit sein. Bekehrung meint das Zurückfinden Israels in den Bund Gottes. Lukas schreibt: „Vom Volk Israel wird er viele zum Herrn bekehren.“
Es ist, wie schon gesagt, eine Umkehr gemeint, hinein in die Liebesatmosphäre Gottes. Gott leidet zwar unter all dem, was die Gottesferne ausgelöst hat. Er sieht Gräuel im Land, wie Ehebruch und andere Vergehen. Der Weg ist ein glatter Weg, auf dem sie ausrutschen. Viel Ruchlosigkeit findet sich. Aber dennoch heißt es: „Ihr sollt heimkehren, ich will euch halten als meinen Sohn und dir das Land geben, und du wirst mich lieber Vater nennen und nie mehr von mir weichen.“
Diese Einladung zur Umkehr ist eine frohe Botschaft.
Die Ablehnung der Umkehr und ihre Folgen
Trotzdem wird diese frohe Botschaft abgeblockt. Ganz deutlich und komprimiert spricht davon Kapitel 23. Sie haben es gelesen: Bei Jeremia findet sich immer wieder das Phänomen, dass, wenn er zur Buße ruft – also beim Volk Israel –, daraus nichts wird. Das wollen sie nicht.
Von einem der frühesten Korntaler, der im Knabeninstitut war, heißt es, er sei Metzinger gewesen. Er hat zu seiner Erzieherin, der Christiane Kullen, gesagt: „Weißt du, Christine, mein Herz will nicht so ans Bekehren hin“, schwäbisch ausgedrückt.
Jeremia fragt: „Warum bin ich eigentlich für Israel wie eine Wüste und wie ein dürres Land, das man meidet?“ (Jeremia 2). Er fährt fort: „Warum tun sie eine doppelte Sünde? Mich, die lebendige Quelle, verlassen sie und machen sich hier und dort ausgehauene Zisternen, die doch kein Wasser haben?“ Warum wird der Ruf abgeblockt?
Es gibt ja einen großen Israelkenner, Johannes Gerloff, der neulich in Korntal gesagt hat: Jesaja 49, wo wir übersetzt haben: „Es ist mir ein Geringes, dass du die Stämme Israels sammelst; sondern ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht“, würde von vielen Juden so gelesen. Das sei für uns Christen interessant, denn es klingt, als würde es heißen: „Weil du selbst das Geringe nicht fertiggebracht hast, die Stämme Israels zu sammeln, will ich dich zum Licht der Heiden machen.“ Das wäre das, was Paulus im Römerbrief sagt: Blindheit ist Israel widerfahren, und jetzt geht es zuerst zu den Heiden.
Es wäre interessant, wenn das stimmen würde. Man müsste als richtiger Hebraist dem nachgehen, ob diese Konjektur stimmt. Aber offenbar ist das das Schicksal der Propheten: Sie kommen mit dem Anliegen, Israel zu sammeln – das Volk Gottes zu sammeln –, nicht zurecht. Es lässt sich nicht sammeln, sondern der Bekehrungsrufer wird seinem eigenen Volk fremd.
Der Prophet Gottes fragt: „Was hast du wieder für eine Last heute?“ Aha, gut, interessant. Der Synodalpräsident hat es mir mal gesagt und in der Öffentlichkeit formuliert: Wenn der Herr Schiffbuch auftaucht, dann heißt es im zweiten Satz: „Es ist notvoll.“ So war es auch bei Jeremia, der sagte: „Es ist notvoll, was in unserem Land ist.“ Eine Last.
Warum wird abgeblockt? Sie sind darauf gekommen, was das Volk auf der einen Seite nicht gerne hört. Sie hören es lieber, wenn ihnen gesagt wird, es wird ihnen wohlgehen. Und die Propheten sagen das gerne, was das Volk hören will. Es ist eine Gegenseite, ein Hochschaukeln.
„Wir wollen doch den Leuten der Gemeinde nicht so viel zumuten, sie können es doch gar nicht verstehen, sie wollen es auch nicht. Vielleicht müssen wir länger darüber reden, aber heute in der Predigt will ich bloß mal von der Liebe Gottes reden.“ Jeder wird gerne bestätigt.
Den Gott zu verkündigen, der auch ferne ist, vor dem man sich nicht verbergen kann – das wird nicht geschätzt. Es wird abgeblockt, weil die Propheten gerne sagen, was das Volk hören will, und das Volk nichts anderes hören will, als das, was es von den Propheten gewohnt ist.
Also ist noch schlimmer als die Ruchlosigkeit im Wandel und die Gräuel die Verfälschung der Botschaft, die Gott ihnen eigentlich anvertrauen wollte.
Die innere Not des Propheten Jeremia
Sind Sie beim Lesen auch über diesen Vers 9 gestolpert? „Mein Herz will in meinem Leib brechen, alle meine Gebeine zittern. Mir ist’s wie einem trunkenen Mann, wie einem, der vom Wein taumelt – vor dem Herrn und vor seinen heiligen Worten.“
Welche Worte könnten das sein, dass Jeremia so ins Taumeln gerät? Was meinen Sie? Vielleicht Kapitel 18, wenn Sie ein Stück weiterblättern, Vers 11. Dort steht in komprimierter Form, was Jeremia immer wieder sagen muss:
„Nun spricht zu den Leuten in Juda und zu den Bürgern Jerusalems: So spricht der Herr: Siehe, ich bereite euch Unheil und habe etwas gegen euch im Sinn. So bekehrt euch doch ein jeder von seinen bösen Wegen.“
Diese Worte sind sehr knapp gefasst, aber sie bringen das Wesentliche auf den Punkt. Jeremia erschrickt, weil Gott Unheil gegen die heilige Stadt Jerusalem, gegen seinen Tempel und gegen das erwählte Volk vorbereitet.
In Kapitel 2 heißt es: „Du musst inwendig erfahren, was für Kummer und Herzenleid es bringt, den Herrn, deinen Gott, zu verlassen und ihm nicht zu dienen.“
Kummer und Herzenleid – das lässt einen die Knie zittern. Vor Gottes heiligen Worten. Ähnlich klingt es auch: „Ich bin ein Gott, der auch ferne sein kann; ihr könnt mir nicht weglaufen.“
Suchen wir diese Worte beim Propheten Jeremia. Was sind das wohl für Worte, über denen er ins Zittern gerät? Warum bittet er so dringlich: „Bekehrt euch doch! Lasst euch doch nicht abbringen von den Worten der Propheten, von den Verkündigern des Wortes Gottes!“
Denn es gibt auch andere Stimmen: „Sie sind ruchlos. Hört nicht auf sie! Sie verkündigen Träume. ‚Mir hat geträumt, mir hat geträumt‘, sagen sie. Sie weissagen Lug und Trug.“
Mein Volk vergisst meinen heiligen Namen. Es verharmlost die Lage. „Mein Volk hat’s nicht gerne, sich zu bekehren.“
Am Ende des Prophetenbuchs Jeremia steht dann auch dieses Wort: „Bekehr du mich, so werde ich bekehrt.“
Wir können mit der eindringlichsten Predigt niemanden bekehren.
Die Wirksamkeit der Gnade Gottes bei der Bekehrung
Oh, es ist heilsam, wenn man an den Konfirmandenunterricht denkt. Ich habe einen Ulrich gefragt, jetzt Pfarrer in Bernhausen. Du warst doch zwei Jahre bei mir im Konfirmandenunterricht. Weißt du auch noch eine Einzelheit?
Was ich euch in zwei Jahren gesagt habe, hat er geantwortet, eigentlich nicht. Aber er hat einmal so kleine Männchen mitgebracht – die Schlümpfe hatten wir damals – und hat Schlumpfmännchen nachgestellt. Er sagte, eigentlich sind wir vor Gott wie so ein kleiner Plastikschlumpf. Gott hätte alles Recht, uns wegzukicken. Ich habe ihn offenbar weggeschickt, aber jetzt geht Gott nach und holt uns. Das war ihm eindrücklich geblieben.
Durch Gottes Gnade, so sagte der Pfarrer, gibt es den Ruf zur Umkehr, dass Gott nach uns greift. Gott kann es bewirken, dass das im Herzen eines Konfirmanten bleibt.
Einer hat mir geschrieben, hier im Welsheimer Wald. Er war ein schwieriger Konfirmand, bei den Schandorfer Ringern, aus schwierigen Familienverhältnissen. Ich musste ihn immer neben mich setzen und den Arm um ihn legen, damit er überhaupt erst in seiner Zappeligkeit ruhig wurde. Und wenn ich dachte, bei dem ist es vergeblich, dann bei dem.
Jetzt, vor zwei Jahren, hat er geschrieben: „Gott hat mich gefunden. Meine Frau und ich leiten einen Hauskreis, und ich bin am Brütertisch bei der altpietistischen Stunde.“ Vielleicht hat auch ein klein wenig Ihr Konfirmandenunterricht dazu beigetragen, vielleicht nur ein kleines bisschen. Es ist Gottes Gnade, die einen Menschen holt – so unmittelbar.
Aber wir dürfen diese Einladung aussprechen: Gott könnte uns wegstoßen, er hätte alles Recht dazu. Und jetzt will er uns holen. Der Normalfall ist, dass Leute sagen: „Es geht mich nichts an, ich habe das nicht nötig, ich bin ein anständiger Mensch, ich schaffe meine Sachen.“
Die Konsequenzen fehlender Umkehr und das Leiden des Propheten
Deshalb nun der dritte Teil: die Frage, was geschieht, wenn es keine Umkehr gibt. Wir sind an der Stelle, an der ich mit Ihnen in diese Frage eintauchen wollte. Musste nicht Christus leiden? Die Emmaus-Jünger in Lukas 24 fragen sich, warum Jesus leiden musste, bevor er in seine Herrlichkeit eingehen konnte.
Jesus begann bei Mose und allen Propheten, auch bei Jeremia, zu erklären, warum das Leiden notwendig war. Warum musste Jeremia leiden? Er wurde zum Spott, als Prediger der Umkehr. Er war Außenseiter, Fremdling, ein Fremdgewebe, das abgestoßen wurde. Aber es ging noch weiter: Jeremia musste sterben, er musste weg. In Jeremia 26 heißt es, dass es für ihn keinen Platz mehr auf dieser Erde gab. Das war wirkliches Leiden.
Doch es war Gottes bewahrende Gnade, dass Jeremia schließlich in der Zisterne landete und im Wachhof festgehalten wurde. Als der Ebbet Melech ihn mit Stricken aus der Zisterne herauszog, wurde ihm gesagt: „Du musst sterben!“ In welchem Augenblick geschah das? Als Jeremia sagte: „Siehe, dieses Haus wird euch wüst gelassen werden wie Silo.“
Das darf doch nicht sein, dass einer unser Ulmer Münster schlecht macht. Darf ich Ihnen sagen, als jemand, der dreimal in Ulm war: Am 17. Dezember 1944 fiel Ulm. Als die Menschen aus den Kellern kamen, war im zerstörten Ulmer Münster noch die Gegenwart Gottes spürbar. Das Heiligtum, egal was darin gepredigt wird – ob ein Gottesdienst für Homosexuelle, ob im Münster oder bei einer Gebetsordnung, in der etwas von Mutter Erde steht und der Gottesname gelästert wird – es bleibt doch eine Gebetsordnung. Es gibt heilige Tage, heilige Ordnungen, heilige Häuser.
Selbst im Kirchenkampf, bei einem wackligen Landesbischof, darf man nicht an die Gottlosenzentrale am alten Postplatz schreiben. Das durften Paul Schemper und Hermann Diem nicht, das ging nicht, und die Post wurde nur ausgeliefert.
„Euer Haus wird euch wüst gelassen werden, du musst weg.“ Das geht nicht. Das ist Demoralisierung, und hier geht es ans Heiligste. Dabei wäre es eigentlich das Zweitheiligste.
Wie war es denn bei Jesus? Er wollte den Tempel abbrechen. War das ein falscher Vorwurf? Es waren falsche Zeugen, die aus falschen Zusammenhängen berichteten. Aber wenn Jesus sagt, am Ende von Matthäus 23: „Jerusalem, Jerusalem, du tötest die Propheten und steinigst die, die zu dir gesandt sind. Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt! Siehe, euer Haus soll euch wüst gelassen werden. Kein Stein soll auf dem anderen bleiben!“ Jesus weinte über Jerusalem, nicht mit dem Finger drohend, sondern voller Schmerz.
Darf man eigentlich sagen, dass der Weg breit ist, der zur Verdammnis führt, und viele darauf gehen? Und dass die Pforte eng und der Weg schmal ist, der zum Leben führt, und nur wenige ihn finden? Darf man das sagen?
Wer meine Worte hört und tut sie, wird verglichen mit einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. Wer sie aber nicht tut, wird verglichen mit einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute. Als der Wind kam und die Ströme, fiel das Haus mit großem Fall und war zerstört.
Darf man das sagen, oder ist das eine Drohbotschaft? Wenn ich jetzt bei dem Konferenzteilnehmer, von dem ich eben erzählte, sage: „Lieber, es geht schlecht aus, du bist vom Glauben abgekommen“, dann bliebe nur das Einladen. Aber irgendwo muss das gesagt werden. Das war nicht die Hauptbotschaft Jesu, auch nicht die Hauptbotschaft Jeremias. Die Hauptbotschaft war die Einladung: „Komm doch!“
Doch der ganze Ernst dieser Einladung blitzt immer wieder durch. Ich tue es um eures Willens, damit ihr nicht ewig verloren bleibt. Es ist immer falsch zu sagen, jemand sei verloren, als wäre es endgültig.
Wir sind doch in der Verlorenheit drin. Die ganze moderne Literatur zeigt, wie wir alle in Verlorenheit leben: im Egoismus, im Hass, im Unvermögen zu vergeben, im Suchen nach dem eigentlichen Leben.
Es ist also keine Drohbotschaft. Und trotzdem ist es uns gestattet, beim ernsthaften Rufen zur Umkehr, auch wenn es uns in Not bringt und ins Leiden führt – so wie Jeremia und Jesus gelitten haben –, etwas von diesem Ernst anzudeuten. Nicht als Hauptbotschaft, aber doch durchdringend.
Der ernste Ruf Jesu zur Umkehr und die Hoffnung auf Errettung
Jetzt möchte ich zum Abschluss noch einmal ein Jesuswort lesen. Wir alle leben heute in einer Zeit, in der wir in Gefahr sind, wie die falschen Propheten zu denken: Friede, so schlimm wird es nicht kommen, Gott hat auch seine Kirche lieb.
Selbst Leute in der Kirche, die nicht mehr an die Hölle glauben und den Teufel nicht mehr ernst nehmen, zitieren gern das Wort, dass die Gemeinde Jesus selbst durch die Pforten der Hölle nicht überwunden werden kann. Aber da steht nichts von Kirche. Luther hat an keiner Stelle des Neuen Testaments von Kirche gesprochen, nicht einmal von der württembergischen Kirche, sondern von Gemeinde. Und er wusste genau, was er tat.
Nun möchte ich den Jesusabschnitt lesen, in dem dieser ernsthafte Ruf zur Umkehr von unserem lieben Herrn Jesus aufgenommen ist und der auch uns gelten wird:
Einer sprach zu ihm: „Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden?“ Für uns volkskirchliche Pfarrer ist das eine wichtige Frage: Bleibt es bei den wenigen, oder gibt es noch einmal die große Erweckung? Hans Brandenburg hat immer gesagt: Betet nicht so sehr um eine Erweckung. Erweckung ist wie ein Sturzbach, der auch viel Schutt, Steine und Prügel mit sich bringt. Am Schluss, wenn das Wasser sich verlaufen hat, bleibt nur der Schutt, die Steine und halb faule Baumstämme übrig. Einzelne werden gerettet, und diese einzelnen sollten wir nicht gering achten.
„Meinst du, dass nur wenige selig werden, Herr Jesus? Nur bis jetzt ein paar? Wann kommt die große Erweckung?“ Er aber sprach zu ihnen: „Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte eingeht. Denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, hineinzukommen, und werden es nicht können. Nicht mehr können! Denn wenn der Hausherr aufgestanden ist und die Tür verschlossen hat, dann werden sie draußen stehen und an die Tür klopfen und sagen: ‚Herr, tu uns auf!‘ Dann wird er antworten und zu ihnen sagen: ‚Ich kenne euch nicht. Wo kommt ihr her?‘
Dann werden sie anfangen zu sagen: ‚Herr, wir waren doch Pfarrfrau und Pfarrer in Württemberg, wir standen auf der Gehaltsliste des Oberkirchenrats, wir waren bei der Basler Mission, wir haben vor dir gegessen und getrunken, und auf den Straßen hast du uns gelehrt.‘ Aber er wird zu ihnen sagen: ‚Ich kenne euch nicht. Wo seid ihr her? Weicht alle von mir, ihr Übeltäter!‘ Dann wird Heulen und Zähneklappern sein, wenn ihr Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes sehen werdet, euch aber hinausgestoßen.
Und es werden kommen aus Osten und Westen, aus Norden und Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.“
Das hat Jesus nicht in der Bergpredigt gesagt, sondern als einer ihn gefragt hat. Es war nicht die Hauptbotschaft, aber der Hintergrund seiner Einladung „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid! Wenn euch einer erquicken kann, dann ich.“
Ich wünsche mir, dass ich in den verbleibenden Monaten meines Lebens das noch lernen, werben und doch mit ganzem Ernst einladen kann – ach nein, mich einladen lassen kann – zu richtiger Umkehr zu ihm. Herr Jesus, hilf uns, zu entdecken, wie oft wir weit weg von dir sind, dass wir Bereiche in unserem Leben haben, die wir noch gar nicht von dir haben ordnen lassen.
Du sollst der Herr unseres Lebens sein, nicht als Last, sondern als Ehre und Freude, als der Zurechtbringer, als der, der erquicken kann. Und lass es dann auch von uns weitergehen zu den Menschen, mit denen wir zu tun haben. Es ist ein Vorrecht, sie einzuladen, herauszukommen aus falschen Wegen zu dem guten Weg, der zum Leben führt. Amen.