Das Sehnen nach Erlösung in moderner Literatur und Liedern
Liebe Freunde, wie stark auch die moderne Literatur vom Sehnen nach einem Erlöser geprägt ist, zeigt sich deutlich. Dass unsere Liederbücher voll sind, wie wir eben gesungen haben, ist klar. Wir kennen einige Liedstrophen, in denen das Stichwort „Erlöser“ vorkommt.
Jesus ist gekommen, der starke Erlöser, der dem gewappneten Starken ins Haus bricht. Das geistliche Lied „Gott ist die Liebe“ sagt: „Lass mich erlösen, Gott ist Liebe, liebt auch mich.“ Da wollen wir allen Dank unserem Erlöser führen. Wenn man dem nachgeht, sieht man, dass die Lieder voll davon sind – sowohl die alten Choräle als auch die neuen Lieder. Deshalb haben wir dieses Lied gesungen, in dem der Erlöser als „Redeamer“ bezeichnet wird, mit diesem Begriff der Erlösung.
Sie haben ja einen Bibelkurs, und da wollen wir uns klar machen, dass wir im Augenblick so ein bisschen geistiges, religiöses Training zum Anstoßen unserer inneren Kräfte machen. Dabei geht es darum, wie viele Bibelstellen von Erlösung, Erlösen und Erlöser sprechen.
Ich weiß, dass mein Erlöser lebt – wo steht das? Hier, toll! „Fürchte dich nicht, denn der Erlöser...“ Wo steht das? Jesaja 43, gut, gut, gut. Also in ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden – Epheser 1. Ganz großartig hat der Apostel Paulus die Bilder von Jesaja 53 und Matthäus 20 zusammengezogen: In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden.
Er ist uns gemacht zur Weisheit und Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung. Gott hat Jesus gemacht zur Weisheit, Gerechtigkeit, 1. Korinther 1,30 – eine ganz zentrale Stelle. Von Gott ist uns Jesus gemacht zur Erlösung.
Biblische Verheißungen und das Erlösungsverständnis
Nehmen wir nochmals das Alte Testament: Jesaja 35 beschreibt, wie die Erlösten des Herrn mit Jauchzen zurückkehren werden. In Jesaja 63 heißt es: „Du bist doch unser Vater, Erlöser ist dein Name von alters her.“
Im Neuen Testament finden wir in Markus 10,45 beziehungsweise Matthäus 20,28 die Worte: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, damit er sich dienen lasse, sondern damit er diene und sein Leben gebe als Erlösung für viele.“
Paulus schreibt an seinen Schüler Timotheus: „Er hat mich erlöst aus dem Rachen des Löwen, und er wird mich erlösen und aushelfen zu seinem Recht.“ Dieser Begriff der Erlösung kommt in der Bibel immer wieder vor.
Wenn wir uns heute auf diesen Begriff konzentrieren, dann deshalb, um dafür wach zu werden. Oft lesen wir über manche biblische Begriffe nur schnell hinweg, weil wir denken, dass man damit heute den Menschen nicht mehr erreichen kann. Diese Sprache erscheint uns altmodisch.
Es könnte sein, dass der Begriff „Erlösung“ heute nicht mehr modern ist. Doch die Sache dahinter ist sehr deutlich: In der modernen Literatur gibt es ein Sehnen danach, auch wenn der Begriff selbst nicht genannt wird. Dieses Sehnen drückt den Wunsch aus, aus der Nichtigkeit unseres Lebens herauszukommen.
Die Erde wird als ein Jammertal empfunden – ein Bild, das in der Bibel nicht allzu oft vorkommt. In modernen Medien, bei Verlagen und in ihren Produktionen wird jedoch laut und deutlich in die Welt hinausgeschrien, dass die Welt voll ist von Betrug, Gemeinheit, Mord und Totschlag.
Hinter dieser Darstellung verbirgt sich natürlich auch ein tiefes Sehnen, herauszukommen aus dieser Lage. In der modernen Literatur, und darauf möchte ich Sie aufmerksam machen, finden sich immer wieder Passagen, selbst bei Schriftstellern, die eher atheistisch eingestellt sind oder Gleichgültigkeit zeigen. In diesen Texten wird dieses Sehnen nach Erlösung deutlich spürbar.
Moderne Schriftsteller und das Thema Erlösung
Edward John Steinbeck – ich liebe den amerikanischen Romancier. In seinem Roman „Woniger Donnerstag“ lässt er einen altgewordenen Landarzt, den Doc, sagen: „Mein Leben ist nun doch bald ans Ende gekommen, und man fragt sich, was dabei herausgekommen ist. Habe ich genug gelebt, habe ich genug geliebt, habe ich genug gearbeitet? Was von dem allem, was ich erlebt und gewirkt habe, ist wert, ins große Hauptbuch eingetragen zu werden? Wo wir kaum wagen würden zu sagen, es gibt ein Buch des Lebens.“
Bei Gott ist alles aufgezeichnet. Da spricht eigentlich ein Schriftsteller, der religiös gleichgültig ist, vom großen Hauptbuch des Lebens. Es geht um die Frage, was überhaupt wert ist, dort eingetragen zu werden.
Jetzt könnte man denken, das ist ja ein Sehnen, aus der Vergänglichkeit, aus der Nichtigkeit herauszukommen. Aber bei John Steinbeck geht es weiter. Jeder Mensch scheint mit einer Schuld geboren zu werden. Je länger der Mensch lebt, desto größer wird die Schuld, und er kann sie nicht abzahlen.
Wenn das ein moderner Schriftsteller sagt, dann ist da ein Sehnen da: Wie kriege ich die Schuld meines Lebens los?
Ein anderer großer Schriftsteller, der amerikanische jüdische Schriftsteller Saul Bellow, Nobelpreisträger in einem früheren Jahr, beschreibt eine Szene in einem abgelegenen Viertel eines ehemaligen Rangierbahnhofs von Chicago. Dort hat sich ein früherer Schwergewichtsboxer in den heruntergekommenen Hallen niedergelassen mit einer privaten Drogenhilfs- und Entzugsstelle.
Ein Reporter kommt. Das Buch heißt „Der Dezember des Dekans“ und meint einen wissenschaftlichen Diener, einen Dekan. Der macht den Besuch bei diesem Schwergewichtsboxer, dem Querschnittgelähmten, der einmal einen Unfall gehabt hat. Schwerfällig sitzt er in seinem Sessel. Viele Menschen kommen zu ihm.
Von welcher soziologischen Schicht kommen die Leute? „Sie kommen von allen Schichten“, sagt der ehemalige Boxer. „Bei Nacht, in der Dämmerung. Sie ahnen nicht, wie viele sich danach sehnen, herauszukommen aus dem Schmutz.“
Er hat auch einen Wert: Können sie vielen helfen? Lassen sich die Menschen helfen?
Da kommt eine Szene. Saul Bellow ist Jude, aber religiös im Grunde genommen gleichgültig. Doch hier merkt man, wie etwas durchbricht.
Dieser querschnittgelähmte ehemalige Schwergewichtsboxer, dieser schwere Mann, lässt sich von seinem Stuhl herausfallen auf die Knie und streckt dann die Hände aus wie ein Gekreuzigter.
Man muss bei der modernen Literatur immer auf die Chiffren achten. Er ruft: „Kommt, kommt, kommt doch aus der ‚Scheiße‘“, sagt er, „aus dem Dreck heraus. Das ist das Einzige, was wir tun können.“
Ob sie kommen und sich helfen lassen wollen, wissen wir nicht. Aber wir wollen bereit sein, zu helfen.
Ich sehe das in der modernen Literatur als fast schon religiösen Ausdruck. Wenn er sagt, fast wie ein Gekreuzigter streckt er die Hände aus und ruft „Kommt!“ – das große Zentralwort von Jesus: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid.“
Wenn er das benutzt, ist er ein Erlöser, der helfen will. Ob sie kommen, das weiß ich nicht. Aber ich möchte so laut schreien, wie es überhaupt nur gehört werden kann, dass Menschen kommen sollen.
Das Sehnen nach Erlösung trotz moderner Sprachbarrieren
Aber nun wollte ich nur ein paar typische Szenen schildern, die deutlich machen, dass moderne Literaten ein gewisses Wissen von der Erlösungsbedürftigkeit der Welt haben.
Wir haben ja am Anfang gesagt: Vielleicht kommt das Wort Erlösung, Erlöser und Erlösen so oft in unseren Liederbüchern und in der Bibel vor. Für den modernen Menschen ist diese Sprache jedoch veraltet. Und das stimmt nicht einmal ganz.
Am nächsten Samstag wird es wieder losgehen. In der 91. Minute fiel das erlösende Tor zum 1:1 für den VfB. Rundfunk- und Fernsehjournalisten sprechen vom erlösenden Tor. Als neulich durch Deutschland eine Jagd nach einem Verbrecher ging – ich weiß gar nicht genau, ob es ein Vergehen an Kindern war oder ob es der Ausbrecher war, vor dem alle Angst hatten – sagte die Rundfunksprecherin am Abend: „Es geht ein Aufatmen durch Deutschland. Ich kann Ihnen die erlösende Nachricht mitteilen: Der Mörder ist gefasst worden.“
Erlösung – alle hatten Angst gehabt. Das Wort vom Erlösen kommt also selbst in der modernen Sprache vor.
Wir wollen heute aber ein bisschen auf die Literatur achten. Im letzten Jahr gedachte man des hundertsten Geburtstags von Hermann Hesse, der hier in Calw geboren wurde. Hesse hatte natürlich einen stark religiösen Hintergrund und machte auch Reisen nach Indien. Er war ein allreligiöser Mensch. Trotzdem taucht bei ihm immer wieder auf, dass die höchste Stufe des Menschseins das Erlöstsein ist.
Schon in seinem ersten Roman beschreibt er die Schickeria von Zürich, die jungen Leute, die Drogen konsumieren. Dabei schreibt Hermann Hesse: „Erstaunlich war mir bei diesen vielen jungen Menschen, dass ein Schrei nach Erlösung da war.“
Also auch bei Hermann Hesse ist das Stichwort Erlösung präsent. Das hat uns einfach den Anlass gegeben, ein bisschen zu forschen, wie es bei anderen Schriftstellern aussieht. Ich war erstaunt, wie oft bei vielen Schriftstellern – bis in die Vokabel hinein – das Thema Erlösung auftaucht.
John Updike und die Bedeutung von Erlösung in der Literatur
Zuerst möchte ich vom großen amerikanischen Erzähler John Updike erzählen. Updike ist einer der bedeutendsten Erzähler unserer Zeit, ein großer Könner. Doch rennen Sie nicht gleich los, um in Ihrer Stadtbibliothek seine Bücher zu holen. Sie werden erschrocken sein, wie viele schreckliche Kriegsbeschreibungen, aber auch sexistische Szenen darin vorkommen, über die man nur erschrecken kann.
Das gehört zu Updike: das Grauen des Krieges, die Verseuchung der Welt, die Sexualisierung und die zunehmende Unmoral in Amerika. Das ist der Sumpf, in dem wir alle ersticken. Plötzlich wühlt auch der Erzähler selbst ein bisschen zu sehr in diesem Sumpf herum.
John Updike wurde in Shillington, Pennsylvania, geboren. Er stammt aus einer Familie, die von Deutschland abstammt. Sein Vater war Presbyter im Kirchengemeinderat der kleinen lutherischen Gemeinde von Shillington. Updike selbst ist dort in die Sonntagsschule gegangen. Er beschreibt, wie er noch heute im Geist die ewig verrutschten Strümpfe der Sonntagsschullehrerin vor sich sieht, wie er den ölgedrängten Linoleumboden riecht und wie schrecklich die Pseudoglasfenster in der armseligen Kirche waren – imitierte Glasfenster. Aber er sagt, dass da etwas Echtes in dieser Kirche war.
Er schreibt: „Ich verstehe nicht, wie man heute moderne Kirchen baut und schöne Gottesdienste veranstaltet, mit Chören, die in Talaren einziehen, geistreichen Predigten gut ausgebildeter Pfarrer, aber einer Verkündigung, in der nichts zu hören ist von den Wundern, die Jesus tut, von der Erlösung, die Jesus wirkt, von der Gottessohnschaft des Herrn Jesus.“ Er habe den Eindruck, in der modernen Kirchlichkeit Amerikas wolle man dem menschlichen Bedürfnis nach Religiosität nachkommen, ohne dem menschlichen Verstand zu viel zuzumuten. „Lass mal Wunder weg und Himmelfahrt und Sühnetod Jesu, wir wollen ein bisschen religiös sein, aber dem menschlichen Verstand nicht zu viel zumuten.“
In seinen Romanen und Novellen taucht das Thema immer wieder auf: Erlösung braucht es doch. John Updike selbst hat seit früher Jugend zwei gesundheitliche Probleme. Das eine ist eine ungewöhnliche Zahnstellung, aufgrund derer er lebenslang immer wieder zum Zahnarzt gehen muss.
Wenn man schließlich, schreibt er, wieder wagt, zum Zahnarzt zu gehen – man schiebt es ja so lange wie möglich hinaus –, und die Zahnbehandlung zu Ende ist und man den ungewohnten ersten Biss in der neuen Zahnstellung tut, die man noch gar nicht gewohnt ist, dann durchdringt einen ein Gefühl der Gewissheit, ein fast religiöses Gefühl, wie es bei einer Erweckung sein muss: Es gibt doch so etwas wie Erlösung. Also schon bei der Zahnbehandlung ist ihm ein Signal gegeben: Der Mensch kann noch einmal neu werden. Das, wovor ich mich so gefürchtet habe, was ich hinausgeschoben habe, ist geklärt. Und da taucht das Stichwort Erlösung auf.
Als Schriftsteller hat er ungeahnte Möglichkeiten, das anders auszudrücken. Aber man merkt, er will darstellen, dass in uns doch ein Sehnen danach ist, dass alles heil wird.
Das zweite gesundheitliche Problem, das er hat, ist eine Haut, die von Jugend an und besonders seit der Pubertät große Probleme bereitet. Deshalb ist er, seit er Geld verdient hat, immer wieder an die Küste von Neuengland gefahren. Bei jedem Sonnentag hat er sich am Sandstrand eine Kuhle gegraben, um die Sonne in seine versehrte Haut brennen zu lassen.
Als er mehr Geld hatte, fuhr er immer wieder zu den Inseln Richtung Südamerika, wo die Sonne so stark herunterbrennt, dass die Schwere seiner Haut ausgebrannt wird. „Wenn ich so da lag unter der Hitzeglocke der strahlenden Sonne, dann wurde mir bewusst“, so schreibt er, „was Erlösung im Herrn ist.“
Er versteht nicht, warum Christen das immer nur in ihren düsteren Kirchen vor den wenigen Besuchern bezeugen. Man müsse es doch hinausschreien in die Welt, dass es Erlösung im Herrn gibt. Das ist ihm an dieser Schöpfungstatsache klar geworden, in seine versehrte Haut hinein: Das strahlt. „Die Gewalt der Sonne, ach, das ist doch so etwas Ähnliches wie Erlösung im Herrn.“
Weitere literarische Stimmen zum Thema Erlösung
Bei dem anderen Nobelpreisträger Isaac, also Isaac B. Singer, wie er in „Singer in der Maschine“ erwähnt wird, findet sich der Satz: „Auf uns allen lastet der Fluch der Selbstliebe, der Eigenliebe. Nichts mag diese Eigenliebe mindern, weder Schläge noch Enttäuschungen. Wann werden wir endlich erlöst von unserer Selbstliebe?“
Hier einige Beispiele, die zeigen, dass bis hin zur Begrifflichkeit bei den modernsten Nobelpreisträgern nicht nur Szenen auftauchen, die nach Erlösung schreien, sondern auch der Begriff selbst präsent ist. Dieser Begriff ist kein kanadisches Sprachphänomen, sondern ein Kernbegriff in unserer Welt.
Die Frage ist nur: Wenn wir mit Menschen sprechen, die sich noch auf der Suche befinden, sollten wir nicht plump sagen: „Weißt du eigentlich, dass es den Erlöser Jesus gibt? Ich habe den Eindruck, du könntest den Erlöser Jesus noch brauchen.“ Stattdessen könnte man die Frage stellen: „Was beschäftigt dich gerade?“ Wenn der andere antwortet: „Ach, ich denke über einen Begriff nach, der mich immer wieder beschäftigt“, dann kann man nachfragen: „Welcher Begriff denn?“ Das mag zunächst fremd klingen, aber der andere sagt vielleicht: „Mir geht es um Erlösung. Ich sehne mich danach.“ Und Jesus ist der Erlöser. So könnte das Gespräch auf Jesus kommen, wenn der andere nachfragt. Man muss also sozusagen den Köder auswerfen.
Das Thema Erlösung ist in unserer Welt sehr groß. Die Frage ist nur: Wovon sehnen sich Menschen erlöst zu werden? Ist es, wie bei John Steinbeck, die Nichtigkeit des Lebens? Oder ist es die Angst vor der Zukunft?
Bei Christa Wolf findet sich ein Abschnitt, in dem sie mit ihrer Freundin spricht und sagt: „Merkst du nicht, wie das ganze Himmelsgewölbe beknistert? Dass das ganze Himmelsgewölbe zusammenbrechen könnte und die Eiseskälte des Universums bei uns einbrechen und uns töten könnte? Merkst du nicht, wie der Boden unter unseren Füßen zittert? Dass die Erde sich auftun könnte und die Lavaglut aus dem Innern der Erde uns alle überfluten könnte?“
Diese Ängste vor der Zukunft sind präsent. Denken Sie daran, dass Jesus gesagt hat (Lukas 21): „Den Menschen wird bange sein vor dem, was geschehen wird, wenn auch die Kräfte des Himmels sich bewegen werden.“
„Merkst du nicht das Knistern, dass die Erde sich auftun kann? Wenn aber dies anfängt zu geschehen, so erhebt eure Häupter, weil sich für euch Erlösung naht.“
Also, wovon wollen Menschen erlöst werden? Von dieser Angst vor der Zukunft? Steinbeck sagt, sie wollen von der Nichtigkeit des Lebens erlöst werden. Isaac Singer spricht von der Eigenliebe, dem Hängen am Selbst.
Wovon sehnen sich moderne Menschen erlöst zu werden?
Robert Musil über die Bedeutung des Erlösers
Nur noch einmal zum Begriff Erlösung: Ich bin bei Robert Musil, dem großen österreichischen Schriftsteller, der ein Werk hinterlassen hat, das aus zwei dicken Bänden besteht – „Der Mann ohne Eigenschaften“, ein unvollendetes Werk. Dort heißt es: In jeder Stadt werden Millionen von Sätzen gesprochen, in denen die Bewohner ihre persönlichen Wünsche ausdrücken. Doch es ist sehr selten, dass das Wort „erlösen“ darunter vorkommt. Das wurde im Jahr 1929 geschrieben, also schon vor längerer Zeit.
Menschen können zueinander sagen: „Du bist der größte Gauner, der mir je untergekommen ist.“ Man kann auch sagen: „Du bist so ergreifend schön, wie ich noch keine zweite Frau getroffen habe.“ Aber niemals sagt ein lebendiger Mensch zu einem anderen: „Sei mein Erlöser, du kannst mich erlösen.“
Robert Musil geht dem Begriff nach und sagt: Der Begriff „erlösen“ gehört zu einer ganz anderen Kategorie, er hat einen ganz anderen Wert. Ein Erlöser ist eigentlich jemand, der aus einer anderen Dimension kommt, aus der Welt des Geistes. Man ist überzeugt, dass es nicht mehr weitergehen kann, wenn nicht bald ein Erlöser kommt – ein Messias der Medizin, ein Messias der Philosophie. Auf jeden Fall ein Mensch, der eine starke Hand für das Ganze hat. Ein Erlöser ist jemand, der aus einer anderen Dimension kommt, aus einer anderen Welt, und eine starke Hand für das Ganze hat, der alles ändern kann, all das, worunter wir leiden.
Hochinteressant ist dieser frivole, gottlose Robert Musil, was er zu dem Begriff Erlösung und Erlöser sagt: Wovon sollen wir erlöst werden?
Zeugnis eines afrikanischen Christen über Erlösung
Jetzt möchte ich eine Geschichte erzählen. Vor etwa fünf Jahren fand eine große Tagung von Missionsfachleuten statt. Ich habe diese Geschichte schon einmal in diesem Raum bei einer Sonntagmittag-Bibelstunde erzählt.
Bei der Tagung gab es Streit darüber, ob Mission heute überhaupt noch notwendig ist. Sie wissen ja, dass Professor Küng in Tübingen die Weltreligionen vereinen will. Ich bin sehr froh, dass die Evangelische Kirche in Deutschland inzwischen eine Stellungnahme abgegeben hat, in der sie sich von dieser Welteinheitsreligion absetzt.
Die Frage lautete: Sollen wir missionieren, damit das Christentum nicht nur eine abendländische Religion bleibt? Man meinte, man solle den Hindus ihren Hinduismus lassen und den Chinesen ihren Konfuzianismus. Es sei doch eine Schweinerei, fast Kolonialismus, wenn wir ihnen unsere Religion bringen.
Ich konnte nicht die ganze Tagung über dabei sein. Als ich schließlich an einem Vormittag dort war, begrüßte mich Albrecht Hauser und sagte: „Es läuft alles falsch. Wir wollten eine Tagung machen, die ermutigt zur Weltmission, und jetzt ist große Gleichgültigkeit ausgebrochen. Man kann nicht mehr missionieren.“
An diesem Morgen hielt ein Religionsphilosoph aus Afrika ein Referat. Er war ein groß gewachsener Mann, schwarz und intelligent aussehend. Er trat ans Rednerpult und sagte: „Ich habe mein Referat mitgebracht, aber das lege ich heute beiseite. Ich glaube, angesichts des derzeitigen Stands unserer Diskussion muss ich Ihnen erzählen, wie ich Christ geworden bin.“
Er berichtete: „Ich war Sohn des Häuptlings in einer kleinen Stadt in Gambia, nahe Senegal, Westafrika. Mein Vater war überzeugter Muslim. In unserer kleinen Stadt gab es eine kleine Gruppe von Christen, aber sie waren eigentlich nicht überzeugend und daher keine Attraktion.
Während meiner Schulzeit habe ich im Krankenhaus der größeren Nachbarstadt gejobbt. Dort gab mir eine englische Krankenschwester eine Bibel, eine englische Bibel. Als Muslim legte ich sie zur Seite. Ich wollte mit dem Christenbuch nichts zu tun haben. Ich wollte ein Vorbild sein für meine Altersgenossen – als Häuptlingssohn, der die Pflichten des Islam ernst nimmt: das fünfmalige Gebet am Tag, den Ramadan.
Ich wollte immer, wenn der Muezzin ruft, der Erste in der Moschee sein, um den anderen ein Vorbild zu sein. Doch im Islam interessierte mich, warum im Koran steht, dass der Jesus, der am Kreuz gestorben ist, nicht der Prophet Isa sei. Nach dem Koran ist der Prophet Isa ein anderer als der Jesus, der am Kreuz starb – es war eine Vertauschung.
Ich wollte der Sache auf den Grund gehen, suchte die Bibel, die mir die Krankenschwester gegeben hatte, und begann zu lesen. Zuerst stieß ich auf den Römerbrief und las: ‚Du lehrst andere und lehrst dich selbst nicht. Du willst einer sein, der die anderen unterweist, und tust selbst das Falsche.‘ (Römer 2,21)
Dann las ich weiter in Römer 7: ‚Wollen habe ich wohl, aber vollbringen das Gute finde ich nicht. Das Gute, das ich will, das tue ich nicht; aber das Böse, das ich nicht will, das tue ich. Elender Mensch!‘ Ich wusste nicht, wie es weitergeht. ‚Wer wird mich erlösen von diesem Leib, von meiner Art, von meinem Zwiespalt?‘
Gott sei Dank, Jesus! In dem Augenblick, als ich das las, wurde mir klar, dass ich morgens nicht in die Moschee ging, um ein Vorbild zu sein, sondern um den Platz in der rechten hinteren Ecke zu finden, wo ich mich anlehnen und noch ein bisschen weiterschlafen konnte.
Mir wurde deutlich, dass mein ganzer Glaube Scheinheiligkeit war. Ich spielte vor mir selbst, vor anderen und vor Allah etwas vor – alles war brüchig. ‚Wollen habe ich wohl, aber vollbringen das Gute nicht.‘ Das ist die Wahrheit. Ich brauche einen Erlöser!“
Daraufhin ging er zur Christengemeinde und sagte: „Ich möchte auf den Namen Jesus getauft werden.“ Der Missionar antwortete: „Du warst doch nie bei einer meiner wunderbaren Predigten. Wie kommst du dazu?“ Er sagte: „Ich möchte zu Jesus gehören. Gott sei Dank Jesus, der mich erlösen kann.“
Er wurde Christ und ist heute einer der führenden Persönlichkeiten in der Weltevangelisationsbewegung. Außerdem ist er Religionsphilosoph, ein Prinz, ein Professor und ein hoch angesehener Mann.
Ab diesem Augenblick änderte sich die Stimmung auf der Tagung. Es war plötzlich keine Frage mehr, ob man Menschen anderer Kulturen von Jesus erzählen kann. Es wurde deutlich, dass alle Menschen einen Erlöser brauchen.
Die Bedeutung der Erlösung im interreligiösen Gespräch
Der große zailonesische Evangelist Daniel Tambaraja Niles hat geschrieben: Ich habe ihn noch erlebt, in der Weltchristenheit. Er hat immer gesagt, wenn man einen Muslim zu Jesus führen will, darf man nicht über die Dreieinigkeit streiten oder über die Gottessohnschaft des Herrn Jesus. Stattdessen muss man beim Thema der Erlösung anfangen, der Errettung.
Das ist auch im Islam die große Sehnsucht: Wie kann ich erlöst werden? Durch die Fülle der Gebote, in denen ich all die Pflichten erfülle, die im Koran stehen? Die Frage, die im Galaterbrief behandelt wird, lautet: Ist es das Gesetz oder Jesus? Jesus hat uns erlöst von dem Fluch des Gesetzes (Galater 3), indem er selbst ein Fluch wurde.
Wovon sollen wir erlöst werden? Wovon wollen Menschen erlöst werden? Bei diesem afrikanisch stammenden Professor war es die Sehnsucht nach Erlösung vom Widerstreit in mir selbst, Erlösung von der Scheinheiligkeit.
Bei vielen Menschen ist die Hauptsehnsucht, wenn sie die Bibel vor sich haben – schlagen Sie mal auf Hebräer 2 auf –, erlöst zu werden. Wir dürfen jetzt ein bisschen in die Bibel hineingehen, weg von der modernen Literatur, aber angestoßen durch die moderne Literatur zu biblischen Themen, um zu verstehen, wovon wir erlöst werden sollen.
Erlösung von der Angst vor dem Tod und dem Bösen
Hebräer 2, ab Vers 14 enthält ein großes Loblied auf Jesus und zeigt, was wir an Jesus haben. Dieser Brief gehört zu den letzten im Neuen Testament und ist ziemlich weit hinten zu finden.
Hebräer 2, Vers 14 sagt: Weil nun die Kinder, also wir Kinder dieser Welt, von Fleisch und Blut sind, hat auch er, Jesus, in gleicher Weise Fleisch und Blut angenommen. Damit hat er durch seinen Tod dem, der die Macht über den Tod hatte, nämlich dem Teufel, die Macht genommen. Er hat die erlöst, die durch Furcht vor dem Tod im ganzen Leben Knechte sein mussten, also Sklaven.
Es ist beeindruckend, dass dieser Satz darin steht. Der Herr Jesus hat Fleisch und Blut angenommen. In der Leidensgeschichte von Jesus heißt es: "Wie ist mir so bange?" Jesus fing an zu zittern und zu zagen, und es floss ihm der Schweiß wie Blut herunter, als hätte er eine Stirnwunde. So ist Jesus Mensch geworden.
Das Tierische, Körperliche in uns ist vorhanden. Der Arzt muss sterben. Der Arzt muss sagen: Alle Menschen müssen sterben. Das wussten schon die Philosophen. Alle Menschen sind sterblich. Habe ich noch vier Wochen? Habe ich noch zwei Monate? Wir hängen am Leben. Wer selbst schwer krank war, weiß, wie verkrampft man in dieses Leben hineinlebt.
Eigentlich möchte niemand gern sterben, außer wenn die Depression so stark ist, dass man mit dem Leben abgeschlossen hat. Jesus hat die erlöst, die durch Furcht vor dem Tod im ganzen Leben Sklaven sein mussten. Sie waren versklavt durch Todesangst. Dahinter steht: Wer hat die Macht über den Tod? Der Teufel!
Die Angst vor dem Sterben, dass man die Augen schließt und das Herz nicht mehr schlägt, ist nur eine vordergründige Sache. Wer mit den ganzen Wirklichkeiten des Lebens rechnet, weiß, was Angst bedeutet. Wird mich der Teufel holen? Habe ich ein Recht, in jene Welt zu kommen, die es gibt – die Auferstehung, das ewige Leben? Habe ich ein Recht darauf?
Selbst der Erweckungsprediger Ludwig Hofacker aus Württemberg sagte in seiner Sterbensnot: „Das ist zu flott für mich, da komme ich nicht hin. Ich habe tausendmal mehr die Hölle verdient als den Himmel.“ Verstehen Sie das? Merken Sie etwas von der eigentlichen Sklaverei? Gehöre ich dem Teufel?
Jesus hat die erlöst, die im ganzen Leben Sklaven sein mussten. Wenn Sie einmal ins Sterben hineingehen können, wissen Sie: „Ich gehöre Jesus. Du bist mein, fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst. Ich habe dich erlöst. Ich rufe dich bei deinem Namen, du bist mein.“
Also Erlösung von Nichtigkeit, Erlösung von der Schauspielerei, unserer religiösen Erlösung von der Angst vor dem Tod und von der ganzen Tiefe des Todes.
Darauf wollen wir später noch ein bisschen eingehen. Jetzt singen wir aber noch einen oder zwei Verse von „Jesus ist kommen“ aus dem Gesangbuch.
Jesus ist kommen, Lied 141, Strophe eins und Strophe drei: Jesus, der starke Erlöser.
Dann machen wir eine Pause.
Danach singen wir ein kurzes Lied, Lied 191, drei Strophen: „Seid nicht bekümmert, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke.“ Auch an unserem großen Erlöser Jesus.
Lied 191, die drei Strophen. Einundneunzig.
Drei Schwerpunkte der Erlösung durch Jesus
Im Bibelkurs werden drei Schwerpunkte genannt, wovon Jesus uns erlösen kann und erlösen will. Das ist klar gesagt. Dabei werden auch moderne Schriftsteller erwähnt, von denen einige Namen aufgeschrieben wurden: Robert Musil, John Abdaik, Doktor Lamine Sanes, der aus Afrika stammende Religionswissenschaftler John Steinbeck sowie Saul Bellow und Isaac Bashevis Singer, die beide Nobelpreisträger sind.
Jesus selbst hat Aussagen gemacht, wovon er erlösen kann und wovon der Vater im Himmel erlösen will. Im Vaterunser dürfen wir den Vater im Himmel bitten: „Erlöse uns von dem Bösen.“ Dabei ist nicht das Böse als abstraktes Prinzip gemeint, sondern der Böse in Person. Luther übersetzt das manchmal mit „der Fürst dieser Welt“, also der Satan, der große Gegenspieler Gottes, der alles darauf abzieht, Menschen von Gott wegzuführen.
Jesus trägt in der Versuchungsgeschichte und bis zum Kreuzkampf die Duftmarken des Satans, der ihn in Versuchung führt. Doch Jesus spricht am Kreuz: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“ Der große Böse, der Satan, kann nur in der Kraft Gottes besiegt werden. In Epheser 6 beschreibt der Apostel Paulus ausführlich, dass wir in der Macht und Stärke des Herrn Jesus den Bösen besiegen können.
Ein israelischer Schriftsteller, Yehuda Ja’airi, macht deutlich, dass man nicht automatisch fromm ist, nur weil man Israeli ist. Die Mehrheit der in Israel lebenden Menschen sind Atheisten. Yehuda Ja’airi schrieb, ich zitiere aus dem Gedächtnis: „Manchmal überkam mich die Angst, dass nicht bloß der Teufel versucht, mich in die Fänge zu bekommen, sondern dass der Teufel in mir selbst ist.“ Er beschreibt, dass der Teufel in unserer eigenen Familie los ist. Das ist ein ernster Blick auf die Wirklichkeit, kein frommer Zeigefinger.
Der Teufel ist los in der besten Ehe. Neulich sagten uns Jungmanager von Daimler: „Bei uns ist der Betrieb der Teufel los.“ Und noch viel mehr in unserem Leben. Die Frage an die Kirchenleute lautet: Was habt ihr uns dafür zu bieten? Was können wir tun?
Wir dürfen beten: Vater, mit deiner ganzen Kraft, die dir zu Gebote steht, mit aller Hilfe der Engel und deines Sohnes Jesus Christus, erlös uns vor dem Bösen, damit der böse Feind keine Macht über uns hat. Dieses Gebet findet sich auch bei Martin Luther in seinem Morgen- und Abendsegen.
Wenn man die neutestamentlichen Berichte ernst nimmt, war das gesamte Ringen unseres Herrn Jesus in seinen Erdentagen, angefangen von der Versuchungsgeschichte bis zur Leidensgeschichte, ein Ringen mit den dämonischen Mächten des Teufels. Das ist die biblische Weltsicht.
Wer das als Märchen abtut, muss sich mit modernen Autoren wie Philipp Potter auseinandersetzen, die das Böse in dieser Welt ebenfalls beschreiben. Die Wirklichkeit, die Jesus uns bezeugt hat, ist, dass das Böse in unserer Welt existiert. Wir werden oft wie mit tausend Stricken von Gott weggezogen. Die schlimmsten Gedanken durchzucken unseren Kopf und unser Herz, selbst wenn wir beten oder die Bibel lesen.
„Erlöse mich vom Bösen“ – das hat uns Jesus nicht nur durch Yehuda Ja’airi nahegebracht, sondern auch durch moderne Schriften, die das Gefühl dafür haben, dass der Böse in unserer Welt präsent ist. Wir dürfen um Erlösung vom Bösen bitten: „Bewahre mich durch deine Macht, lass mich in dir geborgen sein.“
Jesus als Erlöser durch seinen Dienst und sein Opfer
Aber dann folgt der große Abschnitt, den uns Jesus besonders wichtig gemacht hat. Ich zitiere hier immer die zwei Worte aus Matthäus 20, Vers 28 oder Markus 10,45. Diese Stellen sollten Sie im Kopf behalten, denn sie enthalten ein zentrales Wort.
Wir nehmen Matthäus 20: Dort heißt es, der Menschensohn sei nicht gekommen – Menschensohn ist ein Ausdruck aus Jesaja 53. Er ist anders als alle Menschenkinder. So lautet die Übersetzung bei Jesaja 52, Vers 10: Er ist der ganz besondere Menschensohn, das besondere Menschenkind. So hat sich Jesus immer selbst bezeichnet und damit angedeutet: „Passt auf, in Jesaja 52 und 53 ist doch von mir die Rede, so wie von diesem Menschensohn, diesem besonderen Menschenkind, dem Aller-Verachtetsten.“
Er ist nicht gekommen, damit man ihm dient, sondern damit er dient und sein Leben gibt als Erlösung für viele. Das sind Zitate aus Jesaja 53: Er hat die Sünden der Vielen getragen, er hat für die Vielen gebetet und sein Leben hingegeben. Gott warf unsere aller Sünde auf ihn, auf diesen Aller-Verachteten. Der Prophet in Jesaja 53 fragt: „Was ist denn das für einer?“ und antwortet: „Der ist doch von Gott geplagt.“ Nein, er ist um unserer Sünden willen dahingegeben. Durch seine Wunden sind wir heil geworden.
Das nimmt Jesus komprimiert auf, durch diesen einen, der vom Propheten Jesaja angekündigt wurde. Jesus sagt: „Ich bin der eine, der angekündigt wurde.“ Durch ihn geschieht Erlösung – nämlich Erlösung von der Schuld, weil dieser eine alle Sünde der Menschheit wegträgt. Auch das hat seinen Hinweis bei den Schriftstellern.
Ich habe vorher John Steinbeck zitiert, der sagt: „Was ist eigentlich aus meinem Leben geworden? Habe ich genug gearbeitet, genug geliebt, genug gut gegessen und alles?“ Aber jeder Mensch scheint mit einer Schuld geboren zu sein, die nur noch größer wird – die Versäumnisse im Leben.
Ich habe es mir angewöhnt, bei Beerdigungen von mir selbst zu sprechen. Ich habe den Eindruck, dass man im Leben versucht, sehr viel zu leisten und das Beste zu geben. Aber die Zahl der Versäumnisse nimmt rapide zu, gerade was man an Menschen schuldig geblieben ist.
Ich habe immer den Eindruck, dass die Menschen, die Anteil nehmen, besonders zuhören, weil das unsere Wirklichkeit ist, über die wir nicht so oft sprechen dürfen. Ja, vor allem im Leben ist viel Schuld vorhanden. Wenn wir als Christen vorangehen und sagen würden, wie viel wir schuldig bleiben, wären wir froh, dass einer sein Leben gegeben hat zur Erlösung – mich befreit von der Last der Schuld.
Gott warf unsere aller Sünde auf ihn – das tolle Bild aus Jesaja 53. Er schleppt sich mit unserer Sünde ab, der Kuli ohnegleichen, der Lastenträger ohnegleichen. Das, was John Steinbeck fühlt, nämlich die Frage, ob er im Leben viel schuldig geblieben ist, spiegelt sich darin wider. Man ist mit einer Schuld geboren, die immer größer wird. Von dieser Schuld kann uns Jesus lösen. Dazu ist er gekommen.
Der Apostel Paulus hat es in einem Vers aus Epheser 1 zusammengefasst: „In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden.“ Das wollen wir oft nicht in unseren Kopf hineinbekommen, wie das funktioniert, weil wir dafür keine Antenne oder keinen Raster haben. Wir können nur sagen: Das wurde 700 Jahre vor Jesus durch den Propheten angekündigt. Und Jesus selbst sagte: „Aber, Herr, wer glaubt unserer Predigt, und wer kann das verstehen, was ich jetzt sagen muss? Ich begreife es ja selber nicht.“
700 Jahre später kommt Jesus und sagt: „Das Wichtigste ist, dass ich euch löse von eurer Schuld.“
Einer meiner Vorfahren, ein kleiner armer Lehrer auf der Schwäbischen Alb, sagte im Sterben zu seinen Angehörigen, die ums Bett standen: „Wenn ich zurückblicke, sehe ich, dass ich in meinem Leben schuldig geblieben bin, was ich falsch gemacht, was ich falsch gesagt habe.“ Als Lehrer weiß man, dass man an Menschen schuldig geworden ist, dass man viele junge Menschen falsch angepackt hat.
„Wenn ich nach meinen Sünden sehe“, sagte er, „ist es, als ob der Heiland seine am Kreuz durchbohrten Hände darauflegt, sodass ich sie selber nicht mehr sehen kann.“ Das ist ein schönes Bild für das, was Vergebung der Schuld bedeutet – zugedeckt.
Die Bibel hat viele Bilder dafür: Er wirft sie ins Meer, wo es am tiefsten ist, er wirft alle Sünden hinter sich zurück, sodass er sie selbst nicht mehr sieht. Vergebung der Sünde bedeutet Loslösung von der Sünde, Erlösung.
Und ich glaube, dass selbst bei modernen Schriftstellern nicht nur eine Sehnsucht danach besteht, besser zu werden, sondern die Frage: Wie kann ich frei werden von dem, was ich falsch gemacht habe, damit ich mich nicht dauernd rechtfertigen muss?
Erlösung von Selbstliebe und Selbstbezogenheit
Dritter Bereich: Ich hätte noch etwas sagen können, weil wir bereits über Isaac Singer gesprochen haben. Wann werden wir endlich erlöst von unserer Eigenliebe, von unserer Selbstliebe? Das wäre ein Thema für ein abendfüllendes Programm, ich möchte es hier nur andeuten.
Der Herr Jesus ist besonders daran interessiert, dass er uns von unserer Selbstliebe erlöst. Das meiste vom Streit in unseren Familien und die meiste Unzufriedenheit, die Menschen empfinden, sowie der Großteil der Konflikte in den Gemeinden, kommen aus der Selbstliebe.
Ich bin überzeugt, dass ich mit meiner Meinung Recht habe: „Ich bin nicht genug gewürdigt worden“, „Man hat mich nicht genug gelobt“, oder „Ich habe doch rechtzeitig gesagt, man soll da nicht weitermachen.“ Diese Haltung zeigt, wie sehr wir in der Selbstliebe verkrampft sind.
Die Selbstliebe, in der wir gefangen sind, ist etwas Furchtbares – und das gilt auch für die Beziehungen zwischen Staaten. Von dieser Selbstliebe will uns Jesus lösen und erlösen.
Die kommende Erlösung und das ewige Heil
Aber was mir heute noch wichtig ist, mit Ihnen zu besprechen, wenn es nicht zu viel ist, ist die kommende Erlösung.
In Württemberg hatten wir den großen geistlichen Vater Johann Christoph Blumhardt, zuerst Pfarrer in Möttlingen und dann Seelsorger in Bad Boll. Von ihm wird oft gesagt, das Wichtigste sei gewesen, dass er Dämonen austreiben und Kranke heilen konnte. Er selbst war jedoch sehr zurückhaltend und sagte: Die Hauptsache ist, dass die Menschen sich bekehren, zu Jesus finden und bei Jesus sind.
Er legte auch niemandem die Hand auf. Er sagte immer: „Kindlein, du kannst doch selbst beten.“ Er wollte nicht, dass die Menschen an ihn gebunden sind, sondern an den Heiland Jesus.
Johann Christoph Blumhardt sagte außerdem: Wir alle, auch wenn wir bekehrt sind, sind noch nicht erlöst. Hoffentlich finde ich die Stelle unter meinen verschiedenen Papieren. Das ist so schön, dass ich es Ihnen eigentlich von Blumhardt im Wortlaut vorlesen möchte.
Das Wort Bekehrung kommt zwar in der Schrift vor, aber Erlösung ist etwas anderes. Bekehrt sein ist noch nicht genug, denn niemand weiß, wie gebunden er ist, wie sehr er in Ketten und Banden liegt, wie viel Satanisches noch in ihm wirkt, auch wenn er bekehrt ist.
Wie viele böse Geister ihm Gedanken von rechts und links eingeben, das weiß niemand. Auch der Einfluss falscher Frömmigkeit, falscher Einbildung und falscher Selbsteinschätzung ist oft groß. Man meint, man lebe im Frieden, als wäre es wirklich Frieden, aber es ist Täuschung. Es ist noch keine Erlösung dabei.
Die Menschen, die bekehrt sind, wollen plötzlich geistlich etwas sein, wissen aber gar nicht, wie gebunden sie sind. „Ja, du bist etwas als Bekehrter, aber du bist noch nicht erlöst. Da muss der Herr hineinschauen, damit es eine ewige Erlösung gibt.“
Es ist schön, dass so ehrlich gesprochen wird, sodass keiner, der zum Herrn Jesus gefunden hat, denken muss: „Ich habe so komische Träume, und neulich ist mir wieder ein Fluch über die Lippen gegangen. Bin ich doch nicht richtig bekehrt? Bin ich doch nicht richtig beim Herrn?“
Nein, wir sind noch Kampfgebiet. In einem Choral heißt es: „Wir stehen im Kampfe Tag und Nacht.“ Wenn selbst der Herr Jesus nicht vom Teufel, dem Versucher, losgelassen wurde, dann werden wir es auch nicht.
Erlöst ist, wer befreit ist. Wir warten auf unseres Leibes Erlösung. Damit beginnt es. Der Apostel Paulus nimmt das ganz ernst, sogar bis ins Körperliche hinein. Wir werden erlöst.
Wir warten auf unseren Herrn Jesus Christus (Philipper 3), der unseren vergänglichen Leib erlösen wird, damit er gleich werde seinem Auferstehungsleib. Dann wird alles voll von Gottesherrlichkeit und Gottesgegenwart sein – so wie es bei Jesus nach der Auferstehung war.
Als er zum Thomas sagte: „Komm her, leg doch deine Hand, deine Finger in meine Hand, fühl meine Nägelmale und leg deine Hand in meine Seitenwunde.“ Thomas konnte gar nicht anders, als zu sagen: „Mein Herr und mein Gott!“
Das ist nur Gottesgegenwart, Gottesherrlichkeit, Gottesvollkommenheit. So wird es auch bei uns sein. Wenn wir in den Spiegel schauen, werden wir uns gar nicht mehr richtig erkennen. Verklärt, selbst körperlich in der Gegenwart Jesu, ohne Macken der Sünde, ohne Narben der Sünde – neu geschaffen.
Diese Erlösung ist gemeint. Schon der Prophet Jesaja sagt: „Die Erlösten des Herrn werden wiederkommen mit Jauchzen; Freude und Wonne wird über ihnen sein.“ Er hat uns eine ewige Erlösung verheißen.
Ich zitiere jetzt einfach ein paar Worte: Wir warten, so sagt Paulus, auf unseres Leibes Erlösung, die ganze Körperlichkeit, dass wir einmal verklärt vor Jesus sein werden.
Von dieser Erlösung wissen die Schriftsteller nicht viel. Es geht über ihre Begriffe hinaus. Es ist, als hätten auch die modernen Schriftsteller nur einen Horizont, der unsere Welt umfasst. Dort sehnen sie sich nach dem Eingreifen Gottes, nach der Hilfe Gottes, aber wir dürfen noch mehr wissen.
Wenn das anfängt zu geschehen – Inflation, Hungersnöte, Kriege, kriegsgeschreiende Revolutionen – und den Menschen auf Erden bange wird vor den Toben der Elemente, dann heißt es: „Erhebt eure Häupter, weil für euch Erlösung kommt.“
Ich habe es in diesem Raum schon zweimal gesagt, aber da waren die meisten von Ihnen nicht dabei: Mein Seelsorger Helmut Lampard hat mir immer wieder sagen können: „Rolf, ich bin gespannt auf meinen Tod, was der Herr Jesus, der so viel in meinem Leben getan hat, erst recht dann tun wird.“
Das ist die große Hoffnung der Christen. Es geht nicht auf weniger zu, sondern auf Großes. Vor zwei Jahren war ich am Rand des Todes, als der Arzt sagte: „Ich glaube, wir brechen die Chemotherapie, den zweiten Versuch, ab. Für die paar Tage, die Sie noch zu leben haben, sollen Sie nicht so geplagt werden!“
Da war neben dem Kreatürlichen, das immer da ist, weil kein Mensch gern stirbt, auch das große Warten: Was kommt jetzt? Vielleicht verstehen Sie es richtig, wenn ich sage: Es ist nicht immer leicht, wieder ins normale Leben zurückzukehren, bei aller Dankbarkeit, wenn man schon so weit draußen war.
Aber wir dürfen uns freuen auf die große Erlösung, die der Herr Jesus wirken wird. Und wir sollten das immer wieder auch ganz persönlich bezeugen: Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.
Als Letzter wird er sich über Tod und Sterben erheben. Er lässt mich nicht allein. Das Wort von Hiob, das durch Jesus noch einmal ganz neue Wirklichkeit bekommt, lautet: „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“
Darauf zielt alles, das auf die große Erlösung zugeht, von der die modernen Schriftsteller trotz aller Sehnsucht nach Großem im Leben noch keine Ahnung haben. Wir dürfen von dieser großen Erlösung reden.
Schlusswort und Dank an den Erlöser
Das Hilfreichste, was mir damals in meiner Krankheit bezeugt wurde, war der erste Artikel aus dem Heidelberger Katechismus. Jemand hatte ihn schön formuliert: „Was ist meine einzige Hoffnung im Leben und im Sterben?“ Die Antwort lautet, dass ich im Leben und im Sterben mit Leib und Seele nicht mir selbst, sondern meinem Herrn Jesus gehöre. Er hat mich durch sein Leiden so vollkommen erlöst und aus aller Not herausgeholt, dass nicht einmal ein Haar von meinem Haupt fallen kann ohne seinen Willen.
Deshalb bin ich gespannt auf seine große Zukunft der Erlösung. Sie merken also, dass „Erlösung“ in der Bibel ein Wort mit vielen Facetten ist. Ich wollte Sie heute nur darauf aufmerksam machen, da Sie auf dieses Wort ganz neu hellhörig sind.
Vielleicht habe ich so ein kleines Oktavheft darüber geschrieben: „Entdeckungen“. Fangen Sie doch einfach an, zu biblischen Begriffen Entdeckungen zu machen – Bibelworte, die zusammenpassen. Schreiben Sie alles, was Sie jetzt zum Thema Erlösung und Erlösen finden, hinein. So bekommen Sie selbst eine Gesamtschau und wissen mehr.
In unserer modernen Welt ist das gar nicht so abwegig. Die Menschen sehnen sich auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten nach Erlösung.
Herr Jesus, du großer Erlöser, wir danken dir, dass du das Sehnen der Menschen nach einem Erlöser gesehen hast. Wir brauchen dich in unserer Selbsttäuschung und in unserer Anfälligkeit. Du bist stärker, du kannst mit allem Versuchlichen fertigwerden und uns vom Bösen erlösen und hinausretten in dein ewiges Reich.
Danke dafür. Tu es auch bei jedem von uns. Amen.