
Studienreihe über biblische Lehren von Doktor Martin Lloyd-Jones
Band eins: Gott der Vater
Kapitel sieben: Die moralischen Eigenschaften Gottes
Wie Sie sich erinnern, befassen wir uns mit den Eigenschaften Gottes. Wir haben über die Qualitäten nachgedacht, die zu seiner vollkommenen Persönlichkeit gehören. Nun wollen wir uns mit denjenigen Eigenschaften beschäftigen, die gemeinhin als moralische Eigenschaften Gottes bezeichnet werden. Manchmal werden sie auch als die übertragbaren Eigenschaften Gottes bezeichnet.
Die Eigenschaften, mit denen wir uns zuletzt beschäftigt haben, gehören ausschließlich Gott. Sie sind nicht übertragbar. Ich sage dies mit aller Ehrfurcht: Selbst Gott kann sie seinem Volk nicht übertragen.
Die Eigenschaften, über die wir jetzt nachdenken wollen – die moralischen Eigenschaften – sind in gewisser Hinsicht übertragbar. Etwas, das ihnen entspricht, findet sich auch in uns Menschen wieder.
Welche Eigenschaften sind gemeint? Zuerst müssen wir über die Heiligkeit Gottes sprechen.
Was ist Heiligkeit? Ich glaube, dass wir fast zwangsläufig dazu neigen, sie mit negativen Begriffen zu beschreiben. Unsere Definition von Gottes Heiligkeit ist, dass Gott völlig getrennt und abgesondert von der Sünde ist. Heiligkeit bedeutet in erster Linie Absonderung, Absonderung vom Bösen.
Aber natürlich ist Heiligkeit auch etwas Positives. Sie ist essentielle, vollkommene Reinheit. Die Bibel lehrt uns überall, dass Gott heilig ist. Diese Heiligkeit zeigt sich etwa in seinem Hass auf die Sünde und seiner Trennung von der Sünde, von dem Sünder und von allem, was böse ist.
Ich möchte einige Beispiele und Illustrationen aus der Bibel nennen, die das, was sie über Gottes Heiligkeit lehrt, besonders gut verdeutlichen. Gott hat seine Heiligkeit offenbart, indem er bestimmten Leuten Visionen seiner selbst gewährte. Denken wir an die eindrucksvolle Begebenheit in 2. Mose 34 und an andere Stellen, an denen Gott Mose erschien. Mose war von der Wahrnehmung der göttlichen Heiligkeit überwältigt.
Das gleiche erlebten Hiob, Jesaja und Hesekiel. Jeder, der in irgendeiner Form jemals in die Nähe Gottes gekommen ist, war allezeit beeindruckt von Gottes allgewaltiger Heiligkeit.
Die Bibel verwendet bestimmte Begriffe, um uns die Heiligkeit Gottes zu verdeutlichen. Sie spricht von Gott als dem Heiligen (Jesaja 40,25).
Wir haben Gottes ausdrückliche Aufforderung: „Seid heilig, denn ich bin heilig“ (1. Petrus 1,16). Diese Aussage macht die Heiligkeit Gottes spezifisch und explizit deutlich.
Oft vergessen wir, dass es in gewisser Hinsicht die wichtigste Aufgabe des Alten Testaments ist, die Heiligkeit Gottes zu offenbaren. Viele von uns sind zu sehr von einer falschen Lehre des 18. Jahrhunderts beeinflusst worden, die uns glauben machen will, dass die Geschichte des Alten Testaments lediglich die Geschichte der Suche des Menschen nach Gott sei. Das stimmt jedoch nicht!
Das Alte Testament ist in erster Linie eine Offenbarung der Heiligkeit Gottes und dessen, was Gott als Folge daraus getan hat. Deshalb findet man diese Lehre auf jeder Seite.
Welche Absicht steckte hinter der Gesetzgebung, wenn nicht die Absicht, den Kindern Israels etwas über die Heiligkeit Gottes zu lehren? Dort sonderte Gott sie für sich aus. Er wollte, dass sie wissen, was für eine Art Volk sie sind.
Dies konnten sie nur erkennen, indem sie seine Heiligkeit begriffen und würdigten. Also hatte die Gesetzgebung in erster Linie dieses eine Ziel.
Oder betrachten Sie die vielen unterschiedlichen Anweisungen für den Bau der Stiftshütte: die Aufteilung in Vorhof, Heiligtum und das Allerheiligste, in das der Hohepriester nur einmal im Jahr eintreten durfte – und das nicht ohne Blut.
Die Stiftshütte hatte kein anderes Ziel, als die unersetzliche Lehre von der Heiligkeit Gottes zu verkörpern, sozusagen in der täglichen Praxis.
Oder nehmen Sie das, was über das Zeremonialgesetz und die reinen sowie unreinen Tiere geschrieben wurde. Man fragt sich: Wozu das alles? Die Antwort lautet: Ihr seid ein heiliges Volk, und ich bin ein heiliger Gott. Ihr sollt nicht essen, was alle anderen essen. Es soll diese Trennung geben, diese Absonderung zwischen rein und unrein.
Die ganze lange Liste der Regeln und Bestimmungen, die wir im Alten Testament finden, ist Teil dessen, was die Bibel über die Heiligkeit Gottes lehrt. Auch die Propheten predigten natürlich unermüdlich die Heiligkeit Gottes. Das war ihre große Verantwortung und Botschaft.
Im Buch Habakuk wird dies perfekt zusammengefasst. Dort lesen wir: „Du hast zu reine Augen, um Böses mitansehen zu können, und Verderben vermagst du nicht anzuschauen“ (Habakuk 1,13).
Und natürlich liegt auch im Neuen Testament dieselbe Betonung vor. Beispielsweise sprach unser Herr Jesus Christus Gott mit den Worten „Heiliger Vater“ an (Johannes 17,11). Das ist das Höchste, was über die Heiligkeit Gottes gelehrt wird. Selbst der, der Gott gleich war und aus dem ewigen Schoß hervorkam, nannte Gott „heiliger Vater“.
Im ersten Johannesbrief finden wir eine Definition der Heiligkeit Gottes. Johannes sagt, dass Gott Licht ist und gar keine Finsternis in ihm ist (1. Johannes 1,5). Die Bibel ist also voll von Aussagen, die dies lehren. Sie nennt Gott den Vater „den heiligen Israels“ (Psalm 71,22).
Der Herr Jesus Christus wird als Gottes „heiliger Knecht Jesus“ bezeichnet (Apostelgeschichte 4,27) und als der Heilige (Apostelgeschichte 3,14). Außerdem sprechen wir vom heiligen Geist. So wird auf die drei Personen der herrlichen Dreieinigkeit immer unter Hinweis auf die Eigenschaft der Heiligkeit verwiesen. Sie werden als „heilig“ beschrieben.
Doch wenn man fragt, wo die Bibel die Heiligkeit Gottes am kraftvollsten lehrt, muss man wahrscheinlich auf Golgatha verweisen. Gott ist so heilig, so absolut heilig, dass nichts außer diesem fürchterlichen Tod es ihm ermöglichen konnte, uns zu vergeben. Das Kreuz ist die folgenschwerste und erhabenste Proklamation und Offenbarung der Heiligkeit Gottes.
Ich möchte gerne bei diesem großartigen Thema bleiben, doch das ist nicht möglich, wir müssen weitergehen. Wir sollten uns jedoch daran erinnern, dass die biblische Offenbarung der Heiligkeit Gottes zweifellos das Ziel hat, uns zu lehren, wie wir ihm begegnen können. Es handelt sich nicht um theoretisches Wissen, das wir nur mit unserem Verstand erfassen sollen.
Die Absicht ist sehr praktisch. Um es mit den Worten des Hebräerbriefschreibers zu sagen: Wir sollen uns Gott mit Scheu und Furcht nähern (Hebräer 12,28). Ihm kann man nur in dieser Haltung begegnen – egal, ob man allein in einem Zimmer ist, sich mit der Familie zum Gebet versammelt oder in einem öffentlichen Gottesdienst teilnimmt. Gott ist immer Gott, und man kann sich ihm nur mit Scheu und Furcht nähern.
Ausdrücke wie „Lieber Gott“ finden sich nirgends in den Heiligen Schriften. Es gibt viele Beispiele dafür. Denken Sie zum Beispiel an Mose vor dem brennenden Busch oder an die schreckliche Begebenheit, bei der Usa seine Hand ausstreckte, um die Bundeslade festzuhalten, als sie auf einem Wagen abtransportiert wurde. Da entbrannte des Herrn Zorn über Usa, und Gott schlug ihn dort.
Hier müssen wir die erschütternde Feststellung machen, dass wir Gott nur mit Scheu und Furcht begegnen und ihn anbeten können. Lesen Sie auch den Bericht in 2. Mose 19,16-25, wie das Gesetz übergeben wurde, der Berg von Feuer brannte und niemand näherkommen durfte. So heilig ist die Heiligkeit Gottes.
Diese Lehre vermittelt uns natürlich auch viel über die schreckliche Natur der Sünde. Man wird niemals wirklich verstehen, was Sünde ist, solange man keine wahre Vorstellung von der Heiligkeit Gottes hat. Das ist vielleicht der Grund, warum unsere heutige Vorstellung von Sünde so unzulänglich ist.
Wir verbringen nicht genug Zeit mit der Lehre von Gott und seiner Heiligkeit. Nur so können wir Sünde erkennen – nicht in erster Linie durch Selbstprüfung, sondern indem wir in die Gegenwart Gottes treten.
Manche sagen nun: „Aber sie erwarten doch nicht etwa von uns, dass wir uns wie erbärmliche Sünder fühlen sollen, oder?“ Sie wollen doch wohl nicht, dass wir mit Charles Wesley sagen: „Schmutzig und voller Sünde bin ich.“ Das mag auf Menschen zutreffen, die ständig betrunken sind – eben solche Leute –, aber auf uns trifft das nicht zu.
Andere wiederum beunruhigt folgender Gedanke: Sie sagen, ich habe niemals wirklich gefühlt, dass ich ein Sünder bin. Kann ich das überhaupt fühlen, wenn ich in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen bin und schon immer dorthin gegangen bin, wo Gott angebetet wird? Verlangen Sie wirklich von mir, dass ich dieses fürchterliche Empfinden habe, ein Sünder zu sein?
Die Antwort darauf ist: Wenn sie wirklich in die Gegenwart Gottes treten würden und eine Vorstellung von seiner Heiligkeit bekämen, dann würden sie sich bald selbst einen schmutzigen, schrecklichen Sünder nennen. Sie würden mit Paulus sagen, dass nichts Gutes in ihnen wohnt (Römer 7,18).
Der Weg, die eigene Sündhaftigkeit einzusehen, liegt nicht darin, dass man auf seine Taten oder sein Leben schaut, sondern dass man in die Gegenwart Gottes tritt.
Und schließlich zeigt uns die Heiligkeit Gottes natürlich die absolute Notwendigkeit des Sühneopfers.
Das ist die Umkehrung dessen, was ich gerade eben über das Kreuz als sichtbares Zeichen der Heiligkeit Gottes gesagt habe. Ebenso wie das Kreuz die Heiligkeit Gottes manifestiert, zeigt es uns auch, dass ohne Blutvergießen keine Vergebung der Sünde möglich ist.
Die Tatsache, dass Gottes Heiligkeit genau darauf besteht, erfordert ein Sühneopfer für die Sünde.
Die nächste moralische Eigenschaft Gottes, die die Bibel betont, ist die Gerechtigkeit und das Recht Gottes. Diese Eigenschaft ergibt sich, ganz logisch, zwangsläufig aus der Heiligkeit Gottes.
Was ist Gerechtigkeit? Gerechtigkeit ist die Heiligkeit Gottes, wie sie sich in seinem Umgang mit uns zeigt. Es ist die Eigenschaft Gottes, durch die er sich jederzeit als den offenbart, der das Rechte tut. Gerechtigkeit und Recht sind die ausführenden Elemente der Heiligkeit Gottes. Sie sind Ausdruck dafür, wie Gott über die Welt herrscht.
Eine weitere Definition lautet: Gottes Gerechtigkeit ist Gottes Liebe zur Heiligkeit, und Gottes Recht sowie Rechtsempfinden sind Gottes Abscheu gegenüber der Sünde. Ich glaube, diese Definition erweist sich als die beste.
Die Gerechtigkeit und das Recht Gottes werden überall in der Bibel sichtbar. Sowohl das Alte als auch das Neue Testament lehren uns über den Zorn Gottes. Unser Herr selbst hat auf diesen hingewiesen.
Eine der grundlegendsten Lehren der gesamten Bibel ist, dass Gott die Sünde hasst. Dies zeigt sich in seinem Zorn. Johannes sagt: „Wenn jemand nicht glaubt, dann bleibt der Zorn Gottes auf ihm.“ Paulus schreibt in Epheser 2,3: „Wir sind alle von Natur aus Kinder des Zorns.“
Doch Gottes Gerechtigkeit und Recht werden nicht nur in seinem Zorn deutlich. Er offenbart dieselben Eigenschaften auch dadurch, dass er uns unsere Sünden vergibt. Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, sodass er uns die Sünden vergibt und uns von aller Ungerechtigkeit reinigt.
Nachdem die Möglichkeit der Vergebung eröffnet wurde, kommt Gottes Recht zum Tragen, wenn wir uns danach richten. Gott vergibt uns aufgrund seiner Gerechtigkeit.
Gott eröffnet die Möglichkeit der Vergebung, indem er einen Sühneort für unsere Sünden schafft. Das ist die bemerkenswerteste Sache von allen.
Die klassische Aussage dazu findet sich im Römerbrief: Gott hat Jesus dargestellt als einen Sühneort durch den Glauben an sein Blut. Dies geschieht zum Erweis seiner Gerechtigkeit, weil er die vorhergesagten Sünden unter seiner Nachsicht hineingenommen hat.
Es war Gottes Gerechtigkeit, verbunden mit seiner Liebe, seinem Mitleid und seinem Erbarmen, die für die Darbringung und das nötige Opfer den Sühneort sorgte. Außerdem belohnt er den Gerechten.
Paulus bringt dies am Ende seines Lebens in 2. Timotheus 4,8 zum Ausdruck: „Fortan liegt mir bereit der Siegeskranz der Gerechtigkeit, den der Herr, der gerechte Richter, mir zur Vergeltung geben wird an jenem Tag, nicht allein aber mir, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieben.“
Paulus macht sich darüber keine Gedanken. Er ist überzeugt, dass Gott ein gerechter Richter ist und die Krone, die er verheißen hat, selbstverständlich aushändigen wird.
Von nun an wird diese wundervolle Gnade in Christus ausgeteilt. Gott ist es, der dies am Kreuz vollbringt.
Als Nächstes lesen wir in Römer 3, Vers 25, wie Gott seine eigene Gerechtigkeit und sein absolutes Recht erklärt. Er rechtfertigt seine Vergebung der Sünden derer, die Buße tun. Das ist eine sehr große und erhabene Vorstellung.
Wir sehen dies ganz deutlich in folgender Hinsicht: Gott vergibt nicht nur die Sünden der Sünder in der Errettung, sondern er geht darüber hinaus. Er erklärt Sünder für gerecht, er macht sie gerecht. Das ist eine ganz entscheidende Wahrheit.
Wenn wir uns nicht über die Gerechtigkeit und das Recht Gottes im Klaren sind, könnten wir auf den Gedanken kommen, dass alles, was Gott für uns tut, nur darin besteht, uns unsere Sünden zu vergeben. Absolut nicht! Weil Gott gerecht ist, müssen auch wir gerecht gemacht werden.
Er erklärt uns für gerecht auf Grundlage des Gesetzes per richterlichem Urteil. Das ist Rechtfertigung durch Glauben. Aber er macht uns auch gerecht. Das ist unsere Heiligung.
Diese Heiligung wird sich fortsetzen, bis wir schließlich ohne Makel und untadelig, ohne Zurechtweisung, gerecht und heilig sein werden, so wie er selbst ist.
Aber nun möchte ich auf die dritte Eigenschaft Gottes in diesem Überblick über die moralischen Eigenschaften eingehen, nämlich auf die Güte oder die Liebe Gottes. In der Bibel werden diese beiden Begriffe mehr oder weniger synonym verwendet. Manchmal wird die Eigenschaft als Güte Gottes bezeichnet, manchmal als Liebe Gottes beschrieben. Beide Begriffe beziehen sich auf dieselbe Eigenschaft.
Dennoch gibt es einen gewissen Unterschied zwischen ihnen. Ich möchte versuchen, diesen Unterschied folgendermaßen auszudrücken: Die Güte Gottes ist jene Vollkommenheit Gottes, die ihn veranlasst, gegenüber all seinen Geschöpfen großzügig und freundlich zu handeln.
Paulus sagt in Römer 11,22: „Sieh nun die Güte und die Strenge Gottes.“ Im Psalm 145,9 heißt es: „Der Herr ist gut gegen alle, sein Erbarmen ist über alle seine Werke.“ Achten Sie einmal auf die Begriffe „Gut“ und „Güte“, wenn Sie die Bibel lesen. Sie werden feststellen, dass sie im Allgemeinen die Vorstellung von der Großzügigkeit Gottes umfassen.
Dagegen ist Gottes Liebe die Eigenschaft Gottes, durch die er unaufhörlich motiviert wird, sich selbst anderen mitzuteilen. Die Bibel macht sehr deutlich, dass die Liebe Gottes etwas ist, das sich selbst mitteilt. Gott ist ewig.
„Gott ist ewige Liebe.“
Auf welche Weise zeigen sich nun diese herrlichen Eigenschaften Gottes?
Aus praktischen Erwägungen heraus wollen wir die Antwort auf diese Frage anhand einiger Unterpunkte betrachten.
Erstens: Ganz allgemein erweist Gott seine Güte und Liebe allen seinen Geschöpfen. Das sehen wir beispielsweise in Matthäus 5,45. Dort heißt es, dass er seine Sonne aufgehen lässt über Böse und Gute und regnen lässt über Gerechte und Ungerechte. Damit ist die Güte Gottes gegenüber allen seinen Geschöpfen, ohne Unterschied, gemeint.
Weiter erfahren wir in Matthäus 6,26, dass er die „Vögel des Himmels“ ernährt.
In Apostelgeschichte 14,17 argumentiert Paulus in Lystra, dass Gott sich nicht unbezeugt gelassen hat. Er tat Gutes, gab vom Himmel Regen und fruchtbare Zeiten und erfüllte die Herzen der Menschen mit Speise und Fröhlichkeit.
All dies ist ein sichtbares Zeichen der Güte Gottes. Selbst wenn Menschen ihn vergessen und ihr Wissen über ihn verloren haben, bleibt Gott weiterhin auf diese Weise gut zu ihnen.
Die zweite Art, auf die sich die Güte und die Liebe Gottes offenbart, nennt die Bibel „Gnade Gottes“. Gnade, dieses gewaltige Wort, das man ständig in den Heiligen Schriften findet, bezeichnet die Güte oder Liebe Gottes gegenüber denen, die sie in keiner Weise verdienen.
Sie ist die unverdiente Güte oder Liebe Gottes gegenüber jenen, die jeglichen Anspruch auf ihn und seine Liebe verwirkt haben und nichts anderes als Gericht und Verdammnis verdient haben. Die Bibel lehrt, dass die Gnade Gottes der Ursprung jeder Segnung ist, die uns jemals geschenkt wurde. Alles entspringt dieser Quelle ewiger und immerwährender Gnade.
Ein genaues und sorgfältiges Studium dieses Wortes empfiehlt sich besonders in den ersten zwei Kapiteln des Epheserbriefes. Oh, es ist alles Güte! Alles geschieht wegen seiner Gnade, dieser unbegreiflichen Gnade Gottes.
Denn „die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend allen Menschen“, schreibt Paulus an Titus in Kapitel 2, Vers 11. Auch im dritten Kapitel des Titusbriefes finden sich herrliche Aussagen über die Gnade Gottes.
Lesen Sie diese Kapitel, freuen Sie sich und geben Sie sich selbst der Anbetung hin, wenn Sie die wunderbare Liebe und Güte Gottes zu begreifen beginnen, die er uns offenbart hat in unserem Herrn Jesus Christus.
Als Nächstes zeigt sich die Güte und die Liebe Gottes in der Barmherzigkeit Gottes. Ist Ihnen schon aufgefallen, dass viele Briefe mit Grüßen beginnen, in denen die Worte Gnade, Barmherzigkeit und Frieden vorkommen? Daraus lässt sich schließen, dass Barmherzigkeit und Gnade nicht dasselbe sind.
Was ist nun Barmherzigkeit? Sie kann definiert werden als die Güte Gottes gegenüber denen, die infolge ihrer Sünde in Not und Elend geraten sind. Gott schenkt ihnen seine Barmherzigkeit, ungeachtet dessen, was sie verdient hätten. Achten Sie auf das Wort Barmherzigkeit, und Sie werden feststellen, dass es diese Bedeutung hat.
Psalm 103 enthält mehrere großartige Aussagen über die Barmherzigkeit Gottes. In der Einleitung zum Lukasevangelium lesen wir folgende Worte: "Er hat sich Israels, seines Knechtes, angenommen, dass er gedenke der Barmherzigkeit" (Lukas 1,54).
In den Versen 77 und 78 wiederum steht: "Er ist gesandt, seinem Volk Erkenntnis des Heils zu geben in Vergebung ihrer Sünden durch die herrliche Barmherzigkeit unseres Gottes."
Auch in den neutestamentlichen Briefen finden wir immer wieder Aussagen über die Barmherzigkeit Gottes. Paulus sagt: "So erbarmt er sich nun, wessen er will, und verstockt, wen er will" (Römer 9).
Doch vor allen Dingen finden wir Hinweise auf Gottes Barmherzigkeit in den Grüßen und den Einleitungen der Briefe.
Ein weiterer Gesichtspunkt der Güte und Liebe Gottes ist, wie herrlich seine Geduld und Langmut sind. Keiner von uns wäre heute Abend hier, wenn es diese nicht gäbe. Wenn Gott nicht so langmütig wäre, wären wir alle längst vernichtet. Aber Gott ist langmütig.
Was bedeutet das? Es bedeutet, dass er das Eigensinnige und Böse erträgt. Er ist nachsichtig gegenüber dem Sünder, der trotz aller Segnungen und Barmherzigkeiten Gottes weiterhin gegen ihn sündigt.
Paulus drückt das so aus: „Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut und erkennst nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?“
An anderer Stelle sagt er: „Wenn aber Gott, obwohl er seinen Zorn erweisen und seine Macht kundtun wollte, mit viel Langmut die Gefäße des Zorns ertragen hat, die zum Verderben bereitet sind“ (Römer 9,22).
Petrus ist ebenso eindeutig in dem, was er sagt. Er teilt uns in 1. Petrus 3,20 mit, dass Gott geduldig gewesen ist mit jenen Geistern und Wesen, die einst ungehorsam waren, als die Langmut Gottes in den Tagen Noahs wartete.
Und dann ist da noch die berühmte Aussage in seinem zweiten Brief, wo er sagt, dass wir die Langmut unseres Herrn für Errettung achten sollen.
Das bringt mich zur vierten moralischen Eigenschaft Gottes: der Treue Gottes.
Ich habe noch keine bessere Definition für die Treue Gottes gefunden als folgende: Wenn wir sagen, dass Gott treu ist, meinen wir, dass er jemand ist, auf den man sich absolut verlassen kann. Es bedeutet, dass er jemand ist, dem man vollkommen vertrauen kann, jemand, auf den man zählen kann, jemand, auf den man sich stützen kann, ohne jemals Zweifel zu haben, dass er uns plötzlich im Stich lassen könnte.
In der Bibel finden wir einige wunderbare Aussagen über die Treue Gottes. Sie sagt, dass die Treue Gottes bis zu den Wolken reicht (Psalm 36,6). Sie teilt uns immer und immer wieder mit, dass Gott seine Verheißungen immer hält und seine Bündnisse niemals bricht. Sie sagt uns, dass Gott ohne Ausnahme jedes einzelne Wort erfüllen wird, das jemals aus seinem Mund kam (Jesaja 55,11).
Die Bibel sagt uns auch, dass Gott seine Knechte immer treu und sicher verteidigen und befreien wird, wann immer sie durch Prüfungen, Heimsuchungen und Konflikte gehen. Sie versichert uns, dass man sich auf Gott verlassen kann. Diejenigen, die er erwählt hat, wird er bestätigen und stärken, indem er sie vor dem Bösen beschützt, bewahrt und leitet, bis seine Absichten sich in ihnen erfüllt haben.
Hören Sie, wie all das in einer großartigen Aussage zusammengefasst ist: „Gott ist treu, durch den ihr berufen worden seid in die Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn.“ Was auch immer geschehen mag, was auch immer schiefgehen mag, Paulus sagt diesen Leuten, dass sie sich einer Sache sicher sein können: Gott ist treu.
An anderer Stelle sagt er: „Er selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig und vollständig; möge euer Geist und Seele und Leib untadelig bewahrt werden bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus“ (1. Thessalonicher 5,23). Und dann achten Sie auf den folgenden Satz: „Treu ist er, der euch beruft; er wird es auch tun.“ Wenn sie ein Kind Gottes sind, ist ihr endgültiges Schicksal absolut sicher.
Es gibt noch eine andere Aussage in diesem Zusammenhang, aus der wir großen Trost schöpfen können.
Wir haben gegen Gott gesündigt, können uns selbst nicht vergeben und wissen oft nicht, was wir tun sollen. Doch wir haben eine Hoffnung. Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, sodass er uns die Sünden vergibt (1. Johannes 1,9).
Er hat versprochen, dies zu tun, und weil er sein Wort gegeben hat, wird er es auch halten. Er ist treu.
Deshalb brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Wir können uns auf die Treue Gottes verlassen und dem Teufel sagen, dass uns vergeben worden ist, dass wir unsere Sünden bekannt haben und dass uns die Vergebung durch Gottes Treue garantiert ist.
Ich möchte diesen Aspekt der Treue Gottes folgendermaßen zusammenfassen: Unser Herr wandte sich einmal an seine Jünger und sagte: „Habt Glauben an Gott!“
Der bekannte und tiefgläubige Hudson Taylor meinte jedoch, dass man diesen Vers nicht mit „Habt Glauben an Gott“ übersetzen sollte. Vielmehr sollte er lauten: „Haltet euch fest an der Treue Gottes.“ Dies wurde zum Motto seines Lebens und Wirkens.
Natürlich beinhaltet diese Aussage auch den Glauben an Gott. Doch wenn man den Vers einfach mit „Habt Glauben an Gott“ wiedergibt, liegt die Betonung auf dem Glauben des Menschen. Das trifft jedoch nicht den Kern der Aussage, erklärte Hudson Taylor. Entscheidend sei die Treue Gottes.
Wenn Sie nicht mehr glauben können, dann halten Sie sich an seiner Treue fest. Gott ist unwandelbar. „Gott ist treu, er wird sich niemals ändern“ – das ist es, was Glaube an Gott wirklich bedeutet.
Was auch immer Ihnen geschehen mag und wo immer Sie sich befinden, halten Sie sich fest an der Treue Gottes.
So haben wir uns nun, wie ich befürchte, viel zu schnell mit den Eigenschaften Gottes beschäftigt. Bevor ich dieses Thema abschließe, möchte ich noch Folgendes betonen.
Obwohl wir die Eigenschaften der Klarheit und des intellektuellen Verstehens wegen nacheinander behandeln müssen, sollten wir sehr vorsichtig sein, keine Eigenschaft isoliert in unserem Denken über Gott zu betrachten. Gott ist immer ganzheitlich zu sehen – in jeder einzelnen seiner Eigenschaften gleichzeitig.
Deshalb dürfen wir niemals eine Eigenschaft gegen eine andere ausspielen. Wir dürfen zum Beispiel die Heiligkeit Gottes und die Barmherzigkeit Gottes nicht als Gegensätze betrachten. Gott ist immer gleichzeitig heilig und barmherzig.
Ich betone dies, weil wir aufgrund unseres begrenzten Verstandes und Verstehens diese Unterscheidungen machen müssen. Doch Gott bewahre uns davor, Gott sozusagen aufzuteilen. Natürlich können wir das in Wirklichkeit nicht tun, aber wir können es fälschlicherweise in unseren Vorstellungen tun – zu unserem eigenen Verderben.
Denken Sie also immer daran, dass Gott in seiner ganzen Person zu finden ist, in jeder einzelnen Eigenschaft, und dass er alles im gleichen Augenblick ist. Seine Liebe ist eine heilige Liebe.
Was für eine Tragödie wäre es, wenn wir dies vergessen und seine Liebe gegen seine Gerechtigkeit ausspielen würden! Nein, nein: Alles in Gott liebt, alles in Gott ist gerecht und immer vollkommen rechtschaffen.
Wir müssen in unserem Denken stets die Ausgewogenheit bewahren, die sich in Gott selbst findet.
Gelesen von Glaubensgerechtigkeit. Dieses Buch sowie viele weitere Hörbücher, Andachten und Predigten gibt es auf dem Youtube-Kanal von Glaubensgerechtigkeit