Einführung in die Predigtreihe und das Thema des Gekreuzigten Jesus
Wir haben eine neue Reihe gestartet mit dem Titel „Das Einzigartige an Jesus“. Es ist schön, wenn wir uns im Neuen Testament den Jesusgruß vor Augen stellen. Man könnte natürlich einfach dem Evangelium folgen, aber das machen wir ja auch an den Sonntagen mit den entsprechenden Texten. Ich habe jedoch die Befürchtung, dass wir dabei in einen Gleichschritt geraten.
Deshalb dachte ich, es wäre gut, wenn wir im Neuen Testament nach bestimmten Themen vorgehen und jeweils eine besondere Eigenschaft von Jesus herausstellen, die uns besonders groß erscheint. Es gibt natürlich unzählig viel, was wir an Jesus bewundern können – seine Rolle als Hirte, seine Erlösung, seine Liebe. Aber wir wollen es so machen, dass wir immer nur eine Sache herausgreifen und diese an einigen Stellen vertiefen und unterstreichen. So können wir Zusammenhänge besser erkennen und vielleicht auch wahrnehmen, dass im Neuen Testament etwas ganz besonders hervorgehoben wird. Das wollen wir begreifen, verstehen und klarer sehen.
Heute habe ich etwas ausgewählt, das mich in der Stille des Urlaubs beschäftigt hat und das in den letzten Wochen stark in Fernsehen und Zeitungen diskutiert wurde: den gekreuzigten Jesus. Keine Sorge, ich möchte nicht über Gerichte und rechtliche Fragen sprechen. Es ist völlig richtig, was das Gericht gesagt hat: Der Staat darf keinen Zwang ausüben. Es ist nur so, dass manche richtige Dinge im Volk wieder schwierig werden.
Worum es hier wirklich geht, ist etwas anderes. In diesem Raum gibt es kein Kruzifix, und wir wollen auch keines. Im kirchlichen Raum ist das eine andere Sache als in der öffentlichen Schule. Niemand von uns möchte, dass in der öffentlichen Schule ein Kruzifix hängt. Bei diesem Problem sind wir uns schnell einig.
In Bayern gibt es viele Traditionen, die nicht sehr ins Herz hineinwirken. Was mich jetzt interessiert, ist, dass in der Diskussion plötzlich Menschen auftauchten, die sich gegen das Kreuz aussprachen. Manche sagten, sie seien Anthroposophen, aber die Anthroposophen selbst sagten schnell, das seien keine echten Anthroposophen, denn ein Anthroposoph würde so etwas nie sagen.
Mich hat interessiert, dass diese Leute sagten, das Kreuz bedränge sie. Ich habe ihnen dann auch gleich gesagt: Nutzt doch eine solche Situation, wenn ihr in einer gesellschaftlichen Runde seid, bei einer Party oder wo auch immer. Da kann man ganz locker über das Kreuz reden, denn mit wenigen Sätzen ist man beim Thema. Das ist schon ein Stadtgespräch.
Wir müssen eigentlich darüber sprechen: Wie empfinden Sie das Kreuz? Mein alter Rat ist: Lassen Sie zuerst die Leute reden, bevor Sie anfangen zu predigen. Hören Sie zu, was die Leute sagen. Wenn dann jemand sagt: „Das bedrängt mich eigentlich“, dann gibt es andere, die sagen: „Im Zeichen des Kreuzes ist so schrecklich viel geschehen.“ Und das stimmt ja auch.
Die judenchristliche Gemeinde von Jaffa hat uns damals gesagt, dass sie im Kirchenraum kein Kreuz aufstellen können, weil es für jeden Juden eine schreckliche Assoziation ist mit dem, was an ihnen geschehen ist. Das ist furchtbar.
Deshalb dachte ich, können wir uns heute noch einmal bewusst machen: Warum legt das Evangelium so großen Wert auf den Gekreuzigten? Was bedeutet das für uns nach dem Neuen Testament?
Ursprung und Bedeutung des Kreuzsymbols in der Urchristenheit
Deshalb zunächst einige Informationen, bevor wir uns den Bibelstellen zum Symbol des Kreuzes zuwenden.
Wir wissen nicht genau, wann das Kreuz als Symbol begonnen hat. Ich habe persönlich keinen Bezug dazu. Es ist auch fraglich, ob es sinnvoll ist, wenn unsere Bischöfe ein Kreuz als Schmuck oder Ehrenzeichen tragen. Das ist schwierig. In unserer Kirche passt das Kreuz als Zeichen, auf das sich unser Glaube ausrichtet. Darauf werden wir heute noch eingehen, denn das Kreuz ist die Mitte unseres Glaubens.
Wo das Kreuzsymbol in der Urchristenheit seinen Anfang nahm, wissen wir allerdings nicht genau. Die erste Spur findet sich in Pompeji. Bei den Ausgrabungen dort wurde ein Kreuzsymbol entdeckt. Lange Zeit stritten Forscher darüber, ob es sich dabei nur um einen Zufall handelt. Die neuesten Untersuchungen deuten jedoch darauf hin, dass es sich tatsächlich um einen Hinweis auf ein Christenhaus handelt.
Ansonsten ist das Kreuz als Symbol bis zum Jahr 312 nicht belegt. Das ist eine sehr lange Zeitspanne – 312 Jahre. So lange gibt es das Kreuzsymbol also noch nicht. Diese Zeit reicht weit zurück.
Konstantin der Große brachte das Kreuz auf die Schilde seiner Soldaten. Das war allerdings keine besonders gute Idee, wenn man bedenkt, dass es sich um Kriegswaffen handelte. Von dort stammt die Verwendung des Kreuzes als Symbol.
Auch bei den Kreuzzügen und ähnlichen Ereignissen sind die furchtbaren Erinnerungen an das Kreuz als Symbol präsent. Doch der Symbolwert selbst war für die ersten Christen gar nicht so wichtig.
Die ersten Christen nutzten ein anderes Symbol: den Fisch als Geheimzeichen. Das griechische Wort „Ichthys“ (Fisch) steht für „Jesus Christus, Gottes Sohn, Retter“. Die fünf griechischen Buchstaben sind die Anfangsbuchstaben dieser Worte. Im griechischen Alphabet geschrieben, ergeben sie das Wort „Fisch“. Dieses Symbol wurde verwendet, nicht das Kreuz.
Die zentrale Botschaft des Gekreuzigten in der Urgemeinde
Und jetzt schauen wir uns 1. Korinther 1,23 an. Wir befinden uns in der urchristlichen Gemeinde. In der Verkündigung hatte der Gekreuzigte die Mittelstellung.
Paulus fasst die gesamte Verkündigung zusammen. Stellen Sie sich Korinth vor – ich habe immer noch den Traum, mit Ihnen mal eine Griechenlandfahrt zu machen. Korinth: oben der Akrokorinth, die Burg, unten diese herrliche Stadt mit all den großartigen Bauwerken, aber auch eine liederliche Hafenstadt.
Paulus kommt in diese Stadt. Was predigt er? Predigt er über Moral, Sitte, eine Lebenswende oder Buße? Nein, er sagt: Den gekreuzigten Jesus – das ist mein Thema (1. Korinther 1,23).
Wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Hellenisten – den Menschen mit der griechischen Kultur, zu denen auch die Römer gehörten –, den hellenistisch geprägten Menschen mit ihrer Denkweise, ist das eine Torheit. Sie sagen: „Was fange ich mit dem Toten an?“
Und genau die gleichen Argumente hört man heute wieder in Diskussionen. Manche sagen, sie finden es grausam, einen Leichnam anzuschauen. Einige drücken das ästhetisch aus, ganz wie die Hellenisten damals. Andere fragen: „Was soll überhaupt ein Kreuz?“
Wir waren kürzlich im Urlaub im Allgäu und haben uns immer wieder gefreut. Dort gibt es eine Verszeile: „Möchtest du die Größe Gottes sehen, dann musst du in die Berge gehen. Möchtest du Gottes Liebe sehen, dann musst du unterm Kreuz stehen.“
Das ist wunderbar, genau darum geht es. Oft findet man solche Worte auf Bergkreuzen. Auch Erinnerungstafeln an schreckliche Unglücksfälle, bei denen Kinder vor langer Zeit tödlich verunglückt sind, sind sehr bewegend, wenn man sie sieht.
Aber es geht darum, dass der gekreuzigte Jesus der Mittelpunkt der Verkündigung des Evangeliums und der Missionspredigt ist. Es ist immer die Frage: Ist das noch die Mitte unserer Verkündigung?
Sicher ist das so, wie Paulus es dann in Athen gemacht hat: Er knüpft an die Beispiele ihrer Welt an, an das, was er beobachtet hat. Aber den Punkt, den er herausstellt, ist ganz einfach: die Mitte ist der gekreuzigte Jesus.
In Kapitel 2,2 drückt Paulus das fast noch krasser aus: „Ich hielt es für richtig, unter euch nichts anderes zu wissen als allein Jesus Christus, und zwar in der Gestalt des Gekreuzigten, den geschlagenen, geschundenen, sterbenden Leichnamen.“
Ich wollte Christus gar nie anders predigen. Das ist schon sehr hart. Ich glaube, hier liegt eine ganz große Krise unserer heutigen Zeit: Wir wollen in der Predigt vieles andere sagen und stellen nicht das eine, Christus, in die Mitte – und zwar in der Gestalt des Kreuzes.
Die Bedeutung des Kreuzestodes und seine historische Realität
Nun wenden wir uns noch dem Galaterbrief zu, damit wir erkennen, dass ich immer betone, eine Paarschriftstelle zu wählen, auf der wir unsere Lehre gründen. Galater 3,1 spricht von einer Gemeinde, die großen Wert auf das Tun legte und den Glauben praktisch verwirklichen wollte. Sie war sehr gesetzesgläubig in ihren Verordnungen.
Da sagt Paulus: „Oh, ihr unverständigen Galater, wer hat euch bezaubert, denen doch Jesus Christus vor die Augen gemalt war?“ Das bedeutet, mit allen Details. Ihr habt ihn gesehen, mit den Blutstropfen und allem. Deshalb die Frage: Was ist das Kreuz?
Wir haben immer wieder am Karfreitag während der Passionswoche darauf hingewiesen. Der Kreuzestod war eine Hinrichtungsart, die ein Jude niemals angewandt hätte, weil sie so furchtbar war. Das Schlimmste, was man einem Menschen antun kann, ist doch der Kreuzestod. Der Körper erstickt. Es kommt zu Wasserverlust, was erschütternd ist, ganz abgesehen vom Blutverlust. Die Schmerzen sind unvorstellbar, weil die Hände kaum das Gewicht halten können. Die Füße waren angenagelt.
Ich glaube, im Jahr 1961 wurde in der Nähe von Jerusalem zum ersten Mal ein gekreuzigter Mensch ausgegraben, und zwar aus der Zeit von nachweislich 0 bis 66 unserer Zeitrechnung. Diese Zeit entspricht der des Neuen Testaments. Von diesem Mann wissen wir den Namen: Johannan, Hazal und noch etwas – das kann man im Lexikon nachlesen.
Man sieht genau, dass der Nagel noch drin ist, ein langer Nagel, der im Bruckhaus Bibellexikon abgebildet ist. Er geht richtig durch die Knöchel, beide Knöchel durch. Es gab eine Zeit lang Leute, die behaupteten, es sei gar nicht so blutig gewesen und man habe die Verurteilten ersticken lassen. Das stimmt nicht. Man hat wirklich Nägel durchgetrieben.
Der Kreuzestod konnte sich oft viele Stunden hinziehen, sogar über Tag und Nacht dauern. Deshalb war es eine ganz schreckliche Sache. Man hat den ganzen Todeskampf miterlebt – in schrecklicher Atemnot. Die Sterbenden bäumten sich immer wieder auf, weil sie keine Luft mehr bekamen. Das riss an den Wunden noch mehr, da ihnen immer wieder gesagt wurde, dass mit dem Hökeron alles ganz richtig sei. Das können Sie alles nachlesen.
Im Bruckhauslexikon wird das über mehrere Seiten beschrieben. Selbst Tacitus und Cicero haben gesagt, es sei die schändlichste und schmählichste Weise, einen Menschen hinzurichten. Es gab in Israel einmal eine Kreuzigung, aber das war im Makkabäerkrieg. Sonst war es in Israel völlig undenkbar.
Dass Jesus als Jude ausgerechnet am Kreuz starb, ist im Grunde eine ganz ungewöhnliche Sache, die nur das Römerregime zuließ. Warum aber gerade diese schändlichste Weise für den Gottessohn? Warum ist das die Offenbarung der Liebe Gottes, dass sein Sohn so starb? Und warum ist es für uns wieder wichtig?
Wir haben immer wieder darüber gepredigt, aber es lohnt sich, dabei stehen zu bleiben. Es war immer gut, damit zu beginnen. Auch wenn wir später die heilende Kraft Jesu oder das Gebetsleben Jesu herausstellen – ganz praktische Dinge –, so sollten wir doch zuerst am Kreuz stehen bleiben.
Kreuzigung im jüdischen Kontext und gesellschaftliche Herausforderungen
Es gab bei den Juden nur eine Form der Bestrafung für Gotteslästerung, und diese finden wir auch in der Bibel: die Steinigung. Die Steinigung war eine Strafe bei Gotteslästerung.
Das Einzige, was mich ein wenig bewegt hat – ich habe es fast sagen wollen – ist, dass es in der heutigen Zeit interessant ist, dass sich Menschen darüber ärgern, wenn ein Kreuzesbild aufgehängt wird. Gleichzeitig hat eine politische Partei in Deutschland gefordert, dass die Strafe für Gotteslästerung aufgehoben werden soll. Freiheit für jede Form der Lästerung, aber kein Zeichen mehr der Gottesverehrung.
Das sind natürlich Zeitströmungen, die sich verstärken werden. Wir müssen wachsam sein, auch wenn wir sie nicht aufhalten können.
Im Judentum gab es für Gotteslästerung die Steinigung, und das war eine sehr ernste Sache. Wenn die Gotteslästerung besonders schlimm war, wurde der tote Körper oft an einem Pfahl aufgehängt, um Abschreckung zu bewirken. Diese Praxis wird im Neuen Testament immer wieder erwähnt. So heißt es: „Verflucht ist jedermann, der am Holz hängt“ (5. Mose 21). Diese Stelle erinnert an die Praxis, die im fünften Buch Mose beschrieben ist.
An dieser Stelle wird die Brücke geschlagen vom Kreuzigungstod Jesu. Es wird gesagt, dass dies eigentlich schon von Mose geordnet war: „Verflucht ist, wer am Holz hängt“ – am Baum oder Stamm, gemeint ist das Holz. Das ist der jüdische Hintergrund.
Dann müssen wir noch einmal betrachten, warum die ersten Christen verstanden haben, dass Jesus leiden würde. Das ist ja ganz historisch exakt im Neuen Testament festgehalten: das völlige Unverständnis für das Leiden. Bis zuletzt sagten sie: „Das widerfahre dir nur nicht!“ Als Jesus am Kreuz hing, sind sie einfach davongelaufen. Für sie war nichts anderes denkbar, als dass das die totale Katastrophe sei, die Bankrotterklärung Jesu.
Moderne Theologen wie Dorothee Sölle sagen, Jesus sei am Kreuz gescheitert. Albert Schweitzer hat seine berühmte Leben-Jesu-Forschung mit der Feststellung abgeschlossen, dass Jesus sich in die Speichen des Rates der Weltgeschichte gestemmt und darin zerfetzt habe. Man könne nur dasselbe tun, an den Ogovefluss gehen und sich verschleißen.
„Du wirst das nicht aufhalten, aber Jesus hat uns ein Beispiel gegeben: Gehe hin und tue das Gleiche.“ Jesus ist gescheitert, war im Grunde resignativ.
Es gibt erstaunlich viele Menschen, die mit Jesus nichts mehr anfangen können außer diesem Beispielcharakter. Sie sagen, ihr Leben sei nihilistisch und gehe ins Nichts aus. Diese Menschen haben nicht begriffen – auch nach der Auferstehung noch nicht –, dass das Kreuz der größte Triumph Gottes ist. Das Kreuz kam wie eine Katastrophe, doch Gott hat daraus einen Sieg gemacht.
Jesus hat seine Jünger gesandt, in die Welt hinauszugehen und sein Kreuz zu verkünden. Wo hat er das gesagt? Zum Beispiel beim Abendmahl: „Mein Blut wird vergossen zur Erlösung für viele.“ Diese Botschaft hat die Welt revolutioniert.
Wenn die Christen heute wieder zurückkehren und das tun würden, würden sie die Welt revolutionieren. Das ist die Kraft, die die Welt braucht. Wir sind wieder beim Thema: Wir haben der Welt nichts zu bieten durch politische Resolutionen, sondern durch das Kreuzpredigen, den gekreuzigten Christus.
Dieser Christus hat heute im 20. Jahrhundert genau die gleiche Kraft wie in der Urgemeinde. Es gab damals keine große Römerstadt, in der sich nicht eine Christengemeinde im Zeichen des Gekreuzigten sammelte – nicht nur im Symbol, sondern im echten Glauben: „Er ist mein Heiland.“
Jesus im kulturellen und historischen Kontext seiner Zeit
Und jetzt muss ich erklären, warum. Wir sind immer wieder darauf gestoßen, dass man das Evangelium nur richtig versteht, wenn man es in seiner Umwelt, in seiner Umgebung betrachtet.
Heute ist das Christentum überall so seicht über Europa verteilt, und dabei ist keine Glaubenskraft mehr spürbar. Man sieht nicht mehr, was eigentlich christlich ist. Das macht es auch so schwierig in der Diskussion.
In der Zeit, als Jesus wirkte, gab es nur ein großes Lebensideal: groß, mächtig, schön und reich. Na klar, was will der Mensch heute? Was will ein junger Mensch? Er möchte Ehre, Ruhm und sein Leben meistern.
Der Mensch der Antike hat das ganz offen gelebt. Wer war der Große in der Antike? Das waren die ägyptischen Pharaonen. Sie hatten es geschafft, umgeben von Luxus. Die ägyptischen Pharaonen haben immer nur noch an dem festgehalten, womit sie nicht fertig wurden – und das war der Tod.
Die größten Bauwerke in Ägypten sind die Gräber, die Pyramiden. Das ist sehr interessant. Es ist auch interessant, wenn jemand aus Ägypten zurückkommt und sagt: Ist Ihnen das mal aufgefallen? Die Pharaonen mit ihrem ganzen Glanz wurden mit dem Sterben nicht fertig. Sie haben riesige Gräber gebaut und hofften, darin irgendwie zu überleben.
Nach den Ägyptern kamen die Griechen, dann die Römer. Zur Zeit Jesu hatten wir den Augustus, den Octavian, der sich als den Göttlichen verehren ließ. Er stellte das in einer wahnsinnigen Weise dar und baute ein Friedensreich um die ganze Welt auf. Im Grunde ist er schon die Figur des Gegenchristus, der genau das Gegenteil von Jesus will.
Man muss diese Figuren gegeneinander sehen. Der Augustus mit seinem riesigen Reich spielt im Leben des Octavian eine große Rolle, ebenso wie seine Begegnung mit Kleopatra aus Ägypten. Da laufen die Linien noch einmal zusammen.
Für den ganzen antiken Menschen war das ein Traumbild: das Leben auszukosten. Im Griechentum gab es das Ideal kalos kakatos, das heißt „gut und schön“. Das war das Höchste, was man erreichen konnte.
Jesus hat genau das Gegenteil in einer extremen Weise gelebt. Er hatte keinen Platz, wo er sein Haupt hinlegen konnte. Er hatte keinen Freund, war verachtet, arm, hatte keinen Beutel und keine zwei Röcke. Trotzdem hat er die Welt überwunden.
Wenn wir das heute wieder merken, wird das Evangelium eine ganz andere Größe, als das, was wir in unserer Kultur so erleben: das ursprüngliche Evangelium, das Jesus gepredigt hat.
Wir sind immer sehr beschenkt, wenn wir erleben, dass wir heute so viele Leute finden, die auch bei euch in der Indianer-Pionier-Messe dabei sind. Da gehen Leute hinaus und leben einfach in der Spur Jesu.
Da erlebt man oft die ganze Glaubenskraft noch einmal, wenn Menschen das wagen – ohne Absicherung. Was wird aus meinen Kindern? Was, wenn sie krank werden? Sie gehen an die verlassensten Plätze der Welt.
Frau Kohler kam zurück und erzählte von unserer Almut Krückl. Sie lebt seit Monaten nur in einem Zelt in Mosambik, in einem Gebiet, wo praktisch noch nie irgendeine Kultur hinkam. Sie sagte, da gibt es wilde Tiere und alles. Und sie lebt dort als schlichtes, zartes Fraulein und wirkt und verkündigt das Evangelium.
Jesus ist nicht die Macht, nicht der Schutz, nicht das Geld, nicht die Ehre, nicht die Armeen und nicht die Waffen als Macht. Sondern genau das Gegenteil: das Vertrauen auf den lebendigen Gott.
Im Römertum gab es auch Religion, aber eine ganz andere Religion: die Religion der Selbstvergötterung des Menschen.
Wenn Sie jetzt fragen, was heute die Religion des modernen Menschen in Deutschland ist, sind wir wieder ganz nah beim Augustus – dem imperialen Menschen, der alles hat. Interessant ist, dass dieser Mensch nicht glücklich ist.
Schauen Sie sich um, alles ist so schön. Mit einem 560 Cabrio und so weiter. Ich habe auch Verständnis dafür, dass es schön sein muss, ein Auto zu fahren. Aber ist das Leben? Ist das mein Leben?
Was ist das Leben, das ich in der kurzen Spanne meines Lebens habe? Jesus hat den ganzen Entwurf auf den Kopf gestellt.
Es gab in Israel einen, der den Augustus nachgeäfft hat, und das war Herodes der Große.
Herodes der Große in all seiner Pracht – wenn wir an die Schlösser denken, an Masada, an seine Fluchtburgen auf dem Herodion. Überall sieht man die wahnsinnige Pracht des Herodes, den Ausbau des Tempels und so weiter.
Er war der Mensch, der alles konnte, der aber in solcher Furcht lebte, dass er nachts nicht schlafen konnte und immer getrieben war. Er ermordete deshalb seine Kinder eigenhändig.
Seine liebste Ehefrau, Marianne, hat er ersäuft, weil er aus der Angst gar nicht mehr herauskam – aus der Lebensangst.
Die göttliche Sendung Jesu und die verborgene Herrlichkeit im Kreuz
Und jetzt kommen wir noch einmal darauf zurück: Die Bibel sagt ja, dass es bei Jesus nicht nur so ist, dass Jesus das selbst gewählt hat, sondern dass Gott Jesus gesandt hat und Jesus das übernommen hat. Das steht im 1. Korinther 2,8, noch einmal in der großen Darstellung des gekreuzigten Jesus.
In 1. Korinther 2,8 hatten wir das vorhin schon in Vers 2 gesehen. In diesem Gekreuzigten ist ein Geheimnis verborgen, und dieses Geheimnis erkennt die Welt nicht. Selbst die Philosophen der Welt erkennen es nicht. Denn wenn sie es erkannt hätten, hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt.
In dem gekreuzigten Jesus ist die Herrlichkeit, der Lichtglanz Gottes verborgen. Die Ehre, das ist das, was Jesaja im Tempel sah, das ist das, was auf dem Hirtenfeld aufleuchtet. In dem Gekreuzigten ist die ganze Schönheit Gottes enthalten. Und diese Schönheit muss man entdecken: Seine Liebe, seine Gerechtigkeit, seine Wahrheit – all das ist im Kreuz gebündelt. Sonst hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt.
Der, der barfuß durch die Straßen Galiläas lief, war der Herr der Herrlichkeit. Unser Evangelium erzählt davon, es leuchtet kurz auf: Bei der Geburt Jesu in Bethlehem hatte er keinen Raum. Dann flieht Jesus mit seinen Eltern nach Ägypten. Als er zurückkommt, gibt es nur zwei Stellen im Leben Jesu, an denen viele Menschen in großer Zahl zu ihm drängten. Aber schon wenn sie drängten, war der Widerspruch da – so wie bei der Speisung der Fünftausend oder in Nazaret, wo sie ihn gleich den Berg hinunterstürzen wollten.
Zweimal im Leben Jesu gab es den Versuch, ihn von seinem Leidensweg abzubringen. Das eine war bei der Versuchung, da war es Satan selbst, der sagte: „Du musst nur niederfallen und mich anbeten, dann hast du die Welt, dann kannst du ein Augustusleben führen.“ Das ist ja interessant: Sie können ein Augustusleben führen, den imperialen Menschen, wenn sie niederfallen und Satan anbeten.
Und später war es Petrus, der sagte: „Herr, das widerfahre dir nur nicht, das Leiden.“ Und Jesus antwortet: „Geh weg, Satan, du meinst nicht, was göttlich ist, und was menschlich ist.“ Das ist ein falscher Weg.
Jesus hat ganz früh seinen Jüngern gesagt: Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf seinen Buckel. Hängen Sie es nicht als Schmuckstück um den Hals, sondern hängen Sie es auf den Buckel.
Das heißt: Ja, sagen wir, ich habe heute Mittag mit den Senioren eine Bibelstunde gemacht und über dieses Thema gesprochen. Sie haben alle verstanden: Gott legt uns auch die bitteren und sauren Jahre des Alters auf. Auch das gehört zum Kreuz. Aber auch die Schmach und die Feindschaft, das Unverstanden-Sein und die Missdeutungen gehören dazu.
Wir sind nicht hier, um die Welt zu erobern. Mit dem Evangelium können wir keinen strahlenden Glanz abziehen. Wir können auch nicht sagen: „Wir bauen jetzt eine Gemeinde, und Stuttgart würde toll gucken, was wir alles machen.“ Wir wären ganz schwach und armselig, so wie Jesus – nicht begriffen, nicht verstanden. Genau an der Spur Jesu stehen wir.
Wo steht das mit Petrus: „Das widerfahre dir nur nicht“? Das ist Matthäus 16,13. Es ist ja interessant, dass gleich nach dem Bekenntnis des Petrus „Du bist Christus“ Jesus sagt: „Du Satan.“
Also: Im gekreuzigten Jesus kommt die Herrlichkeit Gottes zum Vorschein, man sieht sie bloß nicht. Sie ist nicht nach den menschlichen Kategorien der Schönheit zu erkennen, gar nichts. Deshalb ist es ganz richtig, dass er verachtet wird. Hätte Paulus schon gewusst, dass sie Jesus nicht verstehen, den Gekreuzigten.
Die biblische Deutung des Kreuzes im Alten und Neuen Testament
Wie kann man das ganze Kreuzesgeschehen überhaupt verstehen? Jesus hat den Leuten immer die Schrift ausgelegt. Er nahm die Schrift, das heißt die Bibel, das Alte Testament, und sagte, sie würden es verstehen. Das Ganze steht schon im Alten Testament, an vielen Stellen, am klarsten in Jesaja 53, dem leidenden Gottesknecht.
Jetzt nehmen wir es noch einmal her, wir kennen es alle gut: Jesaja 53. Deshalb ist es so müßig, heute mit Menschen darüber zu streiten, wer Jesus ist. Ist er nur ein normaler Mensch oder was? Das ist so müßig. Man muss den Zusammenhang der Bibel sehen, dann wird es erst deutlich. Es geht nicht nur darum, dass ich an Jesus als Sohn Gottes glaube, sondern dass ich an den Sohn Gottes glaube, der in der Gestalt des schmählich zerbrochenen und zerschlagenen Leichnams am Kreuz hängt.
Wer glaubt unserer Verkündigung: „Wir sahen keine Gestalt, die uns gefallen hätte, er war der allerverachtetste und unwerteste“ – das ist der Messias. Und das Judentum stößt sich bis heute daran, dass Jesus hier in seiner Kreuzesgestalt der Messias sein soll. Die Ablehnung des Kreuzes ist nicht nur wegen der Kreuzkriege ein Symbol, sondern hier liegt der große Streitpunkt: Ist der Messias nicht der leidende Gottesknecht?
Deshalb ist es auch für uns so wichtig, dass wir den Trost des Glaubens im leidenden Gottesknecht entdecken. Jesus war es wichtig, das Leiden auf sich zu nehmen, und zwar – und das steht im Vers 5 – „Für meine Sünden“. Nirgendwo sonst kann Sünde gesühnt werden.
Ich hatte heute ein wunderbares Gespräch, ein richtig einstündiges Gespräch mit einem Zweifelnden. Er sagte: „Ich lese jeden Tag die Losung, aber wissen Sie, ich möchte doch vor Ihnen auch ehrlich sein: Alle Ihre Dogmen kann ich nicht glauben und ich kann nicht in Ihre Kirche gehen, da müsste ich das Glaubensbekenntnis mitsprechen.“ Ich habe gesagt: „Keine Sorge, wir sprechen es ganz selten, ich glaube, das nur bei Taufen und Konfirmationen.“
Dann sagte ich: „Bleiben Sie doch einfach mal da stehen und fragen sich: Wie wollen Sie mit Ihrer Schuld umgehen?“ Da hat er Recht. Er sagte: „Ich kann meine Schuld nicht selber bezahlen.“ Das ist der erste Punkt des Glaubens, wo ich einfach anerkenne, dass ich das nicht selbst schaffen kann. Und dann stellt sich die Frage: Wie macht das Gott? Wie kann die Schuld eines Lebens weggenommen werden? Kann Gott einfach sagen: Es ist nicht so schlimm, vergessen wir es?
Dann kommt Jesus, der die Sühne für unsere Schuld darbringt. Das merken wir ja immer in der Diskussion, etwa um die schrecklichen Judengeschehnisse in unserem Volk. Da sagt man: „Da kann man doch nicht einfach darüber hinweggehen.“ Wie kann man darüber hinweggehen? Da muss etwas geschehen, das das wegnimmt, das sühnt. Es gibt keine Wiedergutmachung, es kann ja nicht mehr gut gemacht werden.
Und in Jesaja spricht es von der Sühne, die den Zusammenhang durch Schuldverhaftung löst und dass Gott selber ein Opfer bringt in seinem Gottesknecht. Es bleibt ein Geheimnis unseres Glaubens. Paulus nennt es auch ein Geheimnis, aber angedeutet in diesem wunderbaren Kapitel. Wenn man es weiterliest, ist es so wunderbar, wie das auf Jesus hinweist. Er hat nicht geredet, sondern sein Leben zum Schuldopfer gegeben usw.
Jesu eigene Worte zur Erlösung durch sein Sterben
Und wo hat Jesus selbst gesagt – und das ist jetzt wichtig – wo hat Jesus selbst gesagt, dass er sein Sterben als Erlösung gibt? Denn viele sagen, das stehe doch gar nicht so geschrieben, und Jesus habe sich selbst nie so geäußert.
Doch natürlich gibt es zwei wesentliche Stellen, die man kennen muss. Eine davon muss man auswendig wissen: Markus 10, Vers 45. Dort sagt Jesus, dass sein ganzes Leben nicht darauf ausgerichtet ist, etwas für sich selbst zu wollen. Er baue kein Imperium auf, sondern er gebe sein Leben hin und verströme es als Erlösung für viele. Diese Erlösung ist der Schlüssel zum ganzen Leben Jesu. Die Jünger haben das bereits begriffen. Markus 10, Vers 45 ist klar formuliert.
Die zweite Stelle, an der es ganz klar formuliert ist, findet sich in den Worten zur Einsetzung des Abendmahls. Dort sagt Jesus: „Nehmt hin, das ist mein Leib, der für euch gebrochen wird, zur Vergebung.“ Das ist der Originalton Jesu. Daran gibt es keinen Zweifel, auch nicht für diejenigen, die die Bibel kritisch betrachten. Für die urchristliche Gemeinde war von Anfang an klar, dass sie Gemeinschaft mit dem gekreuzigten, leitenden Herrn haben.
In dieser Entfaltung Jesu sagen die Kritiker manchmal: Ich habe auch eine hohe Meinung von Jesus, aber es tut mir furchtbar leid. Doch im Herzen liegt: Jesus hat sich für mich gegeben und sein Leben für mich hingegeben. Jesus hat diesen Weg freiwillig beschritten.
Das wird dann besonders schön in den Paulusbriefen gedeutet. Am bekanntesten und schönsten ist das im Philipperbrief, Kapitel 2. Dort heißt es: „Seid so gesinnt, macht es in eurem Denken wie Jesus.“ Geht in die Kreuzesnachfolge. Geht in die Passionsgemeinschaft mit Jesus und tretet in seine Fußstapfen.
Jesus wollte nicht als großer Herr im Himmel herrschen, sondern er entäußerte sich selbst, wurde Sklave und machte sich selbst zum Diener. Er hat den Schuhabputzer gespielt für alle Menschen. Lebt das! Das ist das größte Zeugnis, das Christen geben können: Dass sie die Diener der Menschen sind, getragen von der Liebe Jesu.
Wenn andere Menschen auf Ihnen herumtrampeln, denken Sie daran: Sie geben das Zeugnis der Liebe Jesu. Das ist das machtvollste, was Sie tun können. Ich glaube, das, was wir reden, verfängt oft gar nicht mehr bei den Menschen. Unsere Predigt muss wirklich durch diese Liebe Jesu unterstrichen sein.
Eine betende Mutter, die für ihre Kinder betet, steht oft allein da, während andere über den Glauben spotten. Doch Jesus erniedrigte sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz, gehorsam dem Willen des Vaters. Darum hat Gott ihn erhöht.
Die Auferstehung und die Ehrung Jesu stehen nur auf dem Hintergrund seiner Erniedrigung auf dem Kreuzesweg.
Die Nachfolge im Kreuzesweg und die Kraft des Glaubens
Wir sind noch beim Kreuzesweg. Die Gemeinde Jesu kann nie leuchten, kann nie groß sein. Sie kann nur in den Fußstapfen Jesu wandeln. Dort hat sie die Verheißung.
Im Hebräerbrief, Kapitel 12, Vers 2, heißt es: „Lasst uns aufsehen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens.“ Jesus hätte Freude haben können, aber er hat das Kreuz erduldet. Er hat das Kreuz gehorsam auf sich genommen und die Schande gering geachtet. Deshalb ist er zur Rechten Gottes gesetzt worden.
Wie hat Jesus das überhaupt tun können? Wir wissen, dass es ihm sehr schwer wurde, so wie es uns schwer wird. Ich habe im Urlaub die Biografie von Wilhelm Hahn, dem Kultusminister, gelesen. Die Geschichte der Familie Hahn über fünf Generationen ist beeindruckend. Da ist zum Beispiel der Märtyrer Traugott Hahn, der im Baltikum gerungen hat, bis er erschossen wurde. Dann der Herero-Missionar und später Hugo Hahn, der im Kirchenkampf Bischof von Sachsen war. Wie alle gerungen haben! Das Leiden wird jedem schwer, auch wenn ich meinen Kopf für Jesus hinhalten müsste. Das ist bitter und tut heute sehr Not.
Man kann das nur im Gebet und in der Gewissheit aushalten, auch wenn Gott einem Leiden und Krankheit auferlegt. Es ist merkwürdig, dass Gott die größten Glaubenszeugnisse von kranken Menschen erhalten hat, wie zum Beispiel Ludwig Hofacker. Ich sage: Herr, ich möchte in deiner Spur bleiben – so wie Jesus, dessen Leiden zur Verherrlichung Gottes dient. Die Ehre Gottes kommt dadurch hervor. Das ist auf dem Kreuzesweg sehr wichtig.
An einer anderen Stelle, Philipper 3, Vers 18, spricht Paulus von Mitchristen und sagt: „Ich sage es unter Tränen, sie sind Feinde des Kreuzes Christi.“ Das ist ein schmerzlicher Riss, der durch die Christenheit geht. Es gibt Menschen, die Jesus dienen und ihn als Messias ehren wollen, aber das Kreuz nicht als den Höhepunkt der Offenbarung der Herrlichkeit Gottes sehen.
Das Kreuz ist die Offenbarung der Herrlichkeit Gottes, weil Gott dort meine Sünde getragen hat. Wo sonst sollte das geschehen? Dort ist mir der Zugang zum Himmel ganz klar zugesprochen. Bis zu meiner Sterbestunde ist das der Grund meines Glaubens. Ich bin um Jesu willen mit Gott versöhnt. Dort ist alles versiegelt, was im Glauben je enthalten sein kann. Natürlich auch die Auferstehung und das neue Leben, denn das Alte ist gesündigt.
In der Kraft des Kreuzes Jesu kann man auch überwinden, auch das, was an Schwerem in der Welt vorhanden ist. Wir brechen hier einfach ab. Machen Sie jetzt einfach Entdeckungen! Es gibt so viele Stellen überall. Es ist wunderbar, wie man Jesus nicht nur als den sieht, der unter die Räder kam und sich in die Speichen der Weltgeschichte hängt, sondern als den, der Versöhnung schafft in dieser Welt.
Die Einzigartigkeit des christlichen Glaubens in der Schuldfrage
Ich habe heute mit einem Herrn gesprochen, der sehr kritisch war. Es war ein tolles Gespräch. Ich sagte, dass es keine Religion auf der Welt gibt, die eine Antwort auf die Schuldfrage gibt.
Beim Hinduismus, zum Beispiel, steige ich in Benares in den Ganges und wasche mich. Im Judentum lege ich ein Opfer auf den Altar. Das ist heute kaum noch möglich, weil es in Jerusalem keine Feuerstelle mehr dafür gibt.
In all diesen Religionen hat Karl Heim wunderbar darauf hingewiesen, dass die Schuldfrage das Hauptproblem ist. Im Judentum ist es vorbereitet, angefangen bei Abraham. Wie wird die Schuldfrage gelöst? Als Abraham seinen Sohn eigentlich auf den Altar legen soll, sagt Gott ihm, er solle das nicht tun.
Es bleibt also immer klar: Wie komme ich aus dieser Schuldverhaftung heraus? Gott kann von mir alles fordern. Wenn Gott seinen Sohn auf den Altar legt, bleibt das ein Rätsel, das man mit dem Verstand nicht fassen kann. Aber man kann dankbar sein. Man kann wissen, dass man freien Zugang zu Gott hat.
Das ist das Herzstück unseres Glaubens und die größte Freude. Ich will nichts anderes mehr wissen als Jesus, den Gekreuzigten als Symbol. Das ist mir ganz egal, das ist Wurst. Aber die Sache brauchen wir: die Glaubenssache.
Diese ist in der Christenheit heute weit zurückgedrängt worden. Wir wollen vielen Menschen diese Botschaft zusagen und ihnen bekennen.
Am herrlichsten fällt ihnen dann heute erst auf, wie im Johannes-Evangelium Jesus im Sterbeaugenblick ruft: „Es ist vollbracht.“ Jetzt ist er da. Eine Sühne ist geschaffen.
