Klärung von vermeintlichen Widersprüchen in der Bibel
Es wurde noch einmal gefragt und darum gebeten, es hier erneut zu sagen, weil ich am Sonntag gesagt habe, es gebe keine Widersprüche in der Bibel. Jemand meinte, es gäbe doch Widersprüche, zum Beispiel, dass der Apostel Paulus sagt, der Glaube allein rette nicht, und der Jakobusbrief hingegen sagt, ein Glaube ohne Werke sei tot.
Das bleibt so, wie ich es am Sonntag gesagt habe. Wir müssen dabei bleiben: Gott hat uns durch das Wort den Weg zur Seligkeit gegeben. Und Gott hat uns nichts Ungewisses gegeben, sondern etwas Äußerst Gewisses, weil er uns retten will und weil er uns liebt.
Nur Schufte würden uns ein Rettungsseil zuwerfen, das im entscheidenden Moment, wenn man sich daran hängt, reißt. Gott gibt uns kein Wort, das nicht absolut verlässlich ist.
Aber unsere deutsche Sprache ist ein großes Problem. Das haben Sie vielleicht noch gar nicht bemerkt. Sprache ist ein großes Problem, denn Sprache kann immer nur ein Stück weit übertragen.
Doktor Wolf Haussmann, ein Genie im Übersetzen aus dem Englischen, hat immer gesagt: Jeder Übersetzer verrät. Er kann nie alles richtig übersetzen, es geht nicht. Er muss entweder an der Sache oder an der Sprache verraten, weil sich Sprachen nie vollständig decken.
Darf ich Ihnen ganz einfach ein Beispiel geben, damit Sie mein Problem mit der Sprache sehen? Wenn Sie einem Menschen sagen: „Du sollst nicht heiraten“, klingt das ganz anders, je nachdem, wer angesprochen wird.
Wenn das ein sechsjähriges Kind ist, klingt es ganz anders. Wenn es eine 33-jährige Witwe ist, klingt es wieder anders. Wenn es ein verheirateter Mann ist, dem gesagt wird, er soll nicht heiraten, also keinen anderen, dann klingt es schon wieder ganz anders.
Also, was meint jemand wirklich? Was wollte Paulus sagen?
Bei Paulus ging es darum, dass ich mir vor Gott meine Rechtschaffenheit nicht erkaufen kann – nicht durch gutes Verdienen, auch wenn ich noch so viel Gutes tue. Selbst wenn ich mein Leben lang im Urwald sitze und Orgel spiele wie Albert Schweitzer oder Krankenpfleger bin – ich kann mir den Himmel nicht erkaufen. Und selbst wenn ich alles tue und meinen Leib verbrennen lasse, nur Jesus kann mich durch sein Opfer aus der Schuld lösen.
Das hat Jakobus nie bestritten.
Im Jakobusbrief ging es bloß darum, dass eine verwirrte Gemeinde sagt: „Der Glaube, mir glaubt ja auch was, das sagen mir schon Herr Pfarrer, wissen Sie, mir glaubt auch was, nämlich dass ich gut bin oder so.“ Da merkt man schon: Glaube ohne Bestimmung – was glaube ich denn? Glaube ich denn an das Blut Jesu, das mich reinmacht von meinen Sünden? Das glauben sie natürlich nicht.
Da sagen sie: Der Glaubende, sagt Paulus, ein Glaube, der nicht wirklich spürbar ist, wo man ein brennendes Herz vor Liebe hat, das ist das Signal, dass er glaubt. Eine ganz große Heuchelei ist ein Betrug, das ist ganz einfach.
Ich muss im Zusammenhang lesen, wie am Sonntag auch gesagt wurde, zum Beispiel bei den Bergpredigten. Ich muss wissen, was gemeint ist, wenn dort steht: „Richtet nicht.“ Paulus sagt: „Prüft alles, das Gute behaltet“, und da heißt es: „Richtet nicht.“
Was heißt das für die Richter? Sie müssen immer den Zusammenhang sehen.
Und wenn man Bibelworte aneinanderreiht, kann das zu Missverständnissen führen. Das berühmteste Beispiel ist: Judas ging hin und erhängte sich – „gehe hin und tue desgleichen“. Oder: „Wenn dich die bösen Buben locken, so folge ihnen nicht.“ Ein solches Beispiel ist das Reich Gottes, auf das ich gelange zur Auferstehung der Toten, unter denen ich der Vornehmste bin.
Man kann alles durcheinanderbringen, alles ist dann Nonsens.
Also muss man schauen: Was ist gemeint mit einem Bibelwort? Aha, und dann wirke ich jetzt hin, und dann merke ich: Aha, ja, ist alles klar.
Die Bibel erklärt sich aus sich selbst, und man muss sich allerdings ein klein wenig damit auseinandersetzen. Aber ich helfe gerne und benutze das immer gerne. Kommen Sie ruhig auf mich zu.
Einführung in den Galaterbrief – Freiheit durch Christus
Und nun kommen wir heute Abend zu Galater 5,1-12. Wollen wir mal sehen, wie weit wir da kommen.
Den letzten Abschnitt von Hagar brauchen wir nicht mehr zu behandeln. Dort erklärt uns Paulus noch einmal, was es bedeutet, dass wir nicht Kinder der Macht sind. Ein schönes Wort ist, dass Jerusalem das Drogen ist, das ist die Freie, das ist unsere Mutter. Dieses Wort steht auch auf dem Grabstein der abessinischen Prinzessin Maria Bender auf dem Jerusalemer Friedhof. „Jerusalem das Drogen ist, das ist die Freie, das ist unsere Mutter.“ Das sieht man immer schön, wie eine Bibel, da leuchtet es irgendwo auf dem Hintergrund.
Und nun zu Galater 5,1-12:
„Zur Freiheit hat uns Christus befreit. So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen. Siehe, ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr euch beschneiden lasst, wird euch Christus nichts nützen. Ich bezeuge abermals jedem, der sich beschneiden lässt, dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist. Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, und seid aus der Gnade gefallen. Denn wir warten im Geist durch den Glauben auf die Gerechtigkeit, auf die man hoffen muss. Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.
Ihr liefet so gut; wer hat euch aufgehalten, der Wahrheit nicht zu gehorchen? Solches Überreden kommt nicht von dem, der euch berufen hat. Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig. Ich habe das Vertrauen zu euch in dem Herrn, ihr werdet nicht anders gesinnt sein. Wer euch aber irre macht, der wird sein Urteil tragen, er sei, wer er wolle.
Ich aber, liebe Brüder, wenn ich die Beschneidung noch predige, warum leide ich dann Verfolgung? Dann wäre das Ärgernis des Kreuzes aufgehoben. Sollen sie sich doch gleich verschneiden lassen, die euch aufhetzen!“
Ich glaube, dass Paulus ein sehr humorvoller Mann war. Der Vers 12 ist so ein richtiger Paulus-Satz, wo er sagt: „Dann sollen sie sich doch gleich vollends verschnippeln.“ Solche Bemerkungen findet man bei Paulus immer wieder.
Ich glaube auch, dass manches in seinem Abschnitt über das Junggesellenleben im 1. Korintherbrief, Kapitel 7, auch mit einem Schmunzeln gesagt ist. Es ist ja immer schwierig, wie man über solche Lebensfragen spricht.
Ich bin so dankbar für den Galaterbrief, weil er auch bei uns in diesen Wochen, in denen wir ihn gelesen haben, ungeheuer viel Unruhe gestiftet hat. Und ich weiß, ganz ähnlich wie am Sonntag.
Die Herausforderung der Verkündigung in der heutigen Zeit
Es kommt immer wieder die Frage auf, ob es heute nicht gut wäre, wenn man von der Kanzel aus einmal wieder ganz deutlich und hart den Leuten sagen würde, wo es langgeht. Am Sonntag lief im Fernsehen im Auslandsjournal ein Film darüber, wie die Amerikaner gerade sehr energisch vorgehen und der amerikanischen Nation sagen, was Sünde ist und was böse ist.
Ich bezweifle jedoch die Zweckmäßigkeit dieser Aktion. Ich glaube nicht, dass sie Erfolg hat, weil man damit nicht weit kommt. Die anderen werden sich nur empören und sagen: „Jetzt hört mal, jetzt regiert die Kirche schon in mein Schlafzimmer hinein. Das geht die Kirche doch gar nichts an, was ich tue.“
Auch bei jungen Menschen wird man kaum Erfolg haben, wenn man ihnen nahebringen will, dass sie heiraten sollen und es eine Gottesordnung gibt. Man redet gegen eine Wand. Ein Mensch, der Gott nicht als seinen Herrn akzeptiert, wird auch eine Gottesordnung nicht akzeptieren. Er würde sagen: „Macht mir Spaß, lass mich doch in Ruhe.“ Deshalb stellt sich immer wieder die Frage: Hat das Sinn?
Paulus argumentiert dabei aber gar nicht von der Zweckmäßigkeit her. Von der Zweckmäßigkeit könnte man noch sagen, dass es manchmal nötig ist, in einer Gemeinde klar auszusprechen, was gilt. Zum Beispiel habe ich mir überlegt, dass Sie in 24 Jahren von mir noch nie gehört haben, dass es Christenpflicht ist, den Zehnten zu geben, obwohl das eine biblische Ordnung ist. Aber ich habe immer Sorge, Ihnen ein Gesetz aufzuerlegen, wenn Sie es nicht freiwillig aus dem Glauben heraus tun.
Ich bin sogar sicher, dass ich noch nie jemanden gedrängt habe, im Chor mitzusingen, obwohl wir glücklich wären, wenn wir mehr Chorsänger hätten. Es muss von selbst kommen. Es muss irgendwo aus Freude an der Sache heraus einen Menschen bewegen, dass er sagt: „Ja, wo kann ich denn jetzt etwas tun?“
Man könnte also sagen, es wäre manchmal hilfreich, aber ich gehe jetzt nicht von der praktischen Seite aus. Paulus macht es genauso: Er redet zuerst davon, wie es geistlich ist. Und wir müssen immer wieder wissen, dass wir jetzt nur einen Teil lesen. Am nächsten Dienstag bekommen wir noch einmal das ganz herrliche Kapitel, in dem Paulus beschreibt, warum aus einem lebendigen Glauben Liebe, Geduld, Sanftmut und Keuschheit als selbstverständliche Frucht hervorgehen.
Sie müssen wissen, dass dies auch in der Geschichte der Christenheit immer wieder der Punkt war, an dem sich große Erweckungen ereignet haben. Zum Beispiel beim katholischen Priester Martin Boos. Er war ein katholischer Priester, der plötzlich erkannt hat, was Glauben ist: der Glaube an Jesus. Das ist eine solche Macht.
Boos benutzte oft das berühmte Beispiel von Hennhöfer, der sagte: „Ich muss doch nicht im Frühjahr in meinem Garten vor die Bäume treten und schreien: ‚Auf, auf, auf, jetzt müsst ihr blühen und Frucht bringen!‘“ So funktioniert das nicht. Jesus sagt ja: „Ein guter Baum bringt gute Früchte.“ Was ist ein guter Baum? Ein Mensch, der mit Jesus eng verwurzelt ist in der Liebe. Aus diesem Menschen kommt das heraus.
Kein Zwang kann das bewirken. Und das stimmt auch, wie man gerade in Zeiten sieht, in denen Jesus so im Mittelpunkt des Glaubens vieler Menschen stand. In der Erweckungsbewegung sind die größten diakonischen und missionarischen Hilfswerke entstanden, weil das von innen herauskam. Die Menschen haben alles gerne hergegeben, weil sie in der Liebe brannten und sagten: „Es ist doch toll, wenn ich etwas Sinnvolles tun kann und aus Freude daran beteiligt bin.“
Die Freiheit in Christus verstehen
Nun möchte ich anfangen mit dem Satz: Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Ein tolles Wort, ein tolles Wort: frei.
Der alte Fritz, Friedrich der Große, preußischer König – war er König? Ja, er war König – hat dieses berühmte Wort gesagt: „In meinem Staat kann jeder nach seiner Fasson selig werden.“ Dieses Wort habe ich unzählige Male in meinem Leben gehört. Bei jedem hat es sich so angehört, als ob es bedeuten würde, jeder könne nach seiner Fasson selig werden.
Da hat der alte Fritz etwas gemeint, das muss man wissen und manchmal auch erklären. Es ging darum, ob katholische Schulen eröffnet werden können. In Preußen gab es nur evangelische Schulen. Manche sagten natürlich, das wäre der Untergang Preußens. Aber der alte Fritz sah das nicht so. Er sagte, in seinem Staat gibt es Religionsfreiheit, und deshalb dürfen auch katholische Schulen existieren.
In diesem Zusammenhang sagte er: „In meinem Staat kann jeder nach seiner Fasson selig werden.“ Damit meinte er, ob jemand in eine bestimmte Schule geht oder nicht, das sei ihm egal. Er wollte nicht über das reden, was die Menschen meist missverstehen unter „selig werden“. Der alte Fritz wusste nicht wirklich, wie man in den Himmel kommt. Die meisten Leute verstehen unter „nach seiner Fasson selig werden“, in den Himmel kommen und mit Gott Frieden schließen. Das wusste der alte Fritz nicht. Er war ein Freigeist und hatte keine Ahnung davon.
Der Apostel Paulus hingegen verstand etwas davon. Er wurde vom Geist Gottes erleuchtet, arbeitete viel im Judentum und war Rabbiner. Er wusste, wie man selig wird. Und er erkannte: Man kann von sich aus nicht selig werden, niemand kann das von sich aus.
Liebe Schwestern und Brüder, das ist der erste Punkt, den man begreifen muss: Keiner kann von sich aus den Himmel erreichen. Selbst wenn jemand sein Leben lang den Menschen die Füße wäscht, kann er sich den Himmel nicht erkaufen. Denn jede noch so kleine Sünde, die er hat, seine Gottesferne, sein ungläubiges Herz, seine Zweifel, sein Hochmut und sein Neid kann er nicht selbst büßen.
Kein einziger Mensch war ohne Sünde. Deshalb musste auch Jesus kommen, als der Sohn Gottes. Ohne das Opfer Jesu am Kreuz, der für unsere Schuld bezahlt hat, gibt es keine Vergebung. Gott kann nicht einfach so die Schuld vergeben, denn die Sühne für die Tat muss geleistet und getragen werden.
Darum kann niemand selig werden ohne Jesus. Jetzt müssen wir den Satz vom alten Fritz wieder in den richtigen Zusammenhang bringen. Es lohnt sich übrigens bei allen Sätzen, sie im richtigen Zusammenhang zu sehen – nicht nur bei Bibelworten.
Ohne Jesus kann man nicht selig werden. Diesen Satz, den ich heute Abend so trocken ausspreche, würden heute vielleicht 90 Prozent der Theologen nicht mehr akzeptieren, weil sie die biblische Basis verlassen haben. Deshalb sind manche Predigten seicht. Doch das muss immer wieder verkündet werden: die biblische Botschaft, das Evangelium der Apostel, Propheten und Evangelisten.
Es gibt kein anderes Evangelium, sagt der Apostel Paulus. Man kann nur durch Jesus selig werden. Ich schätze und ehre Muslime, ich kann auch großen Respekt vor Buddhisten haben. Aber man kann nicht selig werden durch Buddhismus. Der Buddhismus kennt keinen Weg zur Seligkeit, der Hinduismus auch nicht, und was der Islam anbietet, ist ebenfalls kein Weg, den man gehen kann.
Paulus hat das Judentum durchlitten, in der Hoffnung, Gott gefällig zu werden. Doch vor Damaskus wurde ihm deutlich: Ohne Christus geht es nicht. Man kann nicht aus eigener Kraft selig werden, selbst wenn man alles tut, sich den Leib verbrennt, sich opfert oder Märtyrer wird – man kann es nicht.
Manche sagen: Es ist doch ein Unterschied, ob jemand im Gefängnis sitzt und Massenmörder ist oder ob jemand ein lieber, treuer, fürsorglicher Vater ist. Das ist ein Unterschied in der Welt. Aber keiner von beiden kann den Himmel erkaufen. Auch nicht der, der den Friedensnobelpreis bekommt. Das ist wichtig.
Es wird nicht alles nivelliert. Es gibt einen Unterschied in unserer Weltordnung, in der Moral. Aber keiner kann den Himmel bekommen.
Nun kommt es so, dass Paulus im Galaterbrief und im Römerbrief erklärt, dass man durch den Freispruch in den Himmel kommen kann – so wie der Verbrecher am Kreuz, dem Jesus sagte: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Warum? Weil Jesus es sagt und allen Schuld erlassen ist.
Es ist grandios, dass man diese Spannung aushält. Warum fällt es uns so schwer, diese eine enge Pforte zu ergreifen, die da ist? Die Apostel sagen: Die enge Pforte kann ich nur aus Gnade empfangen. Sie erinnern an die Schrift: ganz aus Gnade, nichts anderes gibt es.
Das ganze Leben wird diese Frage kommen: Bleibe ich an dieser Stelle? Ich sage noch einmal, mein ganzes Leben lang komme ich nie darüber hinaus. Selbst große Christen wie Bodelschwingh, Mutter Teresa, Billy Graham oder auch der Papst in Rom brauchen täglich die Gnade Jesu vielfach.
Kein Mensch kommt ohne tägliche Gnade aus. Es gibt immer wieder Schwärmer, die sagen, sie bräuchten sie nicht mehr. Mit denen sollte man besonders viel Mitleid haben. Jeder Mensch braucht täglich die Gnade.
Paul Deidenbek sagte eindrücklich bei der Allianz-Gebetswoche im Krankenhaus vor drei oder vier Jahren: „Es gibt keine halbe Stunde in meinem Leben, in der ich die Gnade Jesu nicht brauche. Von ihr lebe ich. O Gnade Gottes Wunderbach!“
In dem Augenblick, in dem die Gnade mir geschenkt wird, werde ich in den Stand der Kindschaft versetzt. Das haben wir schon in der Bibel gelesen. Wir müssen immer wieder darauf zurückkommen, weil wir es nie ganz begreifen können.
Da bin ich ein Kind Gottes. Wissen Sie, was das bedeutet? Da gibt es viele Kinder draußen in der Kirche, aber wenn ich meine Enkel sehe, schlägt mein Herz anders. Das sind nicht einfach Kinder, sondern ganz besondere.
So war es auch mit meinen eigenen Kindern. Gott nimmt uns als seine Kinder an. Dafür wird ein menschliches Bild benutzt: Er nimmt uns in die Kindschaft auf. Kinder, besonders Enkelkinder, dürfen oft alles machen, was sie wollen. Es ist ja schließlich unser Haus. Wenn etwas kaputtgeht, ist das nicht so schlimm. Man hat sie doch lieb – nur wegen der Liebe, weil sie dazugehören.
Jetzt müssen Sie begreifen: Gott nimmt uns nicht an, weil wir für ihn arbeiten oder Opfer bringen oder etwas für ihn schaffen. Sondern weil er uns liebt. Und er wartet auf unsere Liebe.
Das wird immer wieder im Neuen Testament betont: Das Wichtigste ist die Liebe. Wer das erfasst hat, der hat die herrliche Freiheit erlangt: Zur Freiheit! Ich bin ein Kind Gottes und darf jetzt leben.
Ich habe die Würde, den herrlichen Stand, ich bin erhöht, mein Leben ist erneuert, mein Leben hat eine Bedeutung. Und das, was Wilfried Faeser am Sonntag so toll gesagt hat, mit dem Selbstwert und allem, das bekomme ich gerade durch Jesus: dass er mich liebt.
Jetzt steht nicht mehr das Thema Sünde im Vordergrund, nicht mein Versagen, nicht meine Schwäche. Er hat mich lieb. Der Vater redet gar nicht mehr davon.
Am schönsten hat Paul Gerhardt das in seinen Liedern besungen. Deshalb bin ich ein Fan der Choräle:
„Herr, mein Hirzbrunn aller Freuden, du bist mein, ich bin dein. Niemand kann mich scheiden, ich bin dein, weil du dein Leben und dein Blut mir zu gut in den Tod gegeben. Ich bin dein, weil ich dich fasse und dich nicht aus meinem Herzen lasse. Lass mich, lass mich hingelangen, da du mich und ich dich ewig wird umfangen.“
Ich habe es jetzt ein bisschen durcheinandergebracht, es ist etwas kompliziert, aber herrliche, herrliche Liedverse.
Nichts, nichts kann mich verdammen, nichts nimmt mir meinen Mut. Auch wenn jemand kommt und sagt: Du hast alles falsch gemacht.
Wenn Menschen im Alter dem Tod in die Augen schauen und wissen, ihr Leben ist abgeschlossen, sie haben so viel Falsches gemacht, hört man manchmal von alten Menschen nach dem Gottesdienst mit Tränen sagen: Die Anfechtungen sind so groß, die Schuld meines Lebens kommt noch einmal hervor, auch aus der Kindheit und allem.
Aber nichts, nichts kann mich verdammen, nichts nimmt mir meinen Mut. Die Hölle und ihre Flammen löscht meines Heilands Blut. Und wenn der Teufel sagt: „Du kommst doch in die Hölle!“, er kann mich nicht mehr runterziehen.
Und wenn mir noch einmal alles vor Augen steht, wo ich Gott mit Füßen getreten habe, so ist das Blut Jesu stärker. Und da bin ich in den wunderbaren Stand der Freiheit versetzt worden.
Die Bedeutung der Liebe in der Beziehung zu Jesus
Ich habe gestern Abend an einer Ansprache für den Vergehungsrundfunk über Johannes 21 gearbeitet, und das Thema ist wirklich schön. Wenn man sich vorstellt: Petrus hat den Herrn Jesus verleugnet. Die Schuld war geschehen, und das war blamabel genug.
Jesus begegnet ihm am See Genezareth. Das Erste, was Jesus tut, ist, dass sie miteinander sprechen. Jesus richtet ein Frühstück her. Essen ist wichtig – man muss essen, das ist ganz entscheidend. Manche würden sagen, es sei nicht wichtig, aber für Jesus war es wichtig. Die Männer müssen essen, denn vorher kann man keine Seelsorge machen.
Jetzt denke ich darüber nach, wie ich in der Seelsorge gehandelt hätte. Ich würde Petrus wohl sagen: „Merkst du es, Bischof Lasche, und nächstes Mal keine Sprüche mehr.“ Ich hätte ihn nicht zuerst verletzt, aber man muss den Leuten nicht immer zuerst das Gesetz predigen. Ich dachte, Jesus würde richtig streng werden, ihm auf die Zehen treten und sagen: „Petrus, nächstes Mal passt du besser auf. Du bist ein Versager.“ Doch schauen Sie sich die Seelsorge Jesu an: Jesus fragt ihn nur: „Hast du mich lieb? Hast du mich lieb?“
Was ist mit der ganzen Sache? Das steht ja dahinter. Viel wichtiger als die Sünde, die passiert war, ist doch, ob die Liebesverbindung zu Jesus weiterbesteht. Viele Menschen sind immer wieder verunsichert, wenn es um Liebe geht. In unserer schmutzigen, sündigen, unreinen Zeit ist Liebe sowieso ein ganz kompliziertes Thema.
Denken Sie nur an Mutterliebe, dann wissen Sie, dass Liebe etwas ganz Herrliches ist. Mutterliebe – wie ein Kind sich am Rockschoss der Mutter festkrallt. Simon, Petrus, „Hast du mich lieb?“ Das meint doch Jesus: Dass ich mich an Jesus festhalte und sage: „Ohne dich nichts mehr.“ Dann frage ich Jesus: „Liebst du mich mehr als die anderen?“ Dann will er gar nichts mehr sagen. Er sagt: „Du weißt es doch. Ich kann nichts mehr ohne dich, ich will nichts mehr ohne dich und keine anderen Schwüre mehr, keine Bekenntnisse, keine guten Werke, keine Taten mehr.“ Obwohl diese natürlich auch dazugehören, aber die wollen wir gar nicht mehr erwähnen – bloß noch die Liebe, bloß noch die Liebe.
Jetzt kommen natürlich wieder Menschen, die mit Stirnrunzeln sagen: „Aber so billig kann man es doch nicht haben.“ Doch, doch, doch! Wenn die Liebe richtig zu Jesus gelebt wird, dann wirkt das hinaus, dann wirkt das. Das ist nämlich etwas viel Mächtigeres als alle Verordnungen und Schimpftiraden, die sagen: „Ich will doch Jesus nicht mehr betrüben.“ Kannst du jetzt noch einmal die Liebe Jesu brechen?
Wahrscheinlich ist es Petrus am schwersten gefallen, als Jesus ihn nach seiner Verleugnung ansah – durch dieses Fenster im Hohen Rat, mit diesem Blick Jesu. Das Anschauen Jesu ist das Wichtigste im Glauben. „Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht sattsehen.“ Wer auf ihn sieht, wird erquickt, und sie brauchen im Glauben gar nicht weiterzukommen.
Wir haben immer wieder auch die Geschichte von Zinzendorf: Ich glaube, wir als 17-Jährige in Düsseldorf sahen dieses Bild – der dornengekrönte Jesus, bei dem das Blut das Gesicht herunterläuft. „Das tat ich für dich.“ Das war der Motor eines jungen Menschen, der sagte: „Jetzt alles, was ich habe, nur für ihn.“ Da entbrannte seine Leidenschaft.
So ist es bei mir passiert, und das war ja bei euch. Ich hätte es auch nicht gedacht, wie ein Mädchen nur herumguckte, da war schon alles passiert – jenes Mädchen, das heute noch mit mir zusammenlebt. Da hat es mich eben ergriffen. Es ist Liebe.
Was ist das mit der Liebe? Warum ist das so? Menschliche Liebe ist so, dass ich sage: „Das ist dieser Mensch.“ Ich schätze zwar alle, aber dieser Mensch hat eine besondere Beziehung – das ist Liebe. Und bei der Jesusliebe ist es noch viel, viel größer: Ich sage, ich liebe ihn. Dann sagt Jesus: „Wer mich liebt, der wird meine Gebote halten, nur aus der Liebe.“
Man sagt: „Ich kann gar nicht mehr anders.“ Warum denn auch? Das ist die Freiheit der Kinder. Kinder muss man nicht jeden Morgen erst antreten lassen und ihnen erzählen, was ihre Familienpflichten sind. In einer harmonischen Familie geht das ganz spontan wunderbar.
Das Verständnis von Jesus ist heute schon schwierig. Viele glauben gar nicht, dass Jesus Gottes Sohn ist. Sie haben einen menschlichen Jesus, der ihr Vorbild ist, dem sie hinterher Purzelbäume machen und sagen: „Jesus war so gut, ich will wie Jesus leben.“ Das ist Wahnsinn, verrückt – wer will denn wie Jesus leben? Dummes Geschwätz, das schafft doch keiner.
Was den meisten Menschen fehlt, ist das Wissen, dass Jesus die Lebensquelle ist, das Licht, das mein Leben erneuert, das mir die Kraft gibt, das mich durchdringt, aus dem ich alles habe. Im Neuen Testament finden Sie viele Worte dazu: „In ihm ist die Quelle des Lebens“, „In deinem Licht sehen wir das Licht“ usw.
Ich darf ihn lieben, und er will mich entzünden. Manche suchen vielleicht auch, wenn sie christliche Verkündigung hören, nur ein Stück Ratschlag oder ein Stück Erbauung. Aber das Entscheidende ist, dass sich Jesus uns gibt und uns immer wieder in dieser Liebesbeziehung befestigt. Das ist das Entscheidende.
Leben in der Freiheit als Kinder Gottes
So besteht nun in der herrlichen Freiheit, dass ihr Gotteskinder seid. Wir sind jetzt Gotteskinder! Es ist nur noch nicht sichtbar, dass wir Gotteskinder sind. Nach dem Fleisch sind wir immer noch Todeskandidaten. Trotzdem sind wir es.
Es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, dass wir Jesus gleich sein werden und ihn sehen, wie er ist (1. Johannes 3,2).
Jetzt kommt das Problem, ein Tröpfchen Gift. Wenn Sie jetzt ein Glas mit herrlichstem, frisch gepresstem Traubensaft aus dem Remstal haben und nur einen Tropfen Zyankali hinein tun, ist das ein Gifttrunk. Es ist zwar noch der gleiche Traubensaft, aber das eine Tröpfchen Gift verdirbt alles.
Herr Paulus ist nun so rigoros und sagt: Wenn ihr an einer Stelle sagt… Und jetzt müssen Sie genau aufpassen: Es kommt auch auf deinen Gehorsam an. Dann werdet ihr nie selig werden. Denn dann sagt ihr gerade wieder an der Stelle: „Das treibt mich in unendliche Anfechtung, denn ich bin ja nie gehorsam.“ Und jede Schuld quält euch erneut. Wie kann ich dann wieder Heilsgewissheit bekommen, wenn es auf meine Treue, auf meinen Gehorsam ankommt?
Es kommt nicht auf mein Rennen oder Laufen an, es kommt allein auf das Erbarmen an. Paulus war es so wichtig, das so klarzumachen. Das hat er in allen seinen Briefen gesagt.
Wenn Sie das einmal begriffen haben, dass die Gnade allein ganz hundertprozentig rettet, und Sie sagen: „Ich muss doch praktisch dem Menschen ein bisschen sagen, du musst auch helfen“ – dann wollen Sie aus Angst etwas stützen, weil Sie meinen, Jesus sei zu schwach, das allein zu tun.
Das ist ja immer das Problem. Damals haben sie auf die Beschneidung gesetzt – für uns völlig rätselhaft. Was soll das? Heute gibt es andere Leute, die sagen: Blutwurst nicht essen oder kein Schweinefleisch. Sie können alles einsetzen, was in der christlichen Religion an äußeren Ordnungen gefunden wurde, wo man meinte, das hilft.
Man kann viele Regeln erfinden. Das ist sicher ganz schön von der praktischen Seite, hat der Vorsitzende gesagt. Aber alles, was ihr hier einbringt, zerstört die allein gültige Macht der Gnade. Und das ist das Tröpfchen Gift. Wenn es noch so kitzeklein ist, damit habt ihr alles zerstört, was die Gnade ist – alles, total.
Er hat gesagt: Nur die grenzenlose Freiheit, du musst nur zu Jesus kommen, und er gibt dir alles gratis. Das ist das Evangelium. Alles andere ist Zerstörung des Evangeliums.
Man sagt, es ist das Joch der Knechtschaft wieder. Da wird einem Menschen wieder gesagt: Du musst schaffen. Dann ist wieder der alte Weg da. Dann kann er wieder seine Leiter versuchen hochzuklettern – die kommt doch nie oben an.
Wenn einer sagt: „Aber ein bisschen muss man mithelfen.“ Ja, wenn es ein bisschen ist, dann musst du alles machen. Wenn es nicht die Gnade ist, dann ist es doch wieder dein Werk.
Verstehen Sie, warum das gar nicht miteinander geht?
Die Bedeutung der Beschneidung und das Gesetz im Neuen Bund
Wenn ihr euch beschneiden lasst, wird euch Christus nichts nützen (Galater 5,2-3). Wer sich beschneiden lässt, ist verpflichtet, das ganze Gesetz zu erfüllen und wieder mit dem Opferdienst zu beginnen.
Das stellt auch heute ein großes Dilemma für das jüdische Volk dar. Im Alten Bund war klar geregelt, dass Opfer notwendig sind. Doch seit zweitausend Jahren können sie keine Opfer mehr bringen. Selbst zu Pessach ist es nicht möglich, ein Lamm zu schlachten.
Das sollte eigentlich jüdische Freunde zum Nachdenken bringen: Versöhnung mit Gott ist ohne Opfer gar nicht mehr möglich, denn das Wichtigste fehlt. Diese Dramatik kann man nur aus dem biblischen Wort verstehen.
Hier bei uns findet monatlich eine Versammlung der russischen Juden statt. Die erste Versammlung war so gut besucht – etwa 120 Personen – und sie hörten stundenlang dem Zeugnis von Jesus zu. Ich freue mich darüber sehr.
Diese Menschen waren in einem Hospital untergebracht und wurden dort hinausgeworfen, weil die Leitung Todesangst hatte, was der Rabbiner dazu sagen würde, wenn dort Jesus den russischen Juden verkündet wird. Sie sind hier als Asylanten gestrandet und fühlen sich hilflos.
Ich bin dem Kirchengemeinderat sehr dankbar, dass er sofort einstimmig angeboten hat, das Haus hier zu nutzen. Waldemar Zorn von „Licht im Osten“ sorgt dafür, dass bis Anfang November wieder Treffen in russischer Sprache stattfinden. Wer teilnehmen möchte, ist herzlich willkommen. Die Teilnehmer freuen sich sehr darüber.
Es gibt eine Offenheit, weil das Judentum auf die großen Fragen keine Antworten mehr geben kann. Zum Beispiel: Wie bekomme ich Frieden mit Gott? Das ist im Judentum offen geblieben. Wir lieben unsere israelischen Freunde, aber wir müssen wissen, dass das Judentum diese Fragen nicht lösen kann.
Schon im Alten Bund, als Opfer noch möglich waren, gab es keine endgültige Antwort darauf, wie man wirklich mit Gott versöhnt wird. Alle sind schuldig geblieben – Salomo, David, Mose – und keiner hat das verheißene Land vollständig erreicht.
In Christus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist (Galater 5,6).
Der lebendige Glaube als treibende Kraft
Der Glaube macht aktiv – so habe ich das immer überschrieben. Der Glaube, der treibt, der Glaube ist tätig. Dabei meine ich nicht irgendeinen Glauben. Es kann ja auch der Glaube sein: „Ich bin der Gute, ich bin ein guter Mensch“ oder Ähnliches. Oft ist es schwierig, wenn man sagt: „Der Glaube, der Glaube, dass Jesus für mich am Kreuz von Golgatha gestorben ist und dass er in mir wohnen mag.“ Genau das ist dieser Glaube, der aktiv macht.
Ich erzähle dazu immer gern die Geschichte von John Wesley, dem Begründer der Methodistenkirche. Wesley war in seiner Studentenzeit schon ein sehr strenger Mensch. Er ordnete sein ganzes ziviles Leben minutiös, plante jede Minute im Kalender und verteilte seine Zeit genau: fünf Minuten für eine Aufgabe, dann drei Minuten zum Beten, vier Minuten zum Bibellesen – alles minutiös durchgeplant. Der Begriff „Methodisten“ stammt aus dieser Zeit, als sie Studenten waren.
Später ging Wesley in den Missionsdienst. Er hatte große Pläne, sein Leben ganz dem Herrn zu weihen. Er reiste nach Amerika, um unter den Indianern zu arbeiten. Doch die Sache entwickelte sich nicht gut. Ich habe auch sein Tagebuch gelesen, und es ist eine merkwürdig dunkle Geschichte. Er war damals noch nicht verheiratet, und es gab wohl eine Frauengeschichte. Ich glaube nicht, dass etwas Böses dahintersteckte, aber der Ruf war schlecht. Jedenfalls holte ihn die Missionsleitung nach England zurück. Für einen Missionar ist das das Schlimmste, was passieren kann: wegen eines schlechten Leumunds zurückzukehren und seinen Freunden in der Heimat erklären zu müssen, dass man gescheitert ist und niemanden zum Glauben gebracht hat.
In dieser Not besuchte Wesley verschiedene Versammlungen. Schließlich kam er in London in eine Versammlung der Herrnhuter, wo ein Deutscher namens Peter Böhler abends eine kleine Bibelstunde hielt. Diese Bibelstunde veränderte Wesley grundlegend. Obwohl Wesley viele fromme Bücher gelesen hatte, wirkte diesmal etwas anderes. Manchmal reicht der Heilige Geist durch einfache Worte.
Peter Böhler las die Vorrede von Luther zum Römerbrief vor – nicht seine eigenen Worte. Da „ging bei Wesley die Sicherung durch“. Er fragte: „Was steht denn da drin?“ Und Böhler antwortete, dass Wesley diese Vorrede noch gar nicht gelesen habe. Ich habe den Wortlaut auswendig gelernt: „Der Glaube ist ein mächtiges, tätiges, schaffendes Ding. Es ist gar nicht möglich, dass der Glaube untätig sein kann, denn ehe er anfängt, überhaupt etwas zu denken, hat er schon gehandelt. Der Glaube ist immer im Tun.“
Für Wesley, für den alles im Leben ein Krampf war – eine Leistung, ein Wille –, war das eine Offenbarung. Er war einer dieser Christen mit zusammengepresstem Mund, der dachte: „Ich muss das schaffen. Ich muss das noch halten. Als Christ muss ich auch das noch tun.“ Manche Menschen sieht man an, wie schwer es ihnen fällt, Christ zu sein. Für sie ist es eine Last. Und so war es auch bei Wesley.
Doch in dieser Nacht nahm Wesley Christus an – obwohl er schon lange Missionar war. Er nahm Christus an, der alles genug für ihn getan hatte. Er war fasziniert von dieser Freiheit, die ihm da entgegenkam. Diese Freiheit erfüllte ihn so sehr, dass sein Leben neu begann. Seine Bekehrung datiert er auf das Jahr 1738, als er schon in den Dreißigern war.
Die Geschichte geht weiter: Wesley reiste zu Zinzendorf nach Herrnhut. Dort war er empört. Zinzendorf war aus fürstlichem Geblüt und sehr spielerisch. Er berief nachts um halb zwölf einen Gottesdienst ein. Zinzendorf war ein Feind jeder Ordnung und sagte: „Wir machen es einfach so, wie es gerade kommt.“ Wesley war empört, kehrte zurück und schrieb Zinzendorf einen Brandbrief: „So geht das ja auch nicht mit der Freiheit!“
Zinzendorf reiste nach London und rang eine ganze Nacht mit Wesley um diesen jungen Freund. Sie diskutierten lange. Der letzte Satz, der zur Trennung führte, war von Zinzendorf: „Im Glauben tun wir, was wir wollen – und nichts darüber hinaus.“ Zinzendorf konnte sagen: „Meine Jesusverbindung ist so echt, so tief und so von der Schrift gegründet, dass ich wirklich sagen kann: Was mir Spaß macht, tue ich mit Jesus.“ Für ihn gab es keine Versuchung mehr, etwas ohne Jesus zu tun. Alles war für ihn mit ihm und durch ihn.
Wesley hingegen sagte: „Also so nicht.“ So trennten sich ihre Wege. Es ist gut, dass es heute zwei verschiedene Kirchen gibt: Die eine betont mehr die Ordnung, die Zinzendorfer mehr die Freiheit.
Ich persönlich habe oft die Zinzendorf-Partei ergriffen. Die Jesusnähe muss so lebendig und echt sein, dass ich nicht lange in der Bibel nachlesen muss, wie ich mich in einer Situation verhalten soll. Mein Denken, Fühlen und die Empfindung meines Herzens sollen so identisch werden mit dem Willen Jesu. Natürlich muss ich mich immer wieder vom Wort und im Brüderkreis prüfen lassen. Aber es wäre schön, wenn das ineinander übergeht. Wenn in Wort, Werk und Wesen nur noch Jesus zu lesen ist und wir wirklich sagen können: „Aus der Freude machen wir es.“
Das war von früher Jugend an mein Traum vom Christenleben: nichts aus Pflicht tun, sondern alles aus Freude. Warum halten wir die Gebote? Ich laufe doch nicht herum wie ein geprügelter Hund und denke: „Das ist schrecklich, jetzt darf ich die Ehe nicht brechen.“ Ich wäre doch der Betrogene. Oder: „Jetzt darf ich nicht lügen.“ Die meisten Menschen denken: „Jetzt müssen wir die Gebote halten, jetzt dürfen wir den ganzen Schmutz nicht durchmachen, den die Welt durchmacht.“ Aber wir sind doch die Beschenkten. Das muss aus der Freude kommen, weil ich nicht verlieren will, was Jesus mir schenkt. Ich weiß, es sind Lebensordnungen. Es gibt keine Freude außer den Lebensordnungen Jesu.
Es ist so wichtig, dass diese Jesusgemeinschaft das Innerste und Wichtigste ist, von dem alles herkommt. Wir machen das nächste Mal weiter.
Nur noch kurz zum Thema Sauerteig: Wie ich gesagt habe, ist das wie mit Gift – ein wenig Sauerteig reicht, um den ganzen Teig ein wenig aufgehen zu lassen. Wer euch an der Stelle, an der es um die Christusverbindung geht, irre macht, der wird sein Urteil tragen, egal wer er ist.
Wer Menschen an dieser Stelle von der Jesusgemeinschaft wegreißt, zerstört die Gemeinde Jesu. Die wirkliche Kraft der Gemeinde Jesu ist durch die Jahrhunderte aus dieser Mitte geflossen: aus der Jesusliebe. Dort blühte die Mission, dort war die Opferbereitschaft da, dort waren die Diakonissenhäuser voll – nicht weil man musste, sondern weil Menschen sich gewürdigt fühlten, dem Heil zu dienen und ihr Leben aus Dankbarkeit für das Geschenk Jesu hinzugeben.
Man muss immer wieder durch den Galaterbrief gehen, um mit Leidenschaft widerstehen zu können. Wenn dauernd gesagt wird: „Aber jetzt das und noch das muss man auch predigen, und das muss man auch noch sagen, und den jungen Leuten muss man auch noch das sagen“, dann sage ich: „Nein, wir wollen nur noch die Gnade predigen.“ Die Gnade allein macht es. Gar nichts anderes braucht es dazu.
Und da hilft keine noch so gute Stütze, sondern sie macht nur die Gemeinde kaputt. Das Gesetz hat noch nie geholfen – auch nicht mit all seinen Verordnungen. Ich weiß, wie viele von Ihnen aus Familien oder Gemeinschaften kommen, in denen es grässlich war. Ob es die Farbe der Kleider war, die man nicht tragen durfte, ob man am Sonntag nicht lachen durfte oder am Karfreitag kein Fleisch essen durfte, oder wo man meinte, die Heiligkeit des Gottesreiches retten zu müssen.
Das sind schöne Bräuche, aber sie können das Evangelium nicht retten. Wo ein Mensch Jesus liebt, da weiß er, was Karfreitag bedeutet. Und da weiß er, was es heißt, sein Leid zur Ehre Gottes zu bringen.
Sehen Sie, alles muss aus der Mitte heraus kommen. Aber man kann das immer nur anreißen. Wir machen dann das nächste Mal weiter, mit dem Leben im Geist, um es zu hören und zu sehen.