Wir haben das Wort
Zu dem Thema, dem Abschlussthema der Allianzgebetswoche, "Die Begegnung mit dem Wort", ist uns ein Text gegeben aus dem Kolosserbrief, dem dritten Kapitel und dort heißt es:
"Wir haben das Wort", sagt der Apostel, und damit stößt er auf Widerstand. Herr X z.B. sagt: "Schon recht, alter Mann. Früher hatten wir das auch. Früher, als es noch keine IKEA-Kultur gegeben hat. In der Ecke hing der Kruzifixus und über dem Kreuz war der röhrende Hirsch vom Silberwald aufgehängt. Um den Bauerntisch gruppierten sich die Stühle und die Eckbank. Die Oma las aus dem Christboten und der Opa dosnete im Ohrensessel.
Heute ist das ganz anders. Der Apparat mit dem Bildschirm bildet die magische Mitte. Der Familienkreis hat sich zum Halbkreis aufgelöst. "Aller Augen warten auf dich, dass du, Fernseher, ihnen Bilder gibst zur Abendzeit." Wir haben das Bild.
Und der Apostel wiederholt: "Wir haben das Wort". Und damit stößt er auf Unverständnis. Herr Y z.B. sagt: "Früher, früher hatten wir das auch, als wir noch auf die Bekanntmachungen des Ortsbüttels mit der Schelle angewiesen waren und auf die Nachrichten aus dem Dampfradio. Die großen Reden, die wirkten ja wie Straßenfänger und drängten alle Leute vor diese Volksempfänger. Aber heute stehen doch die alle im Heimatmuseum und wir haben TV und PC und Handy und digital und global. Hauptsache katastrophal, rund um die Erde. Wir sind live dabei und lassen uns keine Einzelheiten gehen. Wir haben das Bild.
Und ja, der Apostel sagt noch einmal: "Wir haben das Wort". Und noch einmal stößt er auf überlegenes Lächeln. Herr Z z.B.: "Schon recht, alter Mann. Früher als wir die Größen nur vom Hören her kannten, die Carusos und die ganz großen Sänger. Auch ein Grammophonkasten hat nur ein paar Auserlesene, nach jedem Plattenwechsel war Nadelwechsel angesagt. Aber heute haben wir die Schaubühne frei Haus. Wir haben das Pantoffelkino vor dem Sessel. Wir haben das Bild.
Aber der Apostel sagt es: "Wir haben das Wort". Er zeigt auf die Propheten. Männer wie Jesaja und Jeremia wurden gegen ihren Willen in Dienst gestellt. In Auditionen und Visionen hörten sie die Weisungen des Herrn. Wir haben das prophetische Wort. Und dann zeigt er auf die Evangelisten. Matthäus und Markus verließen alles und folgten diesem Herrn nach. In Reden wurden sie eingewiesen in die Mahnungen und Tröstungen dieses Herrn. Wir haben das evangelistische Wort. Und dann zeigt er auf die Apostel. Ein Mann wie Paulus wurde vom Pferd heruntergeholt und in stiller Stunde diktierte ihm der Geist. Wir haben das apostolische Wort, wir haben das biblische Wort, wir haben das göttliche Wort.
Vielleicht so, wie es der Meister Rembrandt am schönsten dargestellt hat. Dort sitzt der Apostel mit dem Griffel und schreibt meditierend, disponierend. Sein Verstand ist eingeschaltet, seine Gefühle fließen ein und sein Herz ist auch mit dabei. Aber an seinem Ohr hat der Meister einen Engel gemalt, der ihm die Worte ins Ohr raunt.
Wir müssen keine Angst haben, beim Bibellesen irgendwelchen Spinnern auf den Leim zu kriechen. Die Propheten sind keine Fantasten. Die Evangelisten sind keine Märchentanten und die Apostel sind keine Romanschreiber. Alle biblischen Schriftsteller, darauf können wir uns verlassen, haben das weitergegeben, was ihnen der Geist eingegeben hat. Doch: Wir haben das Wort.
Und damit sind wir im Bild. Wir sind im Wort und damit haben wir das Bild.
1. Wir haben das Wort, mit dem wir uns ein Bild machen können über Jesus, der bei uns wohnen will
Ich habe einen Freund in Stuttgart, der mir telefonierte und sagte: "Du, am Sonntag mache ich einen Ausflug auf die Alb und ich will bei dir Kaffee trinken." Keine schlechte Idee, zumal August Lämmle gesagt hat: "Es gibt in Deutschland keine schönere Heimat als die Alb". Recht hat er! Und deshalb sagte ich ihm: "Du, wenn du ein Halbpfund Hochland-Kaffee aus Stuttgart mitbringst, herzlich willkommen." Und dann kam ein Bekannter, rief mich an aus Norddeutschland, er sei auf der Durchreise in den Süden und wolle ein Nachtquartier. Keine schlechte Idee, zumal Gastfreundschaft nicht mit Euro bezahlt werden kann. Ich sagte ihm: "Du, wenn du die Isomatte mitbringst, ist der Teppichboden weicher. Herzlich willkommen." Und dann stand eine Tante vor der Tür mit vier Koffern. "Hallo, schön, dass ich da bin. Ich überwintere bei euch bis März." Freude, Freude über Freude!
Aber hier ist einer, der will keinen Kaffee, keine Bettstatt, kein Winterquartier. Der sagt, "Ich will bei euch wohnen". Die johanneische Vision soll wahr werden. "Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns." Sein Wohnsitz bei uns. Er will mit meiner Vorwahl erreichbar sein. Meine Adresse, sein Hauptwohnsitz.
Und wenn's so ist und wenn Sie ihn nicht von der Tür gewiesen haben, was ich bei Allianz-Leuten doch wohl annehme, wo haben sie ihn denn dann untergebracht? Im Dachjuche, wo es reintropft oder im Parterre, wo früher der Hund einquartiert war oder in der Rumpelkammer, wo wir am Dienstag nach dem Erscheinungsfest die Krippe wieder verstaut haben? Ein Gott in der Hinterhand oder in der Rumpelkammer ist auf jeden Fall nicht schlecht. Aber Heinrich Zille hat doch wohl recht, wenn er von Menschen sagte, dass ein Mensch mit einer Wohnung genauso erschlagen werden kann wie mit dem Beil. Wenn dem so ist, dann gilt es erst recht für diesen Menschensohn. Hier heißt es: "Er will reichlich bei uns wohnen". Das heißt "ganz", "umfassend", mittendrin will er wohnen.
Ich habe noch einen Studenten in Tübingen. Er wohnte bisher in einem Studentenwohnheim, droben hinter der Morgenstelle. Und in diesem unpersönlichen Betonsilo für Hunderte von Studenten ist er nie recht glücklich geworden. Und jetzt ist er in eine Wohngemeinschaft, in eine WG mit Studenten der Studentenmission, der SMD, eingezogen. Und jetzt erzählte er ganz begeistert: "Wir kaufen zusammen ein bei Aldi. Wir kochen zusammen, wir machen den Abwasch gemeinsam und wenn ich mit meinem Fragenpapier von der Uni nicht zu Rande komme, dann lege ich's dem Kommilitonen auf den Tisch."
Liebe Freunde, Gott will eine WG mit uns. Er will ganz nahe bei uns sein. Es muss keiner im Penthouse oder unten im Parterre mit sich alleine sein. Nein, der der gewohnt ist, droben in hohen Räumen beheimatet zu sein, will auf unseren wenigen, schäbigen Quadratmetern nun Wohnung nehmen. Und das einzige, was das hindern könnte, wäre unser Wohnungsverbot. Ein chassidisches Sprichwort sagt: "Gott wohnt dort, wo man ihn einlässt." Er will im Wohnzimmer wohnen.
Im Wohnzimmer bei uns. Dort, wo doch am Heiligen Abend, ausgerechnet am Heiligen Abend wieder die Meinungsverschiedenheiten mit dem 18-jährigen Sohn aufeinander prallten, der unbedingt seine Freundin bei uns übernachten lassen will. Er will im Arbeitszimmer bei uns wohnen, dort wo die Schere zwischen Anforderungen und abnehmender Kraft immer größer wird. Er will im Schlafzimmer bei uns wohnen, wo die Schmerzen keinen zusammenhängenden Schlaf mehr erlauben. Er will überall bei uns wohnen, bei all den Papieren, die uns so Not machen. Dieser Drohbrief und dieser Kündigungsbrief und dieser Arztbescheid, all das, was uns so aufliegt, all das will er annehmen und so machen, dass wir's dann so sagen können: *"Gott hat es alles, alles wohlbedacht und alles, alles recht gemacht in meinem Hause."
Wir haben das Wort, mit dem wir uns ein Bild machen können über Jesus, der bei uns wohnen will.
Aber auch das andere:
2. Wir haben das Wort, mit dem wir uns ins Bild setzen können, über Jesus, der mit uns reden will
Wir kennen Wohngemeinschaften, in denen das Gespräch gar kein Thema mehr ist. Drüben in der Kernerstraße besuchte ich ein älteres Ehepaar, bei denen das Gespräch erstorben ist. "Wir haben uns nichts mehr zu sagen", sagte er, und sie gab ihm recht. Stumme Ehen, leben Sie in einer?
Ich kenne eine Familie mit drei heranwachsenden Söhnen. Jeder hat sein Zimmer, jeder hat seinen Job, jeder hat sein Auto. Das einzig Verbindende ist die Kühltruhe, aus der sich alle ernähren. Stumme Familien: Kennen Sie das?
Und dann gibt es auch noch ganz andere. Es gibt z.B. stumme Verwandtschaften. Auf dem Dorf erlebe ich es, wie Familien sich auseinander dividieren und wenn sie auf der Straße sich begegnen, auf die andere Seite schauen. Stumme Verwandtschaften.
Liebe Freunde, Gottes WG ist keine stumme Gesellschaft. Wenn er bei uns wohnt, dann hat er etwas zu sagen. Wenn er bei uns lebt, dann will er den Mund aufmachen. Wenn er uns so nahe ist, dann darf er nicht mundtot gemacht werden. Wie steht es mit ihrer Zeit über der Bibel? Dort will er ja reden. Morgens der Sprung aus dem Bett und für die Zahnbürste bleibt nur ein müder Blick und der Kaffee wird im Stehen verschüttet und nur mit dem Spurt erreichen wir noch den Bus. Und abends nach dem Tagesstress hundemüde. Die 15 Minuten Stille über der Schrift schrumpft zu einem Stoßgebet zwischen Tür und Angel. Wenn Gott uns so nah ist, darf er doch nicht mundtot gemacht werden!
Wie steht es mit ihrem Gebet? Unsere Gedanken sind wie Windhunde, die in alle Richtungen auseinandergehen. Es fällt so schwer, sich auf einen Punkt zu konzentrieren. Und oft sind doch unsere Gebete wie Gespräche mit irgendwelchen Personen oder Problemen. Der Apostel bietet uns die Psalmen an. Sie könnten uns wieder helfen, das Gebet zu dem zu machen, was es sein will, nämlich ein Reden des Herzens mit Gott.
Oder darf ich Sie fragen, wie steht es mit der Zeit für den Gottesdienst? Dort will Gott auch reden. Sicher, manchmal haben Sie Zeit, aber ... Ich habe jene Frau getroffen, die zu Hause eine bettlägrige Mutter hat und eigentlich überhaupt nicht wegkann. Und die schrieb über ihren Spültisch einen Zettel und dort steht: "Hier wird dreimal am Tag Gottesdienst gefeiert." Ob sie nicht über Ihrem Arbeitsplatz, über Ihrer Werkbank einen Zettel schreiben sollten: "Hier wird Gottesdienst gefeiert."
Und wie steht es mit ihrem Loben? Der Apostel führt es extra an. Ich weiß, dass uns immer wieder viel mehr zum Heulen zumute ist als zum Loben, aber der Theologe Gerhard von Rad sagt, dass Loben und Nicht-Loben einander gegenüber steht wie Leben und Tod. Dort, wo das Wort wieder Raum gewinnt, dort geschieht das Wunder des Lobens in unserem Leben. Auch dort, wo es uns nur zum Klagen zumute ist. "Ich will den Herrn loben allezeit." In der Jugendzeit und im Alter, in der Gesundheit und in der Krankheit, am Tage und in der Nacht. "Ich will den Herrn loben allezeit. Sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein."
Und dann geschieht das, was wir bei Menschen beobachten können, die miteinander leben. Man stellt sich auf den anderen ein und gewinnt ein Stück Wesens von ihm. Z.B. in der Ehe stellt sich der eine auf den anderen ein, oder in der Schule stellt sich der Lehrer auf den Schüler ein, oder in der Praxis stellt sich der Arzt auf den Patienten ein, oder im Geschäft stellt sich der Verkäufer auf den Kunden ein.
Und in der Ehe und in der WG mit Gott stellen wir uns auf ihn ein und nehmen ein Stück seines Wesens an. Sein Reden klingt nicht mehr fremd. Sein Handeln ist nicht mehr befremdlich. Sein Dasein macht den 23. Psalm einfach wahr: "Du bist bei mir. Dein Stecken und Stab trösten mich." Trotz allem, was in meinem Hause geschieht. "Du bist da und dein Stecken tröstet mich alle Zeit."
Wir haben das Wort, mit dem wir uns ins Bild setzen können, über den Jesus, der mit uns reden will.
Aber auch dieses Dritte, nämlich ...
3. Wir haben das Wort, mit dem wir im Bilde sind über Jesus, der durch uns handeln will
Der letzte Vers warnt vor einem Missverständnis. Gottes WG ist kein Wolkenkuckucksheim. Nicht wir wohnen droben bei ihm, sondern er wohnt drunten bei uns. Und unsere Wohnungen haben keinen Lärmschutz, dass wir von dem Lärm in dieser Welt nicht mehr mitbekommen. Unsere Wohnungen haben keinen Frostschutz, damit die Kälte dieser Welt nicht in unsere Wohnungen dringt. Und unsere Wohnungen haben auch keinen Erdbebenschutz, damit wir gefeit sind vor den Beben dieser Erde, die in diesem Jahr alle auf uns zukommen werden. Nein, das alles haben Sie nicht. Er lebt mittendrin in dieser Welt, so vielleicht wie der Kämmerer vom Mohrenland, dieser Finanzminister aus Äthiopien. Als er diesem Herrn im Wort begegnet war und sich zu ihm bekehrte, dann wurde er nicht ins Schlaraffenland wegversetzt, sondern ins Mohrenland zurückversetzt.
Christsein geschieht auf dieser alten waidwunden Erde. Aber nun, so wie es der Apostel sagt, "alles, was ihr tut, das tut im Namen des Herrn". Und so habe ich mir in meiner Fantasie vorgestellt. Beim Herrn Minister hat es vielleicht so ausgesehen, wenn er morgens aufstand, dann wusste er: "Herr, nicht mein, sondern dein Wille geschehe". Und wenn um 10 Kabinettsitzung war, dann betete er: "Herr, dein Heiliger Geist, fülle uns alle". Und nachmittags, wenn die Katastrophenmeldungen aus dem großen Reich bei ihnen eintrudelten, dann wusste er: "Und ob ich schon wanderte im finster'n Tal, fürchte ich kein Unglück". Und wenn er abends seine Akten zuschlug, dann sagte er: "Herr, sei mir Sünder gnädig." Und wenn er nachts nicht schlafen konnte, dann ging es ihm noch einmal durch Kopf und Herz, nämlich "Der schläft und schlummert nicht. Der, der über mir wacht, schläft und schlummert nicht."*
Liebe Freunde, rund um die Uhr mit Gottes Wort leben, darum geht es. Tut alles in seinem Namen. Vielleicht fangen Sie gleich morgen früh an, wenn Sie ins Geschäft kommen. Sagen Sie doch: "In Jesu Namen". Und wenn Sie sie ihren PC anmachen: "In Jesu Namen". Und wenn sie in die schwierige Konferenz hineingehen: "In Jesu Namen". Und wenn sie zum Doktor müssen: "In Jesu Namen". Und wenn sie ins Krankenhaus eingeliefert werden: "In Jesu Namen". Und wenn Sie merken, es ist die letzte Wegstrecke, dann sagen Sie es doch noch einmal: "In Jesu Namen. In deine Herrlichkeit hinein!"
Ich plädiere nicht für ein Jahr der Bibel. Ich plädiere für ein Leben mit der Bibel. Alles tun in seinem Namen! Alles in seinem Namen.
Amen.