Einführung in die Zeitzeugen-Einheit
Wir beginnen nun mit der zweiten Einheit unseres Seniorentages. Diese Einheit ist etwas ganz Besonderes und sehr beliebt. Sie findet nicht nur beim Seniorentag statt, sondern manchmal auch beim Männertag. Besonders beim Seniorentag hat sie jedoch einen festen Platz. Wir nennen sie „Zeitzeugen“.
Bei den Zeitzeugen laden wir verschiedene Persönlichkeiten ein. Wir befragen sie zu ihrem Leben, ihrem Glauben, ihrer Nachfolge und ihrem Dienst. Es tut gut, einen Einblick in die unterschiedlichen Biografien zu bekommen und zu sehen, wie Jesus Christus im Leben dieser Menschen gewirkt hat.
Meistens ist es bei den Zeitzeugen so, dass man ambivalent in diese Rolle hineingeht – um es mal im Neudeutschen auszudrücken. Das Thema hat zwei Seiten. Einerseits möchte man sich nicht zu sehr in den Vordergrund stellen oder sich auf einen Sockel heben. Andererseits gehört es einfach dazu, Zeugnis zu geben von dem, was Jesus Christus im eigenen Leben getan und bewirkt hat.
Genau darum soll es an diesem Nachmittag gehen. Ich habe unserem Zeitzeugen bereits gesagt, dass er sich nicht unwohl fühlen muss. Es geht nicht darum, ihn unter Druck zu setzen. Im Gegenteil: Ich bin sehr dankbar, dass er bereit ist, hier zu sprechen.
In den letzten Jahren haben wir in diesem Raum sehr gute Erfahrungen mit der Zeitzeugenserie gemacht. Manche von Ihnen waren ja schon dabei. Da haben zum Beispiel Friedrich Hensler, Konrad Eisler, Ulrich Parzany oder Rolf Scheffbuch erzählt. Es waren viele verschiedene Personen, die hier zu Gast waren.
Heute habe ich hier Winrich Scheffbuch, und ich freue mich sehr darüber. Vielen Dank, dass du da bist. Jetzt darfst du ans Pult treten. Du bekommst ein Glas Wasser, damit du gut durchhalten kannst.
Damit haben wir die große Chance, einen besonderen Einblick zu bekommen.
Herkunft und familiärer Hintergrund
Also, Winrich, seit wie vielen Jahren bist du schon auf der La Höhe? Wann bist du gekommen? Ich war noch im alten Saal drüben. Ja, das war Luban, Doktor Luban meine ich. Dort war es sporadisch, aber es war immer so.
Zuerst kannte ich die La Höhe natürlich nicht. Und dann gibt es natürlich manche Leute, die rümpfen auch die Nase. Das ist ja bei allen christlichen Werken so. Walter Lach und Fritz Grünschweig, das waren für mich Vertrauensleute. Sie haben gesagt: Da muss man hingehen, das ist das Beste. Und das war für mich ganz entscheidend.
Als ich auf die La Höhe kam und merkte, dass es dort einen Kontakt von Winrich Schäffbuch gab, war ich unglaublich stolz. Unglaublich stolz, dass jetzt mein kleines Leben in Berührung kommt mit diesen Koryphäen des württembergischen Pietismus. Denn aus der Sicht des Nordens – ich komme ja ursprünglich aus dem Norden, aus Wuppertal – wird es immer dürftiger. In Hamburg hört der christliche Glaube ja fast komplett auf. Hier im Süden war das ganz anders: satt und Christen ohne Ende.
Dann gab es eine Riesendynastie. Das war aus unserer Sicht so ein Clan, ein unübersichtlicher Clan, der Chefbuch-Eisler-Busch-Clan. So, und jetzt fangen wir mal damit an. Versuch uns einmal, diesen Clan zu erläutern. Sag mal den meisten, ich glaube nicht, dass alle das wissen, wie das alles zusammenhängt: dieses Busch-Chefbuch-Eisler-Gedöns. Wie hängt das alles zusammen?
Mein Urgroßvater Johannes Kullen hatte eine Frau aus dem Gasthof Hermann in Münsingen. Er war Schulmeister in Hülden und hat dort Unterricht gegeben. Die Stunden wurden dann die Kullenschen Stunden genannt im Raum Urach. Sie kamen monatlich zu einer Konferenz zusammen, und das Besondere war, dass es einen Brüdertisch gab, an dem das Wort Gottes ausgelegt wurde.
Johannes Kullen hatte neun Kinder, das waren die verschiedenen Kullen. Einer war wieder Rektor, einer war Lehrer, und da war meine Großmutter Johanna, eine Tochter von Johannes Kullen. Sie hat sich in einen Verwandten verguckt. Sie waren entfernt verwandt, aber durch die vielen Todesfälle bei Geburten heiratete man ja oft wieder innerhalb der Verwandtschaft. Sie hatte einen Jungen, einen Studenten. Die beiden lernten sich kennen, sie kamen aus dem Raum Karlsruhe.
Der Stiefvater war hier in dem Erziehungsheim in Karlsruhe im Harthaus. Er hieß Wilhelm Busch, war ein junger Student. Er hatte sein Studium noch nicht abgeschlossen, verliebte sich aber in die junge 18-jährige Johanna Kullen. In der guten alten Zeit war es üblich, früh zu heiraten. Er schämte sich, weil er noch nichts hatte. Dann fuhr er nach Erlangen, machte dort einen philosophischen Doktortitel, legte sein Examen ab, fand aber keine Anstellung.
Das war der Doktor Wilhelm Busch aus Frankfurt, der dort in der Lukaskirche tätig war. Er war mein Großvater, der bereits 1921 starb. Sie hatten auch neun Kinder, von denen einige wieder gestorben sind. Diese neun Buschkinder – meine Mutter ist eines dieser neun Buschkinder. Meine Schwester stammt von Wilhelm und Johannes Busch. So geht das ganz einfach zusammen durch die vielen Kinder.
Ich habe meinen Großvater natürlich nie kennengelernt. Er starb bereits 1921 mit 51 Jahren nach einer Evangelisation in Metzingen, die er nicht abbrechen wollte. Meine Mutter stammt aus diesem Haus. So ist die Verwandtschaft Eisler auch da, aber sie sind nicht alle gleichgesinnt in unserer Verwandtschaft.
Also, das ist wie in jeder Verwandtschaft: Es gibt auch hier verschiedene Geistesströmungen, die von der offenen Kirche bis zur lebendigen Gemeinde reichen. So, jetzt wissen wir doch schon mal ein bisschen Bescheid. Das heißt, wir sind da in einem ganz dichten Feld, insbesondere des württembergischen Pietismus, der über Jahrhunderte ganz entscheidend geprägt hat.
Und jetzt ist man da ja – da kann man ja erst mal gar nichts dafür. In der Folge ist man ja erst mal drin.
Persönlicher Glaube und Lebensweg
Ist ja immer die spannende Frage: Geht dieser Geist auch in die nächste Generation über?
Da ist natürlich jetzt meine nächste Frage an dich, oder besser gesagt mein Interesse: Lass uns doch mal ein bisschen mit hineinnehmen in deine Familie, dein Elternhaus und deinen Weg zu Jesus und zum persönlichen Glauben.
Also, ich bin meinen Eltern dankbar, dass ich überhaupt geboren wurde, denn ich bin das fünfte Kind. Das ist in unserer heutigen Zeit nicht mehr selbstverständlich, dass Familien so viele Kinder haben. Meine Frau ist auch das fünfte Kind. Im Alter denke ich oft darüber nach, das war eine große Liebe von den Eltern. Sogar eine Schwester kam dann noch nach.
Ich bin geboren im Jahr 1938, und es war gerade das Jahr, als mein Vater strafversetzt wurde. Er konnte kein Beamter mehr werden als Lehrer. Das Kultusministerium sagte, wir können nicht mehr die Hand über sie halten. Und nie hat man über Geld gesprochen. Das Gehalt war auf die Hälfte gekürzt, und wir waren ein kinderreiches Haus. Wir wohnten in einer Hausmeisterwohnung, das war ein Provisorium, eigentlich war es gar nicht zum Wohnen gedacht.
Materielle Dinge waren nie wichtig. Vorspiel zu deinem Abendgottesdienstmorgen für das Glück: Wir hatten ein ganz herrliches, glückliches Elternhaus. Mit all dem, was dazugehörte, mit der Gestapo und den Nöten, als die Onkel verhaftet wurden in Stuttgart im Hotel Silber usw. Ich habe das dann erst richtig mitbekommen, was mich sehr geprägt hat.
Der Bombenkrieg in Stuttgart – da war der Luftschutzwart, den habe ich bewundert. Er hatte so eine breite Kuppel gehabt. Wenn er durch den Schulhof ging, in diesem großen Schulkomplex in der Rotenbühlstraße, der Rotenbühl-Schule im Stuttgarter Westen beim Feuersee, und wenn dann Luftangriff war, wenn man dann hinuntergerannt ist, war er da. Und dann lag der Luftschutzwart da, als die Bomben fielen. Schließlich war alles aus. Wir sind getroffen worden. Die Bomben hatten bei uns nicht eingeschlagen, aber ihm sind die Nerven durchgegangen. Das vergesse ich nie.
Wie die Mutter mit uns Kindern, die kleinste Schwester war im Kinderwagen, zwei, was war die, zwei, drei Monate alt damals, hat sie schon erstickt in dem Staub. Sie hat mit uns ein dreihundert Verse langes süßes Psalm gebetet, und das vergisst man nie. Das Größte, was es ist in allen Schrecken dieser Welt, ist geborgen zu sein.
Wir haben immer morgens Hausandacht gefeiert. Ausschlafen gab es nicht, aber wir haben die Lieder geliebt, die herrlichen Lieder, den Tag anzuwachen mit dem Wort Gottes und mit dem Gebet. Wir sind evakuiert worden, und da kommt die zweite Gestalt, die uns gebracht hat: diese Großmutter Busch, die über dreißig Jahre Witwe war, mit dieser Liebe.
Wissen Sie, meine Frau hat nie eine Oma erlebt. Das ist ein Verlust, wenn man das weiß, wie eine Oma ist. Sie hat uns alles erlaubt. Sie hat immer gesagt: Ihr dürft bloß nie in Sünde und Schande fallen. Wir wussten nicht, was das ist, aber wir ahnten, dass es etwas ganz Furchtbares gibt. Und das war für uns, für das ganze Leben, eine ganz große Furchtbarkeit.
Nie geschimpft, wenn etwas kaputtging oder so. Wir haben dort gewütet. Sie hat ja 43 Enkel gehabt in der großen Enkelschaar. Sie wohnte in einem kleinen Häuschen dort oben in Hülben als Witwe mit einer ganzen kleinen Minirente, weil der Mann schon früh starb. Aber es war die herrlichste Jugend.
Und wir haben Jesus lieben gelernt in dieser Jugend, und ich möchte auch denen danken. Ich denke immer an einen Schreinermeister, der uns Kinderkirche gehalten hat, wie er uns die Jesusgeschichten erzählt hat. Schon aus der Lämmergruppe, bevor man in die Schule ging. Ich vergesse nie eine sehr körperbehinderte Frau, die uns vom guten Hirten erzählt hat.
Und Sie ahnen nicht, was man ins Leben junger Leute hineinlegt, der Kinder. Das ist so wichtig, dass sie das tun und nichts versäumen, ob sie Paten, Tante oder Onkel sind oder wo sie Verantwortung haben.
Und jetzt glaubt dieser junge Kerl und Teenager an Jesus. Irgendwann muss er mal eine Ausbildung machen, muss er Richtung Beruf denken, muss er fragen: Wie geht das Ganze weiter? Wie kommt man dann dazu, da den Weg zu finden, der für einen dran ist?
Wir waren natürlich auch rebellisch, das ist ganz klar, das müssen junge Leute in der Entwicklung. Aber ganz entscheidend wichtig war mir, dass mich mein Patenonkel Wilhelm Busch mitgenommen hat. Er hatte Leiterfreizeiten, wo seine Leiter aus dem Jugendhaus in Essen zur Evangelisation unterwegs waren, und diese Freizeiten wurden für mich ganz ungemein eindrücklich.
Und dort habe ich dann auch eine Entscheidung gefällt, obwohl das Fixieren auf die Entscheidung vielleicht immer wieder schwierig ist. Es ist ja ein langer Weg, den der Herr mit einem geht, aber man sagt: Jesus, ich will dir dienen.
Es war mir auch etwas seit dem fünfzehnten Lebensjahr immer wichtig: Ich möchte in die Mission gehen. Ich habe mit Leidenschaft diese Missionserzählungen gelesen, und dann war es klar, da muss man in das Studium gehen, in das Studium der Theologie.
Was mich auch heute im Alter oft quält, sind die Sünden der Jugend. Was hat man über andere Mitschüler oft gelästert, geredet, verhöhnt, gespottet. Das ist eine ganz besondere Not im Alter. Legen Sie diese Dinge bitte ab!
In der Vergebung Jesu ist es gut, wenn uns die Sünden der Jugend anklagen, dass wir sagen: Das war ja nicht so eine sonnige und reine Kinderzeit, sondern etwas auch im Leben, wo einem viel im Alter wieder bewusst wird, was man auch seinen Eltern angetan hat, die dann schon lange tot sind, was man nicht mehr in Ordnung bringen kann.
Aber das Studium war etwas. Ich weiß, ich bin gestartet in Bethel. Ich wollte dort studieren und habe die ganze Macht der bibelkritischen Theologie erlebt. Das war ganz furchtbar, wie der Kampf dort getobt hat, mit einer Verhöhnung der Leute, die in der SMD waren. Und ich bin voll reingefallen, weil jeder Mensch verführbar ist mit der Vernunft und glaubt, dass er mehr weiß, als Gottes Wort ihm sagt. Gar kein Mensch ist dagegen immun.
Und wie ich dann nach dem ersten Semester heimkam, war ich froh, dass mein Bruder Röfke gesagt hat: Jetzt liest du mal das Buch und guck mal, da gibt es auch noch andere Ansichten. Und ich bin dankbar auch für die Beter.
Nachträglich ist es mir unglaublich, dass man aus dieser großen Not der Verstandeszweifel herauskommen konnte, denn über den Verstand kann man nicht zum Glauben kommen. Glauben ist ein Vertrauensverhältnis der Liebe Jesu, das aus der Erkenntnis der eigenen Sünde kommt.
Und das ist das Wunderbare, dass ich immer Menschen begegnet bin, die von ihrem Glauben nie erzählt haben, als ob sie einen großen Glauben hätten, sondern die immer bloß gesagt haben: Es ist jeder Tag ein Wunder, dass Jesus mich noch trägt, dass sein Erbarmen noch nicht aufgehört hat.
Das war für die frühen Jugendtage für mich das ganz Entscheidende: das Erbarmen von Jesus, seine Gnade hält dich. Auf dich ist kein Verlass auch. Das hat Norbert Rose heute so wunderbar am Anfang gesagt.
Und das Eis, wenn wir auf uns selber bauen, wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten. Das war so schön, danke.
Theologisches Studium und erste Berufserfahrungen
Studium, Bethel – wie ging es denn weiter? Du warst doch nicht nur in Bethel?
Ich war dann auch an anderen Orten, unter anderem in Heidelberg und später in Tübingen. Dort haben wir uns einmal ganz begeistert mit Wilhelm Busch beschäftigt, der bereits den Kampf gegen den Einfluss der liberalen Theologie geführt hatte. Er meinte, das sei ganz interessant. Der Professor Käsemann lasse doch erkennen, dass es da vielleicht ein bisschen anders sei.
Wilhelm Busch schrieb daraufhin eine kurze Postkarte zurück: „Wie wunderbar, dass ihr mit der Wahrheit Akrobatik spielen könnt. Ich danke ihm für diese Klarheit.“ Die Wahrheit ist etwas, das man erkennen muss.
Ich bin dankbar, dass ich früh ins eigene Bibellesen hineingeführt wurde. Das ist immer das Einzige, was uns in Zeiten der Anfechtung durchhalten lässt: der eigene Gebetsstil und das Hören auf die Worte des guten Hirten.
Der Weg in die Mission und Gemeindedienst
Und die Mission? Nun war der Mann also mit dem Studium fertig, aber offensichtlich ging es nicht sofort in die Mission. Ist das etwa untergegangen?
Gleich nach der mündlichen Prüfung fand in der Basler Mission in Basel eine einwöchige Einführungsfreizeit für Missionskandidaten statt. Ich bin dorthin gefahren. Dort wurden uns nur Referate über moderne, kritische Theologie präsentiert. Einige Teilnehmer, die mitgefahren waren, freuten sich darauf, Basel zu genießen, hatten aber kein wirkliches Interesse an der Mission. Doch plötzlich äußerten sie sich ganz erregt. Ein Ebelingsschüler sagte: "Mit dieser Theologie kann man doch keine Mission machen, wir suchen doch selbst."
Es war ein interessanter Mann dabei, der am Mont Blanc abgestürzt und in eine Lawine geraten war. Er sagte immer, das sei sein Stutternheim gewesen, wie Martin Luther, aber er hatte nie eine Gewissheit des Glaubens gefunden.
Dann teilten die Verantwortlichen der Basler Mission mit, dass sie keine Missionare mehr aussenden würden. Wenn man Interesse hätte, suchten sie noch einen Akademieleiter für Kamerun. Doch das interessierte mich nicht. Ich wollte das Wort Gottes verkünden. Das war die Tragik, als ich nach Hause kam.
Mein Bruder Rolf sagte: "Komm, jetzt sei doch ein Missionar in Deutschland." Aber in meinem Kopf war es anders. Ich dachte, es sei so wichtig, dass das Evangelium von Jesus in der Welt verbreitet wird, auch durch die Jugendarbeit in Stuttgart.
Wir machten viele Hausbesuche. Dort gab es auch einen Bibelkreis. Die Jugendarbeit war zu einem großen Teil schon sehr liberal und freizügig. Doch bei den Hausbesuchen merkte ich, wie leer das Leben junger Leute war. Es war so wichtig, die Jesusbotschaft in die Häuser zu tragen. Darum war mir das dann wichtig.
Ein wenig widerwillig trat ich den Vikarsdienst an. Dabei lernte ich eine Frau kennen. Mein Bruder sagte: "Komm doch mal nach Ulm, da gibt es schöne Mädchen." Ich antwortete: "Das weiß ich." Aber ich hatte dort schon einmal ein Mädchen gesehen. Wir hatten einen Jugendchor, in dem mein Bruder mitarbeitete, und da fiel mir ein Mädchen auf.
Später fand ich heraus, wo sie herkam und wie sie war, aber wir konnten nie miteinander sprechen. Mein Bruder Rolf ermöglichte eine Begegnung. Das war dringend, denn sie war natürlich noch nicht volljährig. Wenige Monate später wollte sie als Diakonisse ins Diakonische Mutterhaus in Stuttgart eintreten.
Bei mir war sehr schnell klar: "Die oder keine." Sie ist es. Das ist wunderbar. Kurt Heimbuch hat immer gesagt: "Das Beste an dem Mann ist seine Frau." Und das stimmt.
Soll ich sie jetzt kurz interviewen? Wir freuen uns ganz besonders, dass du da bist. Einen Applaus für Bernhard Schäffli!
Herrlich ist, dass sie sich unter die Berufung gestellt hat. Es gestaltete sich jedoch sehr schwierig, eine Stelle zu finden. Ich habe mich dreizehnmal um Pfarrstellen beworben und wurde überall abgelehnt. Ich war der jüngste Bewerber, und dann sagte man, man müsse noch ein bisschen aufpassen. Der Vater meiner Frau war Landesbischof, und man meinte, es würde zusammengespielt. So sind wir schließlich in den Schwarzwald gekommen.
Dienst im Schwarzwald und erste Herausforderungen
Und dann? Schwarzwald? Eine Flüchtlingsgemeinde. Ich war der erste Pfarrer dort. Vor mir war ein Pfarrverweser da, und es gab große Streitigkeiten in der Gemeinde. Es war nicht ganz leicht, ich hatte Sorge. Doch wir haben erlebt, wie Jesus treu ist.
Es waren lauter Heimatvertriebene, und ich sagte, wir fangen mit einer Bibelstunde an. Das war zunächst sehr kümmerlich. Wir hatten auch kein Klavier. Schließlich kauften wir uns ein Klavier für ein paar hundert Mark. Es war ein ganz altes, schwarzes Kraus, das aussah wie ein Sarg. Aber wir wollten die alten herrlichen Lieder finden. Darum liebe ich bis heute die Reichslieder, die Erweckungslieder, weil ich sie auf den Freizeiten mit Wilhelm Busch kennengelernt habe.
Der Text führt die meisten Menschen zum Glauben, wenn man Lieder singt, in denen wirklich von dem Heil gesprochen wird.
Zuvor muss ich noch erzählen, wie ich Vikar wurde. Ich hatte mir natürlich geschworen, nie mit dem Wort Gottes zu kommen. Ich wollte nicht so fromm auftreten. Junge Leute denken das immer, wenn ich komme – ich mache das ja so charmant.
Ich kam dann als Vikar nach Tuttlingen, bevor ich das Pfarramt in Schramberg-Sulgen übernahm. Ich hatte nicht viel zu tun und litt sehr darunter. Ich fragte den Dekan, ob ich nicht Hausbesuche machen könne. Er sagte, das sähe blöd aus, denn sie machten keine Hausbesuche. Und wenn der Vikar Hausbesuche macht, sieht das schlecht aus in der Gemeinde. Aber ich könne doch im Krankenhaus Besuche machen.
Im Krankenhaus kam ich auf eine Station, wo damals Liebenzeller Schwestern arbeiteten. Sie sagten, dort liegt Ernst Haller aus Thalheim bei Tuttlingen, 18 Jahre alt, und er liegt im Sterben. Was hatte er gemacht? Er hatte Streit mit seinem Vater, war mit dem Moped losgerast. Früher gab es auf den Straßen noch die viereckigen Granitsteine, die mit Nieren. Er hatte sich beide Nieren abgeklemmt – man konnte nichts mehr machen.
Als junger Mann, so wie man sich das als Theologe vorstellt, dachte ich, am Krankenbett müsse man offen reden. Ich kam rein, und er fragte: „Muss ich sterben?“ Ich sagte: „Ja, wahrscheinlich.“ Dann merkte ich, was ich gesagt hatte. Da lag ein junger Mann mit 41 Grad Fieber, mit lauter Schläuchen im Mund. Was sollte ich sagen? Ich dachte nur noch: Was würde meine Mutter jetzt sagen? Und da oben wanderte ich schon durch das finstere Tal, fürchtlich ein Unglück.
Dann bin ich davon. Ich dachte, ich tauche ab, ich kann bloß Bibelworte wiederholen. Ich dachte, die Krankenhausleute sagen, der darf nicht mehr kommen, der kann sich ja gar nicht einfühlen. Die Situation war am späten Nachmittag noch einmal da, ich war völlig wie vor den Kopf gestoßen.
Da sagte die Schwester: „Gut, dass Sie noch mal gekommen sind, kein Vorwurf.“ Und Ernst sagte: „Und was ist dann, wenn ich sterbe?“ Ich antwortete: „Dann wartet Jesus auf dich.“
Die Liebenzeller Schwestern erzählten später, dass er in der Nacht vor seinem Sterben die Lieder für seine Beerdigung ausgesucht hatte. Mit achtzehn Jahren sollte ich meinem Gott nicht singen unser Lied heute Morgen und „Jesus Christus herrscht als König“.
Das war für mein ganzes Leben wichtig: Du kannst gar nichts. Aber das Wort Gottes ist ein mächtiges Wort, und ich kann bloß das Wort Gottes bringen. Nie vergesse ich, dass ich nur das Wort Gottes bringen kann, denn das Wort Gottes ist das Einzige, was trägt und hilft.
Herausforderungen im Pfarrdienst und Gemeindeentwicklung
Diese Aufgaben in der Pfarrei sind unglaublich vielfältig. Ihr seid ein klassisches Pfarrerehepaar, das innerhalb der Württembergischen Landeskirche über Jahrzehnte unterwegs war.
Machen wir es ganz einfach: Was ist dir leicht gefallen? Wo hat dein Herz geschlagen? Und was war schwer, schwierig oder quälend? Es ist immer so, wie es für Sie als Gemeindeglieder ist: Man ist immer ein Einzelner mit seiner Jesusliebe. Und das ist in den Gemeinden oft schwer.
Ich war sehr dankbar, dass der Kirchgemeinderat einstimmig war. Mit den Kollegen war es oft schwierig, und auch mit den Vorgesetzten gab es häufig Probleme. Es hat ein harter Wind geblasen.
Danach war ich Bezirksjugendpfarrer. Im Schwarzwälder Boden erschien ein großer Bericht über die Jugendarbeit in Oberndorf am Neckar. Darin stand, man könne heute nicht mehr mit der Bibel unter jungen Leuten kommen.
Es war gerade Abend, als wir in Rödenberg zur Bezirksbibelstunde zusammenkamen. 80 junge Leute waren da. Wir sammelten sie aus den verschiedenen Orten und verfassten eine Resolution. Darin stand: Wer heute in der Jugendarbeit nicht mit der Bibel kommt, macht die jungen Leute offen für die Verführungen der Ideologien von links und rechts. Nur mit der Bibel, mit der biblischen Nüchternheit, kann man dem entgegenwirken.
Diese Rödenberger Entschließung wurde im gesamten evangelischen Raum in Deutschland nachgedruckt.
Für mich hatte das Folgen: Der Prälat warf mir diese Resolution vor, als es um eine Berufung ging. Er meinte, ich sei ungeeignet, weil wir Unfrieden gestiftet hätten.
Wir haben aber keinen Unfrieden gestiftet, sondern auf einen Angriff in der Zeitung geantwortet. Die Jugendlichen des Bezirks und Dekanats Oberndorf gehörten zu meinem Bereich als Bezirksjugendpfarrer.
Wir wussten um diese Sache. Das müssen Sie einfach wissen: Stehen Sie fest, weil der Herr treu ist. Lassen Sie nie etwas dazwischenkommen. Wenn man unsere Ehre in den Dreck tritt, macht das nichts aus. Aber wenn Sie die Ehre unseres Herrn Jesus in den Dreck treten, als ob er ein Hochstapler und Lügner wäre, dann wollen wir aufstehen und in aller Klarheit sagen: Nein! Die Bibel ist das Einzige, was uns Menschen hilft, zum Leben und zum Sterben.
Man erkennt jetzt schon, Sie merken es ja auch, so kennen Sie ihn: Es gehört ein bisschen auch zu deiner Biografie, das Gesicht in den Wind zu halten.
Das galt nicht nur im Bereich der Gemeinde, sondern auch in der Landeskirche. In dieser Ära gab es manches, bei dem man das Gesicht in den Wind halten musste.
Engagement in der Kirche und geistliche Bewegungen
Dann kamen die berühmten 68er mit all dem, was dazugehörte. Innerhalb Württembergs gab es insbesondere auch eine starke innerkirchlich-pietistische Kraft, die sagte: Wir müssen Profil zeigen. Ich denke dabei an euer Engagement bei den Gemeindetagen „Unterm Wort“. Das war genau in dieser Zeit, als alles zusammenfiel.
1964 haben wir geheiratet und das erste Pfarramt bezogen. 1968 waren die großen studentischen Auseinandersetzungen, die auch zu heftigen Angriffen in allen Zeitungen des Landes gegen die Pietisten führten. Die Pietisten galten als die allerschlimmsten. Damals ging es auch um den Rücktritt des Synodalpräsidenten.
In dieser schwierigen Lage haben wir Leute eingeladen, damals nach Rottweil, um Beziehungen zu knüpfen. Die Botschaft war: Wir müssen jetzt einfach aufstehen und uns sammeln, denn das Wort Gottes ist wichtig. Es war erstaunlich, wie viel Zulauf wir hatten.
Ich habe dann früh den Weg zu den Hofacker-Konferenzen gefunden, die damals stattfanden. Diese Konferenzen waren interessant, denn sie suchten keine Themen nach der Mode der Zeit. Zu jener Zeit war in den ökumenischen Kirchen die Theologie der Revolution und Weltveränderung überall präsent. Die Hofacker-Konferenzen hingegen beschäftigten sich mit der Versöhnung mit Gott.
Im Jahr 1971, als ich bereits in diesen Kreis berufen wurde, waren meist ältere Herren dabei. Wir hatten die erste Konferenz auf dem Killesberg. Dort sprach Klaus Vollmer über das Thema des gesamten Tages: „Bedroht von Gotteszorn“. Vollmer sagte, nicht die Umweltkatastrophe, nicht die Weltvergiftung und nicht die Kriege gefährden die Welt, sondern dass wir unter dem Zorn Gottes stehen. Er bezog sich auf den Römerbrief und erklärte, dass wir von Gott abgekommen seien.
Die Hallen auf dem Killesberg konnten die Menschen kaum fassen. Wir dachten immer, die Leute wollten von uns Themen hören, die in jeder Zeitung verhandelt werden. Doch sie wollten das heißeste Thema: Wie bekomme ich Frieden mit Gott?
Es war schön, dass wir dort mithelfen durften. Früh nach dem Vorbild der großen Lausanner Konferenz, die Billy Graham in Lausanne gehalten hatte, sagten wir: Wir müssen eine große Kundgebung machen, zu der alle Gläubigen kommen können. Diese fand 1975 im Neckarstadion statt und war ganz wunderbar.
Bischof Festo Civencere von der Erwägungsbewegung war dabei. Plötzlich erlebten wir, dass Jesuszeugen überall in der Welt vorhanden sind. Festo Civencere prägte ein wunderbares Bild, was Glauben bedeutet: Meine schwache, zitternde Hand ruht in der starken Hand von Jesus. Darum bin ich sicher und gewiss, weil er mich hält.
Das war für uns sehr ergreifend, dieses Erlebnis in der großen Gemeinschaft mit den Chören im Neckarstadion zu haben. Es war ein besonderes Erlebnis, obwohl es natürlich ein eher kümmerlicher Verein mit wenig Geld war. Doch Gott segnete es und schenkte das Gelingen.
Es folgte eine ganze Serie von Gemeindetagen und Regionaltreffen im großen Bereich. Lassen wir ein wenig davon spüren: Es gab einen geistlichen Akzent. Welche Wirkung hatte dieser geistliche Akzent? Kann man das irgendwo festmachen?
Eine große Hilfe waren für uns die Lieder, zum Beispiel „Jesu Name nie verklinget“. Das Liederbuch habt ihr vielleicht nie gekannt, es wurde nie besprochen. Wir fanden es auf einer Freizeit. Ganz schwierig war es auf einer Jugendfreizeit auf der Insel Pellworm, wo die Liederbücher lagen. Die jungen Leute begannen plötzlich zu singen, auch die schwierigsten unter ihnen, zum Beispiel „Im Kreuz ist unsere Kraft verborgen“. Dazu spielte jemand Gitarre. Das war ein geistliches Erwachen.
Es gab auch Evangelisationen mit anschließender Diskussion. Doktor Riecker aus Adelshofen sagte damals, dass er als „uralter Kindskopf“ noch mit jungen Leuten reden könne. Die jungen Leute waren offen und fragten: Was ist dran? Das war ein geistliches Erwachen.
In Stuttgart sagten wir: Wir müssen offen sein. Die Abende fanden in Stuttgart statt, aber von der Pfarrerschaft machte kaum jemand mit. Trotzdem sagten wir: Wir müssen noch einmal eine große Jugendevangelisation machen. So kam der Gedanke auf, auf den Schillerplatz zu gehen, der vor dem Alten Schloss und der Stiftskirche liegt.
Ein führender Mann sagte damals: „Glaub doch nicht, dass der Teufel sich die Innenstadt Stuttgarts so aus der Hand winden lässt.“ Doch vier junge Leute hörten Ulrich Parzany eine Stunde lang stehen zu, ohne Stuhl. Ulrich Parzany war damals noch ein junger Prediger. Es war wunderbar.
Am Ende sagte er: „Drehen Sie sich jetzt um. Gleich hinter Ihnen stehen Leute, mit denen Sie diskutieren können.“ Das Wort „Diskussion“ war neu für viele. Die Leute waren Christen, und die offenen Abendleute waren geschult.
Wir machten das mehrmals, auch einmal mit Anton Schulte auf dem Schillerplatz. Das war großartig, leider aber nicht von der Mehrheit der Pfarrerschaft unterstützt. Nur wenige standen vielleicht neugierig daneben.
In der Schleierhalle wurde das noch einmal von Konrad Eichler durchgeführt, der es dann in Stuttgart organisierte. Das ist nur ein kleines Beispiel, wie Parzany bei Punkt drei war.
Die Schleierhalle, eine riesige Halle, war mit jungen Menschen gefüllt. Als Punkt drei erreicht war, kam der höchste Polizeioffizier und sagte, die Halle müsse geräumt werden wegen einer Sprengstoffdrohung. Konrad Eichler sagte: „Nein, wir gehen nicht.“ Das könnte man heute gar nicht mehr machen.
Die Halle wurde nicht geräumt. Doch man sieht, dass die Mächte der Finsternis, der Höllenlügenmächte, damals am Werk waren.
Ich weiß, dass das alles immer ein Wunder war, bei dem sich niemand rühmen kann. Der Herr hat es damals geschenkt.
Auch der Jugendgottesdienst in Stuttgart, leider ist er inzwischen eingegangen. Ich glaube, immer wenn zu viel Musik im Vordergrund steht, wenn man meint, die Musik sei alles, geht etwas verloren. Dann sagt man, man müsse soziale Dienste leisten, wie Autoputzen oder Rosen verschenken.
Doch die Botschaft ist entscheidend. Es war wunderbar, wie Konrad Esser die riesige Stiftskirche mit diesen Jugendgottesdiensten füllte. Das war großartig.
Er sagte zum Beispiel zu unseren Jugendchören – meine Frau hat ja auch viele Chöre aufgebaut, darunter einen missionarischen Jugendchor – dass sie nur deutsche Lieder singen sollen. Das müsse verstanden werden, was man singt.
Das war schön und ein echter Aufbruch.
Familienleben und Kindererziehung im Pfarrhaus
Jetzt machen wir eine ganz kleine Zäsur und werfen einen kurzen Blick auf die Familie. Nebenbei gab es ja nicht nur eure Ehe, sondern auch eure Kinder. Die sollten wir jetzt mal ins Visier nehmen. Wie ging es denn ihnen bei dem ganzen Chaos?
Pfarrer, dann Gemeindetag unterm Wort, Jugendgottesdienste, der ganze bietistische Clan, die Hofackerbewegung – wie überleben Kinder in Pfarrhäusern? Das habe ich unseren Töchtern immer gedankt, dass sie nie Vorwürfe gemacht haben, sondern bis sie aus dem Haus ausgezogen sind, gesagt haben, dass es doch auch interessant war.
Wir haben auch in den Urlaubswochen immer Freizeiten gemacht. Meine Frau hat dann die Kinderstunde geleitet. Die Kinder sagten, das sei wunderbar und schön gewesen. Es war manchmal schwierig, aber wir mussten den Kindern erklären: „Pass auf, in deinem Zimmer liegt heute Nacht ein Afrikaner. Du musst umziehen, ich muss meine Schulsachen noch rausholen.“ So haben sie das alles mitgemacht.
Einmal rief es vom Flughafen an: „Das ist ein Mann aus Bangladesch, der möchte Sie besuchen.“ Wir hatten keine Ahnung. Er fror, hatte keinen Mantel. Das war immer auch mit den Gästen so. Es war aber manchmal schwierig, wenn wir Chinesen zu Besuch hatten. In der chinesischen Kultur zeigt man der Köchin Ehrerbietung, indem man schlürft.
Wir konnten unsere Kinder kaum zähmen. Sie kicherten und wollten unter den Tisch kriechen. Er sagte: „Wenn ihr jetzt nicht ruhig seid, müsst ihr in der Küche weiteressen.“ Aber sie haben geschlürft, wie das Wasser, das Zeug hielt.
Es war schön, dass wir die Hausandacht mit den Kindern machen konnten und dass sie alle den Weg mitgegangen sind, auch in der Gemeinde. Das war für uns eine große Freude.
In frühen Jahren lassen sich Kinder ja nichts mehr von ihren Eltern sagen. Dann haben sie schnell in den Bibelkreisen, in den Gemeinden und in den Freizeiten gläubige junge Leute gefunden, die ihnen imponiert haben und die Jesusjünger waren. Das ist ganz wichtig.
Ab 14 müssen es andere sein, die unseren Kindern Jesus nahebringen. Wenn sie keine lebendige Jugendarbeit in der Nähe haben, ist es sehr, sehr schwierig, ihren Weg zu finden. Da waren wir sehr dankbar für die Gemeinde.
Wir hatten einen sehr großen Jugendbibelkreis. Der fand im größten Saal statt, mit bis zu 70 jungen Leuten im freien Gespräch über die Jesusgeschichten. Daneben gab es eine große Bibelstunde und noch eine Seniorenbibelstunde.
Das Herz unserer Gemeinde, neben den etwa zwanzig Hauskreisen, waren die Bibelstunden. Viele Leute wollen eine bietende Bibelstunde und kein Gespräch haben. Das war das Herz, wo viele zum Glauben gekommen sind. Dort wurde auch zuerst gesungen. Wieder waren es die Lieder der Spirituals: „Ich bin schwach, doch du bist stark.“ Das ist von jungen Menschen die Antwort auf ihre Nöte.
Großfamilie und Missionserfahrungen
Einen Blick auf heute: Es gibt ja auch Töchter, und ihr seid Großeltern. Wie viele Enkelkinder gibt es da? Vierundzwanzig Enkelkinder und viereinhalb Urenkel.
Ach ja, okay, okay, okay. Wir gehen noch ein bisschen zurück in die weite württembergische pietistische Welt. Die Mission hat dich und euch ja doch erwischt. Wir haben das schon mit dem Afrikaner, dem Chinesen und dem aus Bangladesch gehört. Wie kam denn das Thema Mission noch einmal in euer Leben hinein?
Ganz früh hat Hans Brandenburg von Licht im Osten mich gebeten, die Leitung des Missionsbundes Licht im Osten zu übernehmen. Da war ich noch im Schwarzspalten, in den ersten Jahren meines Beamtenlebens. Ich war dann in Stuttgart, und er wollte altersmäßig zurücktreten. Alle, die ich gefragt habe, sagten: Mach das nicht! Ich kann ja bis heute kein Wort Russisch.
Ich habe dann schließlich doch ja gesagt. Es hat mein Leben ungemein bereichert. Es war die Zeit der vielen Bibeltransporte. Licht im Osten war einer der größten Bibeltransporteure. Wir hatten eine eigene Werkstatt, in der die Autos präpariert wurden, damit sie bis zu sechstausend Bibeln bei einem Transport mitnehmen konnten. Hier in Karlsruhe war Paul Reisende einer der großen Bibeltransporteure.
Was da geleistet wurde, auch in den Zwischenlagen in Ungarn und in der DDR, wo das alles weiterging, war eine ungemein reiche Zeit. Wir sind damals darauf gestoßen, wie das Evangelium von Jesus der Widerstand ist, gegen den die sowjetische Regierung Sturm läuft. Nicht, weil es politische Gegensätze gibt, sondern weil es dort keinen Gott gibt. Es ist unsinnig, wenn Christen glauben, dass der Mensch mit seiner Tatkraft etwas bewirken kann.
Das war mir noch einmal wichtig, auch wenn wir bei der Seniorenfreizeit sind: Über diese schweren Jahrzehnte konnten die Gemeinden in Russland überleben. Das waren die Babuschkas, diese alten Frauen mit den Kopftüchern. Sie waren die Kraft der Gemeinde als Beterinnen und Zeugen des Wortes Gottes. Das kann man sich kaum vorstellen.
Ich habe gesagt: Der Sowjetstaat schießt Menschen auf den Mund, mit Juri Gagarin, und regt sich auf, wenn ein paar Leute Bibel lesen. Das hat sie so herausgefordert. Und das ist bis heute in der ganzen Welt, auch in der islamischen Welt so, dass die treuen, schlichten Glaubenszeugen die große Kraft Gottes sind.
Du hast uns heute Morgen deutlich gesagt: Der Herr ist treu, er stellt sich zu seiner Gemeinde und vollendet sie trotz aller Kümmerlichkeit. Da musste man oft ein Kopftuch aufziehen oder den Ring ablegen, weil die Geschwister sagten, das ertragen sie nicht. Aber um der Liebe willen tut man es doch gern.
Wir haben die Geschwister des Glaubens gefunden. Das ist das Herrliche, wo die äußeren Formen nicht mehr wichtig sind. Das war für unser Glaubensleben ganz entscheidend wichtig. Als wir dann entdeckten, und das war schon sehr früh, dass in der Dritten Welt in vielen Ländern die Bibelnot, der Bibelhunger, noch viel größer ist als in Russland, dachten wir: Da müssen wir doch helfen!
In vielen Ländern Afrikas war es gar nicht möglich, Bibeln zu bekommen – aus Devisengründen und anderen Gründen. Dann haben wir angefangen. Die Geschwister aus der Dritten Welt sind bei uns immer vorbeigekommen, weil sie zu Brot für die Welt geführt wurden, von Bruno Hermet und von Ernst Vater.
Man hat gefragt: Könnt ihr dieser Kirche noch helfen? Die sind alle abgeblitzt, weil sie nicht im ökumenischen Rat drin waren. Nun müssen sie wissen, dass die Mehrheit der bibeltreuen Christen und der evangelischen Christen nicht im Weltkirchenrat sind – aus politischen und theologischen Gründen.
Es ist nur eine Minderheit der alten orthodoxen Kirchen bei euch, bei den Methodisten nur der United Methodists. Aber die freien Methodisten sind natürlich auch nie im Weltkirchenrat, das ist gewissensbedingt. Sie können diese Politisierung des Christentums nicht mitmachen.
Deshalb war es für uns sehr bewegend, dort Leute zu erleben, die riesige Kirchen vertreten haben, die Wort-des-Lebens-Kirchen in Äthiopien – eine ganz nüchterne Bibelkirche mit elf Millionen Mitgliedern –, und wir hatten keine Verbindung dorthin. Dort haben wir angefangen: Wie können wir helfen?
Sie sagten: Uns interessiert gar nicht die materielle Hilfe. Wir haben keine Ausbildungsstätten und wollen keine Studenten mehr nach Europa schicken. Im Jahr 1974 haben sie in Missionswochen in Württemberg und Norddeutschland verkündet: Niemand mehr nach Deutschland! Die kommen versaut zurück mit ihrer Theologie.
Wenn die fünf Jahre in Deutschland waren, wollen die Frauen auch nicht mehr nach Afrika, in den Busch. Dann brauchen sie einen Fernseher und einen Kindergarten, sie wollen den Wohlstand haben. Wir wollen unsere bibeltreuen Seminare machen – das war das Erste, was wir angefangen haben.
Bevor es Hilfe für die Brüder gab, habe ich diese Seminare aufgebaut. Zuerst für die französischsprachigen Länder in Afrika. Mehr Länder sind französischsprachig, und sie haben kaum Unterstützung im gottlosen Frankreich. Dort eine theologische Hochschule zu bauen, wo man heute den Doktor machen kann.
Dann kamen weitere Seminare in Nairobi, dann in Malaysia, dann in Indonesien. Heute ist das eine ganz wunderbare Sache, dass die Menschen nicht mehr nach Europa müssen. Das ist eine falsche Entwicklung, weil Europa diese Menschen nicht mehr fähig macht, zurückzukehren.
Afrika braucht treue Leute, dort müssen sie sein. Das war das Allerwichtigste. So ist es dann weitergegangen.
Hilfe für Brüder und theologische Ausbildung
Das und nebenbei gestreift, hängt jetzt neben Licht im Osten mit der anderen Organisation zusammen, nämlich mit Hilfe für Brüder. Diese ist vielen von uns bekannt, aber bei weitem nicht allen. Deshalb ein paar Sätze zu Hilfe für Brüder.
Im Jahr 1980 haben wir uns erst konstituiert. Zwei Jahre zuvor hatten wir uns bereits zusammengefunden. Es war ein Kreis von Vertretern evangelikaler Missionen, und Ernst Vater war der Vorsitzende. Wir überlegten, wie man es am besten machen könnte.
Wir sagten auch, dass wir in der Dritten Welt helfen wollen, dort, wo Nöte bestehen – und zwar geistliche Nöte. Wir wollten Bibelschulen unterstützen. Wenn dort das Dach herunterfällt, wie kann man dann ausrüsten? Oder es ging um theologische Literatur, bibeltreue Literatur und Ähnliches. Das haben wir gemacht.
In den ersten anderthalb Jahren hatten wir keine Mitarbeiter. Wir, die Missionsleiter, haben das alles nur nebenher erledigt, aber dennoch ungemein effektiv, obwohl das schon sehr umfangreich war. Mir war es immer wichtig, jedem Spender, auch wenn es nur fünf Euro waren, persönlich zu danken. Ich fand das das Wichtigste: ein persönlicher, nicht angedruckter Dank.
Ihnen das zu sagen, dass Sie etwas für das Reich Gottes tun, war das Allergrößte. Wir haben in Ihren Bibelworten noch ausgesucht, was wir darauf geschrieben haben. Sie ahnen nicht, was Gott getan hat.
Unsere Eva Maria Munzinger, die eine erfahrene pakistanische Missionarin war und später zu unseren Mitarbeitern gehörte, sagte, dass in Afrika alle Kirchenführer durch diese evangelikalen, bibeltreuen Hochschulen gegangen sind. Das hatte ganz wichtige Bedeutung.
Die liberale Bibelkritik hat in Afrika und Asien keinen Eingang gefunden – mit Ausnahme von ein paar ökumenischen Instituten. Das ist eine ganz große Entwicklung, für die wir wirklich dankbar sein müssen, dass sie gelungen ist. Nicht durch unsere Arbeit, denn Gottes Segen kam immer durch afrikanische und asiatische Dozenten, keine Weißen.
Wir hatten genügend Dozenten, viele mit Doktortiteln. In Afrika gibt es fünf theologische Doktoren, die keine Anstellung finden. Das Problem ist: Wer zahlt den Gehalt für sie? Wenn wir einen Weißen schicken, übernehmen wir den Gehalt. Aber warum nicht beim Schwarzen?
Deshalb haben wir auch Professorengehälter für einheimische Professoren bezahlt. Das sind die allerbesten Dozenten, denn sie kennen Land und Leute, sprechen die Sprache und können das Wort Gottes am besten auslegen. Das war ein ganz großes Geschenk, das im Laufe der Jahre dort geschehen konnte.
Und du warst ja sehr stark engagiert. Das war alles neben dem Pfarramt.
Ja, ich war Geschäftsführer und arbeitete im Büro mit zwanzig Leuten. Ich konnte das nur so leisten, weil die guten Leute da waren. Ich war für die Koordinierung zuständig.
Christliche Fachkräfte und Entwicklungsdienst
Jetzt kam das Zweite noch dazu: diese christlichen Fachkräfte. Wir haben früh gemerkt, dass die Institution der EKD diesen Dienst in Übersee ganz links ausgerichtet hatte.
Wir waren bei einem Gespräch mit Bundeskanzler Helmut Kohl von der Evangelischen Allianz. Helmut Kohl wurde uns vorgeschlagen. Wir ärgerten uns immer, wie links diese Institutionen der EKD sind. Sie haben nur Nicaragua und die Revolution dort im Auge. Das machen sie. Warum macht ihr Evangelikaner das nicht? Ihr habt doch so viele Missionare draußen, nicht den Entwicklungsdienst?
Ja, geht es? Wie soll das gehen? Ich veranlasste es. Minister Warnke war Entwicklungsminister, und ich veranlasste das. Und an mich kam das Thema heran. Ich hatte keine Ahnung, wie man christlichen Fachkräften einen Entwicklungsdienst gibt. Es gibt fünf große Institutionen, die staatlich anerkannt sind. Wir sollten die sechste sein. Und so haben wir es gemacht.
Ich bin nach Bonn gefahren und habe mit den zuständigen Ministerialdirigenten dort gesprochen. Da war so ein lieber Mann, der sagte: „Wissen Sie, die da oben verstehen doch nichts. Es kann nicht funktionieren. Es geht nicht, dass Sie einen sechsten Entwicklungsdienst beginnen.“
Ich saß da wie ein begossener Pudel. Die Gemeindearbeit drückte, und ich fuhr wieder zurück. Die schöne Rheinstrecke fuhr man damals noch an der Loreley vorbei. Als ich zu Hause war, klingelte das Telefon. Es war wieder der gleiche Ministerialdirigent am Apparat. Er fragte, ob ich nach Bonn kommen könne.
Ich antwortete: „Ich komme doch gerade von Bonn, ich war doch heute bei Ihnen.“ Er sagte: „Ja, kommen Sie.“ Am nächsten Morgen erklärte er mir: „Ich hatte einen baptistischen Vater, der war Prediger. Ich selber bin kein Christ. Aber wenn ich meinem Vater, der schon lange gestorben ist, noch etwas Gutes tun kann, werde ich es möglich machen, dass es funktioniert.“
Und dann ist es in die Wege gegangen. So arbeitet Gott, und das ist so wunderbar, wie er Wege ebnet. Es war anfangs ungemein schwierig. Der Bundesrechnungshof prüft uns jedes Mal mit zwei Beamten 14 Tage lang. Da wird jeder Zettel vor- und rückwärts herumgedreht.
Das ist ein kleines Beispiel: Wie macht man das in Nepal? Wenn Arbeiter angestellt werden, um einen Lastwagen zu entladen, können die doch gar nichts schreiben. Die sind Analphabeten. Der Rechnungshof erkennt das an, wenn man drei Kreuze darunter macht. Ohne Kreuze ist das nicht unterschrieben, also in Alphabet.
Aber das muss man alles wissen: Was erkennt das Ministerium als Beleg an? Da hat Gott doch viele hundert Fachleute in den dreijährigen Verträgen hinausgeschickt. Nie, um draußen etwas zu tun, sondern um die Einheimischen anzulernen.
Und das waren Krankenschwestern, die als Barfußärzte ausgebildet haben, Gesundheitsdienst leisteten, und Lehrer sowie Professoren. Brot für die Welt, mit denen wir bald im besten Einvernehmen waren. Wir wurden ja als Parallelstruktur verdächtigt in allen Zeitungen. Die Kirche würde auseinanderbrechen.
Man hat uns immer gesagt, wir würden nie an die entlegenen Plätze hingehen, wohin sie ihre Leute schicken. Und man hat einmal gesagt: „Wie können Sie das verantworten?“ Da habe ich gesagt: „Ich kann überhaupt nichts verantworten, wenn es Gott nicht verantwortet. Wir senden sie im Namen Gottes raus, und er muss sie schützen.“
Und das war oft genug sehr schwer.
Geistliche Erfahrungen auf Reisen
Du selber hast ja auch manche Reise unternommen. Erzähl mal ein bisschen: Wo würdest du sagen, hat dich etwas am meisten beeindruckt? Wo sind geistliche Erfahrungen hängen geblieben, die für dich wichtig waren?
Also, du merkst, Afrika schlägt sehr stark dein Herz. Aber dann kommt auch ein bisschen das asiatische Element mit hinein. Wo würdest du sagen, da ist dir etwas noch richtig deutlich im Blick? Was hat dir eine Spur Gottes gezeigt?
Es ist heute so ergreifend, wie diese Leute in der Dritten Welt leben. Ich schätze, es sind etwa hunderttausend Evangelisten, die vollberuflich unterwegs sind in fremden Kulturen, die sie nicht kennen. Sie bezeugen dort das Evangelium von Jesus. Oft haben sie nur einen Unterhalt von 15 oder 20 Euro im Monat, um ihre große Familie zu versorgen. Und sie stehen dort an einem Feldstein.
Die große Erwägung und der Aufbruch, der gegenwärtig geschieht, wird durch diese einheimischen Missionare in islamischen Gebieten getragen. Sie sind dort, selbst in Ländern, die völlig gesperrt sind, wo nie Evangelisation betrieben wird. Wir können das ja nur ahnen.
Neulich hat Präsident Trump zwei Männer aus Nordkorea befreit, die dort im Gefängnis saßen – ganz überraschend. Das sind zwei Professoren von der Hochschule, die wir mitfördern. In Pjöngjang gibt es eine Hochschule mit lauter bibeltreuen, jesusgläubigen Professoren. Zwei von ihnen wurden von der Regierung verhaftet, weil man natürlich nichts Religiöses sagen darf, und sonst auch nichts. Sie wurden als Spione verurteilt.
In diesen Tagen reist einer von unserer Arbeit hinaus an diese Universität als Dozent. Betet auch für die vielen Dinge, die man nicht in den Zeitungen lesen kann. Es gibt ganz viel im Reich Gottes.
Wir sind zum ersten Mal darauf gestoßen durch einen Offizier der UNO, der uns angerufen hat und gesagt hat: „Habt ihr niemanden?“ Da gibt es in der Mandschurei – das ist ein Gebiet, wo noch nie missioniert wurde – eine Universität, bei der 160 Professoren Christen sind. Das gibt es doch nicht! Sie müssen jemanden schicken, der nicht geschieden ist und kein Bier trinkt.
Da dachte er an den Moon-Sektor, den wir an der Universität hatten. Dort haben sie noch einen Verbindungsmann in Berlin genannt, einen Professor, einen Koreaner. Das sollten wir kontaktieren. Er hat mir nur gesagt: „Gehen Sie hin, schauen Sie es sich an.“
Ich bin damals hingeflogen. Was erwartet mich in Janschi? Das liegt ganz an der nordkoreanischen Grenze. So etwas glaubt man nicht: lauter wiedergeborene Leute, die es geschafft haben, in den letzten 20 Jahren eine Universität aufzubauen – unter der Auflage, nie ein religiöses Wort zu sagen.
Und 80 Prozent der Studenten sind zum Glauben an Jesus gekommen. Wie das geschieht, darüber reden wir nicht.
Die Menschen in China haben die Frage: „Was ist, wenn ich sterbe?“ Das ist die brennende Frage, nicht der Sozialismus. Das meinen wir immer. Die brennenden Lebensfragen sind doch da. Und wenn man jemanden fragt, darf man antworten – auch in den korrupten Systemen.
Unsere Professoren sagen, das war die reichste Zeit ihres Lebens. Es waren hochbegabte Leute. Wir hatten immer eine Truppe von zehn Professoren dort in der Chilin-Provinz.
Wenn Sie es im Internet anklicken wollen: PUST, Pjöngjang University of Science and Technology, die in Pjöngjang, Korea – die schrägste PUST. Da steht drin: „Wir sind Christen, wollen Nordkorea helfen, die ethischen Probleme zu lösen“ usw.
Aber dass das eine umkämpfte Sache ist, wird einmal in der Ewigkeit sichtbar werden. Was auch im Verborgenen getan wurde, das kann man nicht veröffentlichen.
Ich stelle mir vor, all diese Jahre, Jahrzehnte, diese weltministerielle Perspektive mitzuerleben: dass Jesus in ganz einzigartiger Weise in den schwierigsten Systemen seine Gemeinde baut – sei es in Afrika, sei es im asiatischen Raum, sei es im islamischen Bereich. Er macht das so.
Und dann kommst du wieder zurück. Ich sage es meist ein bisschen scharf: Du hängst in einer württembergischen Landeskirche herum. Wie kriege ich das hin? Wie kriege ich das hin, dieses Geschenk meines Gottes, der Gemeinde Jesu baut?
Und dann sind wir in einem so schwierigen Feld – egal ob Landeskirche, Freikirche oder Pietismus. Das ist ja jetzt die Frage: Wie hält man das aus?
Gemeindearbeit und Unterstützung der Mission
Es war ganz wunderbar, dass unsere Ludwig-Hofacker-Gemeinde und der Kirchengemeinderat von Anfang an beschlossen haben, alle Kollekten und Opfer, die nicht vom Oberkirchenrat festgelegt sind – das sind vielleicht elf im Jahr, bei denen man von der Landeskirche spenden muss – für die Mission zu verwenden.
Wie ging das? Wir mussten ja auch 30 Euro durch Spenden zusammenbringen. Das ist interessant, denn Gott hat das geregelt. Eine große Stuttgarter Geschäftsfamilie hat eine Stiftung errichtet, die unsere Gemeinde regelmäßig unterstützt hat. Außerdem gab es viele Gemeindemitglieder, die nach einer Beerdigung sagten: „Ich würde Ihnen gerne eine Spende mitgeben, aber Sie geben sie ja doch nach Afrika.“ Die Antwort war: „Nein, nein, ich habe auch Aufgaben in der Gemeinde.“ Daraufhin erhielten wir große Spenden.
Gott hat uns versorgt, ohne dass wir betteln mussten, und es war wunderbar, wie gut alles lief. Die Gemeinde hat sehr profitiert und viele Begegnungen mit Menschen aus der Dritten Welt gehabt.
Ich habe oft geraten, wir sollten uns nicht zu sehr von Amerika und amerikanischen Methoden beeinflussen lassen. Das war auch der Grund, warum wir bewusst Hilfe für Brüder angeboten haben – weil wir Deutschen den einheimischen Christen helfen wollen. Darf man „national“ noch sagen? Ja, ich sage lieber „einheimisch“, aus Vorsicht, damit niemand denkt, ich sei Nazi – denn „national“ ist ja abgekürzt „Nazi“. Nein, ich meine die einheimischen Christen.
In Amerika ist das anders: Die Amerikaner wollen immer die Bosse sein, und das ist schwierig. Wir haben eine andere Art. Uns war es wichtig, die Strukturen vor Ort zu fördern – die Einheimischen, die Hochschulen, die Theologie, die sie haben. Das sollen sie selbst entscheiden. Wir möchten nicht unsere Leute von vornherein einsetzen, auch nicht unsere christlichen Fachkräfte. Das ist bei vielen Missionswerken notwendig, weil die Opfer oft nach Amerika fließen.
Wir Deutschen haben eine andere Art, die Eigenart der Menschen zu verstehen. Das war immer das Wunderbare, und auch die Afrikaner waren dafür dankbar. Das hat der Gemeinde sehr geholfen. Wir haben plötzlich gemerkt, dass uns das, was sie uns an Rat und geistlicher Hilfe geben können, viel näher ist.
Wenn Sie sich zum Beispiel all die kirchlichen Gruppen ansehen, wie Bibelkreise und persönliche Beziehungen, dann funktioniert das. Wir haben heute in Deutschland eine große Not: Es gibt über eine Million hauptamtliche Kräfte in der Sozialarbeit, katholisch und evangelisch. Aber wer von denen evangelisiert noch? Selbst wenn wir pro Christ arbeiten, heißt es immer, man müsse die Arbeit halb für Sozialarbeit und halb für Evangelisation aufteilen.
In der Dritten Welt steht zuerst die Evangelisation im Vordergrund. Wenn Menschen zu Jesus gehören, sind sie sozial tätig in ihrer Umgebung. Nur bekehrte Leute, die in der Verantwortung vor Gott leben, engagieren sich wirklich sozial. Deshalb ist es uns so wichtig, dass das auch hier bekannt wird.
Wir sind sicher, dass wir mit diesem Gedanken noch nicht weit durchgedrungen sind. Aber in unseren Veröffentlichungen haben wir immer wieder klar machen wollen, dass die Belebung der Kirchen und Gemeinden nur durch Evangelisation kommt. Indem wir wieder Zeugen werden, entstehen durch die Zeugen auch all die diakonischen Einrichtungen, in denen beides gepflegt wird.
Das ist so wichtig, und es hat uns sehr geprägt.
Engagement in der Deutschen Evangelischen Allianz und IDEA
Der Mann war weltmissionarisch auf einem weiten Horizont unterwegs. Er stand im Bund seiner Landeskirche, hatte aber ein sehr, sehr weites Herz für die Gemeinde Jesu in Deutschland. Das habe ich immer an ihm geschätzt. Deshalb hat er es auch so lange in der Deutschen Evangelischen Allianz ausgehalten.
Das ist ja ein bunter Club. Dort gibt es die Landeskirche und den ganzen pietistischen Flügel mit seinen unterschiedlichen Geschmacksrichtungen. Es gibt sogar Freikirchler, wie mich zum Beispiel. Wir waren im selben Hauptvorstand. Sag mir doch mal ein wenig, was für dich bei der Deutschen Evangelischen Allianz wichtig war.
Ich habe immer gelitten, wenn die Dinge in der Organisation groß werden. Vielleicht liegt das auch an meiner eigenen Erfahrung. Wir haben das ja so schlicht in Räumen der Gemeinde mit Hilfe von Brüdern gemacht. Ich habe Angst vor Großorganisationen, weil alle Großorganisationen denselben Weg in die Kirchen gehen. Das erleben wir in den Gemeinschaftsverbänden.
Ganz wichtig ist, dass wir die Einheit in Jesus pflegen – im Wort und im Gebet. Gerade in diesen Jahren, in denen Hilfe für Brüder entstand, war es wunderbar, durch das Werk Billy Grahams auf dem Kongress für Weltevangelisation in Lausanne dabei zu sein. Ernst Schrup, der Leiter der Brüdergemeinde von Wiedernitz, war einer meiner besten Freunde. Ebenso Manfred Otto, der Leiter der Baptistengemeinde in Bad Humbow vor der Höhe. Bis zu seinem Tod standen wir in einer tiefen, innigen Verbindung.
Ihnen ging es gar nicht um die Erwachsenentaufe. Darüber haben wir nie ein Wort verloren. Sie haben nie gesagt, das fehle uns. Stattdessen haben wir einander in der Arbeit an den bedrängten Christen gestärkt. Wir haben uns gefragt, wo wir den Christen in der Welt helfen können. Leider ist diese Verbindung heute nicht mehr da, und das tut mir leid. Es bestehen zwar noch organisatorische Verbindungen, aber zur Laahöhe ist sie durch euch ganz herzlich dankbar wieder da. Zu vielen anderen freikirchlichen Bewegungen habe ich diese Verbindung verloren.
Auch wo die Eindeutigkeit des biblischen Zeugnisses nicht mehr gegeben ist, wird die Verbindung sofort abgerissen. Wenn das in den Gemeinschaften kommt – ich habe es jetzt von einem bayerischen Verband gehört –, dass die ersten neun Kapitel im ersten Buch Mose nicht zum Wort Gottes gehören, dann habe ich keine Gemeinschaft mehr. Da will ich nichts mehr mit zu tun haben. Wenn das einreißt, nützt auch die beste organisatorische Verbindung nichts. Nicht die äußere, sondern die innere Verbindung brauchen wir.
Das war herrlich auch in Deutschland, etwa mit dem Gnadauer Verband und Kurt Heimbucher, mit denen es herzlich war. Und es war mit den Freikirchen ganz besonders herzlich. Dr. Fritz Laubach, Leiter der Freien Evangelischen Gemeinde und unser Vorsitzender, und ich sind bis heute eng verbunden. Wir tauschen uns immer wieder aus, auch jetzt im hohen Alter. Das sind alles Freikirchenleute gewesen.
Es war eine andere, tiefe geistliche Gemeinschaft, auch mit IDEA. Ich war dankbar, lange Zeit im Vorstand von IDEA mitzuwirken. Mann, Helmut Mathis und die ganzen Mitarbeiter tun ein großes Werk. Natürlich kann man über die Nachrichten streiten. Aber dass überhaupt das Thema zur Sprache kommt, ist wichtig.
Wir haben so lange erlebt, dass die Nachrichten der verfolgten Christen in der evangelischen Presse einfach nie vorkamen. Dort hat man gesagt, ihr wollt einen kalten Krieg machen, ihr seid Antikommunisten. Nein, das sind wir nicht. Aber die Fakten wurden bestritten. Das ist schlimm. Deshalb sind wir dankbar, dass es IDEA gibt, auch wenn sie eine andere Meinung haben und sich ärgern, wenn sie einen Brief schreiben.
Ich bin sehr dankbar, dass es IDEA gibt, und stehe dazu fest. Ich bin auch innerlich sehr verbunden, weil zu Helmut Mathis eine ganz enge persönliche Freundschaft besteht – und mit euch sowieso.
Aber es geht oft auch mitten in den Kirchen durch. Man ist nicht mit allen Brüdern in der Methodistenkirche so eins wie mit euch. Und das genügt.
Gemeinsames Schreiben und Buchprojekte
So, es fehlt natürlich noch ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Ich weiß ja gar nicht, welchen Eindruck Sie haben. Man braucht ja mehrere Leben für sein Leben, und deswegen wage ich mich immer wieder an die Frage: Wie sind eure Bücher entstanden? Wie habt ihr das ganz praktisch gemacht? Muss ich deine Frau fragen?
Ich wollte nie ein Buch schreiben. Es war dann so, als die Dokumente von „Licht im Osten“ herauskamen, die von den Prozessen der Inhaftierten berichteten. Da musste jemand den Kopf hinhalten. Das war eigentlich nur „No Christians“ – und „Hammer und Sichel“ ist entstanden, auch ins Amerikanische übersetzt worden. Die Dokumente erklärten, warum wir Christen verhaftet werden, und das war immer interessant wegen ihres Jesus-Bekenntnisses.
Jesus ist der gehasste Name in der Welt, und das ist das Ärgernis. Wenn man Kindern von Jesus erzählt, sei das die schlimmste Verführung, die man im Leben eines Kindes anrichten kann, sagt ein Kommunist. Diese Dokumente zu veröffentlichen, war im Jahr 1973 so, und es war erstaunlich: eine sehr große Resonanz.
Dann war da Friedrich Henslemer, der sagte: „Hast du nicht so Büchlein, die man Kranken weitergeben kann?“ Und so ist das dann entstanden. Immer wieder haben uns Liederdichter inspiriert. Das war eigentlich erst ganz spät, in den Neunzigerjahren.
Ich habe gern die Lieder erklärt, weil man sie besser versteht, wenn man den Hintergrund kennt, wie sie entstanden sind. Alle Lieder sind nicht am Schreibtisch entstanden und auch nicht bei einem Spaziergang im Wald, sondern auf dem Leidenslager. In größter Not hat Skriver der „Lieben Sonne Licht und Pracht“ zehn Kinder beerdigt. Das muss man einmal erlebt haben. Dann versteht man die Tiefe.
Und dann versteht man auch, warum unsere junge Generation sagt: „Wir verstehen die Lieder nicht mehr, weil wir bloß den Wohlstand kennen und nicht mehr das Kreuz.“ In unseren Gesangbüchern sind die Lieder „Kreuzanfechtung“ und „Trost“ hinausgestrichen – unverantwortlich! Hillerlieder wie „Es jammert, wenn ich glaube“, „Ich will mich stillen“, „Mir fällt kein Haar vom Haupt ohne Gottes Willen“, „In Jesus habe ich hier das reichste Leben“, „Das beste Leben, und sterbe ich, würde ich mir ein besseres geben“ – das sind doch Lieder, die wir brauchen. Erst recht im Alter.
Darum heben Sie die alten Gesangbücher auf, in denen die großen Lieder drin sind. Endlich bricht der heiße Titel, das Lied vom Kreuz, von Karl Friedie Hartmann, und so. Dann hat man Friedrich Hensler gesagt, er wollte Paul Gerhard, da sagt er: Bei Paul Gerhard gibt es viele Geschichten, die sind einfach nicht belegt.
Zum Beispiel die Geschichte, die oft erzählt wird, er hätte „Befiehl du deine Wege“ gedichtet, als seine Frau gekommen sei und kein Geld mehr da gewesen wäre. Aber das Lied „Befiehl du deine Wege“ ist schon in einem Gesangbuch gedruckt, bevor er geheiratet hat. Also sollte man solche Geschichten nicht verbreiten.
Oder auch die Geschichte von Julia Hauschmann, dass sie einen Missionar heiraten wollte, der in Afrika unterwegs war, und dann wäre gemeldet worden, dass er tot sei. Sie kennen doch das Lied „Julia Hausmann“! Natürlich nicht, weil Julia Hausmann in Afrika steht, auch in der schönen Geschichte drin, in welchem Land das passiert sei, in welchem Jahr und wie die Mission geheißen hat.
Julia Hausmann hatte eine Migräne. Wer das hat, weiß, wie schlimm das ist. Sie ist nach Petersburg gegangen, hat dort eine Schwester und so weiter. Wir wissen doch sehr viel, und wir sollten keine falschen Geschichten erzählen. Aber das genügt, was wir wissen, und das erschüttert und stärkt den Glauben.
So sind diese Lieder entstanden. Es war merkwürdig. Sie haben dann 13 Auflagen erlebt. Die haben bloß immer ein neues Cover vom Verlag bekommen. Darum steht da wieder die erste Auflage.
Dann kam das zweite: „Dennoch fröhlich singen“, und dann haben wir noch ein drittes Buch, das es leider nicht mehr gibt, auch mit mehreren Auflagen: „Frauen singen von Jesus“, weil „Mich festhält deine starke Hand“. Friede Hensler wollte immer, dass der Titel „Und sie predigen doch“ heißt, weil Frauen nicht predigen durften. Aber den Liedern ist das egal: „Näher mein Gott zu dir“ oder „So lange mein Jesule“ – das waren alles Frauen!
„Die Rotgott würde ich tragen, darum sei ihr sei er“ – es waren alles Frauen gewesen. Das Büchlein gibt es nicht mehr. „Frauen singen von Jesus“ bekommt man heute ganz selten noch über ein Antiquariat. Aber es erscheint heute nicht mehr.
Der „Israelführer“ wird teilweise zu hohen Preisen in Antiquariaten noch verkauft, ebenso „Israel mit der Bibel entdecken“. Aber so ist das entstanden – aus der Arbeit heraus. Wir waren selbst überrascht. Wir wollten nicht zu Buchautoren werden, aber wir waren froh um die Lebensbilder.
Von einem Buch hast du ja mal gesagt, das sei dir besonders wichtig. Das halte ich auch für sehr wichtig: „Mit Freuden ernten, das sind die, die mit Tränen gesät haben.“ Dieses Buch war uns auch wichtig, und du hast es auch so geschätzt.
Dass Gott immer mit Leuten gearbeitet hat, die durch viel Tränen gingen, und dass das die großen Leute waren. Beispielsweise hat ein Bodelschwing seine vier Kinder in vier Wochen über Weihnachten alle an Diphtherie verloren – und erst dann konnte Gott ihn gebrauchen, einen geschlagenen Mann.
Das ist heute so wichtig, weil dieses Thema in unseren Gemeinden vernachlässigt wird. Auch das Missionsbuch war mir sehr wichtig: „In 300 Zeiten“. Das bekommt man oft sehr günstig im Antiquariat, wenn man da mal beim Buchlucker guckt.
Das Missionsbuch ist mir ganz arg wichtig bis in unsere Tage hinein, wie das Reich Gottes weltweit gewachsen ist. Wir haben hier die große Schwierigkeit, nicht nur in Europa, sondern auch in Amerika und Kanada, in den Wohlstandsländern.
Es gibt einen riesigen geistlichen Aufbruch an den Enden der Welt, an den Hecken und Scheunen, bei den Indianern und bei den Sinti und Roma, überall in Zentralasien, Usbekistan, Kirgisistan. Die meisten Länder sind Länder der Verfolgung.
Nur in der Verfolgung wächst die Gemeinde unter Druck, wo man nicht mehr um Nebendinge redet, sondern um die Hauptsachen. Das war der Grund.
Abschluss und Ausblick
Jetzt folgt mein Werbeblock. Die Bücher, die Sie teilweise antiquarisch bekommen oder in alten Pfarrersbibliotheken oder anderswo finden, da kann ich Ihnen natürlich nicht direkt helfen. Aber wir haben ja noch dieses eine Buch.
Es handelt sich um einen Doppelband, der zwei Klassiker in einem Band vereint. In diesem Buch finden sich rund hundert Kurzbiographien von Autoren christlicher Lieder. Der Preis beträgt zwanzig Euro. Das bedeutet: Einhundert Autoren – jeder Autor kostet Sie nur zwanzig Cent. Für alle Süddeutschen ist das ein Rechenexempel. Günstiger bekommen Sie das nicht: Zwanzig Cent pro christlichem Autor.
Ein weiterer Vorteil: Ich hatte gestern unter anderem ein Gespräch mit einem Mann, und Männer lesen im Durchschnitt weniger Bücher. Das weiß ich auch, es ist einfach so. Unsere Buchhandlung sagt, dass zwei Drittel bis drei Viertel aller Bücher über Frauen verkauft werden.
Doch der Vorteil dieses Buchs ist, dass diese Kurzbiographien wirklich kurz sind. Selbst ein Mann schafft das. So haben Sie eine gute Chance, mit nur wenigen Seiten eine Person kennenzulernen, Ihren Kopf mit einem guten geistlichen Gedanken zu füllen und einen Bezug zu einem Lied herzustellen. Hundert Personen bedeuten für hundert Tage guten Stoff. Das heißt, das nächste Vierteljahr ist gesichert.
Damit haben Sie wirklich etwas Gutes getan, das empfehle ich Ihnen von ganzem Herzen. Und Sie bekommen noch eine Unterschrift von den beiden Autoren dazu. Gegen eine Spende von zwanzig Euro erhalten Sie die Unterschrift.
Aber ich bin hartnäckig und noch nicht fertig. Was mich wirklich interessiert: Wie schreibt man gemeinsam ein Buch? Ich bleibe dabei: Ich habe meine Frau von Herzen lieb, alles klar. Aber wenn ich mir vorstelle, ein Buch gemeinsam zu schreiben – wie soll das funktionieren? Halbe-halbe? Wer fängt an, wer schreibt das Ende? Sie kann die Skizzen machen, sie macht das Fertige, das ist ganz toll. Sie ist sehr gut im Formulieren, ich bin der deutschen Sprache nicht so mächtig – und das kann sie. Alles klar.
So, jetzt kommt der Schluss. Der Mann, den wir jetzt ein bisschen kennengelernt haben, ist seit wann offiziell im Ruhestand? Mit 18 Jahren. Mit 18 Jahren? Also dieses berühmte Pfarr-ir, ja?
Er erzählt: „Sag mal, was hat dich in diesen Jahren bewegt? Was war dir wichtig in den letzten anderthalb Jahrzehnten?“
Er antwortet: „Für mich war es der schlimmste Schock, als ich in der Gemeinde aufhören musste. Das waren damals kirchenpolitische Dinge. Mit 62 Jahren dachte ich, ich dürfte bis 68 weiter predigen. Es war eine ganz schwere Zeit. Dann hat Gott viele Türen geöffnet. Ich freue mich, dass wir sehr viel unterwegs sein dürfen. Ich sage mal, wir sind Fahrensleute. Meine Frau bringt das große Opfer, sie wäre gerne auch mehr zuhause. Wir sind sehr viel unterwegs. Es geht jetzt gleich noch nach Espelkamp, danach nach Kreling zu einer Freizeit. Evangelisationsvorträge freuen uns sehr, besonders dass die russlanddeutschen Gemeinden so offen für das Evangelium sind. Sie wollen ganz bewusst die großen Wahrheiten des Glaubens hören. Wenn meine Frau nicht mitgeht, würde ich nicht mehr fahren. Für uns sind das Flitterwochen. Wir genießen das immer wieder und freuen uns, dass sie mitgeht und den Dienst mitträgt. Das ist ganz unsagbar groß. Ich kann gar nicht sagen, 95 Prozent des Dienstes tut sie. Auch in der Gemeinde hat sie viel getan, auch mit den Kranken. Da ist sie bei mir unheimlich viel liegen geblieben, ist auch viel schuldig geworden, weil man Menschen nicht verstanden hat oder Menschen vor den Kopf gestoßen hat. Sie hat sehr viel getan, auch Schwierigkeiten in der Gemeinde aus dem Weg zu räumen. Das kann man gar nicht beschreiben, was für ein Gottesgeschenk es ist, wenn man miteinander Jesus dienen darf. Das ist ganz herrlich.“
Nun die berühmte Schlussfrage aus der Bibel: So viele Predigten, Vorträge, Bibelarbeiten – ich weiß, wenn man mir die Frage stellt, fällt es mir immer schwer. Aber versuch mal zu sagen: Was ist der Lieblingsbibelvers von Winrich Schäffbuch?
Er antwortet: „Das Wort Gottes für dich. Ja, das ist gut gefragt, das habe ich mir auch nie erlöst. Es ist wunderbar: Seine Gnade. Johannes 3,16 – Gott hat die Welt geliebt. Ich darf das noch ergänzen: Mir war schon als Schüler wichtig, in den Predigtbänden vergangener Jahrhunderte zu leben. Das wurde mir lieb gemacht. Wilhelm Busch hat uns eingeprägt, jeden Tag eine alte Predigt zu lesen – von Brassberger, von Hofacker, von Krumacher und anderen. Meine Bibliothek besteht aus sehr vielen alten Bänden. Ich lebe im Verkündigungsdienst davon, was vergangene Jahrhunderte gepredigt haben. Ich erschrecke, wenn Leute sagen, das sei alt. Die Bibel ist ja noch älter. Wir leben vom großen Schatz. Die Sprache hat sich minimal verändert. Sie sprechen nicht cool, sondern sagen noch ‚gut‘ oder so. Sonst ist doch alles gleich. Die großen Ausschläge, Martin Luthers Ausschläge, Calvin – das ist ein Schatz. Daraus leben wir, und aus diesem Schatz können wir wirken. Ich bin immer gern ein Hörender aus der Kraft des Wortes Gottes.
Es ist so: Bei solchen Worten, die der Geist Gottes treibt, sind sie Gottes Kinder. Als ich meinen Konfirmationsspruch bekam, habe ich mich geärgert: ‚Ich bin doch kein Kind mehr, ich bin Konfirmant.‘ Bis ich merkte, dass ‚Kind Gottes‘ mehr bedeutet. Wir brauchen manchmal ein Landeswissen, um Gottes Wort zu verstehen. Der Geist Gottes treibt und erfüllt uns. Es ist wunderbar, dass wir nur Werkzeuge Christi sind, der in unserem Leben wirken will. Wir wollen nichts Eigenes machen, sondern er muss uns erfüllen und wirken.
Darin möchte ich Ihnen Mut machen, auch in diesen Predigten wie von Ludwig Hofer, der gesagt hat: ‚Nur durch Christus haben wir Zugang zu Gott.‘ Darum ist Jesus der Einzige, der uns heute helfen kann, weil es sonst kein Heil gibt. Auch das schöne Andachtsbuch, das ganz am Anfang stand: ‚Wer Jesus hat, hat das Leben.‘ Das ist herrlich. Das steht bei Johannes dem Täufer: ‚Wer den Sohn Gottes hat, der hat das Leben. Wer den Sohn Gottes nicht hat, über dem bleibt der Zorn Gottes.‘ Das ist ein wichtiges Wort.“
Danke, herzlichen Dank, Winrich Schäffbuch, unser Zeitzeuge, herzlichen Dank!
Herr Präsident, Sie sind sich mit mir einig, dass Zeitzeugen eine gute Einrichtung sind. Wir wollen dir wirklich ganz herzlich danken, dass du dir die Zeit genommen hast, uns einen Einblick in deine Jesusgeschichte, deine Familie, deine Ehe, deine Kinder und auch in die verschiedenen Welten deines Dienstes als Pfarrer zu geben – innerhalb von Licht im Osten, Hilfe für Brüder, IDEa, Deutsche Evangelische Allianz und all den anderen Bereichen bis hin zu deinem intensiven Predigdienst im Ruhestand. Von diesem profitiert unter anderem auch die Langensteinbacher Höhe seit vielen Jahren.
Ganz herzlichen Dank fürs Reingucken, fürs Teilhaben. Wir freuen uns daran, was Gott mit dir und auch durch dich in unserem Land, gerade hier im Süden, getan hat. Da ist Gott sehr liebevoll und großzügig gewesen, was den Süden und seine Persönlichkeiten betrifft, und dafür geben wir ihm die Ehre.
Ausblick auf den weiteren Tagesablauf und Gebet
Wie geht es weiter, wie geht es weiter? Wissen Sie, das mit den Zeitzeugen ist auch deswegen so eine supergute Einrichtung, weil sie gar nicht merken, wie die Zeit vergeht. Normalerweise, wenn jemand um dreizehn Uhr predigen muss, schaut alle fünf Minuten die Hälfte auf die Uhr und denkt: Wann ist es denn vorbei? Wie lange dauert es noch? Wann gibt es endlich Kaffee?
Jetzt sitzen Sie schon ganz friedlich deutlich über eine Stunde und sind immer noch fit und munter. Das heißt nicht, dass Sie sich nicht trotzdem auf den Kaffee freuen dürfen – das dürfen Sie auch. Ja, um halb drei ist das Kaffeetrinken.
Ich habe in unserem Team ausgemacht, dass alles für Sie gedeckt ist da drüben. Die Plätze sind jetzt alle frei und offen; es gibt keine Vorreservierung mehr für unsere Gäste im Haus. Sie dürfen sich gerne hinsetzen, wo Sie wollen. Da Sie natürlich zuerst zum Kuchenbuffet gehen müssen, ist es besser, wir beten hier noch. Das Gebet hält dann bis drüben an.
Ja, also wir beten hier, und Sie können in aller Ruhe dorthin gehen. Lassen Sie noch ein bisschen Zeit, bis die wirklich so weit sind. Ich habe Ihnen gesagt: Ab halb drei kommen unsere Senioren, und dann dürfen sie in aller Ruhe Kaffee trinken.
Um halb vier freuen wir uns dann auf Peter Strauch hier in unserer Mitte. Wir werden dann miteinander eine dritte, abschließende, stärker musikalisch geprägte Einheit haben.
Aber zuallererst möchte ich jetzt noch mit einem Gebet schließen. Wir wollen dir ganz herzlich danken, dass du der Gott bist, der Geschichte macht. Das ist wirklich etwas Faszinierendes: Du hast dir die Welten geschaffen und dich auf Menschen eingelassen – mit ihrem Tun, mit all dem, was zu ihnen gehört.
Jetzt ist es unsere ganz große Dankbarkeit an dich für das, was du getan hast. Wir sind froh über deine Liebe, auch im Leben von Winrich und Beates Chefbuch. Wir danken dir für den Dienst, den du ihm geschenkt hast, für den Segen, den du ihm gegeben hast, auch für den Segen, der durch sein Leben hindurchgeflossen ist.
Wir danken dir auch für sein Tätigsein, auch jetzt schon so viele Jahre im Ruhestand. Vielen Dank, dass du diesen beiden so eine Spur ihres Lebens weiterziehen lässt. Ja, wir sind dadurch Gesegnete – hier und auch andere Gemeinden, andere Orte.
Wir bitten dich, dass du auch weiterhin über den beiden deine Hand hältst. Wir danken dir jetzt auch für die Zeit des Kaffeetrinkens. Wir danken dir, dass wir miteinander gute Gaben von dir bekommen.
Wir bitten dich um deinen Segen darum und auch für die Gespräche und all das, was dazugehört. Danke für alle Fürsorge. Wir geben dir, unserem Gott, die Ehre.