Einführung: Christen und ihre Rolle im Staat
Wie ist das Verhältnis eines Christen zum Staat? Fünf Punkte, die du wissen solltest.
Theologie, die dich im Glauben wachsen lässt, Nachfolge praktisch – dein geistlicher Impuls für den Tag. Mein Name ist Jürgen Fischer, und heute geht es um das Sitzen im Tor der Stadt. Nein, natürlich geht es nicht wirklich um das Sitzen im Tor der Stadt, auch wenn in der Antike dort in den Stadttoren die Alten saßen und Lokalpolitik gemacht haben.
Es geht vielmehr um den Punkt, dass wir als Christen – bei aller Unterordnung unter die Regierung und bei aller Distanz zu dieser Welt – solche sein dürfen und eigentlich auch solche sein müssen, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Verbesserung der Lebensumstände an dem Ort, wo sie wohnen, beitragen.
Wir sind keine Nonnen und Mönche, die sich in ein Kloster zurückziehen, sich dann irgendwie einigeln und keinen Anteil an dem nehmen, was um sie herum geschieht.
Die doppelte Haltung der Christen in der Welt
Wir sind gespalten. Einerseits lassen wir uns von dieser Welt mit ihren Nachrichten, Trends und Ansprüchen nicht beschäftigen. Dabei vergessen wir nicht, dass wir dazu berufen sind, das Evangelium zu predigen.
Andererseits sind wir als Christen in der Welt, um Gutes zu tun. Es geht also bei unserem Verhältnis zum Staat nicht nur darum, dass wir uns unterordnen, keine Rebellion anzetteln, brav unsere Steuern zahlen oder wertschätzend über die Arbeit von Beamten und Politikern sprechen.
Vielmehr geht es auch darum, dass wir uns aktiv einbringen, Gutes tun und dafür sorgen, dass die Liebe Gottes zu den Menschen ganz praktisch sichtbar wird.
Unterordnung und Bereitschaft zu guten Werken
Hören wir Paulus, der seinem Mitarbeiter Titus Folgendes schreibt: Titus ist gerade damit beschäftigt, auf Kreta Gemeinden aufzubauen.
In Titus 3,1 erinnert er die Gläubigen daran, den staatlichen Gewalten und Mächten untertan zu sein, Gehorsam zu leisten und zu jedem guten Werk bereit zu sein. Der erste Teil ist klar: Wir sollen den staatlichen Mächten, also der Regierung, untertan sein und Gehorsam leisten. Direkt danach folgt die Aufforderung, bereit zu sein zu jedem guten Werk.
Paulus wird dabei noch etwas direkter. Das war womöglich deshalb wichtig, weil die Kreter für ihre Aggressivität bekannt waren. Deshalb führt Paulus die „guten Werke“ noch weiter aus, und zwar in Titus 3,2 sowie in Vers 8.
In Titus 3,2 heißt es: Niemand soll gelästert werden, man soll nicht streitsüchtig sein, sondern milde und allen Menschen gegenüber sanftmütig handeln. Die Aufforderung, zu jedem guten Werk bereit zu sein, wird hier also konkretisiert.
Festhalten an guten Werken als Kennzeichen des Glaubens
Das Wort ist gewiss, und ich will, dass du auf diesen Dingen festbestehst. Damit die, die zum Glauben an Gott gekommen sind, darauf bedacht sind, sich um gute Werke zu bemühen.
Ein ganz spannender Gedanke: Die, die zum Glauben an Gott gekommen sind, sollen darauf achten, viele gute Werke zu tun. Der Fokus unseres Verhaltens richtet sich dabei auf alle Menschen.
Deshalb ist es gut und richtig, wenn wir uns den Staat, in dem wir leben, genau anschauen und uns fragen, wer gerade unsere Hilfe braucht.
Wir haben einen barmherzigen Gott, der sich über die Menschen erbarmt. Deshalb ist Barmherzigkeit als Konzept eine zutiefst christliche Sache.
Die historische Bedeutung guter Werke in der Kirche
Gute Werke waren die Missionsstrategie der jungen Kirche. Wo die ersten Christen Unrecht sahen, packten sie einfach an. Sie kauften Sklaven frei, kümmerten sich um arme Witwen und führten Listen bedürftiger Personen. Außerdem gründeten sie die ersten Waisenhäuser und Heime für Geisteskranke.
Sie erfanden Krankenhäuser, unterhielten Armenhäuser und gründeten Blindenheime – und das alles bis zum fünften Jahrhundert. Darüber hinaus hatte das Christentum einen großen Einfluss auf wichtige Meilensteine im Bildungswesen. Schulen, Universitäten und Kindergärten wurden überall mit christlicher Beteiligung gegründet.
Vieles, was heute selbstverständlich ist und als normal gilt, hat seinen Ursprung im Christentum. Es waren keine Heiden, die Europa Gleichheit, Barmherzigkeit und Nächstenliebe beigebracht oder für die Abschaffung der Sklaverei gekämpft haben. Es waren Christen, die zu jedem guten Werk bereit waren.
Die aktive Rolle der ersten Christen als Vorbild
Die ersten Christen waren gesellschaftlich aktiv. Sie haben Probleme erkannt und angepackt. Für mich sind sie damit ein unglaublich herausforderndes Vorbild.
Petrus schreibt in 1. Petrus 2,12: „Und führt euren Wandel unter den Nationen, also unter den Heiden, gut, damit sie, worin sie gegen euch als Übeltäter reden, aus den guten Werken, die sie anschauen, Gott verherrlichen am Tag der Heimsuchung.“
Der Tag der Heimsuchung ist ein Tag des Unglücks. Gottes Idee von Mission ist, dass wir Menschen mit der praktischen Liebe Gottes begegnen. Wenn es ihnen schlecht geht, am Tag der Heimsuchung, sollen sie von uns Hilfe bekommen. So sollen die Heiden sich bei Gott bedanken, weil wir im Auftrag Gottes unterwegs sind.
Das ist die Idee. Und
Die heutige Bedeutung praktischer Nächstenliebe
Nach zweitausend Jahren christlicher Prägung ist Nächstenliebe nichts Besonderes mehr, und staatliche Unterstützung lindert viel Not.
Man könnte meinen, es fällt kaum noch auf, wenn wir uns zusätzlich um gute Werke bemühen. Dennoch sollten wir es nicht unterlassen.
Es gehört ganz praktisch zu unserem Leben als Staatsbürger dazu, mit offenen Augen durch unseren Kiez zu gehen. Zudem sollten wir Gott darum bitten, uns zu zeigen, wie wir anderen zum Segen werden können.
Beispiele christlichen Engagements in der Geschichte
Nicht jeder ist ein William Wilberforce, der sein Leben dem Kampf gegen die Sklaverei widmete, oder ein Henri Dunant, der das Rote Kreuz als Konzept erdachte und es schließlich gründete. Dunant handelte aus der Erfahrung heraus, wie Soldaten nach der Schlacht von Solferino auf dem Schlachtfeld zum Sterben zurückgelassen wurden.
Wikipedia berichtet über den neunzehnjährigen Dunant, und ich glaube, an ihm lässt sich gut erkennen, was einen Christen ausmacht. Ich zitiere: Er rief mit Freunden die sogenannte Donnerstagsvereinigung ins Leben, einen losen Bund junger Menschen, die sich in den Räumlichkeiten der Société Évangélique zu Bibelstudien trafen und gemeinsam hungernde und kranke Menschen unterstützten.
Henri Dunant verbrachte seine freien Abende und Sonntage größtenteils damit, Gefangene zu besuchen und armen Menschen zu helfen.
Die persönliche Berufung zu guten Werken
Wie gesagt, nicht jeder wird das Rote Kreuz gründen.
Mir scheint jedoch, dass wir als Christen dazu berufen sind, genau dort, wo Gott uns hingestellt hat, das zu tun, wozu Gott uns die Kraft gegeben hat – gute Werke zu vollbringen.
Ob wir dann wie William Wilberforce dem britischen Unterhaus angehören, ob wir irgendwann wie Henri Dunant den Friedensnobelpreis erhalten oder ob wir einfach nur für unsere kranke Nachbarin einkaufen gehen – das spielt keine so große Rolle.
Als Christen sind wir im Staat die Stillen, aber auch die Guten, die sich kümmern.
Praktische Anregungen für den Alltag
Was könntest du jetzt tun? Du könntest dir auf www.frogwords.de die Skripte zu dieser Reihe noch einmal durchlesen. Schreibe die von mir zitierten Bibelstellen, die dir wichtig geworden sind, auf ein Blatt Papier.
Nimm dieses Blatt mit den Bibelstellen und hänge es irgendwo in deiner Wohnung auf, wo du es gut sehen kannst. So kannst du im Verlauf des Wochenendes weiter darüber nachdenken.
Das war's für heute.
Du hast Fragen zur Bibel oder Ideen für eine Themenreihe? Dann melde dich gerne per E-Mail unter kontakt@frogwords.de.
Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.
