Rückblick auf das erste Gebot und Einführung in das zweite Gebot
Ich hätte damit leben können, wenn ihr alle bei ProChrist gewesen wärt. Ich freue mich aber trotzdem, hier ein paar Zuhörer zu haben. Natürlich wünsche ich mir, dass, wenn heute jemand wirklich erfolgreich ist, es Ulrich Parzany mit dem, was er sagt, ist.
Nichtsdestotrotz haben wir uns vorgenommen, über die zehn Gebote nachzudenken. Wir sind gerade beim zweiten Gebot. Ich möchte noch einmal zurückblicken auf das letzte Mal, als wir die zehn Gebote betrachtet haben.
Wir haben uns die Einteilung angeschaut: Wie sind die zehn Gebote eigentlich zusammengesetzt? Wir haben das erste Gebot betrachtet: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.“ Ich habe versucht zu erklären, dass dieses erste Gebot sowohl gegen Atheismus gerichtet ist – wir sollen nicht ohne Gott leben –, als auch gegen Götzendienst im Allgemeinen. Wenn wir einen Gott haben, dann soll es genau dieser eine sein, Yahweh, der Gott des Alten Testaments. Außerdem richtet sich das Gebot gegen Polytheismus: Wir sollen nicht viele Götter haben, sondern nur einen.
Das ist also das erste Gebot. Dabei stand die Frage im Raum: Wem diene ich? Wofür lebe ich? Ich habe dazu noch einmal geschaut und beim letzten Mal nicht vorgelesen, möchte euch das aber nicht vorenthalten. Im kleinen Katechismus von Martin Luther, der bereits im Jahr 1529 diese Frage stellt, heißt es:
„Was sind denn die anderen Götter?“ Dann schreibt er: „Nicht allein die Götzen der Heiden, sondern alles, was wir außer dem wahren Gott und neben ihm in unserem Herzen als einen Gott halten, lieben und ehren.“
Wenn ihr euch erinnert, habe ich euch eine ganze Latte an unheiligen Dreieinigkeiten mitgebracht: von Erfolg, Geld und Macht über Sicherheit, Sorge und Rente bis hin zu Dingen wie Kunst, Kultur und Schöngeistigem.
Am Ende haben wir damit abgeschlossen, dass ich sagte: Das Ziel unseres Lebens soll sein, mit ganzem Herzen, ganzer Seele, ganzem Verstand und aller Kraft an dem einen lebendigen Gott zu hängen. Das war das erste Gebot.
Heute steigen wir in das zweite Gebot ein. In 2. Mose 20, den Versen 4 bis 6, stehen die zehn Gebote, und wir wollen weitermachen. Dort heißt es im zweiten Gebot:
„Du sollst dir kein Götterbild machen, auch keinerlei Abbild dessen, was oben im Himmel oder unten auf der Erde oder in den Wassern unter der Erde ist. Du sollst dich nicht vor ihnen niederwerfen und ihnen nicht dienen, denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott, der die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern, an der dritten und vierten Generation von denen, die mich hassen, der aber Gnade erweist an Tausenden von Generationen von denen, die mich lieben und meine Gebote halten.“
Darum wird es heute gehen.
Bedeutung und Kontext des zweiten Gebots
Und vielleicht geht es euch so, dass ihr sagt, wenn ihr das einmal so überfliegt: Jürgen, das Gebot hat mit meinem Leben eigentlich fast nichts zu tun. Worum geht es hier ganz wörtlich? Es geht darum, dass wir keine Götzenbilder machen sollen.
Auch an anderer Stelle wird dieses wörtliche Verbot noch einmal wiederholt, zum Beispiel in 3. Mose 26. Dort heißt es: Ihr sollt euch keine Götzen machen, und ein Götterbild und einen Gedenkstein sollt ihr nicht aufrichten.
Ich möchte einmal kurz sagen, dass das nichts damit zu tun hat, dass man im religiösen Zusammenhang nicht auch Kultur haben könnte. Die Kleidung der Priester war sehr schön, mit Stickereien, und auch der Tempel war reich ausgestattet. Das ist kein Verbot gegen Kunst im religiösen Kontext.
Gott ist definitiv nicht gegen Kunst oder gegen Schönheit. Kunstfertigkeit ist im Gegenteil ein Geschenk Gottes. Wenn ihr zum Beispiel im 2. Mose weiterlest, Kapitel 31, geht es um den Aufbau des Heiligtums, der Stiftshütte.
In 2. Mose 31, Vers 1 spricht der Herr zu Mose: „Siehe, ich habe mit Namen berufen“ – und dann kommen die Werkbaumeister, die Leute, die den Auftrag haben, verantwortlich die Stiftshütte zu bauen.
Da ist einmal Bezalel, der Sohn des Uri, des Sohnes Hures vom Stamm Juda. Gott sagt: „Ich habe ihn mit dem Geist Gottes erfüllt, mit Weisheit, Verstand und Können für jedes Kunsthandwerk. Pläne zu entwerfen, um in Gold, Silber und Bronze zu arbeiten, auch mit der Fertigkeit zum Schneiden von Steinen, zum Einsetzen und mit der Holzschnitzerei habe ich ihn begabt, damit er in jedem Handwerk arbeiten kann.“
Also begabt Gott Künstler, das muss uns klar sein. Gott sagt nicht: „Mach dir kein Götzenbild“ im Sinne von „Bitteschön, alle Kunst raus!“ Sondern Gott befähigt Menschen dazu, künstlerisch tätig zu sein.
Und trotzdem verbietet er die Anfertigung von Götzenbildern.
Warum Götzenbilder verboten sind – Praktische Überlegungen
Und wir müssen uns die Frage stellen: Warum sind Götzenbilder eigentlich nicht etwas unglaublich Praktisches?
Ich meine, so ein Götzenbild ist doch etwas, das bestimmte Eigenschaften Gottes auf anschauliche Weise darstellt. Nehmen wir zum Beispiel ein typisches Götzenbild, das jeder schon einmal gesehen hat – eine große Figur mit, sagen wir, jeweils fünf Armen links und rechts. Das ist doch super praktisch. Die abstrakte Idee, dass Gott viele Hände hat und irgendwie allmächtig ist, wird für einfache Geister in so einem Bild dargestellt.
Oder ein anderes Götterbild: Da hast du einen Kerl mit einem kräftigen Nacken und einem Stierkopf, der grimmig vor dir steht. Das ist doch angenehm, weil sofort klar wird, was gemeint ist. Mein Gott ist stark, mit ihm sollte man sich nicht anlegen. Das ist doch praktisch.
Vielleicht habt ihr auch schon Göttinnenstatuen gesehen, die einen ganzen Bauch voller Brüste haben. Das steht für Fruchtbarkeit. Gott gibt Fruchtbarkeit, Gott schenkt uns Leben. Da kann man wunderschön bestimmte Elemente des Göttlichen vergegenwärtigen.
Es ist so: Überall auf der Erde finden sich Götzenbilder. Heute ist das vielleicht etwas zurückgegangen, aber warum das so ist, müssen wir uns später überlegen. Wenn ihr euch ein wenig umschaut – meine Frau lernt gerade für eine Prüfung in Alter Geschichte – und man sich in diese Zeit vertieft und dann weltweit blickt, dann sieht man: In fast jedem Land dieser Welt könnt ihr reisen und findet von den Osterinseln bis nach China diverse wunderschöne oder auch weniger schöne Götterstatuen. Das ist irgendwie überall.
Warum also dieses Gebot? Warum verbietet Gott die Anfertigung von Götterbildern? Es scheint sich doch als Prinzip bewährt zu haben, um jemandem klarzumachen, wie Gott funktioniert. Götzenbilder dienen als didaktisches Mittel, um Gott vorzustellen. Und wir machen das nicht. Warum nicht?
Das Verbot der Götzenbilder und Gottes Eifersucht
Gott verbietet ganz klar, dass man sich ein Götterbild macht. Auch keinerlei Abbild dessen darf geschaffen werden, was oben im Himmel ist – also Sonne, Mond, Sterne – oder was unten auf der Erde ist. Dort gibt es allerlei Lebewesen, die man verehren könnte. Ihr habt bestimmt schon Mistkäfer gesehen, die angebetet werden. Zeus sieht ein bisschen wie ein Mensch aus, Diana wie eine Frau. Es gibt auch tierische Darstellungen, die manchen gefallen, zum Beispiel Elefantengötter oder andere Figuren. Ebenso werden Götter in den Wassern unter der Erde verehrt, etwa Fischgötter. Warum nicht?
In Zweite Mose 20 heißt es dazu: „Du sollst dich nicht vor ihnen niederwerfen und ihnen nicht dienen, denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott.“ Das ist der erste Grund, warum wir keine Götzenbilder machen sollen: Gott ist ein eifersüchtiger Gott. Vielleicht bist du jetzt ein bisschen überrascht, wenn ich sage, dass Gott eifersüchtig ist. Wir müssen aber verstehen, dass Eifersucht nicht immer schlecht ist. Eifersucht ist nur dann negativ, wenn ich auf etwas eifersüchtig bin, das mir nicht zusteht. Wenn ich jedoch eifersüchtig bin, weil ich ein Recht auf etwas habe und mir dieses vorenthalten wird, dann ist diese Eifersucht gerechtfertigt.
An einer anderen Stelle in der Bibel wird gesagt, dass Gottes Name eifersüchtig ist. Er ist ein eifersüchtiger Gott, weil er zu Recht die Anbetung und den Gehorsam des Volkes Israel verlangt.
Ich möchte das mit einem anderen Beispiel verdeutlichen: In Sprüche 6 warnt Salomo vor Ehebrechern. Wisst ihr, wovor er warnt? Er sagt: Wenn du mit der Frau eines anderen Umgang hast, dann zieh dich warm an. Denn der betrogene Ehemann und seine Eifersucht kennen keine Gnade. Das heißt, hier ist ein Mann, der das Recht auf die Liebe seiner Frau hat. Wenn du ihm dieses Recht wegnimmst, dann erlebst du jemanden, der zu Recht eifersüchtig ist.
In diesem Sinn ist Gott wie ein Ehemann, der sagt: Mir steht die Liebe meiner Frau zu, und ich lasse mir das nicht nehmen. Gott teilt seine Ehre mit niemandem, schon gar nicht mit Götzen.
Das Wort „Götze“ stammt aus dem Hebräischen. Luther hat es übersetzt, indem er das Wort „Gott“ in eine verniedlichende Form brachte und ein „z“ hinten anhängte – so entstand „Götze“. Im Hebräischen bedeutet das Wort, dass es sich um „Nichtse“ handelt, um Nichtiges, also eigentlich um nichts.
Gott lässt sich von selbstgemachten Götzen, von Nichtsen, nicht die Ehre nehmen. Er ist nicht wie ein kleines Kind, das im Supermarkt steht und sagt: „Hey, ich will aber die Schokolade!“ und dann herumjammert. Gott ist jemand, der sich hinstellt und sagt: „Ich habe ein Recht. Ich habe ein Recht auf Anbetung. Weil ich der allwissende Schöpfer und Retter bin, habe ich das Recht, dass mein Volk mich anbetet.“ Dieses Recht fordert er ein. Er ist ein eifersüchtiger Gott, der nicht zulässt, dass ihm dieses Recht vorenthalten wird.
Gottes Anspruch auf Ehre in Jesaja 42
Lasst uns gemeinsam Jesaja 42 lesen, zuerst die Verse 1 bis 9 und anschließend die Verse 10 bis 12.
Jesaja 42,1–9
Es ist ein beeindruckender Text, besonders weil er vom Herrn Jesus handelt. Allerdings möchte ich den Schwerpunkt hier nicht auf Jesus legen, sondern darauf, wie Gott an dieser Stelle über seine Ehre spricht und wie er sich selbst vorstellt.
Siehe, mein Knecht, den ich halte, meinen Auserwählten, an dem meine Seele Wohlgefallen hat! Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt. Er wird das Recht zu den Nationen hinausbringen. Er wird nicht schreien und seine Stimme nicht erheben, und man wird seine Stimme nicht auf der Straße hören. Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue bringt er das Recht hinaus. Er wird nicht verzagen noch zusammenbrechen, bis er das Recht auf Erden aufgerichtet hat. Und die Inseln warten auf seine Weisung.
So spricht Gott, der Herr, der die Himmel schuf und sie ausspannte, der die Erde ausbreitete und was auf ihr sprosst, der dem Volk auf ihr den Atem gab und den Lebenshauch denen, die auf ihr gehen:
„Ich, der Herr, habe dich in Gerechtigkeit gerufen und ergreife dich bei der Hand. Ich behüte dich und mache dich zum Bund des Volkes, zum Licht der Nationen, um blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker herauszuführen und aus dem Gefängnis, die in der Finsternis sitzen. Ich bin Jachwe, das ist mein Name, und meine Ehre gebe ich keinem anderen, noch meinen Ruhm den Götterbildern. Das Frühere, siehe, es ist eingetroffen, und Neues verkündige ich, bevor es sprosst, lasse ich es euch hören.“
Gott schickt seinen Knecht, seine Rettung. Er ist der, der die Himmel schuf, die Erde ausbreitete und allem Leben gibt. Er ist es, der die Dinge kennt, bevor sie eintreffen. Das ist auch ein Gottesbeweis an anderer Stelle: Jesaja 41,23 sagt: „Verkündet das später Kommende, damit wir erkennen, dass ihr Götter seid.“ Gott sagt: „Ich kann das, ich weiß, was kommt, und deswegen bin ich der alleinige Gott.“
Dann sagt er hier: „Ich teile meine Ehre nicht, schon gar nicht mit Götzen. Ich verdiene uneingeschränkte Bewunderung.“
Jesaja 42,10–12
Singt dem Herrn ein neues Lied, seinen Ruhm vom Ende der Erde! Es brause das Meer und seine Fülle, die Inseln und ihre Bewohner! Die Stimmen sollen sich erheben: die Steppe und ihre Städte, die Dörfer, die Keder bewohnt! Jubeln sollen die Bewohner von Sela, jauchzen vom Gipfel der Berge her! Dem Herrn sollen sie Ehre geben und seinen Ruhm aus den Inseln verkünden.
Das ist der Tenor: Gott sagt, ich bin da, ich bringe die Rettung. Ich bin der Schöpfer, ich bin der, der dir Leben gibt. Und jetzt erwarte ich von dir Ehre, Anbetung und Jubel. Das steht mir zu.
Wo jemand mir das vorenthält, wo jemand nicht begreift, dass der Mensch dazu geschaffen ist, Gott Ehre zu geben, und einfach sagt: „Nö, mach ich nicht“, da sagt Gott: Das geht nicht. Ich verdiene es, und ich möchte es haben.
Deshalb die erste Frage: Warum verbietet Gott, dass man Götzenbilder schafft? Das erste Argument lautet, weil er ein eifersüchtiger Gott ist, der sich nicht das Brot von der Stulle nehmen lässt. Er sagt einfach: Die Ehre für das, was hier passiert, gehört mir.
Und in dem Moment, wo jemand so ein Götterbild hinstellt und sagt: „Nö, das ist mein Gott“, sagt Gott: Das will ich nicht.
Selbstreflexion: Götzenbilder und moderne Götzen im Leben
Und die erste Frage, die wir uns stellen dürfen, auch wenn wir nicht in den Wald ziehen und sagen: „So, jetzt wollen wir hier mal einen Baum fällen und da schnitzen wir uns mal ein bisschen was. Hat jemand noch goldene Farbe? Ja, dann malen wir es schön an.“ Das machen wir ja alles nicht.
Aber die erste Frage, die wir uns in diesem Zusammenhang stellen dürfen, ist: Gibt es in unserem Leben Menschen oder Ideale, die unsere Aufmerksamkeit und Bewunderung so sehr fordern, dass Gott auf sie eifersüchtig sein könnte? Weil sie ihn vom Ehrenplatz unseres Lebens verdrängen.
Versteht ihr diese Frage? Gibt es in unserem Leben Menschen oder Ideale, die uns eigentlich wichtiger sind als Gott? Bei Menschen denke ich an meinen Ehepartner, ich denke an meine Kinder. Bei Idealen denke ich an Karriere, an Erfolg, an Macht.
Vielleicht aber auch nur, ein bestimmtes Aussehen zu erreichen oder einen bestimmten Bildungsgrad. Keine Ahnung, was dich antreibt. Gibt es da etwas in deinem Leben, wo Gott zu Recht sagen könnte: „Ich bin eifersüchtig auf diesen Punkt in deinem Leben“? Weil das eigentlich, wenn man es genau betrachtet, wie so ein Götzenbild ist. Du schenkst ihm Bewunderung, Ehre und irgendwie Anbetung – und nicht mir.
Das ist die erste von drei Fragen, die ich euch heute stellen möchte.
Götzendienst als Verführung und geistliche Gefahr
Die zweite Antwort auf die Frage, warum Gott Götzenbilder verbietet, findet sich erneut in 2. Mose 20,5. Gott verbietet Götzenbilder, weil diese zum Götzendienst verführen. Das Thema ist dabei etwas umfassender, was ich euch erklären möchte.
In 2. Mose 20,5 heißt es ausdrücklich: „Du sollst dich vor ihnen nicht niederwerfen und ihnen nicht dienen.“ Wie kommt ein Mensch eigentlich dazu, ein Götzenbild aufzustellen? Ist das wirklich eine ganz neutrale Sache? Vielleicht denkt man sich: „Ich möchte einfach etwas haben, das ich hinstellen kann. Ich brauche etwas zum Anfassen und denke mir dabei nichts Böses.“ Fragt man jedoch die Bibel, stellt man fest, dass die Antwort darauf Nein lautet.
Um das zu verstehen, müssen wir in den Römerbrief einsteigen. Im Römerbrief Kapitel 1 beginnen wir bei Vers 18. Wenn wir in diesem Jahr noch gemeinsam den Römerbrief behandeln, werde ich euch sagen, dass Paulus am Anfang das Evangelium predigt – und er beginnt mit der schlechten Nachricht.
In Römer 1,18 heißt es: „Denn es wird geoffenbart Gottes Zorn vom Himmel her über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten.“ Die schlechte Nachricht ist also, dass die Welt, in der wir leben, unter dem Zorn Gottes steht. Gott lässt den Menschen zwar gewissermaßen seinen Willen und erlaubt ihm, das Leben auszuleben, das in ihm steckt. Doch allein diese Tatsache, dass Gott den Menschen leben lässt, so wie er ist – mit all der Schlechtigkeit, die in ihm steckt –, ist bereits ein Ausdruck von Gericht und Zorn.
In Vers 28 heißt es weiter: „Und wie sie es nicht für gut fanden, Gott in der Erkenntnis festzuhalten“ – also sie haben Gott losgelassen –, „hat Gott sie dahingegeben, in einem verworfenen Sinn zu tun, was sich nicht geziemt.“ Gott muss den Menschen also gar nicht groß bestrafen. Es reicht völlig aus, wenn der Mensch sagt: „Ich möchte ohne dich leben.“ Und Gott antwortet: „Okay, dann probier es.“ Der Mensch erntet, was er sät.
Aus dem kaputten und sündigen Inneren seiner verlorenen Existenz kommt all das hervor, was unsere Welt heute prägt.
Gottes Offenbarung in der Schöpfung und menschliches Versagen
Jetzt stellt sich die Frage, warum Gott eigentlich zornig ist. In Römer 1,19-20 heißt es: „Denn das, was von Gott erkennbar ist, ist unter ihnen offenbar; Gott hat es ihnen offenbart. Sein unsichtbares Wesen, nämlich seine ewige Kraft und Göttlichkeit, wird seit Erschaffung der Welt an den Werken erkannt, sodass sie keine Entschuldigung haben.“
Das ist ein sehr interessanter Punkt. Der Schöpfer wird in der Schöpfung gesehen und wahrgenommen. Ich habe versucht, mir zu überlegen, wie ich das erklären kann.
Bärbel und ich waren vor zwei, drei Wochen in der Liebermann-Villa. Ich weiß nicht, ob jemand schon einmal am Wannsee in der Liebermann-Villa war. Das ist ein kleines Häuschen mit ein paar Bildern von Max Liebermann, vielleicht der bekannteste deutsche Impressionist.
Man geht hinein, liest ein wenig über Max Liebermann und stellt fest, dass sein erstes bekannteres Bild, das er 1871/72 gemalt hat, „Die Gänserupferinnen“ ist. Damals gab es einen riesigen Aufstand darüber – wie kann man so etwas malen und so weiter.
Wenn man vor diesem Bild steht, denkt man ganz natürlich: Dieses Bild hat jemand gemalt. Jemand hat sich vorher Gedanken gemacht, wie man die Farben anmischt, wie man die Perspektive einfängt und welches Motiv passen könnte. Das Bild provoziert auch ein wenig. Es war seine Abschlussarbeit an der Universität, also wollte er schon ein bisschen einen Skandal auslösen. Man sieht, dass viel Arbeit, Kreativität, Know-how und Können dahinterstecken. Es ist völlig normal, so zu denken.
Wenn jemand käme und sagen würde: „Entschuldigung, das sind einfach nur Farbpartikel, die zufällig aufs Bild gefallen sind. Niemand weiß genau, woher das kommt, aber plötzlich ging jemand in den Garten, da lag das Bild auf der Erde, und plopp, da war es“, dann würde jeder sagen: Quatsch, Unsinn! Es muss einen Maler geben. Wo ein Bild ist, gibt es einen Maler.
Genauso ist es bei anderen Dingen: Wo es ein Auto gibt, gibt es einen Ingenieur dahinter. Autos entstehen nicht dadurch, dass man eine große Menge Autoschrott über Millionen Jahre schüttelt. So entstehen keine Autos.
Wo es ein Buch gibt, glauben wir an einen Autor. Wo es ein Programm gibt, glauben wir an einen Programmierer.
Paulus sagt also, es ist kein weit entfernter Gedanke, dass man, wo eine Schöpfung ist, an einen Schöpfer glaubt. In der Schöpfung offenbart sich tatsächlich Gott. Nicht alles von Gott, aber doch so viel, dass man erkennt: Gott ist ein Schöpfer mit ewiger Kraft. Das heißt, eine Kraft, die über Raum und Zeit hinausreicht, weil sie Raum und Zeit geschaffen hat.
Außerdem ist Gott kein Mensch, sondern anders als der Mensch, göttlich.
Deshalb kannst du jetzt, und ich rate dazu, wieder im Wald spazieren gehen. Du kannst die kleinen Knospen sehen, die gerade aufbrechen, und sagen: Ja, es wird Frühling. Du kannst die Sonne genießen oder dir den Sonnenuntergang anschauen und sagen: Hier ist jemand am Werk, der mit unglaublicher Kreativität, mit großem Know-how und einer Genialität, die alles übersteigt, was wir uns an Menschen auch nur annähernd vorstellen können, diesen blauen Planeten mitten im Nichts aufgehängt hat.
Und wir Menschen strengen uns seit ein paar tausend Jahren an, ihn möglichst schnell kaputt zu machen. Und trotzdem ist es uns noch nicht gelungen. Das ist doch Wahnsinn.
Paulus sagt: „Weil das von Gott Erkennbare unter ihnen offenbar ist, nämlich in der Schöpfung, sind sie ohne Entschuldigung.“ Wofür? Vers 21: „Denn obwohl sie Gott kannten, verherrlichten sie ihn nicht als Gott und dankten ihm nicht, sondern ihre Gedanken wurden töricht, und ihr unverständiges Herz wurde verfinstert.“
Seht ihr, was die zwei grundlegenden Verpflichtungen des Menschen sind? Wenn du durch den Wald gehst und sagst „Wow“, dann sagt Gott: Schön, dass es dir gefällt. Jetzt hätte ich gerne ein bisschen Dank und Anbetung.
Das ist nicht weit hergeholt. Wenn du vor einem Bild stehst und sagst „Wow“ und der Künstler steht daneben – ich rede jetzt nicht von Max Liebermann, sondern von einer modernen Vernissage –, dann darfst du dem Künstler ruhig die Hand schütteln und sagen: „Haben Sie gut gemacht, gefällt mir.“ Das gehört sich einfach.
Genauso erwartet Gott Verherrlichung und Dank von seinen Geschöpfen. Wir sind wirklich dazu verpflichtet, aber der Mensch tut das nicht.
Die menschliche Neigung zum Götzendienst
Und jetzt gerät der Mensch in ein Dilemma. Dilemma? Ja, wenn man in einer Spannung steht, wenn etwas nicht stimmt.
Auf der einen Seite ist der Mensch von Gott gemacht. Gott hat in ihm das Potenzial zur Anbetung gelegt. Gleichzeitig steckt in ihm ein Stück, das immer einem Höheren folgen muss. Ein Mensch kann nicht einfach sein wie ein Hund.
Ich finde Hunde toll, denn wenn sie nichts zu tun haben, legen sie sich in die Ecke und schlafen. Hunde scheinen nie gelangweilt zu sein. Sie können einfach in der Ecke liegen und schlafen, dann gehen sie Gassi und legen sich wieder hin, um zu schlafen. Wenn sie männlich sind, haben sie zwischendurch noch andere Bedürfnisse. Aber ansonsten liegt ihr Leben aus Fressen und Schlafen. Hunde sind total entspannt. Sie haben nie das Problem, sich zu langweilen, weil sie kein Buch lesen oder ein Bild malen müssen oder spielen. Sie liegen einfach da.
Ein Mensch schafft das nicht. Wenn man einem Menschen ein Jahr Urlaub schenken würde, wäre das wahrscheinlich die Hölle auf Erden. Denn man kann zwar eine Woche oder zwei ausspannen, aber irgendwann muss man wieder etwas zu tun haben. Als Mensch muss man sein Leben für etwas leben. Man muss seinem Leben Sinn geben und sagen: Dafür bin ich da, das will ich erreichen.
In jedem Menschen steckt der Wunsch, kreativ zu sein. Es steckt der Wunsch darin, etwas voranzubringen und zu wissen, wofür man da ist. Du bist kein Hund, du bist Mensch.
Das Dilemma entsteht dadurch, dass der Mensch ohne Gott nicht leben kann. Er braucht etwas Höheres, dem er sein Leben weiht. Wenn er den Schöpfer ablehnt, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich an etwas anderes zu hängen und dieses zu seinem Gott zu erklären.
In den Versen 22 und 23 heißt es: „Da merkt man auch schon etwas von dem verfinsterten Herzen: Indem sie sich für weise ausgaben, sind sie zum Narren geworden und haben die Herrlichkeit des unverweslichen Gottes verwandelt in das Gleichnis oder in das Abbild eines Bildes vom verweslichen Menschen und von Vögeln und von vierfüßigen und kriechenden Tieren.“
Das ist passiert: An die Stelle des lebendigen Gottes tritt totes, verwesliches Holz. Da treten Steinabbilder von Tieren, Menschen und anderem.
Das heißt: Dort, wo der Mensch nicht bereit ist, den Schöpfer in der Schöpfung zu erkennen und sagt: „Nein, ich will das nicht“, entsteht unser Grundproblem. Wir werden als Menschen mit einer inneren Neigung zur Rebellion gegen Gott geboren. Die Bibel nennt das Sünde.
Wenn wir diese Sünde ausleben, landen wir im Unverstand, in der Narretei und im Götzendienst.
Götzenbilder im Kontext des christlichen Glaubens
So, das ist die eine Seite der Medaille. Wie entstehen diese Götzenbilder? Sie sind eigentlich das Resultat einer Entwicklung weg von Gott.
Nun gibt es eine zweite Seite, die wir in 1. Korinther 8 finden. Ich möchte mit Vers 4 beginnen. 1. Korinther 8 dreht sich um die Frage: Dürfen Christen in Tempeln an heidnischen Festen teilnehmen?
Man muss wissen, dass ein heidnischer Tempel eine Mischung aus Kirche und Restaurant war. Man konnte dort sowohl eine Familienfeier abhalten als auch an einem Götzendienst teilnehmen. Das Fleisch, das auf dem Markt verkauft wurde, wurde oft vorher noch im Tempel geweiht. Das ist also ein großes Problem. Wenn jemand zum Glauben kommt, darf er dann eigentlich noch in so einen Götzentempel gehen?
Auf der einen Seite heißt es in 1. Korinther 8,4: „Was nun das Essen von Götzenopferfleisch betrifft, so wissen wir, dass es keinen Götzen in der Welt gibt und dass kein Gott ist als nur einer.“ Du hast da eine Statue, die kann noch so groß sein – ist das ein Gott? Die Antwort lautet: Nein, da steckt kein Gott dahinter.
Auf der anderen Seite heißt es in 1. Korinther 12,2: Die Korinther wissen sehr wohl aus der Zeit, als sie Götzendiener waren, dass so ein Götzenbild nicht einfach nur ein Stück Stein oder Holz ist. „Ihr wisst, dass, als ihr zu den Heiden gehörtet, ihr zu den stummen Götzenbildern hingezogen, ja, fortgerissen wurdet.“
In 1. Korinther 10,19-22 geht Paulus auf ein Problem ein, das sich hinter den Götzenbildern verbirgt: das Problem, dass wir in einer Welt leben, in der reale, antigöttliche Mächte Götzenbilder und Religionen missbrauchen – und wahrscheinlich sogar einführen –, um das Denken der Menschen zu versklaven. Dort heißt es: „Was sage ich nun? Dass das einem Götzen Geopferte etwas sei? Nein! Der Götze an sich hat keine Realität, da steckt kein wirklicher Gott dahinter. Und trotzdem geht von dem Götzenbild eine reale geistliche Macht aus.“
Wir könnten auch sagen: Ich mache okkulte Erfahrungen, wenn ich mich darauf einlasse. Warum? Weil das, was sie opfern, sie den Dämonen opfern und nicht Gott. Paulus schreibt: „Ich will aber nicht, dass ihr Gemeinschaft habt mit den Dämonen. Ihr könnt nicht den Kelch des Herrn trinken und den Kelch der Dämonen. Ihr könnt nicht am Tisch des Herrn teilnehmen und am Tisch der Dämonen.“
Der Gedanke kommt euch vielleicht bekannt vor: „Oder wollen wir den Herrn zur Eifersucht reizen? Sind wir etwas stärker als er?“ Die Frage, ob ich an so einer Mahlzeit teilnehmen darf, ob ein Götzenbild etwas ist, beantwortet sich nicht allein aus der Substanz des Götzenbildes, sondern aus dem, was dahinter steckt – an geistlichen Mächten.
Der schöpfungsbedingt auf Anbetung gepolte Mensch wird eine leichte Beute für Dämonen. Ich möchte hier sagen: Okkulte Erfahrungen sind nicht alle Scharlatanerie, obwohl es viel Scharlatanerie gibt. Aber da ist manches dabei, was echt ist. Es gibt eine unsichtbare Welt, die sich darin gefällt, dem Menschen zu schaden.
Götterbilder, Götzenbilder sind ein Einstieg, um Menschen zu versklaven. Deswegen heißt es mehrfach: Flieht den Götzendienst! Und deswegen auch 2. Mose 20,5, was wir gelesen haben: Es ist verboten, du sollst dich vor ihnen nicht niederwerfen und ihnen dienen.
Gott weiß, wie der Mensch gepolt ist und wie gefährlich es ist, wenn er sich auf irgendeine Weise auf so ein Götzenbild einlässt. Ich denke, ihr seid an dieser Stelle relativ wenig von diesem Punkt betroffen.
Aber es gibt auch im christlichen Bereich so etwas, dass Talismane und ähnliche Anklänge von Götzenbildern wieder hineinrutschen. Sie finden über Volksfrömmigkeiten Zugang auch zum Christentum. Und da wundert man sich manchmal, was Leute bei sich zu Hause hängen haben und wem sie vertrauen.
Selbstreflexion: Wem gilt meine Anbetung?
Deshalb eine zweite Frage: Wem erweise ich Verherrlichung und Lob? Bin ich mir sicher, dass es Gott ist? Wem oder was gilt meine Bewunderung und mein Dank?
Gott sagt: Ich teile meinen Dank mit niemandem, denn ich bin der Schöpfer.
Das Problem ist: Wenn im Zentrum meiner Dankbarkeit kein Platz für Gott ist, werde ich irgendwann anfangen, an seiner Stelle anderen Göttern nachzulaufen. Dieses Prinzip gilt immer.
Dort, wo ich Gott nicht anbete – aus welchem Grund auch immer – werde ich irgendwann zum Götzendiener.
Der dritte Grund: Gott ist nicht darstellbar
Ein letzter, dritter Grund, warum Gott gegen Götzenbilder ist: Gott ist dagegen, weil ein Götzenbild ihn gar nicht repräsentieren kann. Gott ist nicht darstellbar.
Ich kann den Schöpfer von Himmel und Erde mit nichts abbilden, was auf der Erde herumläuft. Das geht einfach nicht. Ein Götzenbild wird immer eine menschliche Vorstellung bleiben und niemals Gott entsprechen.
Nun möchte ich etwas zu uns sagen. Ich habe es ja vorhin schon erwähnt: Keiner von uns denkt sich, „Ach, das wäre doch toll, ich fühle mich hier so wohl, und die Gemeinde ist vielleicht ein bisschen karg eingerichtet.“
Einer von euch hat bestimmt einen großen Wald, jemand hat eine Kettensäge, und dann sagt man: „Komm, wir gehen mal in den Wald.“ Und nächsten Sonntag steht hier so ein großer Stamm, in den etwas hineingeschnitzt ist. Auf so einen Gedanken kommt ja keiner von uns.
Deshalb ist dieses „Du sollst dir kein Götterbild machen“ auch so weit weg.
Moderne Götzenbilder und Gottesvorstellungen
Ich möchte jetzt mit euch über modernen Götzendienst sprechen und dabei mit der Frage beginnen: Wie stellst du dir Gott vor?
Das erste Gebot lautet: Wer ist der Gott in deinem Leben?
Das zweite Gebot fragt: Wie stellst du dir Gott vor?
Götzenbilder sind immer ein Versuch, die eigene Vorstellung von Gott zum Ausdruck zu bringen. Auch wenn wir heute nicht mehr in den Wald gehen, habe ich manchmal den Eindruck, dass in der Christenheit sehr merkwürdige Vorstellungen von Gott kursieren.
Vielleicht würden wir uns keinen Buddha in die Ecke stellen. Aber es kann leicht passieren, dass der immer freundlich lächelnde Buddha – ihr wisst schon, der so friedlich und zufrieden in der Ecke sitzt, niemandem wehtut und gemütlich sein Bäuchlein schaukelt – eigentlich unsere Vorstellung von Gott ist. Dass wir uns so einen Gott wünschen.
Wenn wir dann die Bibel lesen, erschrecken wir an manchen Stellen. Vielleicht sind wir sogar aktiv damit beschäftigt, bestimmte Verhaltensweisen, die uns in der Bibel von Gott begegnen, oder bestimmte Eigenschaften, die uns bei Gott nicht passen, bewusst wegzudrücken. Wir wollen gar nicht darüber nachdenken und stricken uns in Wirklichkeit unser eigenes Bild von Gott.
Das ist meine Angst beim zweiten Gebot: Dass wir uns keine Götzenbilder aus Holz schnitzen, aber in Gedanken einen Gott zusammensetzen, der uns passt. Dass wir sozusagen Götzendienst auf hohem intellektuellen Niveau betreiben. Ich brauche da nichts zum Anschauen, aber ich habe im Kopf etwas.
Überall dort, wo ich anfange, mir meinen eigenen Gott zusammenzubasteln, werde ich zu einem Götzendiener. Dann diene ich einem Gott, den es nicht gibt.
Vier falsche Gottesbilder
Ich möchte euch zum Schluss vier Konzepte vorstellen, die mir in meinem bisherigen Leben begegnet sind und die mir Menschen über Gott erzählt haben. So ist Gott – so sagen sie.
Da gibt es zum Beispiel den Himmelspolizisten. Wir hatten das vorhin schon: Gott als der große Himmelspolizist, der Spaßverderber, der alles verbietet, was irgendwie Erfüllung bringt – Reichtum, freier Sex, ein bisschen Exzesse. Einer, vor dem man sich immer ein bisschen verstecken muss. Den man mit stiller Zeit und der richtigen Performance nach außen zufriedenstellen kann. Doch letztlich bleibt er unberechenbar und scheint eine himmlische Freude daran zu haben, uns beim Sündigen zu erwischen. Es gibt Menschen, die haben genau diese Vorstellung von Gott und sagen: Das ist Gott.
Eine weitere Vorstellung, die ebenfalls weit verbreitet ist und mir oft begegnet, ist Gott als Kaufmann. Man könnte auch sagen: Gott als Colaautomat. Jemand, mit dem man handeln kann. Ich bete, gebe dir ein paar gute Taten, und dafür gibst du mir das ewige Leben. Ich gehe in den Gottesdienst, und dafür lässt du mein Leben gelingen. So funktioniert das ein bisschen: Du steckst oben in diesen Colaautomaten deine Gebetsmünze rein, und unten kommt dann die Erhörung heraus. Das ist ein Gottesbild, bei dem ich mit Gott ein bisschen umgehen kann, als wäre er ein Kaufmann. Wir können auch manchmal ein bisschen schachern und handeln.
Dann gibt es die Vorstellung von Gott als Opa mit dem langen Bart. „Gott ist Liebe, und zwar so viel Liebe, dass es fast egal ist, was ich tue. Gott wird mir nie wehtun, mich nie zur Hölle verdammen, mich nie richten. Und wie mein Opa wird er zwar immer ein bisschen rumschimpfen, aber am Ende doch den Geldbeutel zücken und dem Enkelchen das geben, was er haben will.“ Gott ist Liebe. Das war der Buddha-Gott, habt ihr gemerkt? Gemütlich eine Ecke wützend, sein Bäuchlein schaukelnd, und dann ist alles gut. Auch das ist ein Götze, eine falsche Vorstellung.
Oder das letzte, von dem ich euch nur vier vorstellen wollte: Der Uhrmachergott. Gott ist ein Uhrmacher. Er hat die Welt einmal geschaffen, sie wie ein riesiges Werk aufgezogen. Jetzt läuft das Uhrwerk langsam ab, und was hier passiert, ist ihm eigentlich ziemlich egal. Gott hat das Ganze angeschubst, sich zurückgezogen, und jetzt stehen wir mit dem Schlamassel alleine da. Auch das ist eine Vorstellung von Gott.
Und jetzt werdet ihr vielleicht sagen: „So extrem denkt doch keiner von uns!“ Das kann sein. Aber wie viel Prozent Himmelspolizist steckt in deinem Denken? Wie viel Prozent Kaufmann? Wie viel Prozent Opa? Wie viel Prozent Uhrmachergott?
Die Herausforderung, Gott wirklich kennenzulernen
Ich möchte sagen, dass ich glaube, eine der wirklich großen Herausforderungen im Leben – gerade als Christ – besteht darin, Gott als den kennenzulernen, der er wirklich ist. Vielleicht ist das sogar die größte Herausforderung überhaupt.
Im Neuen Testament wird unser Leben und unser Lebensziel immer wieder so definiert, dass es darum geht, Gott zu erkennen. Ewiges Leben besteht darin, Gott zu erkennen. Dabei möchte Gott als der erkannt werden, der er tatsächlich ist.
Gott hat viele Seiten, die sich ergänzen. Er hat Charakter. Man kann ihn nicht mit zwei oder drei Schlagwörtern beschreiben, in eine Schublade stecken und dann sagen: „Jetzt weiß ich alles über Gott.“ Ich glaube, Gott ist so komplex, dass er irgendwann unser Denken sprengt.
Im Blick auf die Errettung sagt Gott selbst einmal in Jesaja 55: „Denn so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.“ Wenn du dich mit Gott beschäftigst, wirst du nie an ein Ende kommen und niemals sagen können: „Jetzt habe ich es verstanden.“
Trotzdem möchte Gott, dass du dich darauf einlässt und wirklich darauf achtest, dass nicht der Zeitgeist oder das neueste Buch auf dem christlichen Buchmarkt dein Bild von Gott prägt.
Gott ist bestimmt kein Himmelspolizist, der uns den Spaß verdirbt. Sonst hätte er als sein erstes Wunder nicht 800 Flaschen besten Rotwein für eine Hochzeit gemacht. Und jeder, der guten Rotwein zu schätzen weiß, weiß auch, was 800 Flaschen kosten. Einfach mal übertragen: Da legt er 15 bis 20 Euro auf den Tisch und sagt: „Kein Problem, damit die Feier weitergehen kann.“ Das ist unser Gott.
Wenn du denkst, er sei ein Himmelspolizist, dann bestimmt nicht. Aber er ist auch kein Kaufmann, mit dem man handeln kann. Er will unser ganzes Leben, unser ganzes Herz, unsere ganze Existenz. Er will nicht nur die Reste, die ich noch verscherbeln kann, weil ich nichts mit ihnen anzufangen weiß.
Er ist bestimmt auch nicht der Operngott mit dem Bart. Wir haben gelesen, dass er heute schon seinen Zorn über alle Ungerechtigkeiten ausgießt und damit fortfahren wird, bis alle Ungerechtigkeit gerichtet ist und ein neuer Himmel und eine neue Erde geschaffen sind, in der Gerechtigkeit wohnt.
Gott ist auch kein Uhrmachergott, der sich zurückgezogen hat. Er ist Mensch geworden. Er hat in diesem Moment Interesse an uns. Jetzt ist Gott im Himmel dabei, schaut mitten in die Herzen hinein und sagt: „Jetzt ist das Angebot da, jetzt ist die Zeit, Buße zu tun. Jetzt möchte ich Menschen retten.“
Auch wenn das aus menschlicher Sicht vielleicht ein bisschen seltsam klingt – Gott fiebert mit. Er ist nicht passiv und wartet darauf, sondern heute möchte er Menschen retten. Genau heute, einzelne Menschen – das ist unser Gott.
Er vergibt Menschen und schenkt neues, ewiges Leben. Er ist nicht fern, sondern so, wie Paulus sagt: In ihm leben, weben und sind wir.
Die persönliche Beziehung zu Gott als Schutz vor Götzendienst
Aber wie ist Gott, wenn er kein Himmelspolizist, kein Kaufmann, kein Opa und kein Uhrmacher ist? Wie ist er denn dann? Diese Frage zu beantworten, ist unsere Aufgabe. Deshalb lesen wir die Bibel, um Gott als Person zu erkennen.
Deshalb leben wir unser Leben so, wie wir es leben, denn unser Leben ist das Mittel, um Gott zu erkennen. Ich gehorche Gott, um in dem Moment, in dem ich gehorsam bin, etwas von Gott zu verstehen. Denn dort, wo ich gehorsam den Weg mit ihm gehe, wird er mir nahe. Die Beziehung wächst, ich verstehe ihn besser und erlebe kuriose Dinge. Zum Beispiel fühle ich mich in Situationen, in denen es mir eigentlich sehr schlecht geht, trotzdem sauwohl. Dann frage ich mich: Wie passt das zusammen? Und ich sage, es steht so in der Bibel.
Oder ich bin niedergeschlagen, und in der Bibel steht: Wenn du die Bibel liest, wirst du wieder glücklich oder zumindest ein bisschen happy. Dann denke ich mir: Okay, probiere ich das mal aus. Ich lese die Bibel und merke am Ende des Tages: Ja, es stimmt. Ich spüre, wie Gott mit mir umgeht, und ich lerne ihn kennen.
Meine erste Frage war: Wer sitzt auf dem Thron meines Lebens? Gibt es in unserem Leben Menschen oder Ideale, die unsere Aufmerksamkeit und Bewunderung so sehr fordern, dass Gott eifersüchtig sein könnte? Weil sie ihn vom Ehrenplatz unseres Lebens verdrängen.
Das war meine erste Frage. Meine zweite Frage lautete: Wen bete ich an? Wer bekommt meine Bewunderung und meinen Dank? Und jetzt kommt die dritte Frage: Kenne ich Gott wirklich? Oder habe ich nur eine vage Vorstellung von ihm und bin eigentlich ganz zufrieden damit, ihn nicht weiter kennenlernen zu müssen? Weil ich ahne, dass er auch ein paar sehr komische und erschreckende Seiten hat.
Wie sieht das aus? Aber Vorsicht! Wenn ich diesen Gedanken habe, lauert an der nächsten Ecke der Götzendienst. Denn dann fange ich an, mir meinen Gott so zu stricken, wie er mir passt.
Und ganz ehrlich: Jeder, der verheiratet ist, weiß, dass das schon in der Ehe nicht funktioniert. Wenn ich mir meinen Partner so forme, wie ich ihn haben will, wird meine Ehe nie glücklich. Irgendwann muss ich anfangen zu sehen, wen ich wirklich geheiratet habe. Das gehört dazu. Und irgendwann muss ich das annehmen und sagen: Okay, meine Frau weiß ein Lied davon zu singen, wie überraschend das an manchen Stellen sein kann. Wenn man dann fragt: Wie, das bist du? Ehrlich? Ja, sage ich, so bin ich. Tut mir leid, hätte ich dir vielleicht vorher sagen müssen, habe ich aber nicht. Und von daher musst du jetzt damit leben.
Diese Entdeckungsreise – sich aufzumachen, Gott kennenzulernen, ihn tiefer zu verstehen, eine engere Beziehung zu leben und sich in diese Gemeinschaft hineinzuwurzeln, wie ein Baum sich in tiefes Erdreich wurzelt – das ist Christsein.
Und das ist der Schutz vor dem modernen Götzendienst, in den wir fallen können, auch wenn wir keine Bäume abschneiden und schnitzen.
Amen.