Liebe Schwestern und Brüder,
die Gemeinde des Herrn Jesus Christus ist von einer großen Schar von Menschen umgeben, die einmal dabei waren. Wenn man als Pastor Hausbesuche macht, auch bei Leuten, die für uns zunächst Außenstehende sind, hört man oft: „Ja, ich war früher auch im CV, ich habe früher im Bläserchor mitgespielt, ich war im Jugendchor, im Kindergottesdienst – das war schön – und ich bin auch auf die Freizeit mitgegangen. Ja, aber jetzt nicht mehr so.“
Es gibt Millionen, die einmal dabei waren, deren Glaube jedoch eingeschlafen ist oder die abgefallen sind. Dabei entdecken wir vielleicht selbst gar nicht, wo bei uns Stagnation oder Stillstand herrscht. Wo wir infiziert sind von dem Geist, der in der Luft liegt. Der Apostel Paulus sagt, schlimmer als der Grippevirus sind Zweifel, Einsprüche und Egoismus.
Der Herr Jesus hat in seinen Abschiedsreden gewarnt: Schlimmer als Hunger, Pest, Verführung und Kriege ist, dass sie verführen werden. Ich sage es mal so: Verführung ist schlimmer als Kriege, Kriegsgeschrei, Hunger und Erdbeben.
Ich habe eine Diakonisse in Ulm kennengelernt, in der Frauenklinik, die im Hitlerstaat aus dem Diakonissenmutterhaus ausgeschlossen wurde und zur „braunen Schwester“ wurde. Hitler hat auch mit solchen NS-Schwestern angefangen. Sie sagte später zu mir: „Wenn wir tiefer im Wort Gottes und im Glauben gegründet gewesen wären, hätte es uns nicht hinausspülen dürfen.“
Deshalb stellt sich für uns die Frage: Sind wir wirklich gegründet? Geht unser Weg tiefer in den Glauben? Oder lassen wir uns mit dem zufrieden, was wir haben? Oder sind wir schon infiziert von Zweifeln und Genügsamkeit?
Die Gefahr der Verführung und die Notwendigkeit der geistlichen Standfestigkeit
Der Apostel Paulus hat in seinem Brief an die Gemeinde in Epheser 4,14-15 das, was ihm von Jesus als wichtig vermittelt wurde, aufgenommen: "Lasst euch nicht verführen."
Wir sollen nicht mehr unmündig sein. Der Pfarrer hat gesagt, oder ein Professor hat einmal gesagt, oder es gibt jetzt einen Referenten, doch wir sollen nicht mehr unmündig sein. Wir müssen selbst wissen, was wahr ist, und uns nicht von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen.
Denn durch das trügerische Spiel der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen, werden wir leicht fehlgeleitet. Verführung ist nicht dumm, sie ist einleuchtend und faszinierend. Wir wollen uns nicht treiben lassen von jedem Wind einer Lehre, sondern lasst uns wahrhaftig sein in der Liebe und in allen Stücken zu dem hinwachsen, der das Haupt ist: Christus.
Wir sollen immer mehr mit diesem Jesus verbunden sein.
Auch der Apostel Judas, dessen Brief im Neuen Testament weniger bekannt ist und nur ein Kapitel umfasst, hat dieses Anliegen von Jesus aufgenommen. Er schreibt: "Ich hielt es für nötig, euch zu ermahnen, dass ihr für den Glauben kämpft und eintretet, der ein für allemal den Heiligen überliefert ist."
Am Glauben ist nichts zu modernisieren. Dass Jesus gestorben und auferstanden ist, dass er Herr ist, dass er vor dem Vater eintritt – was soll sich daran verändern? Tretet für den Glauben ein und bleibt dabei!
Denn es gibt viele, die die Gnade unseres Gottes für ihre Ausschweifungen missbrauchen. Es ist doch schön, wenn zwei Männer, die einander lieben, auch zueinander finden. Ihnen sollte man doch den Segen nicht vorenthalten. Und zwei Frauen, die miteinander ihren Weg gehen wollen – warum sollte man ihnen den Segen verweigern?
Sie missbrauchen jedoch die Gnade unseres Herrn Jesus für ihre Ausschweifungen und verleugnen unseren alleinigen Herrscher und Herrn Jesus Christus. Sie weiden sich selbst. Sie sind Wolken ohne Wasser, vom Wind umhergetrieben, kahle, unfruchtbare Bäume, zweimal abgestorben und entwurzelt. Sie sind wilde Wellen des Meeres, die ihre eigene Schande ausschäumen.
In der Bibel steht von ihnen, dass sie umherirrende Sterne sind, deren Los die dunkelste Finsternis in Ewigkeit ist. Sie reden stolze Worte und schmeicheln den Leuten um ihres eigenen Nutzens willen. Diese sind es, die Spaltungen hervorrufen, niedrig Gesinnte, die den Geist nicht haben.
Ihr aber, meine Lieben, erbaut euch auf euren allerheiligsten Glauben und betet im Heiligen Geist. Erbarmt euch derer, die zweifeln. Habt Geduld mit ihnen.
Der aber, der euch vor dem Straucheln behüten kann und euch untadelig stellen wird vor das Angesicht seiner Herrlichkeit mit Freuden, dem alleinigen Gott, unserem Heiland, sei durch Jesus Christus Ehre, Majestät, Gewalt und Macht vor aller Zeit, jetzt und alle Ewigkeit.
Er kann mich bewahren vor dem Straucheln. Nicht vor dem Stolpern – da passiert manches. Ich habe mir kurz nach Weihnachten in Berlin beim Stolpern die Kniescheibe gebrochen. Aber ich werde nicht in den Unglauben hineinstolpern, und die faszinierende Irrlehre wird mich nicht zum Stolpern bringen.
Christliches Zeugnis als Licht in einer dunklen Welt
Aber vielleicht ist die allerschönste Stelle in Philippa II. Paulus schreibt an die ihm so besonders geliebte Gemeinde in Philippi. In Philipper 2,15 heißt es: „Seid ohne Tadel und lauter, seid Gottes Kinder, ohne Makel, mitten unter einem verdorbenen und verkehrten Geschlecht, unter dem ihr scheint als Lichter in der Welt, dadurch dass ihr festhaltet am Wort des Lebens.“
Es geht immer wieder darum, was uns gestern wichtig wurde: Werde wach und stärke das andere, das sterben will. Ihr sollt Positionslichter sein für die anderen, die umherirren und nicht mehr wissen, was richtig ist. Ihr scheint als Lichter mitten in einer finsteren Welt, für die anderen, die Wegweisung brauchen.
Keine Sorge, ich will nicht das aufwärmen, was im Buch zu lesen ist, ich will keine Wetterfahne sein. Aber das deutlich machen – der schwäbische Liederdichter Philipp Friedrich Hiller, der „Jesus Christus herrscht als König“ geschrieben hat, sagte einmal:
„Großer Gott, wie herrlich bist du! Wenn die Ärgernisse hereinbrechen, wie verderbenbringende Fluten, dann erwächst dir noch Menschen, die feststehen und an denen sich andere festhalten können wie an einem rettenden Pfeiler.“
Großer Gott, darum geht es: als Lichter in der Welt zu sein. Oder als ein paar, die feststehen, an denen sich andere festklammern können – an ihrem Glauben, an ihrer Gewissheit, an ihrer Wegweisung. Dazu sind wir berufen. Nicht starrsinnig, nicht überheblich, sondern, wenn uns Gott das schenkt, liebevoll, einladend, aber als Positionslichter.
Persönliche Erfahrungen als Ermutigung zum Glauben
Ich muss sehr viel auch persönlich erzählen, damit klar wird: Am 10. November 1938, nachdem in der Nacht die Synagogen gebrannt hatten und die jüdischen Geschäfte geplündert waren, war mein Vater Lehrer an der höheren Fachschule für Mädchen, für Handel in Stuttgart.
Er hatte mit seinem Kollegen, Doktor Grünholz, einem Christen, vereinbart, dass sie es ihren Schülerinnen und Schülern sagen müssen: Was in jener Nacht geschehen ist, ist Unrecht. Doktor Grünholz hat es gesagt und kam ins Konzentrationslager, weil er sofort von seinen Schülerinnen verpfiffen wurde.
Mein Vater hat es ebenfalls gesagt. Ich sehe noch den Direktor Egerer vor mir, wie er, sein Chef, heraufstürmte. Wir wohnten oben in der Schule, im vierten Stock. Der Direktor schrie meine Mutter ohne Gruß an: „Jetzt kann ich Ihren Mann nicht mehr schützen.“ Er war sofort zu ihm durchgedrungen.
Mein Vater sagte, was in jener Nacht geschehen ist, ist Unrecht. Erst hinterher erfuhren wir, dass eine BDM-Führerin, die kurz davor war, das zu melden, von ihren anderen Klassenkameradinnen so heftig verprügelt wurde, dass sie den Mund hielt.
Vor vier Wochen wurde in Esslingen ein Testament eröffnet. Eine Dame hatte hunderttausend Euro für einen Hilfsverein hinterlassen, einen diakonischen Verein, der von meinem Bruder, ehemals Dekan in Esslingen, geleitet wird. In der Beschreibung stand, dass sein Vater, der Vater dessen, der jetzt den Verein leitet, uns am 10. November 1938 gesagt hat, wohin die Richtung hingeht.
Wenn Sie nach bald siebzig Jahren auf ein Wort, einen Satz – „was heute geschehen ist, ist Unrecht“ – achten, haben andere daran festgehalten und ein Erbe daraus gemacht. Dafür sind wir lebenslang dankbar. Es ist schwierig.
Mein Vater hatte Sorge: Wir waren damals sechs Kinder. Habe ich nicht meine Familie sozusagen in Not gebracht? Meine Mutter sagte nur: „Kinder, ich bin stolz auf den Vater.“ Oft sind es die starken Frauen, die den Männern den Rücken stärken müssen. Denn auch wir Männer sorgen für die Familie und für das eigene Leben.
Oder habe ich den Mund zu weit aufgemacht? War es denn nötig? Da war der Pfeiler die Mutter. Wenn Ärgernisse kommen, dann, Gott, erweckst du dir Menschen, die noch wissen, wohin der Weg geht.
Aktuelle Herausforderungen und kleine Ärgernisse im Glaubensleben
Lassen Sie mich einige Dinge nennen, bei denen ich meine, dass heute die Ärgernisse wie Fluten hereinbrechen. Zuerst ein paar Kleinigkeiten.
Wenn ich heute Gottesdienste besuche, merke ich schon am Anfang, wenn im Eingangsgebet Gott mit einem merkwürdigen „O“ angerufen wird und der Name Jesu fehlt. Früher war es für Christen ein Zeichen, den Namen des Herrn an allen Orten anzurufen: „Gott“, und dann meist nicht mit einem Relativsatz wie „der du die Liebe bist“, sondern mit einem direkten Bezug, zum Beispiel „Gott, die Welt hast du geschaffen“, damit nichts Maskulines verschleiert wird.
Das ist wie eine Sucht, die sich in der Pfarrerschaft verbreitet. Manchmal frage ich junge Pfarrer: „Was macht ihr denn da?“ Die Antwort lautet oft: „Aber die anderen machen das doch auch, das ist jetzt üblich.“ Wir können uns nicht oft genug darin üben, den Namen des Herrn Jesus Christus anzurufen, auch in unseren Gebetsgemeinschaften. Sie sagen: „Du Sohn Davids, Du Erbarmer, Du Hohe Priester“, aber warum sagen wir immer nur „Herr“? „Du Erlöser, Du Hohe Priester, Du Morgenstern!“ Lesen Sie einmal nach, wie viele Herrlichkeitsprädikate unser Herr Jesus hat, damit wir nicht in eine Gewohnheit verfallen. Wir dürfen den Namen des Herrn Jesus anrufen.
Im Johannesevangelium ist das Wort des Herrn Jesus überliefert: „Sie sollen den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren. Wer den Sohn nicht ehrt, ehrt auch den Vater nicht.“ Wer nur „Gott“ sagt, ehrt auch Gott nicht, wenn er Jesus nicht die Ehre gibt. Das heißt in 2. Petrus 2: Sie verleugnen den Herrn, der sie erkauft hat. Es fängt also schon beim Anrufen des Namens des Herrn an.
Was ist das Wesentliche am Christentum? Christus – und nicht eine Moral, sondern der Christus, der uns armselige Leute erlöst.
Nun zum zweiten Kleinigkeiten-Punkt: Liebe Christen und Christinnen, was soll das? Sagt auch ein Vereinsvorstand: „Liebe Mitglieder und Mitgliederinnen“, oder „liebe Deutsche und Deutschinnen“. Es gibt doch einen Plural, der ein Sammelbegriff ist. Es gibt Brüder und Schwestern, natürlich, und es gibt Frauen und Männer, die Jesus Christus gehören. Aber hier ist eine feministische Strömung in die Christenheit eingebrochen.
Natürlich ist das gang und gäbe. Beim Kirchentag vor sechs Jahren gab es im Programm für die Schlussfeier eine wunderbare Bestimmung: Nach Abschluss der Schlussfeier können die „Hocker und Hockerinnen“ mitgenommen werden. Im Computerprogramm war schon eingeführt, dass eine männliche Formulierung sofort ergänzt wird. In einem Abiturprogramm vor fünf Jahren bei einer Mathematikaufgabe hieß es: „Es können auch die Rechner und Rechnerinnen benutzt werden.“
Das überschlägt sich manchmal dumm. Deshalb sage ich: Kleinigkeiten. Legt Wert darauf, wir sind Brüder und Schwestern, und dem schwächeren Geschlecht gebührt die Ehre. Aber es wird ein ganz falscher Akzent gesetzt, wenn wir sagen: „Liebe Christen und Christinnen“. Dass wir Christus gehören, ist wichtig.
Die Bedeutung von Jesus im öffentlichen Glaubenszeugnis
Wir sollen keine Wetterfahnen sein. Es ist gerade ein Jahr her, dass ich gebeten wurde, am Gründonnerstag in der Landesschau Baden-Württemberg im Fernsehen für eine Viertelstunde interviewt zu werden.
Die sehr vornehme, noble Moderatorin sagte, nachdem die Osterhasen gezeigt und der Straßenzustandsbericht verlesen worden war, dass nun der Eingang der Passionszeit sei, wie die Christenheit sagt. Sie fragte: „Was ist Ihnen da wichtig?“
Mir hat der Geist Gottes eingegeben zu antworten: „Mir ist heute Abend wichtig, dass sich Millionen von Menschen rund um die Erde versammeln und uns Jesus wichtig machen, so wie Jesus gesagt hat: Tut dies zu meinem Gedächtnis.“
Es gab ein wunderbares Gespräch. Die Moderatorin ist darauf eingegangen, und es entwickelte sich ein geistliches Gespräch. Wir haben sehr viel Echo bekommen.
Besonders gefreut hat mich, dass ein mir nahestehender Redakteur, der sonst mit Kirche nicht viel am Hut hat, gleich am nächsten Morgen angerufen hat. Er sagte: „Das war wohltuend. Wenn sonst Kirchenleute gefragt werden, sprechen sie von der Kirche, vom Glauben oder von Religion, aber der Name von Jesus taucht nicht auf. Dass du vom Erlöser Jesus gesprochen hast, war wohltuend.“
Das, was vorgestern Abend gesagt wurde, ist mir ebenfalls wichtig: Wir sollen auf den Kairos warten, dass uns etwas zugeschoben wird. Aber dann sollten wir voll da sein.
Am Krankenbett, wenn jemand plötzlich die Hände faltet und deutlich macht: „Gib mir einen Trost“, dann sollten wir nicht lange überlegen, welches Wort wir sagen. Das Wort sollte parat sein, damit der Heilige Geist es abrufen kann.
Mit mir kommt man zum Vater. Fürchtet euch nicht, denn ich bin mit euch – das sollten wir zusagen.
Die Herausforderung der Gleichgültigkeit in der Gesellschaft und Kirche
Aber ich habe gesagt, wir wollen nicht über Kleinigkeiten reden, sondern über die großen Ärgernisse, die derzeit über die Christenheit hereinbrechen, so wie ich sie im Augenblick sehe.
Eine ganz gewaltige Strömung, die heute vorhanden ist, ist eine gewisse Wurstigkeit. Wir haben jedes Jahr unser Klassentreffen. Vor über fünfzig Jahren haben wir Abitur gemacht. Über Jahrzehnte haben wir uns nicht getroffen. Doch je näher das Lebensende rückt, desto öfter treffen wir uns wieder.
Wir haben hochbegabte Leute dabei, den ehemaligen Chef der Poststiftung und einen Professor, der bei der EU-Verwaltung in Brüssel tätig war. Wir haben über die Lage gesprochen: Wie steht es ökonomisch? Wie kann es sein, dass in einer Zeit, in der es uns so gutgeht wie noch nie, Menschen weltweit mit Wärme, Kleidung und Häusern versorgt werden, aber gleichzeitig Regierungen so hohe Schulden machen wie nie zuvor in der Geschichte? Diese Schuldenlast wird den nachfolgenden Generationen überlassen, obwohl kaum Kinder geboren werden.
Das ist ein brutalstes Unrecht. Wie soll das weitergehen? „Ja“, sagt der eine, „es geht auf den großen Crash zu, den können wir gar nicht aufhalten. Es geht auf einen großen Kladradatsch zu, und dann wollen wir sehen, wie es weitergeht“, haben die klugen Leute gesagt. Und es war mir typisch, dass sie sich überhaupt nicht aufgeregt haben.
Denn das passiert jetzt auch in kirchlichen Kreisen. Früher wussten wir nicht, dass der Islam so stark wird, aber jetzt ist er da. Da kann man nichts machen, die muss man eben auch anerkennen. Sie haben zwar ein anderes Staatsverständnis, aber was will man tun? Wir wollen doch nicht wieder aufstehen und rechthaberisch sein.
Ja, ja, die Sexualisierung nimmt zu, und „Ach, da kann ich auch nichts machen, die meinen es ja auch recht.“ Moralisch, politisch, ökonomisch hat man den Eindruck, man lässt es treiben. Es kann doch einen Seemann nicht erschüttern.
Mein sechzigster Geburtstag wurde vor langen Jahren in großem Kreis in Ulm gefeiert. Mein Freund, Doktor Tom Houston, kam aus England und sagte, der Krieg, der Golfkrieg, lasse sich nicht mehr vermeiden. Damals stand der Golfkrieg bevor. Aber wir müssen darauf eingehen. Die Menschen sind im Augenblick in Unruhe, aber eine Woche später wird kaum noch jemand wissen, was der Golfkrieg ist. Die Leute werden zurückkehren zu Business as usual.
Ich weiß noch, wie die Dekane aus meinem Sprengel sich aufgeregt haben, dass da ein Engländer sagt, in einer Woche wird sich niemand mehr über den Golfkrieg aufregen. Furchtbar! Die Welt steht in Flammen! Noch schlimmer war, dass die Ölquellen brannten, die Panzer standen da, und niemand scherte sich mehr darum.
Ob die Ölquellen gelöscht werden oder nicht, war nicht einmal mehr ein Thema für die Illustrierten oder fürs Fernsehen. Die Menschheit kehrt nach den gewaltigsten Katastrophen zu dieser Wurstigkeit zurück. Na ja, so ist es eben, wenn kein Mensch etwas unternimmt. Man ist wie gelähmt.
Ich will mich nicht lähmen lassen.
Die Bedeutung von Hausandacht und familiärer Gegenströmung
Als der schwäbische geistliche Vater Oetinger mitten in der Zeit der Aufklärung lebte, war er ein junger Pfarrer in Walldorf bei Tübingen. Er sagte: „Ich will anfangen, in den Häusern wieder dafür zu sorgen, dass morgens die Andacht gelesen wird.“ Jeden Morgen nahm er sich als Pfarrer ein neues Haus vor, rief die Anwesenden zusammen, sang mit ihnen Lieder und las in kurzen Abschnitten aus der Bibel. So führte er die Sitte der Hausandacht wieder ein.
Diese Tradition ist vergleichbar mit der Situation in Ihren Kinderfamilien. Es ist heute so schwierig, eine passende Zeit zu finden. Die Schüler gehen oft schon um 6:30 Uhr aus dem Haus, wir stehen später auf, die Bibel wird oft als schwer verständlich empfunden, und niemand will mehr singen. Man kann sich von diesem Strom mitreißen lassen oder neu beginnen, das wieder ernst zu nehmen – auch als eine christliche Sitte. Es geht darum, einen festen Pol in der Familie zu setzen. So kann das Mittagessen zu einer festen Zeit eine Gegenströmung gegen die allgemeine Gleichgültigkeit werden.
Ich möchte noch eine Geschichte aus der eigenen Familie erzählen: Der Vater Eisler, Vater von Konrad, Hans, Johannes Eisler und Johanna Ebinger, hatte sechs Kinder. Als Sigrid 1942 getauft wurde, war der Vater Eisler in Oberndorf als Rechtsanwalt aus der Rechtsanwaltskammer ausgeschlossen worden, weil er nicht Mitglied der Partei war. Mein Vater war aus dem Staatsdienst entlassen worden, ebenfalls weil er nicht in der Partei war.
Bei dieser Taufe war mein Vater noch etwas bekümmert, wie es weitergehen würde und ob man diesen Widerstand als Christ durchhalten kann. Da sagte der Vetter, Schwager Eisler, zu meinem Vater, der offenbar sein besorgtes Gesicht gesehen hatte: „Schwager, wir machen Familienpolitik.“ Das bedeutete, dass man nicht einmal in der eigenen Gemeinde Gegenströmung machen konnte. Damals in Oberndorf erschien der Pfarrer zum Gottesdienst mit Hitlergruß – im Namen Gottes des Vaters. So war die Zeit damals.
Wenn man nicht einmal in der eigenen Gemeinde Widerstand leisten kann, dann muss man in der kleinen Familie eine Gegenströmung schaffen. Natürlich kann man sagen, es gibt Familien, auf denen ein Segen liegt. Aber dazu gehört auch ein bewusstes Ringen und Kämpfen.
Heute hat der Urgroßvater Eisler das nicht mehr erlebt. Von seinen 42 Enkeln sind vielleicht zehn im Missions- und Entwicklungsdienst tätig. Gebhard Eisler ging bewusst als Gewerbelehrer nach Frankfurt Oder, um als Christ zu wirken. Konrad Eisler wurde Evangelist, Hans Eisler Präsident unserer Synode, und Johanna Ebinger ist die Älteste. Gebhard ist leider in der freien evangelischen Gemeinde München ein Segenstrom. Das alles, weil Vater Eisler gesagt hat: „Dann mache ich in meiner kleinsten Zelle eine Gegenbewegung.“
Bewusst im Geist: „Ich kann meine Kinder nicht als Christen backen, aber ich möchte darum beten und wirken.“ Vater Eisler hatte kaum Geld, aber er sagte: „Wenn einer auf eine christliche Freizeit geht, bekommt er gleich fünfzig Mark von mir. Ich zahle die Freizeit.“ Ich erinnere mich, dass ich 1943 mit Hans und Konrad auf einer solchen geheim gehaltenen Freizeit war.
Dieses Unterstützen ist wichtig! Wann geben wir unseren Patenkirchen, sage ich den Griechen, hundert Euro, damit sie auf die Freizeit gehen und guten Einfluss bekommen? So entsteht eine Gegenbewegung gegen die allgemeine Gleichgültigkeit. Heute geht man nicht mehr so oft in die Kirche. Aber wenn wir eine Gegenströmung wollen, dann sind wir da. Dann gehen wir dorthin, wo wir das Evangelium hören.
Ärgernisse in Gemeinden und die Kraft des Lobpreises
Wo sind Ärgernisse, die einbrechen? Wie ein Strom. Wo können wir wie Licht erscheinen in einer dunklen Welt?
Ich möchte auf dem Hintergrund dieser Verheißung und Einladung ein paar praktische Beispiele bringen.
Ein Ärgernis ist das resignierte Murren, das bis hinein in unsere Gemeinden reicht. Selbst im schönsten, bestgeplanten Gottesdienst hört man es: Warum wird so lang gesungen oder so kurz? Warum wird so lang gepredigt oder so kurz? Über ein schwieriges Wort oder über ein oberflächliches Wort? Jeder findet etwas, worüber er sich beklagen kann – obwohl es eigentlich nichts zu beklagen gibt.
In der Bibel wird von einer furchtbaren Notzeit in Israel berichtet, als eine Koalition von Feinden von allen Seiten eingebrochen war. König Josaphat sagte: „Herr, wir wissen nicht, was wir tun sollen, aber unsere Augen sehen nach dir.“ Er stellte die Musikkapelle, die Asafsänger, an die Spitze und begann, den Herrn zu loben. Daraufhin schlug der Herr die Feinde, und das Tal, in dem die Schlacht geschlagen wurde, wurde „Lobetal“ genannt.
Auch in unseren Gottesdiensten und Gemeinden gibt es genug Gründe, den Herrn zu loben und ihm zu danken. Beginnen wir wieder, Loblieder zu singen! Das allgemeine Murren über die Regierung, die da oben, die Krankenkassen, die nicht wissen, was sie tun, oder den falschen Bebauungsplan bringt nur Staub in unsere Seele.
Wir sollten Teilnahme für diejenigen wecken, die Verantwortung tragen. Zuerst denke ich an die Lehrerinnen und Lehrer. Ich durfte einmal im Religionsunterricht meines Sohnes einspringen und sah, wie zappelig die Kinder sind. Man merkt, was am Abend im Fernsehen lief.
Was tun die Lehrer, die bis 12:30 Uhr mit diesen Kindern aushalten müssen? Sie sollen ihnen Vorbild sein und ihnen etwas vermitteln, was heute das Elternhaus oft nicht mehr vermittelt. Diese Lehrer müssen wir im Gebet einschließen, damit sie die Kraft von Leib und Seele haben, Vorbilder zu sein und den Kindern zu helfen.
Doch nicht nur die Lehrerinnen und Lehrer brauchen Unterstützung. Ich habe eine Idee, die so gut ist, dass sie noch nie praktiziert wurde: Wir denken in unseren Gemeinden immer noch in alten Bahnen. Wenn die Regenrinne nicht mehr funktioniert, fragen wir: Wo gibt es den christlichen Klempner?
Warum wollen wir nicht gerade den, der nicht mehr in die Gemeinde kommen soll? Er ist vielleicht genau der Mann, den wir brauchen. Vielleicht käme er am nächsten Sonntag zum Gottesdienst.
Warum fragen wir bei Problemen in der Gemeinde, ob das Abendmahl mit Einzelkelchen oder Großkelchen gefeiert wird? Oder ob es nicht ansteckend sei wegen AIDS? Wo gibt es denn einen frommen Arzt, der uns hilft?
Warum holen wir nicht den Chef des Gesundheitsamts, der vielleicht Atheist ist, und geben ihm die Ehre, sich auch einmal mit dem Abendmahl zu beschäftigen? Warum laden wir ihn nicht zu einer Andacht oder zur Kirchengemeinderatssitzung ein?
Meine eigentliche Idee ist: Wir sollten an jedem ersten Donnerstag im Monat einen Informationsabend veranstalten. Dort könnte uns der Bürgermeister 20 Minuten lang erzählen, was ihm schlaflose Nächte bereitet. Danach bitten wir drei oder vier Leute aus der Gemeinde, für ihn und seine Aufgaben zu beten.
Dann laden wir die Mitarbeiterin vom Gesundheitsamt ein, die uns sagt, wo sie heute Schwierigkeiten hat. Auch den Mitarbeiter vom Arbeitsamt, der berichtet, welche Probleme Hartz IV für ihn bedeutet.
Das würde unseren Horizont weiten. Wir würden von verschiedenen Berufen und Berufsgruppen hören und nicht immer nur ein zu schmales Feld sehen – oder nur unsere eigenen Missionsgesellschaften. So könnten wir erkennen, wo heute in der Gesellschaft Not herrscht und schlaflose Nächte entstehen.
Dann würde das passieren, was der Oberbürgermeister von Schorndorf gesagt hat: Wenn er im Gemeinderat scharf kritisiert wird, weiß er, dass an einer Stelle in Schorndorf für ihn gebetet wird.
So wären selbst Leute, die kaum Kontakt mit der Gemeinde Jesu haben, plötzlich dankbar für die Fürbitte und würden merken, wie wichtig sie ist.
Lassen wir das allgemeine Murren, Resignieren und Schimpfen nicht weiter wachsen. Schaffen wir eine Gegenströmung der Anerkennung, der Hilfe und der positiven Impulse.
Die Kraft der Bibel und des Glaubens in schwierigen Zeiten
Als in Russland durch Gottes Wirken nach Napoleons Einfall die Bibelgesellschaft gegründet werden konnte und schwäbische Kolonisten ins Land gerufen wurden, geschah etwas Besonderes. In Südrussland bemerkten russische und ukrainische Saisonarbeiter plötzlich, welche Kraft in der Bibel steckt.
Da die russische Bibelgesellschaft Bibeln in den russischen Sprachen verfasst hatte, konnten sie Bibeln kaufen. Sie begannen, nach dem Vorbild der schwäbischen Kolonisten sogenannte Stunden zu halten. In Russland wurden sie deshalb „Stundisten“ genannt – ein Fremdwort.
Der Staat, vertreten durch die orthodoxe Kirche, betrachtete die Stundisten als Agenten des Westens, speziell aus Deutschland. Man wollte sie ausschalten. Doch die Gouverneure in Südrussland sahen die Stundisten als ihre besten Leute an. Diese Menschen verfielen nicht dem Alkohol, und man konnte ihnen Aufgaben im Gemeinwesen anvertrauen. Man könnte heute sagen, sie wurden in bürgerliche Gemeinderäte gewählt. Sie ließen niemanden ungetröstet sterben.
So kam in den russischen Staat, der damals von Bestechung, Gehässigkeit und Verbannung geprägt war, plötzlich ein aufbauender und hilfreicher Geist hinein.
Lasst euch nicht mitreißen, sondern leuchtet als Lichter mitten in einer dunklen Welt!
Die Versuchung des Geldes und die Herausforderung des materiellen Reichtums
Vierte Strömung
Vielleicht trifft es bei Ihnen nicht zu, aber ich erschrecke bei mir selbst und bei vielen anderen Christen, wie sehr das Geld zu einem Götzen geworden ist.
Vor einem halben Jahr fragte mich der Anlageberater bei der Bank: „Herr Schepfug, und was haben Sie sonst noch, außer dem, was bei uns bei der Baden-Württembergischen Bank bekannt ist?“ Ich antwortete, dass ich sonst nichts habe. Er meinte, dann müsse ich einen Bauplatz oder ein Haus besitzen. Dabei wurde ich rot vor Scham, weil ich offenbar nichts besitze und somit kein „echter Schwabe“ bin.
Derzeit begleite ich als Generalbevollmächtigter zwei Damen, die ihre Geschäfte nicht mehr selbst regeln können. Es hat mich sehr beeindruckt, wie viel Geld manche Menschen auf der hohen Kante haben und wie sehr sie davon abhängig sind. Neulich bat mich eine der Damen, ihr eine Strumpfhose zu kaufen. Ich habe sie gekauft, allerdings mit der Beratung meiner Frau, da ich den Preis nicht genau wusste. Als die Dame fragte, was sie gekostet hat, antwortete ich: „Sechsachtzig.“ Darauf sagte sie: „Hättest du sie beim NKD billiger bekommen.“ Dabei hat diese Dame Hunderttausende auf der Kante liegen.
Im ersten Timotheusbrief heißt es, dass das Geld ein Götze ist. Jesus hat den Mammon beschrieben. Ich wende mich an die Reichen, und wir sind heute reich, liebe Brüder und Schwestern, wie niemand vor uns. Es wird gesagt, dass sie nicht auf den unsicheren Reichtum hoffen sollen, sondern auf Gott, der uns alles reichlich darbietet. Nicht auf den unsicheren Reichtum und das, was man auf der Kante hat, soll man hoffen.
Wie herrlich war das in unserer Jugend! Wir hatten zwei Brüder: Albrecht, der am 27. Mai Geburtstag hatte, und ich, der tief im Winter geboren wurde. Winrich hatte am 18. Juni im Sommer Geburtstag. Bei beiden Geburtstagen erhielten wir als Geschwister als hohes Fest eine Eiskugel zu zehn Pfennig. Darauf haben wir uns das ganze Jahr über sehr gefreut.
Heute ist das schwieriger. Sie können unsere Enkel mit einer Eiskugel nicht mehr erfreuen. Aber es ist wichtig, die kleinen Freuden zu sehen.
Ich wusste es vorher nicht, aber nach Weihnachten, als ich mir die Kniescheibe gebrochen hatte, sagte Benjamin, der 18-jährige Enkel: „Opa, du könntest mir eigentlich mal Berlin zeigen.“ Die drei Tage in Berlin waren trotz meines kaputten Knies ein Höhepunkt. Freude zu machen mit der jungen Generation, die nicht viel Geld kostet, ist ein großes Geschenk.
Die Hoffnung auf das ewige Leben und der Umgang mit dem Sterben
Aber noch viel wichtiger ist das Letzte, was ich sagen will. Es gibt eine Fülle von Dingen, die uns als Strömungen mitreißen. Ich habe das immer wieder durchscheinen lassen, besonders vor sechs Jahren, als plötzlich die Krankheit da war. Zwei Chemotherapien mussten abgebrochen werden, und der Onkologe sagte: „Für die paar Tage, die Sie noch zu leben haben, will ich Sie nicht länger plagen.“
Da lag mir natürlich die Frage auf der Zunge: Gibt es denn nicht doch irgendwo eine Therapie, die mir noch mal zwei Monate schenkt? Man rechnet plötzlich mit Tagen und merkt, wie sehr man an diesem bisschen Leben festklammert, sich eingegraben hat und sich gar nicht auf die Ewigkeit freut.
Der Bischof Uri von Kasachstan, der mir das Vorrecht gab, ihn ein wenig in seiner schweren Krankheit – ebenfalls einer Krebserkrankung – begleiten zu dürfen, hat gesagt: „Guter Chefbuch, ich freue mich auf den Herrn Jesus, aber jetzt nicht so schnell.“ Merken Sie, wie das in uns hängt? Animalisch, kreatürlich sind wir ins Leben hineingeklammert.
Friedrich Hensler, der in diesen Tagen seinen achtzigsten Geburtstag feiert, hat gesagt, ich solle noch mal ein Büchlein schreiben. Aber seine Frau meinte: „Wenn du noch mal ein Buch schreibst, dann lasse ich mich scheiden.“ Und das wäre schon schade nach so einem langen Leben.
Friedrich Hensler hat gesagt: „Schreib ein Buch: fröhlich leben, fröhlich glauben, fröhlich sterben.“ Entschuldigung, das ist eine schwierige Sache mit dem fröhlichen Sterben. Wenn man so schwach ist, dass man eigentlich gar kein eigenes Gebet mehr formulieren kann.
Es war mir ein großer Trost, dass es so ein paar Kassetten gab – man bekommt sie heute kaum noch – mit Bach-Chorälen. Das war das, was mich getröstet hat, mehr noch als Worte. Und hoffentlich keine Besuche. Ich habe zu meiner Frau gesagt: „Halte alle Besuche fern, denn ich brauche alle Kräfte, um in dem großen Gott zu ruhen.“
Zehn Minuten, wenn einer da sitzt und schwätzt und schwätzt, denkt man: „Lieber Gott, bring dort ihn hinaus.“ Manchmal habe ich gesagt: „Darf ich nicht mit Ihnen noch beten?“ Dann war wenigstens jemand gegangen.
Sie ahnen nicht, wie schwach man sein kann im Sterben, in der Sterbensnot. Und da habe ich das Hillerlied gefunden: „Weck in mir den Geist des Glaubens, dass ich mutig sterben kann.“ Ich würde auch sagen: zuversichtlich. „Weck in mir den Geist des Glaubens, dass ich nicht mit aller Welt an diesem Leben hänge.“
Das Leben, das nach einer Todesanzeige heißt: „Nach Gottes unerforschlichem Ratschluss ist unser lieber Vater, Großvater, Urgroßvater im reifen Alter von 92 Jahren ganz plötzlich aus dieser Welt gerufen worden.“ Ich will bereit sein zum Abschied und wirklich damit rechnen können.
Hoffnung des ewigen Lebens: Dass da Jesus, der mir so viel Gutes getan hat, mir begegnen wird und sagt: „Mein Sohn, meine Tochter, komm heim!“ Dass wir leuchten als Lichter mitten in einer finsteren Welt, mitten in nur einem verkehrten Geschlecht.
Die Gefahr geistlicher Mangelernährung und der Aufruf zu tieferem Bibelstudium
Ein letztes Anfügen
Wir leben in einer Zeit der erschreckenden Bibel-Magersucht. Viele Familien wissen nur zu gut, was Magersucht bedeutet, oft bei Kindern oder Enkeln. Meist ist es ein Mädchen, das nur noch ein Rübchen oder zwei Erbschen groß ist und sagt: „Wunderbar, ich kann herrlich leben!“ Denn durch dieses Fasten, bei dem dem Körper die Speise entzogen wird, werden im Körper Stoffe freigesetzt, die Euphorie auslösen, ähnlich wie Drogen. So kann jemand wirklich zugrunde gehen und sich dabei trotzdem gut fühlen.
Manchmal haben wir den Eindruck, dass wir heute genauso leben. Wir leben von einem Bibelspruch hier, einer kurzen Andacht dort, einem Gottesdienst und merken nicht, dass wir geistlich eingehen, weil wir uns mit so wenig zufriedengeben.
Ich habe mir zum Vorbild genommen, gern englische Predigtbücher von Martin Lloyd-Jones zu lesen. Dort wird nicht einfach über den Text hinweggehuscht, sondern man muss intensiver lesen und biblische Gedanken von Auslegern nachvollziehen, die von Gott begnadet wurden. So kommt man in die Tiefe, entdeckt ganz neue Bibelworte, Abschnitte und Zusammenhänge.
Und da sind Sie ja gerade hier, in dieser langen, steilen Höhe, mit dabei, um Impulse zu bekommen. Ich möchte nur mal fragen: Was steht da wirklich im Judasbrief? Wie ist das mit den Lichtern und der Finsternis in der Welt? Stimmt das, was Jesus gesagt hat, dass Verführung das Schlimmste ist?
Es ist gut, dass wir Impulse bekommen, um mehr in die Bibel hineinzuwachsen. Unsere Großmütter waren mehr in der Bibel zuhause als wir heute in unserer schnelllebigen Zeit. Und wir sollten eine Gegenbewegung machen.
Zudem möchte ich sagen: Mein Freund, Dekan von Münzingen, Eduard Seng, hat immer gesagt, wenn er seine ehemaligen Konfirmanden besucht hat, zum achtzehnten Geburtstag: „Ja gut, Helmut, ich habe dich schon lange nicht mehr in der Kirche gesehen.“ – „Ja, ja, an Weihnachten war ich auch.“ Am Heiligen Abend hat Eduard Seng gesagt: „Weißt du, die paar Bibelabschnitte, die wir in unseren kirchlichen Perikopentexten haben, sind so aufgebaut, dass die wichtigsten Bibelworte innerhalb von sechs Jahren vorkommen. Erst nach sechs Jahren kommt der Text wieder. Wenn du einen Sonntag auslässt, musst du wieder sechs Jahre warten, bis der Text wieder dran ist.“
Aha, aha! Also verstehen Sie: So sollten wir von der Bibel reden, auch wir selbst, aber nicht anklagend. Warum kommst du nicht mehr zur Gemeinschaftsstunde? Warum fehlst du beim Hauskreis? Wir haben so etwas Herrliches behandelt.
Und da möchte ich Ihnen sagen: Bei uns war vor ein paar Wochen ein französischer Evangelist. Ich habe zuerst gedacht, er sei Schweizer, weil er ein bisschen schweizerisch ausspricht, wie unser Bruder Strauch. Er hat sechzig Minuten gepredigt, aber es wurde nicht lang.
Er sagte: „Je älter ich werde, desto vollkommener werde ich in meinem Leben mit Jesus. Und jetzt merke ich, dass ich Tag für Tag viel abhängiger von Jesus werde. Ich brauche ihn noch viel mehr.“
Das wünsche ich Ihnen auch: Dass Sie von Tag zu Tag abhängiger von Jesus werden. Und ich denke, es reicht schon, zu sagen: Herr Jesus, danke, dass wir von dir abhängig werden dürfen, dass du die Speise sein willst, von der wir leben.
Dass der Wille Gottes die Speise ist, die wichtiger ist als Essen und Trinken. Wecke du in uns einen Hunger nach dir, ein Sehnen nach deiner Nähe. Gib uns einen Impuls, dass wir auch im Älterwerden in Bewegung kommen und noch Entscheidendes vor uns haben. Dass wir merken, es gibt noch so viel zu tun in der Gemeinschaft mit dir.
Danke, dass du uns dafür werthältst. Amen.
