Begrüßung und Einführung ins Thema
Ne, geht schon, geht schon, kein Problem, das Feine, da die Lichter drüben. Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!
Wir freuen uns, dass wir wieder hier sein können. Eigentlich wollten wir um diese Zeit auf dem Weg nach Norddeutschland sein. Aber glücklicherweise erreichte uns heute Morgen noch rechtzeitig das Telefonat, sodass wir jetzt die Möglichkeit haben, uns hier gleich frisch wiederzusehen.
Heute wollen wir über ein sehr wichtiges Thema sprechen: echt oder unecht. Dabei lassen wir uns von Jesus eine Testfrage vorhalten – echt oder unecht.
Bei Schmuckstücken kann man oft auf den ersten Blick nicht erkennen, ob sie echt oder unecht sind. Wenn Sie jetzt mal raten sollten – und Sie haben ja auch ziemliche Entfernung –, welche dieser beiden Ketten echt oder unecht ist: Ich verrate Ihnen das lieber nicht, damit Sie nicht die Richtige klauen. Eine ist echt, die andere unecht, und das hat Konsequenzen.
Genau dieselbe Frage – echt oder unecht – kann man und muss man an unseren Glauben stellen. Ist er echt oder unecht? Wie leben wir als Christen? Wie praktizieren wir unseren Glauben? Ist das ehrlich oder nur Show? Spielen wir anderen etwas vor oder sind wir wirklich so, wie wir wirken?
Diese beiden Ketten können auf den ersten Blick dieselbe Wirkung erzielen: Sie verleihen meiner Frau einen netten Schmuck. Aber sie haben nicht dasselbe Wesen und nicht denselben Wert.
Wenn es darauf ankommt, wenn wir eines Tages unseren Schmuck versetzen müssen, bekommen wir für das eine Stück vielleicht noch eine ganz nette Summe. Für das andere, wenn der Käufer sich auskennt, nur noch ein müdes Lächeln.
Also: echt oder unecht?
Kontext der Bergpredigt und Einführung in Matthäus 6
Um diese Frage geht es zu Beginn des zweiten großen Kapitels der Bergpredigt. Die Bergpredigt ist in drei große Kapitel unterteilt: Matthäus 5, Matthäus 6 und Matthäus 7.
Wir beginnen heute mit dem zweiten Kapitel der Bergpredigt, also mit Matthäus 6. Hier steuert Jesus ohne Umschweife und mit Nachdruck auf eine kritische Frage zu: Echt oder unecht?
Wir lesen nun Matthäus 6, Verse 1 bis 4. Dort sagt Jesus: „Habt Acht auf eure Frömmigkeit, dass ihr sie nicht vor den Leuten übt, um von ihnen gesehen zu werden. Sonst habt ihr keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel. Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler in den Synagogen und auf den Gassen tun, damit sie von den Leuten gepriesen werden. Denn ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon erhalten. Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut, damit dein Almosen verborgen bleibt. Und dein Vater, der das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.“
Wir wollen noch einmal beten: Herr Jesus Christus, wir bitten dich, lass uns dieses Wort richtig verstehen. Lege bei jedem von uns deinen Finger auf den Punkt, der verändert werden muss. Herr, zeige uns, wie du unser Leben in deinem Licht bewertest. Gib uns Mut, dir zu vertrauen und uns von dir verändern zu lassen. Amen.
Warnung vor unechter Frömmigkeit
Habt Acht auf eure Frömmigkeit, sagt Jesus. Wenn manche Leute das Wort „fromm“ hören, gehen sie innerlich erst einmal auf die Barrikaden. Wie oft ist es mir passiert, dass ich jemanden zum Gottesdienst eingeladen habe und die Antwort war: „Ach Herr Pfarrer, ich muss nicht unbedingt in den Gottesdienst rennen. Die da sitzen, das sind doch die Schlimmsten. Am Sonntag tun sie fromm, und ab Montag sind es dann die übelsten Zeitgenossen.“
In solchen Momenten frage ich mich immer – und ich frage in der Regel auch meinen Gesprächspartner – wie eigentlich jemand, der am Sonntag nicht hier ist, wissen kann, was für Typen hier am Sonntag sitzen. Das ist eine Frage, die man sicherlich immer zurückstellen muss. Aber das Vorurteil scheint unausrottbar zu sein: Frömmigkeit ist Heuchelei.
Sogar in manchen christlichen Kreisen gilt das Wort „fromm“ heute fast als Schimpfwort. So nach dem Motto: „Der will wohl besonders fromm sein oder womöglich noch frommer.“ Das soll heißen, der ist eingebildet, hält sich für etwas Besseres oder spielt den Heiligen. Man sagt „fromm“ und meint eigentlich scheinfromm, aufgesetzt, unecht.
Und genau dieses Problem spricht Jesus an. Jesus weiß natürlich, wie gefährdet seine Leute an diesem Punkt sind. Darum ist das erste Wort in unserem Predigttext auch gleich eine Warnung. Jesus steigt ein und sagt: „Habt Acht auf eure Frömmigkeit!“ Passt auf, seht euch vor!
Merken Sie, Jesus sieht das Problem. Aber er schüttet das Kind nicht mit dem Bade aus. Für ihn ist Frömmigkeit etwas Positives, etwas Gutes. Gerade dieses Gute ist aber besonders gefährdet und kann leicht ins Gegenteil umschlagen.
Darum sagt Jesus: „Habt Acht auf eure Frömmigkeit!“ Hier steht im Griechischen eigentlich wörtlich „Habt Acht auf eure Gerechtigkeit“. Das heißt, habt Acht darauf, wie ihr praktisch als Christen lebt.
Dann folgen Beispiele, die diese verschiedenen praktischen Seiten unserer Frömmigkeit zeigen. Es geht um das Spenden, also um Almosen, um das Beten und um das Fasten. Das war typisch für die jüdischen Gesprächspartner von Jesus – diese drei Punkte.
Wir könnten noch weitere Bereiche unseres praktischen Christenlebens hinzufügen, in denen unsere Frömmigkeit Gestalt gewinnt: die Mitarbeit in unserer Gemeinde könnte Jesus hier genauso als Beispiel anführen, oder die missionarischen Gespräche, die wir führen, oder die christliche Erziehung, die wir versuchen, unseren Kindern angedeihen zu lassen.
In all diesen Beispielen geht es Jesus um ein großes Thema, das er gleich im ersten Vers formuliert: Ist es echt oder ist es unecht?
„Habt Acht auf eure Frömmigkeit, dass ihr sie nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden. Sonst habt ihr keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel.“ (Matthäus 6,1)
Selbstprüfung der Motivation
Vielleicht fragen Sie sich jetzt: Wie kann ich das wissen? Man kann sich doch so schlecht selbst durchschauen. Woran merke ich das, ob meine Frömmigkeit echt oder unecht ist? In den nächsten Versen werden Sie eine Antwort darauf finden. Jesus zeigt uns Leitlinien, mit denen wir uns selbst testen sollen. Das ist gewissermaßen ein Selbsttest, den Jesus uns hier verschreibt.
Es ist, als ob Jesus einen Versuch aufbaut, mit dessen Hilfe wir unsere eigene Frömmigkeit überprüfen können. Darum geht es ihm hier. Damit wir uns alle auf diesen Test einlassen und nicht einfach darüber hinweggehen, betont Jesus im allerersten Satz, wie viel von diesem Test abhängt. Es hängt viel davon ab, ob Sie sich darauf einlassen, sich an dieser Stelle von Jesus testen zu lassen, oder ob Sie das gleich beiseiteschieben und gar nicht erst an sich heranlassen.
Darum heißt unser erster Leitsatz heute Morgen: Hand aufs Herz. Also, wenn Sie mitschreiben, erstens: Hand aufs Herz. Mit Vers 1 fragt Jesus nach unserem Herzen. Er fragt nicht, wie viel du für Gott tust, wie viel du spendest, wie oft du bei Veranstaltungen präsent bist oder an wie vielen Punkten du mitarbeitest. Er fragt: Warum tust du das, was du tust? Warum setzt du dich für die Gemeinde ein? Warum arbeitest du in einer Gruppe mit? Was ist dein Motiv?
Sie merken, Jesus fragt hier nicht nach den praktischen Auswirkungen unserer Frömmigkeit. Obwohl ihm diese praktischen Auswirkungen, wie er an anderer Stelle zeigt, sehr, sehr wichtig sind – die Frucht, die aus einer gesunden Wurzel erwächst, zum Beispiel. Aber hier geht es Jesus in diesem Abschnitt nicht um die Auswirkungen, sondern um die geistlichen Ursachen.
Jesus fragt hier in diesem Vers nicht nach dem, was man von unserer Glaubenspraxis sieht. Obwohl das auch ein wichtiges Thema ist – ich sage es nochmal – hier fragt Jesus nach dem, was man nicht sieht. Er fragt nach den Motiven, die dahinterstecken. Er fragt nach unserem Herzen hinter unseren Händen, nach deinem Herzen hinter deinen Worten, nach deinem Herzen hinter deiner äußeren Frömmigkeit.
Darum dieser erste Punkt: Hand aufs Herz. Dabei spricht Jesus eine Gefahr an, die sich sehr schnell in unser Herz einschleichen kann. Er spricht davon, dass wir die Frömmigkeit nicht vor den Leuten üben sollen, um von ihnen gesehen zu werden. Und „gesehen werden“ – da steht im Griechischen das Wort „Theaomai“. Theaomai, daher kommt unser Wort „Theater“. Also, dass wir für die Galerie unser Christenleben präsentieren, um von ihnen gesehen zu werden.
Hand aufs Herz, sagt Jesus: Könnte es sein, dass dein letzter Antrieb für deine Frömmigkeit und deinen Einsatz darin liegt, dass du gesehen werden möchtest? Weil du auf den Beifall der anderen spekulierst? Da könnte jemand jetzt dagegenfragen: Ja, warum wäre das denn so schlimm? Es kann doch Gott egal sein, warum ich mitarbeite. Entscheidend ist doch, was dabei herauskommt. Die Kinder im Kindergottesdienst merken doch nicht, mit welcher Motivation ich ihnen die biblischen Geschichten erzähle. Hauptsache, ich mache es gut, Hauptsache, ich setze mich voll ein, Hauptsache, ich opfere meine Zeit und meine Kraft.
Oder wenn ich predige, wenn ich Leute besuche, wenn ich musiziere oder was auch immer – warum ich das im Letzten tue, das ist doch nicht so erheblich. Taten zählen, Ergebnisse und nicht die abstrakte Frage, ob ich das möglicherweise um meiner eigenen Ehre willen mache. Und außerdem: Wer kann sich schon selbst durchschauen? Also verschwenden wir nicht unsere Zeit mit einem grüblerischen Selbsttest. Kreisen wir gar nicht mal so sehr um uns selbst mit dieser geistlichen Motivationserforschung, sondern es gibt viel zu tun, packen wir an!
Diese Reaktion liegt uns nahe. Und Jesus scheint damit gerechnet zu haben. Denn das ist interessant: Er schiebt gleich im ersten Vers noch ein Argument hinterher, warum dieser Test so wichtig ist. Und das gehört auch im griechischen Text noch zum ersten Satz dazu.
Hand aufs Herz, sagt Jesus, denn ihr habt sonst keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel. Aha! Jesus sagt also: Wenn eure Motivation nicht stimmt, wenn eure Beweggründe nicht sauber sind, wenn ihr vor allem Menschen beeindrucken wollt, wenn ihr bei euren Mitchristen gut angesehen sein wollt, wenn ihr in der Gemeinde einen guten Ruf haben wollt, dann wird Gott euch den Lohn, den ihr eigentlich bekommen sollt für euren Dienst, nicht geben. Den Lohn, den er euch eigentlich schenken will, wird er euch nicht geben.
Ist Ihnen klar, was Jesus damit noch sagt? In allem, was wir tun, sind wir vor Gott wie ein aufgeschlagenes Buch. Das wird in Vers 4 dann noch einmal sehr deutlich werden. Dein Vater sieht in das Verborgene. Das heißt, er sieht hinter unsere Stirn, er sieht ins Herz hinein, er sieht in alle Gedanken hinein. Er kennt uns durch und durch bis ins Letzte, bis in den letzten Winkel.
Psalm 139 beschreibt das so schön: „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir, und ich kann dir nicht entkommen, nicht nach rechts, nicht nach links, nicht nach vorn, nicht nach hinten, nicht nach oben, nicht nach unten. Von allen Seiten umgibst du mich, du siehst, du durchschaust alles, alles.“
Und wohlgemerkt – und halten Sie das bitte fest – die Bibel benutzt diese Wahrheit nicht als erhobenen Zeigefinger, so im Sinne eines pädagogischen Druckmittels, Gott als den heimlichen Aufpasser, der nur darauf wartet, uns eines Fehlers zu überführen. Nein, die Bibel informiert uns einfach über diese Tatsache. Das ist so, lieber Mensch, das ist ein schlichtes Faktum.
Wir sind vor Gott wie ein aufgeschlagenes Buch. Gott durchblickt alles. Und Gott ist so großzügig, dass er uns schlichtweg darüber informiert, damit wir unsere Situation realistisch einschätzen können. Von wegen pädagogisches Druckmittel – das ist einfach eine Tatsache: Gott durchschaut uns.
Und was Gott in deinem Herzen sieht, das nimmt er ernst. Auch das wird hier deutlich. Gott schaut nicht einfach ins Herz und sagt: Der Mensch ist nun mal so, man kann nichts machen, man muss irgendwie mit ihm klarkommen. Sondern Gott nimmt das ernst, was er in deinem Herzen sieht. Das ist ihm nicht unwichtig.
Vor Menschen können wir Theater spielen, aber Gott sieht hinter unsere besten Taten. Unsere Taten sprechen nicht für sich. Unsere Frömmigkeit spricht nicht für sich. Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe.
Ein ganz einfaches Beispiel: Zwei ganz reiche Leute können den gleichen Betrag spenden – hunderttausend Euro, sagen wir mal, hier für unsere Gemeinde. Wäre doch wunderbar! Sie können es mit ganz ähnlichen Worten übergeben oder überschreiben oder wie auch immer. Und sie können es doch mit ganz unterschiedlicher Motivation tun und mit ganz unterschiedlichen Folgen für sich selbst jeweils.
Darum tun wir gut daran, uns diesen Echtheitstest von Jesus zu stellen. Hand aufs Herz: Ist deine Frömmigkeit echt oder ist sie unecht?
Warnung vor Heuchelei: Hand ohne Herz
Und dann wird Jesus konkret. Er bringt ein Beispiel, und an diesem Beispiel zeigt er uns zunächst, was unechte Frömmigkeit ist. Oder wir könnten auch sagen, welche Frömmigkeit Gott nicht belohnt. Das ist unser zweiter Punkt heute Morgen: schon Hand ohne Herz.
Erstens hatten wir „Hand aufs Herz“ – überprüf dich. Jetzt zweitens: Hand ohne Herz. Das ist die Situation, die Vers 2 beschreibt:
Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen, damit sie von den Leuten gepriesen werden. Denn ich sage euch, sie haben ihren Lohn schon gehabt.
Hoch interessant: Almosen waren damals ein wichtiger Bestandteil des Sozialsystems. Man gab Geld, Kleidung, Essen, und wörtlich bedeutet dieser Ausdruck Almosen Hilfe für jemanden, der hilfsbedürftig ist. Es ist wichtig, dass wir als Gottesleute gern geben. An anderer Stelle sagt die Bibel: Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. Wir sollen großzügig sein, wir sollen herschenken, so wie Gott uns großzügig beschenkt.
Also steht Almosen hier als Beispiel für alles, was wir freiwillig für Gott geben: an Wertgegenständen, an Geld, an Zeit, an Kraft – alles, was du freiwillig für Gott gibst. Jesus setzt voraus, dass seine Nachfolger sich engagieren. Er sagt nicht „falls ihr Almosen gebt, dann beachtet doch bitte“, sondern er sagt: „Wenn ihr Almosen gebt.“ Das gehört normalerweise zu eurem Leben als Christen. Ihr tut es ja richtigerweise, ihr gebt Almosen.
Aber wenn ihr Almosen gebt, dann achtet jetzt bitte darauf, dass ihr nicht in eine Falle tappt. Wenn du dein Geld gibst, wenn du deine Zeit gibst, wenn du deine Kraft gibst, wenn du deinen Einsatz leistest, wenn du deinen guten Namen einsetzt, dann pass auf folgende Falle auf, die ganz schnell zuschnappen kann.
Diese Falle nennt Jesus mit diesem harten Wort Heuchler, Heuchelei: „Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler tun.“ Bin ich ein Heuchler? Hier verwendet Jesus wieder einen Begriff aus dem Theater. Das griechische Wort für Heuchler bedeutet nämlich im klassischen Griechisch wörtlich Schauspieler. Heuchler ist im Griechischen klassisch Schauspieler.
Schauspieler – und Sie müssen wissen: Damals gab es professionelle Trauerleute. Die wurden zu Beerdigungen bestellt, so wie heute der Organist. Gegen Bezahlung weinten sie und zerrissen ihre Kleider als Zeichen besonderer Trauer. Damit sollte deutlich werden: Dieser war ein wichtiger Mann, es gibt viele, die um ihn weinen, jetzt, wo er dahingeschieden ist.
Diese Leute konnte man bestellen und bezahlen. Oft haben sie ihr Trauergewand so geschickt zerrissen, ausgerechnet an der Naht, damit man es für die nächste Beerdigung wieder zusammennähen konnte. Also das waren professionelle Trauerschauspieler, wenn Sie so wollen.
Heuchler – Hand ohne Herz, Trauern ohne Herz, Almosen geben ohne Herz, Zeit geben ohne Herz, Mitarbeiten ohne Herz. Jesus malt diesen Heuchler nun mit einem sehr plastischen Bild vor die Augen seiner Hörer und Leser. Er sagt: Du sollst es nicht vor dir ausposaunen lassen.
Stellen Sie sich das mal bildlich vor: Da schickt er jemanden mit einer Posaune voraus, und dann geht er hinterher und bringt seine Gabe. Ein sehr drastisches Bild.
In der Politik gibt es ja den Grundsatz: Tue Gutes und rede darüber. Nun gut, in der Politik – wenn Wort und Tat übereinstimmen – kann das sinnvoll sein. Rede darüber, damit die Leute wissen, was du tust, und sich dann entsprechend dessen wiederwählen oder auch nicht wiederwählen.
Im Reich Gottes aber – und das ist jetzt der Unterschied – gilt dieser Grundsatz nicht. Im Bereich der Gemeinde sollen wir unsere guten Taten nicht selbst an die große Glocke hängen. Warum? Und das ist jetzt wichtig:
Es geht Jesus hier nicht um eine allgemeine förmliche Bescheidenheit, so im Sinne einer frommen Anstandsregel: „Spiel dich nicht so auf und sei eher ein bisschen zurückhaltend, und deswegen darfst du nicht sagen, was du Gutes tust.“ Darum geht es hier überhaupt nicht. Es geht hier nicht um äußere Demut.
Sondern Jesus weist auf einen anderen Punkt hin. Er sagt: Warum sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen? Weil im Herumposaunen eine große Versuchung für dein Herz liegt. Die Versuchung besteht darin, dass du in die Falle der Heuchelei tappst.
„Was will der Heuchler denn erreichen?“, sagt Jesus. Er will von den Leuten gepriesen werden. So zielt Jesus wieder auf ihre Motivation, er zielt auf mein Herz. Das Problem des Heuchlers sind ja nicht seine guten Taten, das Problem des Heuchlers ist nicht einmal seine Redeerei. Der kann ruhig über seine Taten reden, das ist nicht das Problem. Das Problem des Heuchlers ist seine Motivation, sein Beweggrund, sein eigentliches Ziel.
Er tut mit der Hand etwas für Gott, ja, aber eigentlich tut er das für sich selbst. Er will selbst gepriesen werden vor den Menschen, er will selbst die Streicheleinheiten für seine Eitelkeit. Heuchelei bedeutet Hand ohne Herz: Ich tue etwas für Gott, ohne dass ich es im Herzen um Gottes Willen tue.
Das meint Jesus hier mit Heuchelei. Und das passiert uns sehr schnell, dass wir mit der Hand, mit dem Mund, mit den Füßen etwas für Gott tun, aber es ist Hand ohne Herz. Es brennt nicht wirklich unser Herz, dass wir es um seines Willens tun. Mit dem Mund tue ich etwas für Gott, aber mit dem Herzen will ich die Ehre für mich selbst einheimsen.
Manche christlichen Organisationen haben eine ganz gefährliche Spendenpraxis entwickelt, mit der sie die Leute geradezu zur Heuchelei anstiften. Das ist in Amerika noch verbreiteter als bei uns. Sie veröffentlichen die Namen großer Spender und manchmal sogar die Summen dazu. Auf diese Weise will man die Leute zum Zahlen animieren, indem man ihnen die Gelegenheit gibt, sich dabei einen guten Ruf zu verschaffen.
Das ist Anstiftung zur Heuchelei.
Es gibt natürlich auch leisere Posaunen. Manchmal erwähnen wir unsere guten Taten nur so nebenbei. Das klingt dann fast zufällig, als ob uns das mal so hier entfallen wäre, aber wir hoffen doch, dass es dem anderen auffällt und einen entsprechend günstigen Eindruck hinterlässt.
Jesus macht deutlich: Den größten Schaden dabei hat der Heuchler selbst.
Nehmen wir mal das Beispiel Geldspende: Wenn ich bedürftig bin und jemand gibt mir dreißig Euro, dann ist mir egal, mit welcher Motivation er es macht, Hauptsache ich habe mein Geld. Aber derjenige, der es mir gibt, wenn der kein reines Motiv dabei hat, schadet sich Gott gegenüber selbst.
Der Heuchler schneidet sich ins eigene Fleisch. Und das will Jesus uns hier in Vers 2 deutlich machen. Er sagt: Wer auf den Beifall der Menschen abhebt, der ist ausreichend belohnt, wenn er diesen Beifall bekommen hat.
Deswegen fügt Jesus hier hinzu: „Denn ich sage euch, sie haben ihren Lohn schon gehabt.“ Sie wollten den Beifall der Menschen, und sie haben ihn bekommen. Nun ist gut, sie haben gekriegt, was sie wollten.
Verstehen Sie, das ist wieder ganz, ganz volltönig. Hier ist das „Sie haben ihren Lohn gehabt“. Er benutzt dabei einen Begriff aus dem Wirtschaftsleben. Wenn man ein Geschäft getätigt hatte und die Sache vollständig bezahlt war, dann gebrauchte man diesen Begriff, der hier im Griechischen steht: „Sie haben ihren Lohn gehabt.“
Jesus sagt: Das Geschäft ist vollgültig abgeschlossen. Er hat etwas Gutes getan, er wollte damit den Beifall der Menschen, er hat den Beifall der Menschen gekriegt, und damit ist das Geschäft abgeschlossen. Vollständig abgeschlossen, die Sache ist gelaufen.
Er kriegt nicht eine zusätzliche Strafe oder so, aber er hat seinen Lohn gehabt. Und um das Wichtigste hat er sich gebracht, nämlich um den Lohn Gottes. Der Heuchler kriegt, was er will, aber er kriegt nicht mehr. Er kriegt den menschlichen Lohn, aber Gottes Lohn bleibt ihm versagt, weil er Gott ja auch gar nicht meinte mit seinem Dienst.
Damit zeigt Jesus uns etwas ganz Entscheidendes. Er sagt: Leute, passt auf! Es gibt äußeren Dienst für Gott ohne echte Hingabe und Liebe zu Gott. Es gibt äußeren Dienst für Gott ohne echte innere Hingabe und Liebe zu Gott.
Diese äußere, nur äußere Frömmigkeit kann ganz gefährlich werden. Dann ist es besser, jemand macht gar nichts. Warum? Weil sie uns über unseren eigenen Zustand hinwegtäuscht. Wir lügen uns zu, zugespitzt gesagt, in die eigene Tasche.
Und das war das Problem vieler Pharisäer. Sie logen sich in die eigene Tasche. Wir meinen: Mensch, wir setzen uns doch ein, ich bin doch hier, ich bin doch da, ich bin doch dabei, es ist doch alles bestens. Und in Wirklichkeit sind wir in unserem Herzen fern von Gott.
Das kann so schnell gehen.
Ich denke dabei an eine Pfarrfrau, die den Dienst ihres Mannes über Jahrzehnte hinweg bewundernswert unterstützt hatte. Sie war fast immer im Gottesdienst dabei gewesen, hatte kaum eine Bibelstunde verpasst, bei den Konfirmandenfreizeiten mitgeholfen, mittendrin in der Gemeinde.
Dann wurde ihr Mann pensioniert, die beiden zogen aus dem Pfarrhaus aus und verließen ihre Gemeinde. Sie lebten in einem anderen Pfarrbezirk. Seitdem ging diese Frau so gut wie gar nicht mehr zum Gottesdienst. Es zog sie nicht mehr in die Gemeinschaft der Christen. Sie hatte kein Verlangen mehr nach Predigten, sie konnte gut ohne Gemeinde leben, und es drehte sich ihr Leben nur noch um andere Dinge.
Es ist nicht unsere Aufgabe, darüber zu urteilen, das steht Gott allein zu. Der Herr allein sieht das Herz, wir sehen nur, was vor Augen ist. Aber wir müssen uns selbst fragen, warum wir das tun, was wir tun. Wir müssen wissen: Der Herr durchschaut uns. Er durchschaut unsere Motive glasklar.
Deswegen gibt Jesus uns diesen Predigttext, weil er uns helfen will, uns besser zu durchschauen, uns klar zu werden über unsere Beweggründe.
Und ich denke, wir ahnen in diesem Augenblick, wie sehr sich unsere Motive oft vermischen. Das muss man auch ehrlicherweise sagen. Unser Herz hat seine tausend Winkel, und oft mischt sich das auch in unserem Inneren. Wir wollen Gott dienen, auf der anderen Seite stolpern wir immer wieder über unsere Eitelkeit. Das geht oft ziemlich durcheinander.
Der Weg zur echten Frömmigkeit: Hand von Herzen
Und mitten hinein in dieses Erschrecken über Vers 2 spricht Jesus dann Vers 3. Er sagt: „Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut.“
Wir können uns vorstellen, wie die Jünger ihn sehr erschrocken gefragt haben: Herr, wie können wir uns dann überhaupt vor Heuchelei schützen, wenn das so eng beieinanderliegt? Was können wir dann überhaupt machen? Ist es da nicht besser, gar nichts zu tun? So nach dem Motto: Wer nichts Gutes tut, kommt nicht in Gefahr, sich damit rühmen zu wollen. Also tun wir lieber nichts.
Jesus zeigt uns einen besseren Weg. Natürlich sollen wir etwas tun, wir sollen anpacken. Er will uns als Mitarbeiter gewinnen. Er will uns bewegen und durch uns unsere Umwelt verändern – diese Welt, die Situation in unserer Gemeinde, in unserer Stadt, in unserer Familie. Wir sollen uns mit ganzem Herzen einsetzen, natürlich.
Er will, dass wir unsere Zeit investieren, unser Geld investieren, Hand anlegen, weite Wege machen, Kraft investieren. Er will, dass wir fromm sind. Und wie? So zeigt er uns am Beispiel des Almosengebens einen Weg, wie wir uns dabei vor Heuchelei schützen können.
Das ist unser letzter Punkt heute Morgen. Das Motto, nach dem wir dabei vorgehen sollen, heißt: Hand von Herzen.
Wir hatten gesagt: Erstens Hand aufs Herz – prüf dich. Zweitens Hand ohne Herz – das ist die Gefahr der Heuchelei. Du tust etwas für den Herrn, aber nicht wirklich um seines Willen, um ihn zu ehren und ihm damit zu dienen. Und jetzt zeigt Jesus uns drittens, wie es richtig geht: Hand von Herzen.
Mit der Hand sollen wir etwas für Gott tun. Und dahinter soll ein Herz stehen, das dem Herrn dienen will, das Gottes Ehre sucht, ein Herz, das Gott gefallen will, ein Herz, das Gott Freude machen will. Unsere Hand und unser Herz sollen gewissermaßen in dieselbe Richtung zeigen.
Es geht Jesus also jetzt um die Frage, warum wir unsere Werke tun. Und wie sollen wir es denn machen? Schauen Sie noch einmal Vers 3 an: „Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut.“
Der Gegensatz dazu war ja Vers 2. Dort lassen sie es öffentlich ausposaunen, was sie geben. Da erfährt nicht nur die linke und die rechte Hand davon, sondern die ganze Straße.
Jetzt der Kontrast dazu in Vers 3: Er sagt, lass die linke nicht wissen, was die rechte tut.
Dazu müssen wir Folgendes wissen: Im Tempel gab es damals einen sogenannten Raum der Stille. Das war ein ganz abgelegener Raum in einem Bereich des Tempels. Hier konnte man unbeobachtet seine Gaben, seine Spenden hinterlegen. Man konnte hineinschlüpfen, die Dinge dort ablegen. Es gab Bedienstete, die das dann sammelten, ordneten und alles fertig machten.
Ganz in der Nähe gab es noch einen weiteren unbeobachteten Raum. Dort konnten gewissermaßen die Bedürftigen hineinschleichen und sich die Sachen, die geordnet waren, herausgeben lassen, was sie brauchten.
Der Raum der Stille: Die einen gingen still und unbemerkt hinein und legten etwas hin. Das wurde dann dort geordnet und versorgt. Die anderen konnten still und unbeobachtet hineingehen und bekamen, was sie in ihrer Not brauchten.
Man kann meinen, dass Jesus auch an diesen Raum der Stille gedacht hat, als er zur Diskretion mahnte.
Wohlgemerkt, es geht hier nicht um eine fromme Geheimniskrämerei. Mit einer frommen Geheimniskrämerei könnte man sich ja auch wieder interessant machen. Sondern es geht um das Herz, um die Haltung hinter meinen Taten.
Je weniger Aufhebens ich mache, umso mehr bin ich davor geschützt, nach menschlichem Beifall zu schielen. Das ist ein ganz praktischer Tipp.
Und wenn andere mich dann trotzdem loben, dann kann ich mich darüber freuen. Ich muss es auch nicht künstlich abwiegeln. Klar freue ich mich, wenn andere sagen: „Mensch, das war aber gut, das hat mir geholfen.“ Oft benutzt Gott auch das Lob oder die Zustimmung der anderen, um uns zu ermutigen.
Na klar, das dürfen wir auch annehmen. Da müssen wir nicht so tun, als ob uns das ganz unwichtig wäre, als ob wir das gar nicht bräuchten oder als ob uns das vielleicht halb peinlich wäre. Nein, darüber dürfen wir uns freuen, und wir sollen auch selbst andere ermutigen.
Na klar, aber Sie sehen, wie wichtig es ist, dass wir hier wirklich differenzieren. Ich muss mich davor hüten, dass der Beifall der Menschen das Ziel meines Dienstes wird.
Sonst kann es nämlich ganz schnell passieren, dass ich nur noch das mache und das sage, wovon ich weiß, dass es bei den Menschen gut ankommt. Dann mache ich nur noch das, wofür ich mit Beifall rechnen kann, und unterlasse das, wofür ich möglicherweise mit Prügeln rechnen muss.
Das darf aber nicht unsere Orientierung sein. Also müssen wir uns davor hüten, dass der Beifall der Menschen das Ziel unseres Dienstes wird.
Halten Sie das jetzt bitte fest: Wenn Jesus unsere Glaubenspraxis so auf den Prüfstand stellt, dann macht er eines ganz klar: Das Herz ist wichtiger als die Hand, das Herz ist wichtiger als der Mund, das Herz ist wichtiger als die Füße.
Unsere Haltung ist dem lebendigen Gott wichtiger als unsere Handlungen. Das darf man nicht voneinander trennen, aber es gibt eine ganz klare Zuordnung.
Darum: Wenn wir wollen, dass Menschen wirklich verändert werden, dann müssen wir vor allem versuchen, ihr Herz zu erreichen.
Das Herz ist das Zentrum unseres Denkens, Wollens und Fühlens. Und wodurch wird das Herz allein erreicht? Durch das Wort Gottes.
Nur das Wort Gottes – das kann man zum Beispiel in Hebräer 4 nachlesen – oder an anderen Stellen. Nur das Wort Gottes hat die Kraft, Herzen zu verändern.
Deswegen nützt es auch nichts, wenn wir an Menschen herumpsychologisieren oder gemeindlich an ihnen herum pädagogisieren oder ihnen ständig Druck machen und sie dazu auffordern, bestimmte Dinge doch nun endlich mal zu machen und zu tun.
Das ist nicht nachhaltig. Vielleicht können wir jemanden kurzfristig bewegen, sich irgendwo einzusetzen, und dann macht er das, damit er seine Ruhe vor uns hat. Aber wir werden nicht erreichen, dass er langfristig mit ganzer Hingabe gern um des Herrn willen seinen Dienst tut.
Das geht nur durch die Veränderung des Herzens – Hand von Herzen. Und diese Veränderung des Herzens kann allein das Wort Gottes bewirken.
Deswegen legen wir in unserer Gemeinde so großes Gewicht auf die Predigt, auf die Bibelstunde, auf das Bibellesen, auf das Auseinandersetzen mit der lebendig machenden Wahrheit des lebendigen Gottes.
Weil nur dadurch wirklich bleibende, nachhaltige Veränderung im Leben, im Herzen eines Menschen, im Herzen von uns selbst bewirkt werden kann.
Hand von Herzen – das ist die Devise, die Jesus heute Morgen ausgibt.
Wir wollen von Gott regiert werden in unserem Herzen, damit wir ihm dienen mit unseren Händen.
Und wenn ich dann mal von Menschen keinen Dank bekomme für irgendetwas, ist das doch nicht so schlimm. Der Herr hat es doch gesehen.
Dann sollte es mir vielleicht eher um des anderen Willen leidtun, dass er so undankbar ist. Aber für mich ist das auch ein guter Prüfstein manchmal: Hast du es für Gott getan, oder hast du es in erster Linie getan, weil du die Anerkennung der anderen willst, weil du gewürdigt werden willst? Warum hast du es gemacht?
Wenn du es aber für Gott getan hast, dann kannst du wissen: Er hat es nicht übersehen, er hat es gesehen.
Das bekräftigt Jesus zum Schluss nochmals in Vers 14: „Damit dein Almosen verborgen bleibe und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.“
Freiheit durch echte Frömmigkeit
Damit haben wir am Ende eine wunderbare Auswirkung: Handeln von Herzen macht uns unheimlich frei. Es befreit uns vom Buhlen um die Anerkennung anderer Menschen. Wenn sie uns diese Anerkennung dennoch geben und uns unterstützen, ist das umso schöner. Aber wir sind nicht mehr davon abhängig.
Wir gewinnen eine königliche Freiheit, weil wir wissen, dass wir allein im Urteil des lebendigen Gottes leben. Er sieht alles, genauso wie ihm keine Träne entgeht, die wir weinen. Nichts bleibt ihm verborgen. Ebenso sieht er alles, was wir mit Herzblut tun und wo wir uns für ihn einsetzen. Er sieht es.
So werden wir unabhängig und zu starken Persönlichkeiten, die einen klaren Kurs fahren. Unsere erste Frage ist dann nicht mehr: Wie kommt das an? Was habe ich davon? Oder wie verhält sich das zu meiner Bequemlichkeit? Stattdessen fragen wir: Was will Gott? Was ist richtig um Gottes Willen? Was soll ich tun, Herr?
Dabei kann es durchaus sein, dass wir auch in aller Öffentlichkeit Gutes tun. Jesus hat ja nicht gesagt, dass wir unsere guten Taten um jeden Preis verstecken sollen. Er hat auch nicht gesagt, dass wir unseren Glauben in der Öffentlichkeit verbergen sollen. Manchmal benutzt er das sogar, um andere Menschen anzusprechen.
So habe ich es im Urlaub oft gemacht: Bevor die ganze Familie gefrühstückt hat, bin ich eine Stunde vorher in den Speisesaal gegangen und habe in Ruhe meine Bibel gelesen – bei den ersten zwei Tassen Kaffee. Dabei lag meine schöne MacArthur Studienbibel auf dem Tisch. Sie hat den Vorteil, dass sie einen festen, großen, schwarzen Einband hat.
Eines Morgens sprach mich einer der Kellner an. Er sprach ganz gut Deutsch und fragte: „Was lesen Sie da?“ Er ist Moslem und lebt in der Türkei. Ich antwortete: „Das ist die Bibel.“ Er schaute sich das Buch genauer an und sagte: „Das ist das heilige Buch der Christen.“
Ich zeigte ihm, dass auch die Türkei in der Bibel vorkommt, nämlich bei den Paulusreisen und den Landkreisen. Er sagte: „Schauen Sie, hier sind wir, und da ist Jerusalem, und da ist Jesus geboren worden.“
Dann konnte ich ihm sagen, dass Jesus auferstanden ist und dass wir zu Jesus beten können. Er war sehr interessiert und stellte viele Fragen. Bevor wir abreisten, konnte ich ihm eine Schrift geben, und er gab mir seine E-Mail-Adresse. Wir werden bestimmt in Kontakt bleiben.
Wir sollen unseren Glauben also nicht verbergen. Wir können uns sogar mit einer großen Bibel in den Speisesaal setzen. Gott kann es schenken, dass daraus das eine oder andere Gespräch entsteht und Nachfragen folgen.
Wir sollen unsere guten Taten ebenfalls nicht vor der Öffentlichkeit verstecken. Jesus sagt im vorherigen Kapitel, Matthäus 5,16: „Lasst euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“
Das heißt: Macht ihnen deutlich, warum wir das tun und warum wir uns einsetzen. Weil wir einen Gott haben, dem wir dienen, der heilig ist, dem wir gehören und der die Menschen liebt und zur Verantwortung zieht.
Wir dürfen und sollen in der Öffentlichkeit wirken. Doch es gibt eine wichtige Einschränkung: Unsere guten Werke sollen zwar gesehen werden, aber wir dürfen sie nicht mit dem Ziel tun, gesehen zu werden. Wir dürfen sie nicht aus dem Motiv heraus tun, gelobt zu werden oder damit die Leute sagen: „Mensch, sind die aber uneigennützig.“
Das Ziel soll immer sein, dass Gott geehrt wird.
Ich glaube, wir merken in dieser Predigt, dass das ein ziemlich schmaler Grat ist, auf dem wir oft gehen. Wir können uns dabei sehr leicht selbst täuschen. Deshalb macht Jesus deutlich, dass die Trennlinie oft mitten durch uns selbst hindurchgeht.
Anderen gegenüber können wir uns oft noch ganz gut zusammenreißen. Manche verhalten sich bescheiden, weil sie gut erzogen sind. So verhindert schon unsere gute Erziehung manchmal, dass wir protzend und prahlerisch vor den Menschen auftreten.
Aber uns selbst gegenüber? Wie oft und wie schnell packt uns der innere Stolz? Vielleicht sogar der Stolz darüber, dass wir unseren Stolz nicht nach außen tragen. Und der innere Stolz darauf, was wir alles für Gott tun und wie sehr wir uns einsetzen.
Bildlich könnte man sagen: Wenn unsere linke Hand reden könnte, würde sie vielleicht sagen: „Ach, was haben wir doch für eine schöne rechte Hand, was wir nicht alles im Reich Gottes tun und geben.“
Bei Linkshändern ist es dann genau umgekehrt.
Jesus sagt aber: „Lasst die Linke nicht wissen, was die Rechte tut.“ Das heißt: Hör auf, auch dir selbst gegenüber Buch zu führen darüber, was du alles Gutes für Gott tust, wie sehr du dich einsetzt und was für ein reifer, aufrechter Christ du bist.
Hör damit auf und freu dich darüber, dass Gott in seiner Gnade dich großzügig beschenken wird. Dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird dir vergelten.
Sehnsucht nach Gottes Lob und Belohnung
Bleibt am Schluss die Frage: Kommt dann nicht doch der Egoismus durch die Hintertür wieder herein? Wir schielen zwar nicht nach dem Beifall der Menschen, vielleicht nicht einmal nach unserer Selbstbestätigung, aber wir schielen nach dem Beifall Gottes. Wollen wir nicht dann doch wieder etwas für uns selbst?
Doch, und an dieser Stelle dürfen und sollen wir das auch. Das ist das Interessante: Gott will, dass wir uns nach seiner Anerkennung sehnen. Gott will, dass wir uns nach seinem Beifall sehnen. Gott will, dass wir um ihn kreisen, ihn ehren und von ihm ein gutes Urteil wollen. Das will Gott ausdrücklich.
Sehen Sie, je mehr eine Person mir bedeutet, desto wichtiger ist mir ihr Lob. Ich hörte von einem Pastor in den Vereinigten Staaten, der sehr anerkannt war in der Öffentlichkeit und trotzdem fast im Alkoholismus gelandet wäre. Er hat dann zu einem Kollegen gesagt: „Alle Leute finden mich gut und würdigen meine Arbeit, nur meine Frau hält überhaupt nichts von meinem Dienst, sie verachtet mich im Grunde.“ Das hat so an ihm genagt, dass dieser für ihn wichtigste Mensch seinen Dienst so wenig geachtet hat, dass es ihn fast in den Alkohol getrieben hat.
Also: Je mehr eine Person uns bedeutet, desto wichtiger ist uns ihr Lob. Und so will Gott, dass er uns wichtiger wird als jeder Mensch. Dass uns sein Lob und sein Lohn wichtiger werden als jeder menschliche Beifall und jeder weltliche Erfolg. Das will Gott, dass er uns so wichtig ist, dass uns sein Lob am meisten bedeutet.
Gott ist so großzügig und geht so weit auf uns zu, dass er uns die ganze Bibel hindurch immer wieder verspricht, seine Leute zu belohnen. Und wir müssen uns gar nicht schämen, wenn uns diese Belohnung motiviert. Das wird auch von Größeren gesagt, zum Beispiel von Mose im Hebräerbrief 11,24-26. Er hielt durch. Warum? Denn er schaute auf die Belohnung, die Gott ihm geben würde. Das gab ihm die Kraft, durchzuhalten, zu kämpfen und zu leiden, denn er schaute auf die Belohnung von Gott.
Und genau das verspricht Jesus uns hier am Ende: „Und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir vergelten, er wird dir vergelten.“ Klar, wir können uns das nicht verdienen. Gott ist nicht verpflichtet, uns zu belohnen. Aber in seiner Großzügigkeit will er das, und Jesus sagt hier, dass er es tun wird.
In einem alten Lied heißt es so ähnlich: „Himmlische Gaben, wer kann sie ermessen, werden die Knechte des Königs empfangen. Keinen im Leben wird jemals vergessen, was er aus Liebe zu Jesus getan.“ Und das ist so. Er wird uns das lohnen. Er gibt uns einen Anhaltspunkt schon hier. Ich denke, der Herr schenkt uns oft eine besondere Freude, eine Freude, die man nicht machen kann, die man für nichts kaufen kann. Aber er belohnt unseren Einsatz für ihn oft mit einer besonderen Freude.
Und wer weiß, was er uns sonst schon alles geschenkt hat, ohne dass wir es uns bewusst gemacht haben? Er wird belohnen, sagt Jesus. Er wird das tun. Er muss es nicht tun, aber er will es tun. Der lebendige Gott will, dass du dich nach seinem Lob und nach seinem Lohn sehnst.
Und das ist doch eigentlich auch ganz einleuchtend. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen kleinen Enkel oder eine kleine Tochter oder einen kleinen Sohn, und sie zeigen ihm stolz das neueste Bild, das sie gerade gemalt haben. Das hat die Tabea früher auch gemacht und es für sie gemalt. Dann merken Sie, wie Ihr Kind oder Enkel darauf wartet, von Ihnen gelobt zu werden.
Da kommt das Kind mit dem Bild und sagt: „Schau mal, habe ich für dich gemacht, ist das nicht schön?“ Und dann wartet das Kind und sagt: „Mama/Papa/Oma/Opa, das hast du wirklich ganz toll gemacht, ich freue mich drüber.“ Sie werden doch dann nicht so reagieren, dass Sie sagen: „Meine Tochter sucht nur ihre Selbstbestätigung.“ Nein, Sie werden nicht sagen: „Was für ein Egoist ist das, sie hat das Bild nur gemalt, damit ich sie lobe.“ So reagiert doch kein normaler Mensch.
Sie werden gerührt sein, sich freuen und an der Hoffnung auf ihr Lob sehen, wie sehr Ihr Kind oder Enkel Sie liebt und wie sehr ihm an Ihrem Lob, an Ihrer Anerkennung und an Ihrer Zuwendung gelegen ist. Sie werden sich freuen und manchmal vielleicht sogar noch eine schöne Belohnung ausdenken – aus Liebe.
Ich denke, das ist nur ein schwaches Beispiel, aber es kann eine Hilfe für uns sein, uns vorzustellen, wie wichtig es für Gott ist, dass uns sein Lob wichtig ist, dass es uns um seinen Lohn geht, um sein Lob, um seine Anerkennung. Das wird ernster genommen als alles andere.
Daran wird sich entscheiden, daran wird sich letztlich entscheiden, ob unsere Frömmigkeit den Echtheitstest besteht – echt oder unecht. Das entscheidet sich in deinem Herzen.
Deshalb legt Jesus uns heute Morgen diese Testfrage vor. Er sagt: Hab Acht auf deine Frömmigkeit. Erstens: Hand aufs Herz, was treibt dich? Was willst du erreichen mit deiner Frömmigkeit? Wessen Ehre suchst du?
Zweitens haben wir gesehen, wie schnell wir in die Falle der Heuchelei hineintappen – Hand ohne Herz. Mit unseren Händen und Worten dienen wir Gott, und vielleicht werden wir von vielen als vorbildliche Christen gefeiert. Aber mit unserem Herzen sind wir ganz woanders. Da suchen wir nur die Anerkennung von Menschen und unsere eigene Ehre.
Jesus will uns aus dieser Heuchelei herausführen. Dann gilt das Dritte, nämlich: Hand von Herzen. Dann dienen wir Gott nicht nur mit unseren Händen, unserem Mund und unseren Füßen, sondern wir dienen ihm von Herzen. Wir dienen ihm nicht nur mit unserem Geld und unserer Kraft, sondern mit unserer ganzen Hingabe.
Wir wollen ihn ehren, wir sehnen uns nach seinem Lob, wir wollen ihm Freude machen. Und wir dürfen dafür sogar auf seine Belohnung hoffen.
Gebet um Erkenntnis und Führung
Wenn einem bewusst wird, wie gründlich Gott unser Herz erforscht, kann man manchmal innerlich wirklich zusammenzucken. Wenn mir klar wird, wie genau Gott hinter meine Kulissen schaut, bleibt mir eigentlich nur noch ein Fluchtweg: die Flucht nach vorn, die Flucht hin zu Gott selbst, die Flucht ins Gebet.
So möchte ich Ihnen für diesen Sonntag – aber auch für die ganze Woche – ein kleines Gebet mit auf den Weg geben. Es sind die Schlussverse von Psalm 139. Als ich diesen Bibeltext zum ersten Mal gründlich bearbeitet habe, habe ich zum ersten Mal verstanden, warum Psalm 139 so enden muss, wie er endet. Da habe ich Psalm 139 richtig verstanden.
Im ersten Teil macht sich David klar, dass der lebendige Gott ihn völlig durchschaut. Im ersten Teil von Psalm 139 stehen die berühmten Sätze: „Von allen Seiten umgibst du mich, du kennst jede meiner Regungen, du siehst alle meine Wege, du durchschaust mich besser, als ich mich selbst durchschaue.“ Dieses Thema zieht sich durch den ganzen Psalm 139.
Am Ende bleibt David nur die Flucht nach vorn, nur die Flucht ins Gebet. Deshalb beendet er diesen Psalm so. Am Schluss sagt er: „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz, prüfe mich und erkenne, wie ich es meine, und sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege.“ (Psalm 139,23-24)
Er merkt, dass er sich selbst letztlich nicht durchschaut. Der Weg, den wir gehen, ist so schmal, die Motive in unserem Herzen können sich so leicht vermischen, dass wir das aus eigener Kraft gar nicht angemessen regeln können.
Deshalb sagt er zu Gott: „Erforsche du mich und erkenne du mein Herz, prüfe du mich und sieh, wie ich es wirklich meine, was wirklich mein Motiv ist. Dann bewahre mich und sieh, ob ich auf bösem Wege bin. Sieh, wo ich in der Gefahr stehe, abzurutschen. Sieh, wo ich mich in meiner Selbstgenügsamkeit behaglich eingerichtet habe. Dann sieh das bitte und hol mich da raus. Sieh, ob ich auf bösem Wege bin und leite mich auf ewigem Wege!“
Machen Sie das zu Ihrem Gebet! Amen!
Abschlusslied
Wir wollen jetzt gemeinsam das Lied 279 singen: „Bei dir, Jesu, will ich bleiben, stets in deinem Dienste stehen.“