Einführung: Die Bedeutung Jesu Christi als Haupt der Gemeinde
Ich möchte den Predigttext für heute vorlesen. Er steht im Kolosserbrief, Kapitel 1, Verse 18 bis 20. Dort finden wir eine wichtige Aussage darüber, was uns Jesus Christus im Leben unserer Gemeinde bedeutet.
Jesus Christus ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde. Er ist der Anfang und der Erstgeborene von den Toten, damit er in allem der Erste sei.
Denn es hat Gott gefallen, mit seiner ganzen Fülle in Jesus zu wohnen und durch ihn alles mit Gott zu versöhnen – sei es auf Erden oder im Himmel. Das geschieht, indem Jesus Frieden machte durch sein Blut am Kreuz.
Herr, öffne uns dein Geheimnis selbst. Amen.
Die zentrale Rolle des Hauptes für den Leib
Was kann die Medizin heute nicht alles? Man fragt sich manchmal, ob all das, was getan wird, wirklich gut ist. Es ist möglich, bei einem Menschen viele Organe zu ersetzen. Sie kennen Menschen, denen wichtige Körperteile amputiert und durch Prothesen ersetzt wurden. Sie wissen, wie Maschinen an die Stelle kostbarer Organe treten können, etwa eine künstliche Niere. Auch Operationen am Herzen sind heute machbar. All das ist heutzutage möglich.
Neulich las ich in der Zeitung von einem Menschen, der offenbar ab dem Nabel amputiert wurde. Da fragte ich mich: Ist das wirklich möglich oder nur ein Zeitungsmärchen? Ist das überhaupt noch ein Mensch? Doch es wurde berichtet, dass dieser Mensch seit einiger Zeit mit dieser totalen Operation seines Körpers lebt – nur der Oberkörper lebt weiter.
Es gibt jedoch eine Amputation, die in jedem Fall tödlich ist: der Kopfab. Bis heute kenne ich keine Kopfprothese, die man tragen kann. Vielleicht wird die Wissenschaft eines Tages ermöglichen, einen menschlichen Körper noch einige Stunden ohne Kopf weiterleben zu lassen. Aber das wäre kein Menschenleben mehr.
Der Kopf ist das Entscheidende unseres Körpers. Deshalb pflegen wir unseren Kopf auch so sorgfältig. Haben Sie ihn auch heute Nacht so behutsam auf das Kissen gebettet? Wir Schwaben machen das besonders schön: Wir haben doppelt so große Kissen wie die Menschen in anderen Regionen – die sogenannten Haipfel –, damit der Kopf angenehm ruhen kann. Das ist wichtig.
Und heute Morgen haben wir uns vor den Spiegel gestellt. Es ist wichtig, unseren Kopf zu schmücken, damit er schön aussieht – noch schöner, als er sowieso schon ist. Ein ordentlich gepflegter Kopf spielt eine ganz wichtige Rolle in unserem Leben. Er ist gewissermaßen das Markenzeichen unserer Persönlichkeit.
Darum setzt man auch im Personalausweis ein Bild von unserem Kopf ein. Das ist nicht selbstverständlich. Sie haben doch einen schönen Körper und schöne Körperteile, aber die meisten davon verhüllen wir unter Kleidern. Ausgerechnet den Kopf haben wir als Zeichen ausgesucht.
Ich denke an einen Zöllner am Brenner oder an der Salzburger Autobahn, der täglich Zehntausende Touristen passieren lässt. Er sieht immer nur die Köpfe an. Anhand der Köpfe prüft er die Menschen. Was darunter hängt – ein Zentner, zwei Zentner oder vier Beine – interessiert ihn nicht. Er sieht nur die Köpfe, immer nur die Köpfe. Das ist das Markenzeichen eines Menschen, das Entscheidende, auf das alles ankommt.
Die Gemeinde als Leib Christi mit Jesus als Haupt
Dieses Bild greift Paulus auf und macht damit etwas deutlich über die weltweite Gemeinde Jesu, das Volk Gottes, die Christen. Es kann vorkommen, dass bei den Christen, die der Leib Christi sind, Amputationen geschehen. Wir sehen dann die Schäden am Leib Christi. Wichtige Organe fehlen, vieles ist krank, und der Körper funktioniert nicht richtig.
Doch das Entscheidende ist der Kopf des Leibes. Das Haupt ist Jesus Christus. Wenn der Körper mit dem Haupt verbunden ist, kann nichts geschehen.
Nun sagen Sie nicht so schnell: „Darüber sorge ich mich nicht.“ Darüber sorge ich mich sehr. Ob bei uns Christen die Verbindung zum Haupt richtig ist – das ist die entscheidende Frage unseres Gemeindelebens. Alle anderen Krankheiten der Gemeinde Jesu, des Volkes Gottes, möchte ich heute einmal nicht so wichtig nehmen.
Wenn wir von Kirche oder Gemeinde sprechen, dann fällt uns sofort etwas ein. Wir stellen uns etwas darunter vor. Vielleicht denken Sie bei Gemeinde an ein Gebäude, an einen Pfarrer oder an Glockengeläut. Man hat solche Assoziationen im Kopf. Vielleicht fallen Ihnen auch ein paar Menschen ein, die Sie ärgern – es sind immer die Christen. Es gibt viele Assoziationen, die wir haben.
Wir sollten aber, wenn wir „Gemeinde“ hören, nur eine Assoziation haben: Das Haupt, das Markenzeichen der Gemeinde, Jesus Christus. Darauf kommt es an.
Luther hat das Wort „Kirche“ ungern benutzt, aus verschiedenen Gründen. Er sprach viel lieber von der Christenheit. Sie erinnern sich: Im Katechismus spricht er von der Christenheit. Doch wenn wir „Christenheit“ hören, denken wir oft an eine zerspaltene Christenheit, an Konfessionen.
Wir sollten das anders hören. Wir sollten an das Haupt des Leibes denken und von dort aus alles neu verstehen. Wenn Jesus Christus so organisch mit seiner Gemeinde, mit seinem Volk verbunden ist, dann kann man große Dinge von seiner Gemeinde sagen.
Die Einheit der Gemeinde unter dem Haupt Jesus Christus
Ich habe heute fünf Punkte, bei denen ich Ihnen zeigen möchte, welche Folgen das alles für die Gemeinde Jesu in der Welt hat.
Der erste Punkt ist: Die Gemeinde Jesu, das Volk Gottes, ist ganz harmonisch geeint. Ganz harmonisch geeint.
Das ist ein Thema unseres Jahrhunderts: Wie bringt man die Christen an einen Tisch? Die Christenheit ist zerstritten und zerspalten. Ein Teil kämpft gegen den anderen. Hier ist ein kleiner Kreis, dort ein anderer. Wer weiß denn überhaupt noch, wie viele Gruppen es gibt, die sich im Namen Jesu und der Welt versammeln?
Man muss immer wieder darauf achten, dass es nicht nur in der Christenheit so ist, sondern auch in den Konfessionen und fast in jeder Gemeinde. Dort zieht der eine in die eine Richtung, der andere in eine andere. Da sind die jungen Leute mit ihren Ideen, da sind die Älteren, da sind die Hauptamtlichen, da sind die Ehrenamtlichen, da sind die vom freien Werk her Denkenden, da sind die Organisierten und dort die kirchlichen Gruppen.
Wie bekommt man denn alle unter einen Hut? Das Rezept, das uns viele empfehlen, ist eine einheitliche Organisation zu schaffen. Doch das nützt nichts, denn in den Organisationen beginnt das Miteinander genauso von neuem.
Wenn wir zurückgehen zu dem, was Jesus geplant hat: Er ist das Haupt, und der Kopf eint die verschiedenen Glieder. Wenn wir unter dem Haupt Jesus Christus geeint sind in unserer ganzen Verschiedenheit und nur das Haupt über uns haben, dann sind wir auf einmal ganz harmonisch geeint.
Die Frage, die wir heute stellen müssen, wenn nach der Einheit der Christen gefragt wird, lautet: Geht es allein um die Autorität Jesu Christi? Kein anderes Argument soll mehr zählen als allein der erhöhte Herr Jesus Christus.
Wenn wir in einer Gemeinde Nöte haben, zusammenzukommen, dann sollen wir uns Zeit nehmen und sagen: Lasst uns zuerst miteinander beten und auf das Wort Jesu hören. Dann werden wir zusammenfinden.
Das ist die alte Weglinie der evangelischen Allianz, die die Väter im letzten Jahrhundert entdeckt haben. Sie war auch in früheren Jahrhunderten nie neu, sondern wurde über alle Kirchengrenzen hinweg praktiziert: Lasst uns versammeln unter dem Wort Jesu. Mehr braucht es nicht zur Einheit der Christen.
Dort, wo das Evangelium gepredigt wird und Menschen sich gehorsam unter dieses Wort stellen, da gibt es auf einmal harmonische Einheit. Harmonische Einheit.
Ich möchte einfach Widerstand leisten, wenn heute mit anderen Mitteln die Einheit der Christen gesucht wird. Dort wird es nicht gelingen, als allein unter der Autorität des Hauptes, allein unter der Autorität Jesu.
Das Schlimmste, was gegenwärtig passieren kann, um die Einheit der Christen zunichtezumachen, ist, dass in unserer Christenheit die Autorität und Würde Jesu umstritten ist. Seine Göttlichkeit, sein Werk, seine Erlösung werden infrage gestellt.
Dann können wir uns ja nicht mehr einen. Dann haben wir ja nicht mehr dieses gleiche Wort, das über uns steht. Dann sind wir ja nicht mehr miteinander mit dem Haupt verbunden.
Lasst uns ihn suchen, lasst uns aufsehen auf ihn und dann Gemeinschaft untereinander haben. Ohne ihn können wir nichts.
Lasst uns alles andere zurückdrängen vor dem, was Jesus heute als das Haupt, als der Herr über uns, will.
Die Freude und Kraft durch die Verbindung mit Christus
Der erste Punkt: Wir können Harmonie untereinander haben, wenn Christus das Haupt ist.
Der zweite Punkt: Wir können auftrumpfen. Normalerweise kann ich mit meinem Christenleben nicht auftrumpfen. Ich beneide jene, die immer groß reden können, wie zeugnishaft ihr Leben ist und wie sie ein Beispiel geben. Ich möchte warnen: Schaut nicht zu genau hin! Mein Leben ist nicht zeugnishaft. Ich bin ein Anfänger und werde es sicher auch bis zum Ende meines Lebens bleiben.
Wir sind durch ein Wunder des Erbarmens Gottes gerecht geworden. Wie kann man da auftrumpfen? Wenn man ständig seinen eigenen Christenstand betont, wird man beschämt und traurig. Warum geht es überhaupt nicht vorwärts? Ich kann nicht auftrumpfen und sagen: „Schaut mal, was wir Christen sind.“
Paulus konnte mit seinem Christenstand auftrumpfen, weil er sich immer so sah, dass er mit dem Haupt, Jesus Christus, verbunden ist. Das Haupt ist Christus, ich gehöre zu ihm, ich bin ein Glied an seinem Leib. Dieses Bild ist einfach: Wir sind wie ein Körperteil, ein Glied, das zum Haupt gehört.
Nun sagt Paulus in diesem Wort etwas ganz Wichtiges: Jesus ist der Erstgeborene von den Toten. Er ist schon hindurch durch alle Weltnöte gegangen, hat den Tod überwunden und ist aus dem Grab auferstanden. Er hat die ganzen Probleme mit dieser alten Welt hinter sich.
Das ist für Christen ein Triumph. Ich kann mich einfach freuen und sagen: Herr, ich darf auftrumpfen und sagen, du bist schon hindurch durch die Todesnöte und die Anfechtungen dieser Welt. Du wirst mich auch noch durchziehen.
Lasst auch ein Haupt Glied sein, das nicht nach sich zieht. Natürlich sind wir alle Problemfälle im Christentum. Aber ich will mich nicht dauernd selbst beäugen, meinen Puls fühlen und sagen: „Ach ja, mit meinem brüchigen Christenleben.“ Ich will nicht um mich selbst kreisen, sondern mich daran freuen, dass ich ein Glied an seinem Leib bin, dass er das Haupt ist und dass er schon hindurch ist.
Paulus sagt dann, er möchte immer mehr von der Auferstehungskraft Christi entdecken. Durch das Haupt kommen schon jetzt neue Kräfte in unser Leben. Diese neue Kraft ist der Heilige Geist, der in unserem Leben Raum sucht und wirken will. Das ist wunderschön, wenn wir ihm schon Platz geben können.
Unser Leben ist dann nur ein Rohmaterial für das, was er daraus machen will. Das griechische Wort, das hier für „der Erstling“ steht, heißt eigentlich „der Erstling“ oder „Prototyp“. Im modernen Wortgebrauch ist das der Prototyp.
Wenn jetzt die neue Autoausstellung in Frankfurt kommt, bringen Autofabriken manchmal einen Prototypen her. Das ist der erste Typ einer neuen Serie. Die Serie wird später auf Band gelegt, aber zuerst wird ein Modell gemacht, nach dem alle anderen produziert werden. Das ist ein Ausstellungsexemplar, damit die Kunden wissen, wie die anderen Modelle aussehen.
Jesus ist der Prototyp der neuen Schöpfung, der Erstling. An ihm kann man sehen, wie ein vollendetes Christenleben aussieht. Wir werden in seinem Bild gleich gestaltet werden. Auch wenn ich heute äußerlich noch nichts davon darstellen kann und der alte sterbliche Mensch bin, freue ich mich, weil ich mit dem Haupt verbunden bin.
Paulus war so zuversichtlich, und ich teile dieselbe Zuversicht: „Der, der in euch das gute Werk angefangen hat, wird es auch vollenden bis zum Tag Jesu Christi“ (Philipper 1,6). Er hat angefangen, ihr gehört doch zum Haupt, dann wird er es auch zum Ziel bringen.
Von den schwierigen Gemeinden seiner Zeit – es waren auch schwierige Gemeinden, das ist klar – ist die Ludwig-Hofer-Gemeinde eine Gemeinde ohne Spannungen. Durch die Güte ihrer Glieder – vielen Dank! Ich meine nicht, dass wir hier von aktuellen Notständen sprechen, sondern von den Schwächen unserer Christenheit überhaupt.
Wir dürfen auch vergessen, dass es eine Gemeinde ohne Flecken oder Runzeln gibt. Wir sehen sie schon in der Vollkommenheit Jesu, des Erstlings, des Prototyps der neuen Schöpfung.
Die Vielfalt in der Gemeinde als Ausdruck der Einheit
Drittens: Wenn Christus das Haupt ist, dann gibt es in der Gemeinde eine unerschöpfliche Vielfalt. Versucht man heute, Christen unter einen Hut zu bringen, dann erhält jeder nur eine Anweisung: Du musst dich einschränken, Rücksicht auf den anderen nehmen, dich anpassen und auf dies und jenes achten. So wird äußerlich eine Einheit hergestellt.
Das erinnert mich an einen Pyramidenbau, bei dem jeder Stein so abgeschlagen wird, dass er eine glatte Fläche ergibt. Niemand darf exzentrisch herausragen. Im Neuen Testament wird die Gemeinde Jesu jedoch ganz anders gesehen. Dort gibt es die merkwürdigsten Leute. Gott hat uns ja ganz verschiedene Naturelle, Begabungen und Eigenarten gegeben. Jeder von uns ist ein Original, ein ganz anderer Typ.
Es ist schade, wenn der Pfarrer allein die Gemeinde manipuliert und alles auf seine Person zuschneidet. Im Neuen Testament gilt die große Vielfalt der Gemeinde. Nun kommt noch einmal das Bild vom Körper: Ein Fingerglied ist völlig anders als ein Ohrläppchen, ein Fußzeh ist anders als ein Auge. So ist auch jeder Christ ein ganz anderer Typ – auch in seinem Platz, den ihm Gott zuweist.
Wie furchtbar wäre es, wenn man sagen müsste: Du musst so werden wie der andere, du musst ein bisschen aufpassen, du störst die Einheit. Ich finde es schön, wenn man auch aus der Reihe springen darf. Sie wissen, dass ich manchmal so ein Mensch bin, der heute nicht den ordentlichen Predigttext predigt. Es ist schön, wenn das möglich ist – wenn nicht die Einheit in Zeremonien, Formen und Äußerlichkeiten gesucht wird.
Lass doch die Vielfalt! Die Glieder des Körpers hängen zusammen durch das Haupt, dem sie gehören. Das Haupt gibt die Dienstanweisung für jedes Glied. Normalerweise sollte man nicht reden, bevor man denkt. Doch es gibt Menschen, die es anders herum machen: Sie reden zuerst und denken dann.
Normalerweise soll der Kopf das Signal geben, was gesprochen wird. Was die Hände tun, soll vorher vom Kopf überlegt, geplant und beauftragt sein. In der Christenheit ist es notwendig, dass jedes einzelne Glied in seiner ganzen Verschiedenheit seine Dienstanweisung vom Haupt erhält.
Die Brüder von der Heilsarmee, unsere Brüder von den Methodisten, wir hier, in Bibelkreisen, Gruppen, offenen Abenden und ZVM – wo sie auch sind, ob alt oder jung – jeder erhält seine Dienstanweisung vom Haupt. Nicht, dass einer tut, was er gerade will, sondern dass Christus uns führen kann. Welch eine harmonische Vielfalt entsteht so in der Gemeinde Jesu!
Was kann da geschehen unter allen Völkern und Rassen, wenn Christus uns treibt! Nun sagen Sie mit Recht: Das wäre ein Idealbild. Sicher, es geht nicht darum, ob das in unserer Welt vollständig verwirklicht werden kann. Aber es geschieht heute.
Ich möchte Sie nur fragen: Sind Sie ein Glied am Leib Christi? Ich kann das nie mit letzter Bestimmtheit über einen Menschen sagen. Es ist auch nicht meine Aufgabe, ein solches Urteil zu fällen. Wo ist die Grenze der Gemeinde? Sind alle, die hier versammelt sind, Glieder am Leib Christi?
Ich bitte Sie: Sie müssen wissen, ob Sie mit dem Haupt, Christus, so verbunden sind, dass er Sie bestimmen kann durch sein Wort. Dass er Ihnen seine Befehle mitteilen kann und Sie harmonisch eingefügt werden in dieses Vielerlei.
Sie brauchen Gemeinschaft nicht, weil es langweilig wäre, allein zu sein. Gemeinschaft unter Christen ist notwendig, weil die Glieder aufeinander angewiesen sind. Was geschieht, wenn sich plötzlich ein Glied aus der Führung des Hauptes entzieht? Was für ein Gehambel und Gestrampel entsteht, wenn ein Glied zu zucken beginnt, weil es nicht mehr unter der Kontrolle des Hauptes steht?
Sie gehören in diese feste Verbindung hinein mit dem Haupt, Jesus Christus. Wenn Sie mit ihm verbunden sind, werden Sie die Gemeinschaft mit den anderen Gliedmaßen suchen.
Die Gemeinde als Ort der Gegenwart Gottes
Viertens: Wenn Jesus das Haupt ist, dann ist die Gemeinde eine Stätte der Gegenwart Gottes.
Viele Menschen sind von den Christen abgestoßen. Sie sagen: „Ach, ich kenne doch die Leute. Wenn sie hier hereinkommen, fragen sie: Was ist das? Sie schauen unser Kirchendach an oder sehen uns an. Ich weiß nicht, was besser ist.“ Dann schauen sie auf den Boden und sagen: „Was ist das schon?“ Schließlich hören sie unsere Worte und fragen: „Was ist denn daran göttlich?“
Es ist gut, wenn wir das möglichst nüchtern und ehrlich betrachten und sagen: Wir sind nichts Besonderes. Wir haben eine schlichte Kirche, vielleicht die schlichteste in Stuttgart. Wir sind ganz normale Leute mit allen Schwächen und Gebrechen. Bei uns geht es ganz normal zu. Wir wollen möglichst normal reden, auch auf der Kanzel. Wir wollen keine feierliche Stille haben. Wir wollen uns bewegen wie Menschen, damit deutlich wird: Nicht die Stille oder das Orgelspiel ist das Göttliche in unserer Mitte.
Was ist das Göttliche? Tragen wir da irgendetwas an uns herum, so einen Firnis oder vielleicht einen verborgenen Schein, der unser Haupt umstrahlt? Nein, es ist die Gegenwart Jesu, der als der Unsichtbare hier unter uns ist. Und in der kleinsten Kindergruppe, die sich im Gemeindehaus versammelt, geschieht dieses Geheimnis: Jesus ist da. In ihm sollte die ganze Fülle wohnen.
Es war das Wohlgefallen Gottes, dass in Jesus die ganze Gottesfülle da ist. Und dann geschieht es in diesem schlichten Kirchlein, dass der Herr zu ihnen redet. Sie begegnen dem lebendigen und heiligen Gott, und eine Gemeinde mit allen äußeren Schwächen wird zum Ort der Gegenwart Gottes, zu seinem heiligen Tempel.
Das ist schön, wenn man das in der Gemeinde entdeckt. Dann weiß man, warum man nicht allein Christ sein kann, weil der Herr seine Gegenwart bindet, wo zwei oder drei versammelt sind. So werden Sie heute Mittag vielleicht eine Gemeinschaftsstunde aufsuchen und sagen: Wenn Brüder oder Schwestern das Wort auslegen, dann geschieht das. Da ist die ganze Fülle Gottes da, weil Jesus das Haupt heißt.
Der Auftrag der Gemeinde: Das Wort der Versöhnung
Und noch ein letzter Punkt: Die Gemeinde hat einen unverwechselbaren Auftrag. Die Gemeinde Jesu hat heute viele Aufgaben. Was sollten wir Christen alles tun? Wir kommen kaum nach mit den vielen Diensten in der Welt – eine solche Welt mit ihren Nöten! Was müsste man da alles tun? Das ist ja alles nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Wenn ich das Neue Testament ansehe, dann hat Paulus der Gemeinde einen Auftrag gegeben: das Wort von der Versöhnung auszurichten. Aha, Versöhnung – jetzt kommt er doch noch darauf! Heute, am vierzigsten Jahrestag, muss er ja auch noch etwas zum Kriegsbeginn sagen.
Liebe Brüder und Schwestern, das Wort von der Versöhnung – wenn wir Christen reden, tun wir etwas anderes als das Fernsehen. Die können immer nur die alten Bilder zeigen. Wenn wir von der Versöhnung reden, sagen wir: Wisst ihr, dass Gott einen Strich ziehen will und das Alte vergessen lassen will? Dass wir nicht Gedenktage halten, um immer wieder grässliche Bilder vor Augen zu sehen, sondern um sagen zu können: Danke, Herr, dass du auslöschst, dass du das Leiden von unserem Volk wegnimmst, dass du uns in die Zukunft gehen lässt, dass du nicht der Riesenmenge der Sünde gedenkst.
Das ist das Amt der Versöhnung zu predigen, wenn Sie so wollen, heute am Jahrestag. Und das ist kein weltfremdes Wort, wie hier und da manche meinen mögen. Es sei vielleicht ein bisschen nur so über die Köpfe weggesprochen. Die ganze Weltnot, diese zerstrittenen Völker, diese sich befehdenden Völker, diese Ungerechtigkeit, die Armut, der Hunger – all das kommt davon, weil die Dinge aus der Ordnung Gottes, aus der Schöpfungsordnung herausgekommen sind.
Und dann sagt Paulus: Die Gemeinde hat doch das lösende Wort zu bringen, damit Menschen wieder an den richtigen Platz kommen, vor Gott versöhnt werden. Ich habe heute Morgen nur eine ganz kleine Sorge: ob euer Leben wieder in der richtigen Ordnung mit Gott ist. Man kann ja gar nicht anfangen, Eheprobleme zu lösen oder wirtschaftliche Fragen zu besprechen unter Christen, wenn man nicht sagt: Stehst du ganz mit Gott im Frieden? Ist in deinem Leben alles mit Gott in Ordnung gebracht? Kann Gott dich überhaupt segnen?
Und dann möchte ich Ihnen hier am Schluss der Predigt sagen: Es ist so wunderbar, dass sonntäglich hier das Wort der Versöhnung Gottes gepredigt wird, dass Menschen hierher kommen und dann nach Hause gehen und sagen: Ich sehe noch manche Last vor mir, aber das Wichtigste ist, einmal in Ordnung gebracht zu sein. Gott steht hinter mir, und er segnet mich. Ich darf hineingehen in die Welt und etwas wirken für ihn. Ich darf versuchen, Dinge wieder in Ordnung zu bringen, die durcheinander sind.
Es sind ja in dieser Welt höllische Mächte los, und ein Durcheinander herrscht. Da kann man für den Herrn nicht wirken mit ein paar guten Taten – das hat doch keinen Sinn. Sondern in der Vollmacht des auferstandenen Herrn sendet er uns.
Paulus spricht, immer wenn er von der Versöhnung spricht, ganz drastisch vom Blut. Da stoßen sich so zartbesaitete Gemüter dran. Das war für Paulus genauso schwer. Er sagt: Das ist nicht nur ein Gedanke wie „Ach, Gott versöhnt, wir wollen uns alle versöhnen, wollen wieder lieb sein, hoffentlich sind wir alle nett und freundlich miteinander.“ Sondern er sagt: Das war ein Tag des Opfers. Da ist das Blut von Jesus vergossen worden. Das hat viel gekostet, einen teuren Preis, damit endlich in dieser Welt etwas Reales getan wird, um die Macht des Bösen zu stoppen und damit ein Neuanfang geschehen kann.
Und dieser Neuanfang soll durch die Gemeinde Jesu in der Welt geschehen, durch das Wort der Versöhnung.
Vor ein paar Tagen ist die Nachricht um die Welt gegangen, dass die Bischöfe von Uganda eine Botschaft in die Welt gerichtet haben. Die Verhältnisse in Uganda nach der Befreiung sind jetzt schlimmer als vorher unter Idi Amin. Das Unrecht und die Gewalt sind noch schlimmer geworden. Anarchie herrscht an allen Ecken. Die Menschen sind rechtlos und gejagt, es gibt nichts mehr.
Wie haben wir den Tag der Befreiung genossen, und was ist das jetzt? Das Wort der Versöhnung in diesem Volk aufzurichten, wo alles und jedes zerstört ist von Höllenmächten?
Ich habe Ihnen erzählt, was es in Soweto und Südafrika bedeutet, Hass und Bitterkeit zu überwinden und das Wort der Versöhnung zu leben. Realisieren Sie das doch auch: Jesus Christus starb für Sie, damit Sie sein Bote werden. Und dass unsere Gemeinde dieses Wort der Versöhnung sagt, die Welt verändert, neue Anfänge setzt und wir in unserer Welt etwas tun können zur Ehre Gottes.
Amen.
