Für alle Gäste ist das jetzt vielleicht ein bisschen schwierig, weil wir uns in einer Reihe befinden. Eine Reihe bedeutet nicht, dass es jeden Sonntag eine Predigt gibt, die von Sonntag zu Sonntag nichts miteinander zu tun hat.
Eine Reihe heißt vielmehr, dass wir hier anfangen und dann von Sonntag zu Sonntag weitermachen. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht ist, wir sind erst bei Teil zwei. Das heißt, wer heute einsteigt und sagt: „Hm, war gar nicht so schlecht“, der kann beim nächsten Mal kommen und darauf aufbauen. So bekommt er fast die ganze Reihe mit und hat relativ wenig verpasst.
Die Reihe läuft im Moment noch unter zwei Titeln. Der eine Titel ist englisch und heißt „Love or Die“, auf gut Deutsch „Lieb oder stirb“. Das ist so ein bisschen wie „Friss oder stirb“, aber halt „lieb oder stirb“.
Dann hatte ich diese Woche einen Anruf von Martin, der meinte: Können wir dem Ganzen nicht einen deutschen Titel geben? Wir haben diese englischen Titel, da weiß man nicht, wo man suchen soll, wenn man im Internet nachschauen will.
Okay, kein Problem, wir haben es umgetauft: „Bewahre die erste Liebe“.
Ihr findet im Internet also beides. Die Reihe heißt jetzt „Bewahre die erste Liebe“ und die Predigt heißt „Love or Die“. Damit wird dem Ganzen irgendwie gerecht.
Gut, letztes Mal haben wir angefangen und einen tiefen Blick in eine Gemeinde geworfen, die es heute nicht mehr gibt. Diese Gemeinde bestand vor 2000 Jahren in Ephesus. Ephesus liegt in der heutigen Türkei.
Ich habe euch einen Text aus der Offenbarung vorgelesen. Wer möchte, kann gerne mitlesen. Ich lese ihn einfach noch einmal vor, weil es ein ernster Text ist, den wir im Ohr behalten sollten, um zu verstehen, was ich heute sagen möchte.
Der Herr Jesus schreibt an eine Gemeinde – nicht persönlich, sondern er benutzt jemanden, nämlich den Apostel Johannes. Dieser soll der Gemeinde in Ephesus etwas aufschreiben. Offenbarung 2,2-5:
"Ich kenne deine Werke, deine Mühe und dein Ausharren. Du kannst Böses nicht ertragen. Du hast die geprüft, die sich Apostel nennen und es nicht sind, und hast sie als Lügner erkannt. Du hast ausgehalten und vieles getragen um meines Namens willen und bist nicht müde geworden."
Wir haben uns das letzte Mal bis zu diesem Punkt angeschaut und dachten: "Ah, das geht so runter wie Öl. Das klingt richtig nett. Ach, was sind wir doch für eine tolle Gemeinde!" Man würde sich wünschen, dass der Brief an dieser Stelle so weitergeht im Sinne von: "Und das ist alles ganz super, macht bloß so weiter, alles gut, und wir sehen uns nächstes Jahr wieder."
Aber es geht weiter mit Vers 4: "Aber ich habe gegen dich" – und das ist schon dramatisch – "Ich habe gegen dich." Der Herr Jesus sagt das nicht nur einzelnen Personen in der Gemeinde, sondern der ganzen Gemeinde: "Ich habe etwas gegen dich."
So, wie es dort in der Gemeinde läuft, bin ich nicht dafür. "Ich aber habe gegen dich, dass du deine erste Liebe verlassen hast."
Deshalb lautet der Titel "Bewahre die erste Liebe" und deshalb beschäftigen wir uns in dieser ganzen Reihe mit dem Thema Liebe. Die Betonung liegt auf der ersten Liebe – im griechischen Grundtext ist es die Liebe, die erste, also die Liebe, die du einmal hattest, die Zeit, in der du gebrannt hast.
Ein Bruder macht mir immer einen Vorwurf: Immer wenn du Beispiele bringst, zählst du aus der Ehe, und ich bin nicht verheiratet. Aber manchmal fallen mir einfach keine besseren Beispiele ein.
Wenn jemand so richtig verliebt ist – wie ich es damals war – dann wohnt die Freundin, meine jetzige Frau, vier Kilometer entfernt. Ich habe sie jeden Morgen mit dem Fahrrad zur Schule gefahren. Natürlich, egal wie das Wetter war. Du schaust raus und denkst dir: „Okay, es schneit, aber das macht nichts.“ Ich fahre trotzdem. Und das kann ein Orkan mit Windstärke 150 sein. Ihr versteht das ja: Dann setzt du dich auf dein Fahrrad und kämpfst dich durch Eis, Regen, Wind und Schnee. Da kann vor dir die Erde aufgehen, das ist völlig egal. Du ziehst diese vier Kilometer durch und bist pünktlich.
Warum? Weil du verliebt bist. Das ist die erste Liebe. Und ich glaube, jeder hat schon einmal die nötigen Hormonausschüttungen erlebt, um zu verstehen, was da passiert. Wie man sich auf Dinge einlässt.
Ich erinnere mich noch an eine Situation: Da war meine Frau damals schon verheiratet, sie war zu Hause bei ihren Eltern, und der Jugendklub war um zehn Uhr abends vorbei. Sie war in Frankfurt, und ich dachte mir: „Ach, fährst du schnell noch hin.“ Eben mal schnell sechs Stunden runterfahren. Wir saßen um vier Uhr morgens dort. Ich hätte an ihre Tür klopfen oder ans Fenster klopfen können, und sie hätte mir aufgemacht. „Ah, ja, das ist gar kein Ding, sechs Stunden Auto fahren, sechs Stunden eben mal schnell durchknallen, was soll das?“ So ist man irgendwie drauf, das ist erste Liebe.
Vielleicht habt ihr in solchen Phasen noch wildere Sachen gemacht, bei denen ihr heute denkt: „Oh, wenn ich daran zurückdenke, ui.“ Und irgendwie gibt es, sagt der Herr Jesus, etwas Ähnliches auch für Gemeinden.
Es gibt in Gemeinden so Entwicklungen, die vergleichbar sind mit dem Verliebtsein in einer Ehe. Da gibt es diese erste Liebe, diese erste Begeisterung, dieses Miteinanderleben und das Begeistertsein voneinander. Das ist nicht immer überlegt: „Was kostet mich das? Kann ich mir das leisten? Ist das jetzt sinnvoll? Schaffe ich das noch? Was ist, wenn ich das mache, bin ich morgen vielleicht ganz müde?“ Sondern man sagt einfach: „Rein, das ist wie ein Rambock.“ Man geht einfach los.
Was der Herr Jesus hier zum Ausdruck bringt mit den Worten: „Aber ich habe gegen dich, dass du deine erste Liebe verlassen hast“, ist dies: Dieses Moment der leidenschaftlichen Begeisterung für Gott und daraus abgeleitet für die Geschwister in der Gemeinde ist verloren gegangen. Weil diese Dinge aufeinander aufbauen: Wir lernen in der Gemeinde, was es heißt zu lieben. Und wir können dann die Menschen um uns herum lieben und Gott mehr lieben.
Da ist etwas verloren gegangen. In Offenbarung 2,4-5 heißt es: „Ich habe gegen dich, dass du deine erste Liebe verlassen hast. Denke nun daran, wovon du gefallen bist, und tue Buße und tue die ersten Werke. Wenn aber nicht, so komme ich dir und werde deinen Leuchter von seiner Stelle wegrücken.“ Das ist ein Bild für die Gemeinde. Jesus sagt: „Ich werde deinen Leuchter von deiner Stelle wegrücken, wenn du nicht Buße tust.“
Wer sich ein wenig in der Gemeindelandschaft in Berlin umschaut, wird schnell feststellen: Jede Gemeinde hat ihre eigene Kultur, ihre eigene Persönlichkeit und ihre eigene Identität.
Man betritt manche Gemeinden und merkt sofort, dass dort alles anders ist. Es riecht anders, schmeckt anders, die Menschen gehen anders miteinander um, und der Schwerpunkt liegt woanders. Das ist völlig in Ordnung. Ich finde das nicht schlimm. Persönlich denke ich, dass Gemeinden so unterschiedlich sind wie die Menschen selbst.
Eine Sache wird jedoch anhand des Textes deutlich: Für Jesus ist eine Sache immer wichtig. Die Frage lautet: Wie sieht es mit der Liebe in der Gemeinde aus?
Die Gemeinde in Ephesus war etabliert. Es war keine neue Gemeinde, und die Christen dort waren keine Anfänger mehr. Wenn wir uns diese Gemeinde anschauen und versuchen, das, was vor etwa zweitausend Jahren dort zu sehen war, in unsere heutige Zeit zu übertragen und umzubauen, wie würde sich das anfühlen? Was für eine Gemeinde hätten wir dann?
Ich denke, wir würden eine Gemeinde mit einem tollen Gottesdienst haben, Hauskreise, Jugendarbeit – das sind gute Werke. Die Alten werden besucht, die Jungen vielleicht eingeladen, und der Kindergottesdienst läuft gut. Vielleicht gibt es sogar auf dem Hornbach-Parkplatz einen Trödelmarkt, nur 200 Meter von den Gemeinderäumen entfernt, wo ein Büchertisch steht und man sich bekannt macht.
Vielleicht hat man in Marienfelde eine Grundschule übernommen und denkt sich: „Komm, da machen wir auch mal was draus.“ So baut man eine kleine Schule auf und hat einige diakonische Projekte. Das ist das, was man sieht, wenn man in so eine Gemeinde hineingeht.
Ihr kennt das ja: Frauenfrühstück und Frauenbasteln. Erst isst man zusammen, und dann bastelt man gemeinsam. Solche Aktionen fördern das Miteinander. Es gibt Bibelwochen, Träume und gemeinsames Gebet.
Und trotzdem – obwohl eine solche Gemeinde äußerlich attraktiv erscheint und für uns das Nonplusultra ist – sagt Jesus an dieser Stelle: „Ich habe gegen dich, dass deine erste Liebe nicht mehr da ist.“
Ich möchte heute mit euch darüber nachdenken, warum Liebe eigentlich so zentral ist.
Jetzt denken vielleicht diejenigen, die schon länger dabei sind, innerlich: „Okay, jetzt kann ich zwanzig Minuten schlafen.“ Klar, Liebe ist wichtig für Christen. Das ist so, als würdest du sagen: Wenn du nicht isst, wirst du verhungern; wenn du nicht trinkst, wirst du verdursten. Liebe steht total im Zentrum. Sie ist nicht einmal einen Millimeter vom Zentrum entfernt, sondern sie steht mitten drin.
Das Erste, was du eigentlich mitkriegen solltest, wenn du Christ wirst, ist: Im Zentrum steht ein Kreuz, an dem Jesus stirbt. Warum tut er das? Aus Liebe. Warum schenkt er mir das Angebot, wenn er sagt: „Hier, ich bin für dich gestorben, und ich wünsche mir, dass du ein Leben mit mir führst“? Warum macht er das? Aus Liebe. Es hat immer etwas mit Liebe zu tun.
Trotzdem möchte ich heute Morgen noch einmal darüber nachdenken, wie zentral Liebe eigentlich ist. Warum ist Jesus so traurig? Warum geht es für diese Gemeinde hier um Leben und Tod? Das ist kein Spiel. Es ist nicht so, dass Jesus sagt: „Wenn du die erste Liebe jetzt verlassen hast, na ja, dann werde ich dafür sorgen, dass es beim Gottesdienst zweimal regnet.“ Das ist nicht das, was Jesus sagt.
Jesus sagt: „Du hast die erste Liebe verlassen. Wenn du nicht wirklich Buße tust, wenn du an der Stelle nicht echt umkehrst, wenn sich nicht radikal etwas in deinem Leben ändert – als Gemeinde werden wir nächste Woche anschauen, was das bedeutet – wenn da nicht wirklich etwas passiert...“ Ich bin ja kein Berliner, aber ihr habt diesen Spruch: Butter bei die Fische. Also, wenn da nicht richtig was passiert, dann nehme ich diese Gemeinde, nehme diesen Leuchter und stelle ihn weg.
Dann gibst du „Hoffnung.de“ im Internet ein und es kommt nichts mehr. Dann suchst du bei Google nach „Gemeinde Mariendorf“ und dann kommen 2000 Meldungen, und wir sind nicht mehr dabei. Das ist das, was hier steht.
Darüber möchte ich mit euch nachdenken.
Warum ist Liebe – diese Begeisterung für Gott, für die Geschwister und für die Menschen um uns herum – ein so wichtiger Punkt für Jesus? Ich habe sechs Aspekte zusammengestellt. Es sind Dinge, die ihr alle kennt, und das ist das Schöne daran.
Erstens: Jesus wird einmal gefragt: „Was ist eigentlich das wichtigste Gebot?“ Wenn man das Alte Testament betrachtet, mit seinen vielen Seiten und Geboten, und man alle Gebote herausnimmt, was ist dann das wichtigste Gebot? Jesus weiß die Antwort sofort. Er sagt, das wichtigste Gebot ist: Du sollst Gott lieben. Es geht nicht darum, alle Regeln einzuhalten, den Sabbat zu halten, regelmäßig den Zehnten zu geben oder unter der Dusche christliche Lieder zu singen. Das steht nicht im Mittelpunkt. Jesus sagt klar: Das wichtigste Gebot ist, Gott zu lieben – und zwar mit deinem ganzen Herzen, deiner ganzen Seele, deinem ganzen Verstand und deiner ganzen Kraft. Umfassend und ganzheitlich.
Das ist der Punkt, der Grund, warum wir als Menschen geschaffen sind. Nichts im Leben ist richtiger, erfüllender oder lohnenswerter, als an diesem ersten Gebot anzusetzen und unseren Schöpfer und Retter, Gott, zu lieben.
Ich weiß nicht, ob es euch auch so geht wie mir: Man kann sich manchmal so in christlichen Feinheiten verlieren und sich mit Dingen beschäftigen, die sehr weit vom Alltagsleben entfernt sind. Wenn man dann mit einem solchen Vers konfrontiert wird, muss man sich erst wieder darauf einstellen, was eigentlich wichtig ist. Und das ist das Wichtigste. Du kannst alles andere in deinem christlichen Leben vergessen, aber das ist das Wichtigste. Wenn in deinem Alltag als Christ dieses „Ich soll Gott lieben mit meinem ganzen Herzen, meiner ganzen Seele, meinem ganzen Verstand und meiner ganzen Kraft“ verloren gegangen ist, dann blende es wieder ein. Denn darum geht es.
Der zweite Punkt folgt gleich: Wenn man den Text im Zusammenhang liest, sagt Jesus weiter: „Und du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Die Bibel kennt keine Trennung zwischen der Liebe zu Gott und der Liebe zu den Menschen. Das Prinzip der Liebe funktioniert immer so, dass Liebe von mir ausgeht und sich ausbreitet. Liebe funktioniert wie eine Dusche: Wenn du dich darunter stellst, wird alles nass. Du kannst dich nicht unter die Dusche stellen und sagen: „Ich dusche mich jetzt, aber mein Bauch wird nicht nass.“ Doch, er wird nass. So ist es mit der Liebe: Wo du liebst, da geht die Liebe überall hin.
Sie trifft Gott, die Menschen im Gottesdienst und sogar die, die vor dir auf der Straße zu langsam fahren. Liebe betrifft einfach alle Menschen. Wenn das anders ist, wird es schwierig – dann hat es womöglich nicht mehr viel mit Liebe zu tun.
Deshalb kann Jesus so provokant sagen: „Du sollst deine Feinde lieben.“ Da denkt man vielleicht: „Nein, bitte nicht. Es muss doch ein paar Leute geben, die nicht unter das Liebesgebot fallen.“ Man wünscht sich einen Raum, in den man bestimmte Menschen, die man schwer lieben kann, „rausnehmen“ kann. Vielleicht so zweieinhalb, drei Dutzend Leute, die man dann außen vorlässt. Aber Jesus öffnet diese Tür und sagt: „Nein, tut mir leid.“ Und er macht das mit so schönen Worten: „Ich lasse jeden Morgen die Sonne aufgehen über Gerechte und Ungerechte. Meine Sonne scheint sogar auf das Feld von dem, der von mir nichts wissen will.“ Er liebt uneingeschränkt. Und deswegen müssen auch wir das tun.
Ein dritter Punkt findet sich in Matthäus 10, die Verse 37 und 38. Dort sagt der Herr Jesus Folgendes:
Matthäus 10,37-38: "Wer Vater und Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig."
Ihr wisst ja, dass wir uns im Nahen Osten befinden. Orientalen bringen Dinge immer sehr direkt auf den Punkt. Man muss manchmal zwischen den Zeilen lesen. Dennoch wird klar, was Jesus hier meint: Wer mir nachfolgen will, der muss mich mehr lieben als irgendjemand sonst.
Wenn du ein Nachfolger Jesu sein möchtest und das ernst meinst, dann ist die erste Entscheidung, zu sagen: Mein Herz gehört Jesus. Aus dieser Entscheidung heraus entsteht natürlich, dass ich Verantwortung übernehme – für meine Familie, meinen Beruf und in der Gesellschaft. Aber ganz am Anfang steht dieser Punkt: Ich entscheide mich dafür, dass mein Herz ganz allein Jesus gehören soll.
Das ist ihm so wichtig, weil das Liebesgebot kein gewöhnliches Gebot ist. An anderer Stelle sagt der Herr Jesus, dass man seine Jünger daran erkennen soll. Johannes 13,34 lautet:
"Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander liebt. So, wie ich euch geliebt habe, sollt auch ihr einander lieben."
Überlegt mal: "So, wie ich euch geliebt habe" – Jesus sagt, er ist das Vorbild. Er am Kreuz, der sein Leben für euch gibt, ist das Vorbild für das Thema Liebe. "So, wie ich euch geliebt habe, sollt auch ihr einander lieben." Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.
Mittel Nummer eins der Evangelisation ist die Liebe unter Geschwistern. Bevor wir rausgehen und Büchertische aufstellen oder irgendwo predigen, da fängt es an. Denn da merken Leute, dass sich im Leben von Menschen etwas geändert hat. Dort, wo wir eine Liebe leben, die nicht mehr normal ist – eine Liebe, die nur der leben kann, der zuerst sein Leben Gott geschenkt hat und von Gott neues Leben zurückbekommen hat.
Wo Gott in das Leben eines Menschen hineintritt und ihm Kraft gibt für einen Liebesstil, für einen Liebeslebensstil, der einfach anders ist. Dort, wo Leute sagen: "Wie kannst du mit mir so umgehen? Du müsstest doch unter der Decke hängen, du müsstest jetzt ausrasten, du müsstest mich in die Tonne treten, du müsstest nie wieder mit mir auch nur ein bisschen etwas zu tun haben wollen. Warum bist du noch für mich?"
An dieser Stelle lautet die Antwort: "Ich bin für dich." Denn als Gott mit mir nichts mehr zu tun haben wollte, als Gott mich hätte in die Tonne treten können, da ist Gott nicht auf mich gesprungen und hat mich weggestoßen. Stattdessen ist Gott ans Kreuz gegangen und hat für all den Müll meines Lebens bezahlt.
"So, wie ich euch geliebt habe, sollt ihr einander lieben." Mich fasziniert das. Ich lese vielleicht lieber als andere Leute Bücher über Philosophie, Religion und was Menschen sonst sagen. Ich finde es immer total spannend, wenn man so einen Überblick bekommt.
Wenn ich einen Scan mache, was auf dem Markt der Religionen, Philosophien und politischen Statements zu haben ist, dann ist das hier so einzigartig. Es sticht so weit heraus, dass ich sage: Mit diesem Anspruch tritt kein Religionsgründer, kein Philosoph an seine Nachfolger heran.
Das ist einfach unglaublich. Du stehst da und sagst: "Das kann nicht wahr sein. Wenn das ehrlich so gemeint ist, dann ist das so radikal und so umwerfend anders. Wahnsinn!"
Deswegen verliert Christsein ohne Liebe das Zentrum. Egal, wie die Strukturen in einer Gemeinde noch funktionieren – egal, ob es Gottesdienst, Jugendstunde, Bibelstunde, Bibelwoche, Gemeindefreizeit, Frauenfrühstück und so weiter gibt. Egal, welche Strukturen noch da sind – im Zentrum steht dieses Gebot, im Zentrum steht Liebe.
Deshalb sind Dinge, die in der Geschichte passiert sind, wie die Kreuzzüge oder die Inquisition, zutiefst antichristlich. Man muss nicht viel darüber wissen, um zu verstehen, dass das mit Liebe nichts zu tun hat. Obwohl diese Dinge im Namen von Christus begangen wurden, sind sie gegen Jesus gerichtet.
Jesus würde nie sagen: "Ja, mach deinen Feind platt, logisch, schlag ihm die Birne ein und vorher reiß ihm noch die Fingernägel aus, super, alles gut." Sondern Jesus sagt: "Nein, ich bin für diesen ganzen Müll gestorben und ich wünsche mir, dass Liebe das prägende und vorherrschende Prinzip wird."
Woran liegt das? Ich will noch ein Stück weitergehen. Wo kommt das her? Diese Betonung auf Liebe – ist das einfach nur ein Trick? Gott denkt sich so ein bisschen, schaut sich die Welt an, hat den tiefsten Durchblick und sagt: „Ich setze jetzt mal hundert Prozent auf Liebe“?
Der Punkt ist der: Die Bibel geht noch einen Schritt weiter. Sie sagt im ersten Johannesbrief: Gott ist Liebe. Die Bibel sagt nicht nur, Gott ist liebevoll – das sagt sie auch –, aber an dieser Stelle heißt es: Gott ist Liebe.
Wie kann eine Person Liebe sein? Eine Person braucht doch jemanden zum Lieben. Wenn Annemarie sagt: „Ich bin Liebe“, dann würde ich sagen: Schön für dich, aber wen liebst du denn? Annemarie und Klaus zusammen funktionieren. Ja, ich bin Liebe, weil ich jemanden habe, den ich lieben kann.
Wenn jetzt Gott sagt: „Ich bin Liebe“, ja, wen liebt Gott denn? Und da passiert etwas, das mich wieder fasziniert, weil es einzigartig ist: Die Bibel beschreibt Gott als einen dreieinigen Gott.
Versuche es zu verstehen, du wirst es nicht ganz verstehen. Das sprengt so ein bisschen unsere Vorstellung, also das, was wir hier oben drin haben. Das funktioniert dann irgendwann nicht mehr. Aber das Konzept der Dreieinigkeit ist: Es ist einer und drei. Und weil er sowohl drei als auch einer ist, kann er Liebe sein.
Weil es drei gibt, die diesen Gott ausmachen und die verbunden sind durch Liebe. Wenn wir von Liebe reden – Gott ist Liebe – dann reden wir von diesem Zentrum des göttlichen Mysteriums. Da, wo wir Gott in seiner Existenz vielleicht am nächsten sind. Dort, wo Vater, Sohn und Heiliger Geist zusammenhängen, wo sie aufeinandertreffen, wo sie verschmelzen. An diesen Grenzflächen, wo die Persönlichkeiten sich berühren, ist nur allergrößte, tiefste Liebe – zumindest nennen wir das Liebe.
Wenn wir lieben, wenn wir uns in andere investieren, wenn wir ihnen das geben, was sie brauchen, dann ist es das, was die Dreieinigkeit zusammenhält.
Deswegen kann Johannes formulieren: Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht. Wenn jemand Christ ist und nicht liebt, dann kennt er Gott nicht. Für Johannes ist dann fraglich, ob da überhaupt neues Leben im Leben ist, weil das Wichtigste fehlt.
Wenn Gott uns sein Leben gibt, dann schenkt er uns tatsächlich dieses Liebesmoment mit. Er schenkt uns sich selbst. Er schenkt uns nicht nur einen Kanon von neuen Regeln, nach dem Motto: „Ab heute bin ich Christ und ab morgen muss ich nach den zehn Geboten leben.“ Quatsch!
Der Anfang ist, dass uns Gott sein Herz schenkt. Dass uns Gott etwas von seiner Liebe mitgibt und sagt: „Und das wünsche ich mir, dass du jetzt in aller Schwachheit – von mir aus – anfängst, das zu lieben und zu lernen und für den Rest deines Lebens zu entfalten.“
Deswegen kann der Apostel Paulus, wenn er über Liebe schreibt, im 1. Korinther 13, dieses ganz bekannte Kapitel, auch sagen: Wenn ich in den Sprachen der Menschen und der Engel rede, aber keine Liebe habe, so bin ich ein tönendes Erz oder eine schallende Zimbel.
Dieses Insprachenreden, also das Beherrschen von Fremdsprachen, vielleicht ohne sie gelernt zu haben, ist bei den Korinthern und in diesem Brief eine besondere Erscheinung. Wenn jemand geistliche Gaben hat, besonders auffällige, und keine Liebe besitzt, dann verliert das alles seine Bedeutung.
Paulus fährt fort: Wenn ich Weissagungen habe und alle Geheimnisse und alle Erkenntnisse kenne, und wenn ich allen Glauben habe, so dass ich Berge versetzen könnte, aber keine Liebe habe, so bin ich nichts.
Wenn du der Typ bist, der auf jede theologische Frage eine Antwort hat, wenn du bereit bist, risikofreudig zu glauben und wirklich etwas zu wagen, oder wenn du derjenige bist, der alles Wissen hätte, weil Gott dich persönlich informiert hat – und du hast keine Liebe, dann bist du nichts, absolut nichts. Dein Leben ist eine bedeutungslose Verschwendung.
Und wenn ich alle meine Habe zur Speisung der Armen austeile und meinen Leib hingebe, damit ich verbrannt werde, aber keine Liebe habe, so nützt mir das nichts.
Überlege dir das mal: Wenn du dein Bankkonto plünderst und sagst, ich spende das jetzt, und wenn du an den Punkt kommst, an dem du sagst, okay, jetzt kostet mich mein Glaube das Leben. Niemand soll das forcieren, bitte. Ja, Jesus sagt an anderer Stelle: Wenn du in der einen Stadt verfolgt wirst, fliehe in die nächste.
Aber wenn das passiert und du denkst, jetzt muss ich doch dafür eine besondere Belohnung bekommen, weil ich so viel investiere, dann sagt dir Jesus: Nein. Egal wie herausragend oder beeindruckend das ist, was du tust, egal wie viel es dich kostet – es gewinnt seinen Wert vor Gott nur dadurch, dass du es aus Liebe tust.
Das ist irre, oder? Das ist das, was uns ganz grundlegend vom Islam unterscheidet: Es ist die Liebe, die dahinterstehen muss.
Ich möchte euch ehrlich sagen: In meinem Leben gab es einen Punkt, an dem dieser Satz eine ganz besondere Bedeutung bekam. Ich hatte den ersten Korintherbrief studiert, und es war wirklich so, als stünde jemand hinter mir mit einem großen Schlegel – und dann kam dieser Schlag, Bamm!
Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn ich es schaffen könnte, dass geglaubt wird, dass es im Zentrum, im allerersten Zentrum, nur um diese Frage geht: Mit welcher Motivation lebst du eigentlich? Warum tust du, was du tust? Warum bist du heute hier?
Wenn du jemanden im Krankenhaus besucht hast, warum hast du ihn besucht? Wenn du für jemanden betest, warum betest du für ihn? Wenn du in der Bibel liest, warum liest du in der Bibel? Wir sollten uns diese Frage stellen: Was ist eigentlich das, was uns antreibt?
Und wenn wir dann ehrlich zugeben, dass es nicht immer Liebe ist, sollten wir nicht einfach zum nächsten Tagesordnungspunkt übergehen und sagen: „Naja, schade.“ Stattdessen sollten wir das an uns heranlassen und sagen: Okay, wenn das nicht immer Liebe ist, wenn ich nicht Jesus liebe, wenn ich meinen Nächsten nicht liebe, wenn ich Dinge tue, einfach weil man sie tut – aus Routine, aus Formalismus, aus Höflichkeit – aber eigentlich ist der andere mir egal, dann geht es mir nicht um Liebe.
Eigentlich habe ich Angst vor dem Thema Liebe, denn wenn ich das an mich heranlasse, muss ich zugeben, dass ich eigentlich defizitär bin, dass ich nicht gut bin, dass ich am Anfang stehe, dass ich manchmal nicht weiß, wie man lieben soll. Dass mir das Leben aus dieser Perspektive wirklich eine Nummer zu groß ist, dass ich Gott brauche – jeden Tag neu – und seine Weisheit.
Ich wünsche euch das: ein Leben, das Christen aus dieser Perspektive leben. Es wird euch demütig machen, und an manchen Stellen wird es nicht leichter. Aber es ist das, was es eigentlich gilt zu lernen. Liebe vergeht niemals, und es ist das, was wir in alle Ewigkeit leben werden.
Was ich Gott wünsche, ist, dass wir damit hier auf der Erde anfangen.
Und ich möchte uns noch kurz diese Frage stellen. Wir reden ja jetzt gar nicht so sehr über euch als Einzelne, sondern über uns als Gemeinde. Wir sprechen darüber, dass Jesus derjenige ist, der unsichtbar zwischen den Gemeinden wandelt.
Hier ist jemand, der sich heute diesen Gottesdienst anschaut und versucht, so den Geist und die Atmosphäre der Gemeinde zu spüren. Diese Atmosphäre ist natürlich irgendwie eine Summe dessen, was wir mitbringen. Die Frage ist: Was findet er? Findet er eine warme, freundliche, willkommen heißende Atmosphäre? Findet er Gemeindeglieder, die durch Liebe miteinander verbunden sind, wo Gastfreundschaft, Großzügigkeit, Freude und geistliche Vitalität erlebt werden?
Ist das da? Ist dieser Wunsch da, diese Liebe, die Gott zu uns hat und die er uns geschenkt hat? Das ist das erste Geschenk, das Gott uns gibt: seine Liebe wirklich auszuleben, zu entfalten und stärker werden zu lassen. Oder muss Jesus unter uns Dinge spüren wie Unfreundlichkeit, Gleichgültigkeit, Kritik, Stolz oder Ärger?
Der Text aus der Offenbarung möchte uns ein Stückchen sensibel machen. Er möchte uns zeigen, dass Jesus nicht einfach nur sagt: „Liebe ist das Wichtigste“, so wie manche Eltern ihren Kindern etwas sagen und es dann wieder vergessen. Das ist mir auch passiert: Da denkt man einfach nicht mehr dran, es rutscht dann durch.
Wenn Jesus aber sagt, Liebe ist das Wichtigste, wenn er sagt, Liebe ist das wichtigste Gebot, wenn er sagt, Liebe ist das, was einen Jünger Jesu auszeichnet, weil Gott selbst Liebe ist und weil Liebe einfach das ist, was Gott in allem unserem Leben sehen will, dann müssen wir an dieser Stelle ran. Dann können wir da nicht davonlaufen, weder privat noch als Gemeinde.
Und dann müssen wir uns die Frage gefallen lassen: Was können wir tun, um diesen Punkt in unserem Leben und in unserem Gemeindeerleben wieder neu zu entfachen? Wir werden uns dann nächsten Sonntag darüber unterhalten.
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