Leben als Bürger und Christ - Eine Rede zum Nationalfeiertag

Jürg Birnstiel
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Eine Rede zum Nationalfeiertag

Einleitende Gedanken

Da der 1. August auf den Sonntag fällt, komme ich fast nicht drum herum, eine Art 1. Augustrede zu halten. Ich halte sie bewusst für uns als Christen, die Jesus lieben und ihm nachfolgen. Andere Ansprachen werden heute landauf landab genügend gehalten. Unsere Situation als Bürger eines Staates und als Christen soll uns im Lichte der Bibel heute Morgen beschäftigen. Drei Punkte werden wir betrachten:

  • I. Das Schicksal Schweizer zu sein
  • II. Der Schweiz gestorben sein
  • III. Der Schweiz verpflichtet bleiben

I. Das Schicksal Schweizer zu sein

Schweizer zu sein ist ein Schicksal. Keiner von uns kann weder etwas dafür getan, ausser er hat sich einbürgern lassen, noch jemand etwas dagegen tun, dass er Schweizer ist. Niemand fragte uns, bevor wir zur Welt kamen, in welchem Land wir denn gerne geboren werden möchten. Theoretisch könnte jeder von uns in Thailand, in Jugoslawien, in Amerika, in Südafrika, im Irak oder in Deutschland zur Welt gekommen sein. Wären wir z.B. in Afghanistan geboren, hätten wir vermutlich ein schweres Schicksal zu ertragen. Nun leben wir aber in der Schweiz und haben im Moment noch ein gutes Schicksal zu tragen. Aber, dass es uns so gut geht ist nicht unser persönlicher Verdienst. Salopp gesagt: Wir hatten einfach Glück. Glück in diesem Land zu dieser Zeit, zu leben. Nicht haben wir dazu beigetragen. Paulus sagt in Bezug auf unseren Besitz „Haben wir etwas mitgebracht, als wir in diese Welt kamen? Nicht das Geringste! Und wir werden auch nichts mitnehmen können, wenn wir sie wieder verlassen.“ (1. Timotheus 6, 7) So kann man durchaus sagen, wir haben kein Schweizer Bürgerrecht in die Welt gebracht. Nichts haben wir mitgebracht, wir haben das Bürgerrecht der Schweiz bekommen. Wir Schweizer und ich meine auch Schweizer Christen verfallen gerne einem Nationalstolz. Wir sind stolz Schweizer zu sein, als ob wir dazu einen Beitrag geleistet hätten. Wir tun so, als ob es uns so gut geht, weil wir Schweizer eben gute Menschen seien. Oder gar wegen unserer Präambel in der Bundesverfassung. Wir vergessen oder wissen es vielleicht gar nicht, dass es der Schweiz nicht immer so gut gegangen ist. Wir vergessen, dass es Zeiten gab, wo viele Schweizer aus wirtschaftlichen Gründen auswandern mussten und die Schweizer Regierung diese Vorhaben finanziell unterstütze. Heute sprechen wir von Wirtschaftsflüchtlingen, wenn Menschen zu uns kommen, weil sie ein wirtschaftlich besseres Leben suchen. Wir vergessen, dass die Täufer, die wohlbemerkt das schweizerische Bürgerrecht besassen, in der Schweiz verfolgt wurden, weil sie ihren Glauben ausleben wollten. Wir vergessen, dass von den Behörden geschützt Zigeunern die Kinder weggenommen wurden – völlig legal. Wir vergessen, all die Kinder, die unter staatlicher Aufsicht wie Sklaven behandelt wurden. Wir verdrängen, dass wir in der Schweiz eines der liberalsten Gesetze bezüglich Abtreibungen haben und wir vergessen, dass bei uns die aktive Sterbehilfe vom Staat sogar geschützt wird usw. Auf was wollen wir denn eigentlich Stolz sein? Wir sind doch nur in diese Nation hineingeboren. Wir leben zwischen 60 bis 90 Jahren in ihr und das nur in einem bestimmten Zeitabschnitt der Schweizer Geschichte. Und wir haben bis jetzt noch einen der besseren Abschnitte getroffen. Wer will sich da etwas darauf einbilden, Schweizer zu sein? Vielleicht wegen Willhelm Tell, der von Schiller geschrieben, und von uns als Nationalheld gefeiert wird, ohne zu wissen ob er wirklich so gelebt hat. Paulus sagt den Athenern auf dem Areopag: „Aus einem einzigen Menschen hat Gott alle Völker hervorgehen lassen. Er hat bestimmt, dass sich die Menschen über die ganze Erde ausbreiten, und hat festgelegt, wie lange jedes Volk bestehen und in welchem Gebiet es leben soll.“ (Apostelgeschichte 17, 26) Gott hat alles geordnet. Er hat die Völker entstehen lassen. Er hat festgesetzt in welchen Grenzen die Nationen leben sollen. Wir haben einfach keinen Grund, Stolz zu sein. Nebukadnezar liess sich zum Nationalstolz hinreissen, alles was er erreicht hatte schrieb er seiner Person zu, so lesen wir im Buch Daniel, Nebukadnezar erzählt: Ich befand mich auf dem Dach meines Palastes in Babylon und sagte zu mir selbst: »Diese grossartige Stadt habe ich als meine Residenz erbaut! Mit meiner gewaltigen Macht habe ich das fertig gebracht und habe damit meiner Grösse ein Denkmal gesetzt!« Dan 4, 26-27. Da hat er sich geirrt. Es war nicht seine Macht. Es war die Macht, die ihm Gott gegeben hatte. So reagierte Gott auf diesen Übermut, diese Einbildung, diese Fehleinschätzung. Ich hatte noch nicht ausgeredet, da ertönte eine Stimme vom Himmel herab: »König Nebukadnezar, hiermit wird dir die Herrschaft weggenommen! Dan 4, 28. Wir haben keinen Grund auf uns als Schweizer und auf unsere Schweiz stolz zu sein. Als Christen sollte dies uns eigentlich völlig klar sein. Uns hat einfach das Schicksal getroffen, dass wir in der Schweiz leben. In einem Land, in dem es uns im Vergleich zu anderen Ländern sehr gut geht. Uns hat das Schicksal getroffen, dass wir nicht - noch nicht - in einen Krieg verwickelt sind. Uns hat das Schicksal getroffen, dass wir nicht in den Krisengebieten von Pakistan leben müssen, dass wir nicht dort leben, wo Hungersnot herrscht. Dieses Schicksal hätte jeden von uns treffen können, wären wir nicht als Schweizer in diese Zeit geboren. Nicht Stolz und Einbildung kann die Antwort auf unser Schicksal sein. Die einzig richtige Antwort ist: Dankbarkeit! Wir sollten einzig und allein dankbar sein. Dankbar, dass wir in diesem Land leben dürfen. Dankbar, dass es uns so gut geht. Dankbar für all die Möglichkeiten, die wir haben. Wir wissen nicht wie lang Gott die Zeit für die Schweiz bemessen hat. Wie lange wir noch in unseren Grenzen wohnen werden. Das Schicksal Schweizer zu sein ist im Moment ein gutes ja gar angenehmes Schicksal, aber es können noch Zeiten kommen, in denen es ein unangenehmes Schicksal ist, Schweizer zu sein. Aber auch dann sind wir Schweizer. Der 1. August soll uns Anlass sein, Gott zu danken für den freien und vielfältigen Lebensraum, den er uns gewährt. Wir sollten uns aber dafür hüten, die Schweiz und unsere Nation zu verherrlichen.

II. Der Schweiz gestorben sein

Als Christen sind wir zusätzlich in einer besonderen Stellung zu unserem Staat. Wir sind nämlich gar keine richtigen Schweizer mehr. Es ist so, wie wenn wir in ein anderes Land ziehen und dort ein neues Bürgerrecht erwerben. Jesus sagt das in einem Gebet: „Ich habe ihnen dein Wort weitergegeben, und nun hasst sie die Welt, weil sie nicht zu ihr gehören, so wie auch ich nicht zu ihr gehöre.“ (Johannes 17, 14) „Sie gehören nicht zur Welt, so wenig wie ich zur Welt gehöre.“ (Johannes 17, 16) Wenn man die Welt durch Schweiz ersetzt heisst es: „Sie gehören nicht zur Schweiz, so wenig wie ich zur Schweiz gehöre.“ (Johannes 17, 16) Jesus war weder Schweizer noch Weltenbürger. Er war der Sohn Gottes, der als Jude in diese Welt gekommen ist. Aber er passte nicht in diese Welt. Er wurde von seinem eigenen Volk verstossen und hingerichtet. Petrus spricht davon, dass wir Gäste und Fremde sind: „Liebe Freunde, ihr seid nur Gäste und Fremde in dieser Welt.“ (1.Petr 2, 11) Und Paulus macht es ganz klar, dass es für ihn nur noch eines gibt, was wirklich zählt, wenn er sagt: „Für mich jedoch ist es unmöglich, auf irgendetwas anderes stolz zu sein als auf das Kreuz von Jesus Christus, unserem Herrn. Durch ihn ist die Welt für mich gekreuzigt, und durch ihn bin ich für die Welt gekreuzigt.“ (Galater 6, 14) Die Schweiz ist für mich gekreuzigt, d.h. die Schweiz hat keine Bedeutung mehr. Seine Identität findet er nicht in seiner Nationalität, sondern in Christus dem gekreuzigten. Christus hat sein Leben auf ein ganz neues Fundament gestellt. Unser Bürgerrecht ist jetzt im Himmel. Das ist das Bürgerrecht, das für uns von Bedeutung ist. Durch den Glauben an Jesus, haben wir uns der Schweiz entfremdet. Dies fällt uns nur nicht besonders auf, weil wir noch in Freiheit unseren Glauben leben können. Aber gerade die Täufer mussten erleben, dass sie in der Schweiz keine Heimat mehr hatten, obgleich sie Bürger dieses Landes waren. Weil ihnen aber das Bürgerrecht im Himmel wichtiger war, nahmen sie die Demütigungen hin. Paulus hätte sich auf einen jüdischen Hintergrund berufen können. Er war Pharisäer aus dem Stamm Benjamin. Über diesen Hintergrund sagt er: „Doch genau die Dinge, die ich damals für einen Gewinn hielt, haben mir – wenn ich es von Christus her ansehe – nichts als Verlust gebracht.“ (Philipper 3, 7) „Mehr noch: Jesus Christus, meinen Herrn, zu kennen ist etwas so unüberbietbar Grosses, dass ich, wenn ich mich auf irgendetwas anderes verlassen würde, nur verlieren könnte. Seinetwegen habe ich allem, was mir früher ein Gewinn zu sein schien, den Rücken gekehrt; es ist in meinen Augen nichts anderes als Müll. Denn der Gewinn, nach dem ich strebe, ist Christus.“ (Philipper 3,8)

III. Der Schweiz verpflichtet bleiben

Unser eigentliches Bürgerrecht ist im Himmel. Das bedeutet aber nicht, dass wir nicht Schweizer bleiben. Auf dieser Erde bleiben wir Schweizer und wir bleiben auch der Schweiz verpflichtet. Christen stellen sich aufgrund ihrer neuen Identität nicht über den Staat, sondern sie ordnen sich dem Staat unter. Sie sind sozusagen Doppelbürger, wobei das Schweizer Bürgerrecht mit dem Tode erlischt, aber das himmlische Bürgerrecht mit dem Tod erst richtig zur Entfaltung kommt. Christen ordnen sich dem Staat unter und bilden innerhalb vom Staat keine Oppositionsgruppen. Sie wissen, dass Gott die Geschicke dieser Welt lenkt, ob sie das immer verstehen oder nicht ist nicht von grosser Bedeutung. Daniel sagt über Gott: „Er verändert das Bestehende und gibt allem seine Frist; er setzt Könige ab und setzt Könige ein. Er gibt den Weisen ihre Weisheit und den Klugen ihren Verstand.“ Dan 2, 21 Christen respektieren die Regierung, denn sie ist von Gott gegeben. Petrus und Paulus machen in ihren Briefen den Gemeinden sehr deutlich, dass sie sich hüten sollen, gegen den Staat zu opponieren, denn Grund genug hätte es wohl in jener Zeit gegeben. Aber Paulus sagt beispielsweise: „Jeder soll sich der Regierung des Staates, in dem er lebt, unterordnen. Denn alle staatliche Autorität kommt von Gott, und jede Regierung ist von Gott eingesetzt.“ (Römer 13, 1) Was unsere Aufgabe anbelangt, die wir im Staat bestimmt wahrnehmen sollten, beschreibt Paulus dem Timotheus: „Das Erste und Wichtigste, wozu ich die Gemeinde auffordere, ist das Gebet. Es ist unsere Aufgabe, mit Bitten, Flehen und Danken für alle Menschen einzutreten, (1. Timotheus 2, 1) insbesondere für die Regierenden und alle, die eine hohe Stellung einnehmen, damit wir ungestört und in Frieden ein Leben führen können, das Gott in jeder Hinsicht ehrt und das in allen Belangen glaubwürdig ist.“ (1. Timotheus 2, 2) Gemeinde bildet nie ein Staat im Staat, sondern sie ordnet sich immer dem gegebenen Staat unter. Solange der Glaube an Jesus durch das Leben nicht geleugnet werden muss, halten sich Christen an die staatlichen Ordnungen. Erst wenn der Glaube an Jesus verleugnet werden müsste, weigern sich Christen der Obrigkeit Gehorsam zu leisten. So z.B. als sie aufgefordert wurden dem Kaiser als Gott anzuerkennen und ihm Opfer darzubringen. Unsere Aufgabe im Staat ist die, dass wir für die Obrigkeit beten und ein vorbildliches Leben führen. Es ist nicht unsere Aufgabe den andern zu zeigen, dass wir in jeder politischen Frage die einzig richtigen Antworten zu bieten haben. Wir können in der ganzen Drogenpolitik unsere Meinung haben, aber ob wir wirklich immer die Richtige Lösung vorschlagen, einfach weil wir Christen sind, ist sehr fraglich. In unserem Staatssystem dürfen wir mitdenken und mitgestalten, aber bitte mit der nötigen Vorsicht und Bescheidenheiten. Es sollte immer sichtbar bleiben, um was es bei uns geht: Um Christus, der für unsere Schuld am Kreuz starb. Jesus, der jedem Menschen ewiges Leben schenkt, wenn sie ihm vertrauen.

Schlussgedanke

Feiern wir heute ruhig unseren 1. August. Aber achten wir darauf, dass wir nicht der Schweiz, sondern Gott die gebührende Ehre erweisen. Denn er allein setzt Grenzen und Zeit für eine jede Nation, auch für unsere Schweiz.