Glaube und seine Bedeutung im Leben
Glauben ist mehr als nur Vermutungen. In unserem Volk gibt es viele Menschen, die glauben. Auch ich habe meinen Glauben. Nur ganz wenige sagen, sie glauben nicht an Gott. Wahrscheinlich glauben mehr als 98 Prozent in unserem Volk an ein göttliches Wesen.
Es ist ein bisschen so, dass ich hoffe, es nicht zu sehr zu karikieren, wie wenn ich glaube, dass es den Mount Everest gibt, in Indien den Ganges und die Fidschi-Inseln irgendwo im Pazifik. Diese Orte gibt es wirklich, aber sie haben mit meinem Leben überhaupt nichts zu tun.
So ist es bei vielen, die meinen, sie machen Gott eine Freude, wenn sie sagen: „Ich glaube an Gott.“ Aber mit ihrem Leben hat dieser Glaube wenig zu tun. Dabei sehnt sich Gott nach Kontakt mit uns.
Eines der großen Worte der Bibel lautet: „Ich, Gott, strecke meine Hände aus, den ganzen Tag nach einem Volk, das nicht mit mir leben will.“ Ob das nur in Israel so war oder auch in der Ulmer Region – Gott streckt seine Hand aus und sagt: „Du, ich möchte doch mit dir leben!“
Und wir antworten vielleicht: „Vielleicht, wenn ich älter bin, aber jetzt habe ich so viel zu tun.“ Es ist gut, wenn man abgenabelt ist von der Mutter. Bei uns allen war es so, dass wir im Mutterleib herangewachsen sind, in der Geborgenheit des mütterlichen Leibes.
Die Beziehung zu Gott im Vergleich zur menschlichen Entwicklung
Als wir lebensfähig waren – heute würde man wohl kaum noch so denken, dass wir einmal so herzige Säuglinge waren, oder? Bei Ihnen ist das vermutlich eher nicht der Fall. Doch als wir lebensfähig wurden, haben wir uns freigestrampelt und unserer Mutter viel Schmerzen bereitet.
Unsere Mutter durfte uns noch zwei, drei Jahre begleiten, pflegen und füttern, bis der Tag kam, an dem wir sagten: „Selber machen, selber laufen, selber essen.“ Uns geht es ja auch gut so. Irgendwann, mit siebzehn oder achtzehn, sagen wir dann: „Ja, jetzt, liebe Mutter, lieber Vater, ich habe auch meine eigenen Gedanken.“ Wir wollen selbständig werden. Sonst bleiben wir Trauer- und Fetscherkindler, Muttersöhnchen.
Ich erinnere mich noch, wie meine Mutter zu mir sagte: „Jetzt kommst du von Tübingen nicht mehr heim. Du musst mal ein Jahr ganz für dich allein leben.“ Da bin ich nach Amerika gegangen, und es hat mir gutgetan. Es hat der Liebe keinen Abbruch getan, aber ich musste doch selbständig werden. Mütter verstehen das.
Doch bei Gott ist das anders. Wenn wir meinen, es sei natürlich so, wie wir es bei unseren Müttern gehalten haben, dass wir uns abnabeln – auf Neudeutsch sagt man „emanzipieren“, aus der guten Hand, Emanu, herauskommen, frei werden – dann irren wir. Wenn wir glauben, das sei bei Gott auch gut, dass das Kind betet, und der Mann sagt: „Ich brauche nicht Gott, ich glaube an Gott, er soll froh sein, dass ich mit ihm rechne“, dann ist das unnatürlich.
Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde. Zum Bilde Gottes schuf er ihn. Das ist der großartige Konstruktionsentwurf für jeden von uns.
Die enge Verbundenheit mit Gott als Lebensprinzip
Wenn sie in der Sonne stehen und ihr Körper einen Schatten wirft, dann bleibt ihr Schattenbild bei ihnen. Wenn sie weggehen, bleibt nicht der Schatten zurück. Das wäre komisch, nicht wahr? Wenn ich meine Hand ausstrecke, dann wirft auch das Schattenbild diese ausgestreckte Hand.
So hat es Gott gemeint mit dem Bild, dass wir dort sind, wo er ist. Dass wir auch dort hingehen, wo es ihm nicht wohl ist. Dass wir dort zupacken, wo er zupackt. Aber das ist ja zerbrochen.
Die Bibel erzählt Wichtiges darüber. Noch viel mehr berichtet sie jedoch, wie Gott sich danach sehnt. Nehmen Sie es für sich persönlich: Er möchte mit Ihnen in all Ihren Ängsten verbunden sein. Er möchte, dass Sie heimkommen zu Gott. Dass Ihre Zunge ihr Gespräch von seinem Wort hat. Dass Ihre Gedanken und Phantasien von ihm gereinigt werden.
Er möchte, dass wir mit ihm leben, durch ihn leben und von ihm leben. Dass es bei uns wahr wird: Von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge.
Wir Pfarrer müssen ja manchmal sagen, dass es in der Ursprache eigentlich anders heißt. Wir müssen auch beweisen, was wir gelernt haben. Das Wort Treue, Glauben heißt im Hebräischen Emunah – Vertrautheit, engste Verbundenheit.
Bilder der Verbundenheit mit Gott
Lassen Sie mich versuchen, es an ein paar Beispielen deutlich zu machen.
Vor fünf Jahren fand in Schornwerth, wo ich leben und wirken konnte, ein Bildhauersymposion statt. Der Oberbürgermeister kam und sagte, der Dekan könnte der Kirche auch ein Bildwerk stiften, da auf ihrem kahlen Kirchplatz.
Wir haben daraufhin Professor Nuss gebeten. Er meinte, ich hätte die Idee einer Mutterfigur mit einem Kind an der Hand. Ich antwortete, ich stelle mir das noch viel inniger vor. Ich möchte gern, dass er das Psalmwort darstellt: „Meine Seele ist ruhig und still geworden bei dir, o Gott, wie ein Kind bei seiner Mutter.“
Daraufhin hat er für uns eine Figur aus Erz gegossen, bei der man das Kind kaum mehr sieht – nur eine Andeutung des kleinen Köpfchens. Sonst ist es ganz hineingeschlüpft in den Mantel der Mutter.
Oh, sagten die Schandorfer, jetzt ist der Herr Dekan auch noch katholisch geworden. Jetzt hat er uns eine Marienfigur auf den Kirchplatz gestellt. Und die katholischen Christen sagten: Das ist auch einmal ein guter Dekan, der ist schon halb katholisch, wenn er also eine Marienfigur hat.
Dann habe ich gesagt: Jetzt lassen wir aus Erz gießen das Psalmwort „Meine Seele ist ruhig und still geworden bei dir, o Gott, wie ein Kind bei seiner Mutter.“ Es steht jetzt neben der Statue. So will es Gott, dass wir an ihn hinschlupfen und mit ihm aufs Engste verbunden sind.
Zweites Bild.
Ein weiteres Bild der Führung
In einem Psalmwort heißt es: „Ich will dich mit meinen Augen leiten.“
In der Nachkriegszeit sind meine Brüder und ich immer gerne zu den Kammerkonzerten von Professor Münchinger in Stuttgart gegangen. Es war großartig, und wir waren begeistert.
Am eindrücklichsten war jedoch, wie er mit seinem Klangkörper, dem Stuttgarter Kammerorchester, so verbunden war, dass er kaum dirigieren musste. Er musste nicht groß wedeln.
Seinem Kontrabassisten, der in der Ecke stand, gab er die Einsätze noch nicht einmal mit einem Nicken des Kopfes, sondern nur mit einem Blick.
Was wäre das für eine Sache, wenn wir so mit Gott verbunden wären, dass wir sofort spüren, was er will, woran er Freude hat und was ihn bei uns traurig macht.
Sehen Sie, das ist Glaube: eine engste Verbundenheit mit Gott.
Abraham als Vorbild des Glaubens
In der Bibel wird vom Vater des Glaubens erzählt, vom Abraham. Er war ein tüchtiger Mann, ein großer Beduinenscheich, der mit Königen verhandelte. Die Bibel erzählt von seinen Begegnungen mit Abimelech von Gerar.
Wie die Weltgeschichte verlief, war ihm nicht gleichgültig. Menschen, die an Gott glauben, sind nicht blind für das, was in der Welt vor sich geht. Abraham betete sogar für das gottlose Sodom und Gomorra und bat Gott, die Stadt nicht untergehen zu lassen.
Das Geheimnis seines Lebens war jedoch, dass er mit den Möglichkeiten Gottes rechnete. Als Gott zu ihm sprach, war Abraham beinahe hundert Jahre alt und bis dahin kinderlos. Seine Frau war nur wenig jünger. Gott sagte zu ihm: Ihr werdet noch einmal einen Sohn bekommen.
Abraham war so klug, dass er wusste, dass dies biologisch nahezu unmöglich war. Doch es heißt in der Bibel, dass er nicht an seinen erstarrten Leib dachte. Wenn er sich im Spiegel eines Sees sah und die Falten in seinem Gesicht bemerkte, hätten sie ihm entgegenrufen können: Du kannst keinen Vater mehr werden.
Aber er sah nicht auf seinen erstarrten Leib, sondern wusste mit aller Gewissheit: Was Gott verheißt, das kann er auch tun. Schließlich glaube ich, dass ich nicht mit den Möglichkeiten meines begrenzten Lebens rechnen möchte, sondern mit den Möglichkeiten Gottes. Er ist mein Gott.
Wir haben es vorher gesungen: Er ist mein Gott.
Jesus als Vorbild im Glauben
Wir wissen auch vom Herrn Jesus, wie er im Glauben mit dem Vater lebt, in ganz großem Vertrauen. Als er am Kreuz hing, sagten die Feinde: „Halt, hilf ihm nicht! Er hat Gott vertraut, der soll ihm jetzt helfen.“ Das war die Grundmelodie seines Lebens: Jesus hat Gott vertraut.
Als die fünf hungrigen Leute da waren und die Jünger fragten, was sie tun sollten, sagten sie, das sei doch gar kein Wert. Jesus hob seine Augen auf und sprach: „Vater.“ Das heißt, er dankte Gott. Er sagte: „Du hast doch unvorstellbare Möglichkeiten.“ Die Jünger sagten später, sie begriffen nicht, wie es möglich war, dass fünf Leute satt wurden. Sie konnten es nicht erklären. Aber das Vertrauen zum Vater eröffnete Möglichkeiten.
Als Jesus am Grab des Lazarus stand, in großer Trauer, liefen ihm die Tränen über die Wangen. Er weinte und sagte: „Vater, ich weiß, dass du mich allezeit hörst, aber jetzt höre mich auch. Lazarus soll herauskommen.“ Lazarus, der Tote, der schon in Verwesung übergegangen war, kam lebendig heraus. Gottes Möglichkeiten sind unbegrenzt.
Glaube heißt, dass ich mit den unbegrenzten Möglichkeiten Gottes rechnen kann.
Persönliche Erfahrungen mit Gottes Kontakt
Als ich vor dreißig Jahren in Ulm jung war, haben mich einmal meine Achtklässler an der Spitalhofschule gefragt: „Herr Schäffbuch, erleben Sie auch Wunder?“
Daraufhin habe ich gesagt, dass ich jeden Samstagmittag in meiner Predigtvorbereitung sitze. Dabei schreibe ich kleine, fromme Aufsätze. Aber ist das wirklich das, was Gott will? Bei jeder Predigtvorbereitung sitze ich darüber und denke: „Lieber Vater im Himmel, teile mir das zu, was gebraucht wird, auch hier in Langenau. Nicht mit meinen zwölfhundert Gramm Gehirngewicht und meiner Erfahrung, sondern mit den Möglichkeiten Gottes.“
So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben. Dieses Leben beginnt jetzt schon, nicht irgendwann, heute – angeschlossen an die Kraftströme und Kraftquellen Gottes.
Jesus als Verbindungsmann Gottes
Wie sehr Gott auf Kontakt mit uns aus ist, wird an Jesus deutlich. Vielleicht ist es ein einfaches Beispiel, aber man kann sagen, Jesus ist sozusagen das Verlängerungskabel Gottes in unsere Welt hinein.
Jesus ist in unsere Welt gekommen. Plötzlich merken der Blinde und die Aussätzigen, dass ihnen geholfen werden möchte. Die vier Männer bringen ihren kranken Freund zu Jesus, weil sie wissen, dass er helfen kann.
Wenn man heute diese Geschichten liest, wird klar: Gottes Verlängerungskabel stimmt. Jesus ist der Verbindungsmann Gottes in unsere Welt. Er ist in unserer Welt gelebt, ging über die staubigen Straßen Galiläas. Er versteht uns. Er war selbst einmal zwölf Jahre alt, später fünfundzwanzig. Er weiß, wie es Frauen und Männern zumute ist.
Zu ihm dürfen wir mit großem Zutrauen kommen. Vielleicht ist Gott uns fremd, aber Jesus ist der Verbindungsmann Gottes, die Außenstation Gottes in unserer Welt.
Der Pfarrer Baumann hat mit Recht gesagt: Die Römer hatten noch ein Gespür dafür, dass man unheilig ist und im Leben viel danebengeht. Bevor man mit Gott Kontakt aufnimmt, müsse man ein Opfer bringen.
In Afrika und Asien merken viele Menschen: Ich kann doch nicht einfach mit Gott Verbindung aufnehmen, da muss zuerst etwas gesühnt werden.
Der Herr Jesus ist zu uns gekommen und selbst ans Kreuz gegangen – ein Opfer für unsere Sünden. Das sagt uns: Durch eure Sünde hindurch möchte ich zu euch kommen. Die Sünde soll uns nicht hindern. Ich lasse mich nicht durch die Sünde aufhalten.
Der Herr Jesus ist in den Tod hineingegangen, damit nicht wir, die schwachen, totverfallenen Menschen, sagen: Was bin denn schon ich? Ein armseliges Häuflein Elend.
Ja, gerade für diese Menschen ist Jesus gekommen – für das Häuflein Elend. Gibt es hier solche Menschen?
Ich war in dieser Woche schon ein paar Mal heifelähelend, vielleicht sind manche von Ihnen das auch.
Zu uns ist Jesus gekommen, weil Gott uns wissen lassen will: Mit euch möchte ich Verbindung aufnehmen, mit euch möchte ich Kontakt haben.
Persönliche Erlebnisse des Kontakts mit Gott
Jetzt muss ich einiges aus meinem Leben erzählen, wie man mit Gott Kontakt haben kann. Vielleicht habe ich gar nicht gemerkt, dass Gott auf Kontakt mit mir aus ist. Aber es war mir wohl dort, wo Christen zusammenkommen.
Manchmal war es auch richtig langweilig, oder man schaute auf die Uhr und dachte: Wann ist denn die Stunde um? Wann ist die Predigt vorbei? Manchmal hatte man das Gefühl, die Zeit stünde still. Trotzdem fühlte ich mich wohl.
Wir hatten ein zackiges Hitlerjugend-Fähnlein in Stuttgart, Fähnlein acht am Feuersee. Damals musste ja jeder dazu. Wir waren der Stolz der ganzen Jungbands. Wir hatten die besten Sportler und die besten Schützen. Ich muss sagen, ich war auch gern dabei. Es war eine prima Kameradschaft.
Noch wohler fühlte ich mich aber in dem kleinen Jungscharleiterkreis, in dem noch sieben Zehnjährige waren. So klein war es zusammengeschmolzen. Wenn unser Jugendwart Schunter uns eine Andacht hielt – der Konrad Ziegler, der heute der Bruderälteste in Bethel ist, hat gesagt: „Rolf, das ist noch einmal anders als in unserem Fähnlein.“ Warum hätte ich damals nichts sagen können? Aber heute weiß ich: Der Herr Jesus will dort sein, wo zwei oder drei versammelt sind.
Es ist nicht nur wegen des Jungscharleiters. Liebe Freunde, gebt eure Kindergottesdienste, auch wenn sie noch so klein sind, nicht auf. Gebt eure Jungscharen nicht auf, auch wenn nur wenige kommen. Es lohnt sich. Jesus hat als Mindestzahl zwei, dann ist er dabei. Und das kann sonst niemand bieten: die unaussprechlich herrliche Gegenwart Jesu.
Erfahrungen mit Gottes Gegenwart in der Gemeinde
Als junger Mann, als junger Kerl, habe ich gerne zugehört, wenn Prälat Hartenstein in Stuttgart gepredigt hat, oder Helmut Thielig in der Stiftskirche, bevor sie zerstört wurde. Er hat vieles nicht verstanden.
Und doch möchte ich heute sagen, wie das Feuer von Emmaus aus unserem Herzen brannte. Das, was uns der Herr Jesus aus der Bibel zuteilt, wenn die Bibel ausgelegt wird, ist unvergleichlich. Da können Sie 14 Tage lang pausenlos vor dem Fernseher sitzen – das bekommen Sie nicht mit Worten des ewigen Lebens!
Damals war mir das nicht bewusst. Es war mir nur irgendwo wohl interessant. Man musste mich gar nicht arg zwingen, und es war keine „Brumsbibel“, so war es nicht.
Ich bin 1955 mit einer Vikarsgruppe von sechs Leuten nach Amerika gereist. Wir sind am Samstag in Hoboken bei New York angekommen, und am Sonntag waren wir in Manhattan. Es war trostlos. Man hätte an einem Sonntag dort nur ein paar Hausmeister mit ihren Hunden laufen sehen – eine ausgestorbene, tote Stadt.
Endlich hörten wir Glockenläuten. Da sind wir gelaufen, im Dauerlauf. Wir hatten uns sonst den Gottesdienst an diesem Tag sparen wollen. Keiner hätte dem anderen zugestehen wollen, dass wir nach den zehn Tagen Überfahrt schon Heimweh nach der Heimat hatten.
Dann kamen wir in einen Gottesdienst in der St. Luke's Church und fühlten uns daheim – nicht nur bei Mitchristen, sondern in der Nähe des lebendigen Gottes.
Suchen Sie noch viel mehr Stellen auf, wo ein paar armselige Christen sind, über die Sie sich aufregen können. Jeder Christ hat Macken! In jedem Schachverein haben sie mehr Gemeinsames als wir in der Kirche oder Gemeinschaft.
Aber der Herr Jesus hat gesagt: „Ich will dort sein, wo zwei oder drei versammelt sind.“ Wir brauchen noch viel mehr Gemeinschaft in der Kirche, in unseren Stunden und in unseren Jugendkreisen.
Engagement in der Gemeinde als Ausdruck des Glaubens
Als junger Mann wurde ich gefragt, ob ich beim Abendmahl in unserer Heimatgemeinde, der Johannesgemeinde, helfen könne. Ich sollte zu den Leuten sagen: „Sind Sie dran?“ und bei den Abendmahlsgeräten mithelfen.
Das war mir wohl! Ich habe gespürt, dass ich lieber die Tür hüten möchte in Gottes Haus, als in der gottlosen Hütte zu wohnen. So ist der Herr Jesus dort, wo das Mahl ausgeteilt wird.
Es gibt viele Stellen, an denen Gott Kontakt mit uns aufnimmt und uns ganz nahe sein will.
Zwei besondere Erfahrungen mit Gottes Nähe
Es gibt zwei Erlebnisse in meinem Leben, bei denen Gott auf besondere Weise Kontakt aufgenommen hat. Eines davon war im Sommer 1949 auf einem Zeltlager. In meiner Jugend war ich in den letzten Monaten vor dem Abitur sehr unsicher. Ich war in der Schule sehr schlecht und bekam jedes Jahr einen blauen Brief, der die Versetzung gefährdet hat.
In diesem Jahr wurde ich gefragt, ob ich den großen Jugendkreis in unserer Hanns-Gemeinde übernehmen möchte. Am Samstag waren etwa 120 Leute dabei. Ich habe gedacht, das geht nicht. Entweder schaffe ich das Abitur nicht oder den Jugendkreis.
Während dieser Freizeit kam die Frage auf: „Bisher, Rolf Schäff-Pugle, warst du in meiner Nähe und es war dir ganz wohl. Aber tust du mir eigentlich gut? Willst du mit dem lebendigen Gott leben, damit ich meine Kraft und meine Möglichkeiten in dein Leben hineinbringen kann?“ Ich erinnere mich noch genau, wie ich gesagt habe: „Lieber Gott, ich möchte dir das zutrauen.“ Das war eigentlich der erste richtige Anfang meines Glaubens und der Kontaktaufnahme mit Gott.
Bis heute, im einundsechzigsten Lebensjahr, erlebe ich, was Gott tun kann. Ohne dich, wo käme Kraft und Mut mir her? Auch als Prälat sehe ich viele schwache Seiten an der Kirche. Es gibt vieles, bei dem man sich fragen wird: Wird es denn in zwanzig Jahren noch Kirche geben?
Trotzdem kann man aus der Kraft Gottes leben, selbst wenn man am Boden ist. Ich möchte Ihnen sagen: Gott möchte Kontakt mit Ihnen aufnehmen und in Ihr Leben hineinwirken.
Eine weitere Erfahrung mit Gottes Vergebung
Als ich junger Pfarrer in Ulm war, im Jahr 1961, also vor dreißig Jahren, habe ich eine Predigt über 1. Johannes 1 gehalten. Darin ging es darum, dass Gott treu und gerecht ist, wenn wir unsere Sünde bekennen, und dass er uns dann die Sünden vergibt.
In dieser Predigt schrieb ich, dass man Gott auch darum bitten darf, einem unerkannte Sünden zu zeigen – solche, über die man bisher hinweggegangen ist. An einem Samstagabend war ich auf dem alten Friedhof neben der Pauluskirche und habe meine Predigt noch einmal ein wenig auswendig gelernt.
Plötzlich durchzuckte es mich, zumindest bei dir. Dann habe ich auch gebetet: „Lieber Gott, zeig mir die unerkannte Sünde.“ Und daraufhin brachen blitzartig Dinge auf, die ich bisher verdrängt hatte. Ich sah, wie vielen Menschen ich schuldig geworden war und was ich alles vermasselt hatte. All das hatte ich weggesteckt.
In diesem Moment konnte ich nur sagen: „Herr Jesus, lass dein Sterben am Kreuz auch dafür gelten.“ Ich kann es kaum beschreiben. Es war, als ob man auf einer Wanderung stundenlang einen schweren Rucksack getragen hätte und ihn dann endlich ablegt. Haben Sie das schon einmal erlebt? Dieses Gefühl ist fast körperlich, als ob man schweben würde – erleichtert.
Gott will mit Menschen Kontakt haben, deren Leben furchtbar viel kaputtgegangen ist. Ich sehe das an den Elenden und den zerbrochenen Herzen. Wer sich vor meinem Wort fürchtet, soll wissen: Ich bin nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind. Genieren Sie sich nicht vor Gott.
Gebet als Ausdruck der Verbindung zu Gott
Als ich im Jugendwerk war, habe ich einen Freund aus diesen Tagen gegrüßt. Wir waren eines Tages auf dem Schachen bei Münzingen eingeschneit. Die Freizeit sollte sonntagnachmittags um 14 Uhr enden, doch es war ein richtiger Schneesturm gewesen. Deshalb mussten wir warten, bis von Buttenhausen herauf der Schneepflug kam.
Ich sagte zu den Freunden: „Jetzt holt sich jeder ein Stück Papier und schreibt einen Brief an Gott. Ihr müsst ihn nicht dem anderen vorlesen. Verkriecht euch in irgendeinen Winkel und schreibt an Gott das, was schon längst bereinigt werden sollte.“
Liebe Freunde, das war eine Stimmung wie bei einem Landesposaunentag – so schön, noch viel schöner. Das ganze Haus war voller Gebet, und wir spürten, dass Gott Verbindung aufgenommen hatte mit Leuten, die sagten: „Oh, lieber Gott, das ist daneben gegangen, und das tut mir leid.“
Kraftstrom gibt es. Das kann Ihnen jeder Physiker oder Elektriker erklären, wenn eine positive Energie mit einer negativen Energie zusammenkommt. Deshalb haben wir an jedem Stecker zwei Pole: Plus und Minus.
Sie dürfen den ganzen Dreck ihres Lebens mit der herrlichen Kraft und Weisheit Gottes zusammenbringen und sagen: „Lieber Gott, nimm es, so bin ich.“ Sie werden merken, dass in Ihr Leben ein Kraftstrom hineinkommt.
Wir theoretisieren so viel über Gott. Glauben wir wirklich, dass Gott mit uns Kontakt hält und dass wir seine Kraft erfahren?
Das Streben nach Gemeinschaft mit Christus
Der Apostel Paulus spricht ein für mich sehr wichtiges Bibelwort aus. Ich habe es immer wieder meiner Frau gesagt: Wenn ich einmal sterbe, möchte ich, dass dieser Leichentext verwendet wird. Ich möchte die Kraft seiner Auferstehung erkennen und die Gemeinschaft seiner Leiden erfahren. Ich möchte ihm ähnlich werden.
Ich habe es noch nicht ergriffen und bin noch nicht vollkommen. Aber ich jage ihm nach, weil ich es auch ergreifen möchte, nachdem ich von Christus Jesus ergriffen worden bin. Es ist nicht bloß eine Sentimentalität, dass ich emotional ergriffen bin. Vielmehr wünsche ich jedem von Ihnen, dass Sie vom lebendigen Gott gepackt werden.
Ich möchte Kontakt mit ihm haben. Dieser Abend soll dazu beitragen, dass in Ihnen dieses Verlangen, diese Sehnsucht entsteht. Ich möchte noch viel mehr von Gott erkennen, von der Kraft seiner Auferstehung. Wenn er mich ins Leiden hineinführt, möchte ich auch begreifen, was Gemeinschaft im Leiden bedeutet.
Nachdem er mich ergriffen hat, möchte ich weiterkommen, bis er eines Tages meinen vergänglichen Leib verklärt. Dann soll ich ihm gleich werden, seinem verklärten Leib. Darüber wollen wir morgen sprechen – welche Hoffnung es über den Tod hinaus gibt. Es geht nicht nur darum, dass es irgendwo weitergeht, wie viele Leute vermuten.
Jesus hat gesagt: Ich bin die Auferstehung und das Leben, schon heute. Deshalb ist es so, dass Christen, wenn sie alt werden, vielleicht nicht mehr richtig laufen können, aber jeder Tag ist hochinteressant. Man braucht nicht zurückzublicken und sich zu fragen, wie es früher war und ob alles schöner war.
Mit Gott kann man Erfahrungen machen, und man kann gespannt sein auf jeden Tag mit ihm.
Schlussgebet
Wir wollen beten und dabei sitzen bleiben.
Herr Jesus Christus, du ewiger Vater im Himmel, danke, dass du mit uns Kontakt haben möchtest. Vergib uns, wenn wir dachten, ohne dich auskommen zu können, und meinten, dich nicht zu brauchen. Du willst bei uns sein. Du möchtest doch dein Ziel bei uns erreichen. Du stehst vor der Tür und klopfst an.
Hilf uns, dass wir sagen: Ja, ich möchte auch. Ich möchte von dir ergriffen werden. Wir brauchen deine Kraft, deine Weisheit, deine Heiligung, deine Geduld und deine Liebe, Herr. Du könntest so viel in unseren Gemeinschaften und Gemeinden verändern.
Wir brauchen deine Vitalität, deine Hoffnung und deine Zuversicht. Gib sie uns und lass uns nicht so armselig bleiben, wie wir sind. Wir danken dir, dass du uns hörst. Amen.