
Wir wollen unsere Studien im Jakobusbrief fortsetzen. Ich wurde bereits darum gebeten und werde auch versuchen, dem nachzukommen, nicht zu schnell zu sprechen. Das birgt allerdings auch für Sie ein gewisses Risiko. Sie können das ja ausrechnen: Bei langsamerer Sprechgeschwindigkeit und gleichbleibendem Inhalt dauern die Vorträge dann umso länger. Ich weiß nicht, ob Sie das wirklich wollen. Die dritte Möglichkeit wäre, dass ich manches einfach nicht sage. Wir werden uns da irgendwie auf einen Kompromiss einigen, denke ich.
Und wie gesagt: Wenn es mal zu schnell wird, heben Sie einfach Ihren Arm. Dann weiß ich, dass ich ein wenig bremsen muss. Das war früher immer interessant, am Anfang meiner Dienstzeit, wenn ich auf irgendeiner Kanzel stand und meine Frau irgendwo im Zuhörerraum saß. Als ich jünger war, war ich noch viel schneller. Irgendwann kam dann der verdeckt warnende Hinweis meiner Frau, ich müsse doch etwas auf die Bremse treten. Im Laufe der Zeit hat sie sich wahrscheinlich so an mein Tempo gewöhnt, dass sie es selbst nicht mehr merkt.
Wir freuen uns jetzt, im Jakobusbrief weiter voranzuschreiten und kommen zu unserem zweiten Vortrag. Gestern ging es um die Einführung, den Grundton, den der Jakobusbrief setzt: den Glauben in Anfechtung und Versuchung. Dabei hatten wir einen Abschnitt im ersten Kapitel nur ganz kurz gestreift. Auf diesen wollen wir heute zurückkommen, weil er auch die Brücke zum zweiten Kapitel schlägt.
Wir hatten gestern Folgendes festgestellt: Jakobus macht sehr deutlich, dass Gott unser Herz ungeteilt will, so wie Gott ungeteilt ist. Das hatten wir schon in Vers 5 gesehen: „Wenn es jemand unter euch an Weisheit mangelt, so erbitte er sie von Gott, der allen gern gibt.“ Das „gern“ ist eigentlich viel zu schwach übersetzt. Es meint „ungeteilt“, „voller Zuwendung“ und „ohne jeglichen Hintergedanken“. Gott ist uns ganz ungeteilt zugewandt als der Vater derer, die durch Jesus seine Kinder geworden sind.
Diesen Hinweis auf das ungeteilte, einlinige, ganze und ungebrochene Dasein Gottes für uns fanden wir noch einmal in Vers 17. Dort wird Gott beschrieben als der Vater der Lichter, bei dem keine Veränderung ist, noch ein Schatten infolge von Wechsel. Das ist ein interessanter Gegensatz: Die Lichter selbst, die Gott geschaffen hat, sind – wenn wir so wollen – Mediatoren des Wandels. Sie stehen für den beständigen Wechsel zwischen Tag und Nacht, zwischen den Gezeiten und den Jahreszeiten.
Der Gott, der der Vater dieser Lichter ist und sie geschaffen hat, ist dagegen absolut unwandelbar und beständig. Auch hier zeigt sich die völlige Zuwendung Gottes in seinem Ungeteiltsein. Als Antwort darauf zielt dieser lebendige Gott, unser Vater, in unserem Leben darauf ab, dass auch wir ein ungeteiltes Leben führen.
Das ist ein Cantus firmus, eine Grundmelodie, die im Jakobusbrief immer wieder auftaucht. Denken wir etwa an Vers 8: „Ein Mann mit geteiltem Herzen ist unbeständig in allen seinen Wegen.“ Das war die Erklärung dessen, was ein Zweifler ist – jemand, der sein Leben nicht verbindlich an Christus gebunden hat. Ein Mann mit einem geteilten Herzen schwankt hin und her, sagt ja, aber auch nein, und will die Sache nicht ganz machen.
Jakobus sagt: Wer so lebt, lebt gefährlich. Sei ungeteilt! Das ist es, wozu der Herr dich ruft und einlädt. Schon in den Versen 9 bis 11 hat Jakobus ein Beispiel angedeutet, bei dem die Teilung unseres Herzens offenkundig wird. Dieses Beispiel ist offensichtlich so wichtig und typisch für uns Menschen, dass es im Jakobusbrief dreimal vorkommt: Kapitel 1, Verse 9 bis 11; Kapitel 2, Verse 1 bis 6; und Kapitel 5, Verse 1 bis 4.
Deswegen kommen wir nicht umhin, wenn wir den Jakobusbrief miteinander studieren, uns diesem Beispiel zuzuwenden. Es zeigt die Gefährdung, dass unser Herz geteilt ist und nicht in dieser Einlinigkeit, dieser positiven Einfältigkeit und Völligkeit dem Herrn folgt und dient.
Und das bringt uns zu unserem zweiten Vortragsthema: Geld oder Leben – woran du dein Herz hängst. Das ist unser Thema heute Morgen: Geld oder Leben?
Oft ist es bei Raubüberfällen so, dass die Täter sagen: „Geld oder Leben!“ Mancher soll schon gesagt haben: „Lassen Sie mir lieber mein Geld.“ Ja, das war etwas kurzsichtig. Geld oder Leben – woran hängst du dein Herz?
Dazu gibt es drei Texte im Jakobusbrief: Jakobus 1,9-11; Jakobus 2,1-6; und Jakobus 5,1-4. Und da steigen wir jetzt ein. Ich lese einfach die Verse vor.
Zunächst Jakobus 1,9-11:
„Der Bruder aber, der niedrig ist, soll sich seiner Erhöhung rühmen, der Reiche dagegen seiner Niedrigkeit. Denn wie eine Blume des Grases wird er vergehen, denn kaum ist die Sonne aufgegangen mit ihrer Glut, so verdorrt das Gras, und seine Blume fällt ab und die Schönheit seiner Gestalt vergeht, so wird auch der Reiche verwelken auf seinen Wegen.“
Dann Jakobus 2,1-6:
„Meine Brüder, verbindet den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus, den Herrn der Herrlichkeit, nicht mit Ansehen der Person. Denn wenn in eurer Versammlung ein Mann käme mit goldenen Ringen und in prächtiger Kleidung, es käme aber auch ein Armer in unsauberer Kleidung, und ihr würdet euch nach dem umsehen, der die prächtige Kleidung trägt, und zu ihm sagen: ‚Setze du dich hier auf diesen guten Platz!‘, zu dem Armen aber sagen: ‚Bleib du dort stehen oder setz dich hier an meinen Fussschemel‘ – würdet ihr da nicht Unterschiede unter euch machen und nach verwerflichen Grundsätzen richten? Hört, meine geliebten Brüder: Hat nicht Gott die Armen dieser Welt erwählt, dass sie reich im Glauben würden und Erben des Reiches, das er denen verheißt, die ihn lieben? Ihr aber habt die Armen verachtet. Sind es nicht die Reichen, die euch unterdrücken, und ziehen nicht sie euch vor Gericht?“
Und dann der dritte Text, Jakobus 5,1-4:
„Wohlan nun, ihr Reichen, weint und heult über das Elend, das über euch kommt! Euer Reichtum ist verfault und eure Kleider sind zum Mottenfraß geworden. Euer Gold und Silber ist verrostet, und ihr Rost wird gegen euch Zeugnis ablegen und euer Fleisch fressen wie Feuer. Ihr habt Schätze gesammelt in den letzten Tagen. Siehe, der Lohn der Arbeiter, die euch die Felder abgemäht haben, der aber von euch zurückbehalten worden ist, er schreit, und das Rufen der Schnitter ist dem Herrn der Heerscharen zu Ohren gekommen.“
Dreimal spricht Jakobus dieses Thema an in seinem kleinen Brief, der nur fünf Kapitel hat. Kapitel fünf erinnert fast wortwörtlich an die Bergpredigt unseres Herrn Jesus. In Matthäus 6 sagt Jesus:
„Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo die Motten und der Rost sie fressen und wo die Diebe nachgraben und stehlen. Sammelt euch vielmehr Schätze im Himmel, wo weder die Motten noch der Rost sie fressen und wo die Diebe nicht graben und stehlen. Denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein.“
Wir hatten ja schon darauf hingewiesen, wie eng der Jakobusbrief mit der Bergpredigt verknüpft ist. Jakobus ist der Halbbruder des Herrn Jesus, und eine ganz starke Nähe bis in die Sprache hinein wird da erkennbar.
Bevor wir in die Einzelheiten gehen, müssen wir vorweg eines klarmachen: Weder Jakobus noch der Herr Jesus betreiben an diesen und auch an anderen Stellen Schwarz-Weiß-Malerei nach dem Motto: Die Armen sind fromm und gut, und die Reichen sind böse und schlecht. Die Bibel betreibt definitiv keinen Klassenkampf.
Sie weist uns jedoch auf eine praktische Gefahr hin, die mit dem Thema Reichtum verbunden ist. Dabei muss es nicht unbedingt nur um Reichtum an Geld gehen. Es können, wie wir noch sehen werden, ganz andere Schätze sein. Diese Gefahr bringt das Thema Reichtum offensichtlich immer mit sich. Dabei handelt es sich um eine Doppelgefahr.
Zum einen wird die positive Bedeutung von Reichtum überschätzt, zum anderen wird die Gefährdung, die von Reichtum für unser Herz ausgehen kann, unterschätzt. Die positive Bedeutung des Reichtums wird also sehr schnell überschätzt, während die Gefahr, die davon für unser Herz ausgeht, unterschätzt wird.
Interessanterweise gilt das sowohl für die, die den Reichtum haben, als auch für jene, die den Reichtum nicht besitzen und ihn sich umso mehr wünschen. Für beide Seiten gilt: Die Hilfe wird überschätzt und die Gefahr unterschätzt.
Darum setzt Jakobus in diesem Brief drei Nadelstiche – so kann man es nennen. Drei Nadelstiche, um uns alle, egal auf welcher Seite wir uns zurzeit eher ansiedeln würden, für diese Gefahr zu sensibilisieren.
Er zeigt uns an drei Beispielen, wie sich die Überschätzung des Reichtums auswirkt. Diese drei Beispiele wollen wir uns jetzt Schritt für Schritt miteinander ansehen und betrachten, was das Wort Gottes uns dort lehrt.
Erstens: Die Überschätzung des Reichtums verleitet dazu, sich auf den Reichtum zu verlassen und...
Der erste Hinweis dazu findet sich bereits in den Versen 9 bis 11 von Kapitel 1. Dort sagt Jakobus: Der Bruder, der niedrig gestellt ist, soll sich seiner Erhöhung freuen. Der Reiche dagegen soll sich seiner Niedrigkeit bewusst sein, denn wie eine Blume des Grases wird er vergehen. Kaum ist die Sonne aufgegangen, verdorrt das Gras in ihrer Glut, die Blume fällt ab, und die Schönheit seiner Gestalt vergeht. So wird auch der Reiche auf seinen Wegen verwelken.
Offensichtlich kam dieser Fall auch in der Gemeinde damals häufiger vor: Armut bei den einen und Reichtum bei den anderen. Beides kann als Anfechtung wirken. Sowohl der Arme als auch der Reiche brauchen Weisheit, wie in Vers 5 erwähnt, damit sie ihr Leben nicht nach materiellen, sondern nach geistlichen Gesichtspunkten bewerten.
Jakobus ruft beiden zu: Richtet euer wichtigstes Augenmerk nicht auf eure wirtschaftliche Situation. Klar, ihr müsst das logisch, rational und nüchtern handhaben und euch darum kümmern. Aber richtet eure Konzentration nicht darauf, sondern auf euer geistliches Wachstum. Macht eure Zufriedenheit und Hoffnung nicht von eurem Geld oder anderen Reichtümern abhängig, sondern von Jesus.
Als Ergänzung dazu sei Kapitel 4, Verse 13 und 16 genannt. Dort heißt es: Ihr, die ihr sagt, heute oder morgen wollen wir in diese oder jene Stadt reisen, Handel treiben und Gewinn machen, rühmt euch in eurem Übermut. Ihr seid voller Selbstgewissheit und meint, ihr könnt handeln und habt die Dinge im Griff.
Im Zusammenhang dazu steht Kapitel 5, Verse 1 bis 3: Wohlan nun, ihr Reichen, die ihr so selbstgewiss meint, euer Leben nach euren eigenen Plänen gestalten und im Griff haben zu können. Wohlan, weint und heult über das Elend, das über euch kommt! Euer Reichtum ist verfault, eure Kleider sind zum Mottenfraß geworden. Euer Gold und Silber sind verrostet, und ihr Rost wird gegen euch Zeugnis ablegen und euer Fleisch wie Feuer fressen. Ihr habt Schätze gesammelt in den letzten Tagen.
Das sind deutliche Worte. Jakobus sagt damit, dass Reichtum zum Selbstbetrug verleitet – zur Selbsttäuschung und Illusion, dass wir unser Leben mit unseren eigenen Möglichkeiten absichern könnten. Das ist die Gefahr. Er warnt davor, verträumt in einer trügerischen Selbstsicherheit zu leben, die sich als Selbstbetrug erweist.
Ihr habt gemeint, mit eurem materiellen Polster, das ihr euch oder eure Vorfahren erarbeitet habt, seid ihr unabhängig und habt ausgesorgt. Doch kein Geld der Welt kann das leisten.
Ich muss an Steve Jobs denken, den Chef von Apple, der 2011 im Alter von 56 Jahren verstorben ist. Steve Jobs hätte sicherlich sein riesiges Vermögen geopfert, wenn er dafür ein paar Lebensjahre mehr bekommen hätte.
Oder denken Sie an den griechischen Reeder Aristoteles Onassis, der seinerzeit in Paris traurig und krank starb. All seine Reichtümer konnten die Katastrophe nicht verhindern. Man muss sich das einmal vorstellen: Das Imperium, das er sich aufgebaut hatte, war einzigartig, vor allem mit Tankergeschäften. Er besaß unter anderem die größte Tankerflotte der Welt, eine Fluglinie, Banken, Aktienfonds und vieles mehr.
Als sein Sohn verunglückte – möglicherweise hatte ein Geheimdienst nachgeholfen – stürzte ihn das in tiefste Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Er sah immer deutlicher, wie wenig Reichtum leisten kann.
Aristoteles Onassis hat einmal gesagt: Wenn ein Mensch behauptet, mit Geld lasse sich alles erreichen, darf man sicher sein, dass er nie welches gehabt hat. An anderer Stelle wurde dieser Satz von ihm überliefert: Ein reicher Mann ist oft nur ein armer Mann mit sehr viel Geld.
Aristoteles Onassis hätte sicherlich nur mitleidig gelächelt über den reichen Kornbauern aus Lukas 12, Vers 15, der meinte, sein Schäfchen im Trockenen zu haben. Dieser hatte gut gewirtschaftet, was durchaus wichtig ist und was wir als Christen auch tun sollen – gut wirtschaften. Doch dann sagte er bei sich selbst in Lukas 12, Vers 17: Was soll ich tun, da ich keinen Platz habe, um meine Früchte aufzubewahren? Ich will meine Scheunen abbrechen, größere bauen, darin alles aufbewahren, was mir gewachsen ist, und zu meiner Seele sagen: Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und sei guten Mutes.
Über diesen Kornbauern hätte Aristoteles Onassis nur gelacht.
Das ist die erste praktische Lebensgefahr, auf die Jakobus hinweist: die Überschätzung des Reichtums. Sie verleitet uns dazu, uns auf den Reichtum zu verlassen.
Eine zweite Lebensgefahr, auf die Jakobus hinweist, ist die Überschätzung des Reichtums, die dazu verleitet, Menschen ungerecht zu behandeln.
Das ist das Zweite: Die Überschätzung des Reichtums verleitet dazu, Menschen ungerecht zu behandeln. Dies finden wir in diesem Abschnitt, Kapitel 2, Verse 1 bis 6.
Meine Brüder, verbindet den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus, den Herrn der Herrlichkeit, nicht mit Ansehen der Person! Wenn in eurer Versammlung ein Mann käme mit goldenen Ringen und in prächtiger Kleidung, es aber auch ein Armer in unsauberer Kleidung käme, und ihr würdet euch nach dem umsehen, der die prächtige Kleidung trägt, und zu ihm sagen: „Setz dich hier auf deinen guten Platz!“, zu dem Armen aber würdet ihr sagen: „Bleibe du dort“ oder „Setz dich hier an meinen Fußschemel“, würdet ihr da nicht Unterschiede unter euch machen nach verwerflichen Grundsätzen?
Jakobus schildert hier ein peinliches Beispiel aus dem Gemeindealltag, bei einer öffentlichen Gemeindeveranstaltung. Der Text selbst sagt uns nicht ganz klar, ob das eine konstruierte Situation ist, also ob Jakobus sagt: „Mal angenommen, Folgendes würde bei euch passieren“, oder ob er sich auf einen Fall bezieht, der tatsächlich so stattgefunden hat. Beides ist möglich.
Jedenfalls erscheinen da in Vers 2 zwei Männer bei der öffentlichen Gemeindeversammlung: Einer, der offensichtlich ziemlich wohlhabend ist. Das erkennt man an den Klunkern an seiner Hand, einer Kollektion goldener Ringe. Das galt als demonstrative Darstellung von Luxus. Er trug seinen Reichtum also sichtbar an den Fingern. Und auf der anderen Seite ist da der offensichtlich zerlumpte Arme mit seinem sehr trüben Erscheinungsbild.
Wie reagiert jetzt die Gemeinde? Damals war es üblich, dass die Diakone am Eingang standen und den Leuten, die kamen, ihre Plätze zuwiesen – so wie das in manchen Restaurants heute noch geschieht. Der Mann mit den Klunkern bekommt offensichtlich einen Vorzugsplatz, in der zweiten oder dritten Reihe mit bestem Blick auf das Podium. Dem Armen wird eine andere Alternative angeboten: Er kann sich entweder auf die Hinterbank setzen oder auf den Fußboden. Ob er im Schneidersitz sitzen soll, weiß man nicht genau.
Offensichtlich hatte der Sprecher, wie damals üblich, einen Stuhl und einen Fußschemel. Und jetzt schaut mal, was zu dem Armen gesagt wird, wo er sich hinsetzen soll: „Bleibe du dort stehen“, also auf dem hinteren Platz (Vers 3), oder „Setze dich hier an meinen Fußschemel“. Der Arme bekommt offensichtlich nicht einmal den Schemel selbst, sondern er soll sich wörtlich unter den Fußschemel setzen. Das ist hier die wörtliche Übersetzung und spielt vielleicht auch ein bisschen Ironie mit, die Jakobus hier anwendet. Also: „Du setzt dich da mal schön im Schneidersitz auf den Fußboden.“
Jakobus sagt: Was soll das? Ihr macht falsche Unterschiede. Ihr seid parteiisch, ihr diskriminiert – und zwar nach verwerflichen Grundsätzen. Das ist hier gemeint. Ihr bevorzugt und benachteiligt. Die Bibel warnt uns nicht grundsätzlich davor, Unterschiede zu machen. Nein, die Bibel sagt, in bestimmten Zusammenhängen müssen Unterschiede gemacht werden.
Wir können in der Gemeinde nicht alles über einen Kamm scheren. Zum Beispiel sagt die Bibel ganz klar, dass ein frisch Bekehrter nicht Gemeindeältester werden soll. Sie sagt auch, dass wir unterscheiden müssen zwischen Aufgaben, die Männern vorbehalten sind, und solchen, für die in besonderer Weise Frauen vorgesehen sind. Das steht ebenfalls in der Bibel.
Die Bibel sagt nicht automatisch, dass jemand, nur weil er ein Mann ist, qualifiziert ist, Gemeindeleiter zu werden. Das ist keine hinreichende Voraussetzung, aber eine notwendige, nach Aussage der Heiligen Schrift (vgl. Titus 1, 2; 1. Timotheus 3).
Das heißt: Wir müssen Unterschiede machen in der Gemeinde. Wir können nicht einfach alles nebeneinander stehen lassen und dann sagen: „Ja, die Liebe verbietet sich, kritisch zu sein.“ Die Bibel fordert, dass wir sehr klar unterscheiden zwischen richtiger und falscher Lehre und dass wir das auch benennen und begründen.
Wir müssen Unterscheidungen vornehmen in der christlichen Gemeinde, und die Bibel gibt uns ganz klar die Maßstäbe, die Kriterien für diese Unterscheidungen. Aber wir dürfen keine falschen Unterscheidungen vornehmen, wie Jakobus hier sagt, also keine Diskriminierung nach verwerflichen Grundsätzen.
Und das, was ihr da macht, sagt Jakobus, ist sehr verwerflich. Es verunehrt Gott – das ist das Problem. In Vers 1 sagt er ausdrücklich: Verbindet den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus, den Herrn der Herrlichkeit, nicht mit so einem Verhalten. Es geht um den Herrn der Herrlichkeit, um Christus. Es geht nicht darum, dass ihr die guten Sitten wahrt. Das kann auch nicht schlecht sein, aber das ist hier nicht das Argument. Es geht nicht um ein Humanitätsideal.
Wenn ihr dagegen verstoßen würdet, okay, darüber kann man diskutieren. Jakobus geht es hier auch nicht um eine sozialistische Sozialromantik in der Frage, wie sich die Gemeinde gegenüber Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichem Reichtum verhält. Es geht nicht um eine sozialistische Gleichmacherei. Nein, es geht um ein geistliches Problem, es geht um die Ehre Christi. Darum steht hier so viel auf dem Spiel.
Jakobus sagt: Wenn ihr euch in dieser Weise verhaltet, dass ihr die Reichen bevorzugt und die Armen benachteiligt, weil die Reichen reich sind und die Armen arm, und ihr vielleicht von den Reichen erhofft, dass sie etwas mehr spenden für eure Gemeindekasse, dann begeht ihr dabei einen doppelten Denkfehler und überseht zwei Tatsachen.
Diesen doppelten Denkfehler erklärt Jakobus dann in den nächsten Versen. Der erste Denkfehler, den ihr macht, sagt er, ist, dass ihr überseht, dass Gott auch Arme erwählt (Verse 5 bis 6a). Da sagt er: „Hört, meine geliebten Brüder, hat nicht Gott auch die Armen dieser Welt erwählt, dass sie reich im Glauben würden und Erben des Reiches, das er denen verheißt, die ihn lieben?“
Ihr aber habt den Armen verachtet. Das ist das Erste, was ihr übersieht, sagt Jakobus. Gott erwählt auch Arme. Natürlich ist materielle Armut für sich kein geistliches Plus. Das macht den Menschen in Gottes Augen nicht annehmbarer. Es ändert nichts an den krassen Folgen, die die Erbsünde auch an einem Armen angerichtet hat.
Aber manchmal ist es für Arme wahrscheinlich leichter, ihre Bedürftigkeit und Hilflosigkeit zu erkennen. Und Gott, in seiner Souveränität, macht seine Gnade nicht von menschlichen Voraussetzungen abhängig. Gott beruft Arme und Reiche. Und wenn einer zu Jesus kommt, dann wird er sowieso reich – nämlich reich im Glauben.
Der Glaube, den Gott ihm schenkt und in dem er sich an Christus als seinen Retter klammert, ist der Schlüssel zu Gottes ganzem Reichtum. Noch einmal ganz klar: Nicht die Armut ist die Tugend der Armen. Das gab es ja auch immer mal wieder in den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, dass man die Armen besonders gelobt hat und gesagt hat, die Armen sind Gott besonders nahe, in den Armen verwirklicht Gott schon jetzt den Anbruch seines Reiches. Das ist alles Quatsch, das ist Lyrik, das hat keinerlei Substanz.
Die Armut der Armen ist keine Tugend, genauso wenig wie der Reichtum der Reichen eine Tugend ist. Worauf kommt es hier bei denen an? Am Ende von Vers 5: dass sie Gott lieben. Darum geht es, egal was sonst über ihre Lebenssituation zu sagen ist.
Damit öffnet sich der Himmel, und sie werden plötzlich reich im Reich Gottes. Ihnen gehört alles, was Gott seinen Leuten schenkt. Und ihnen gilt auch, was Paulus in Epheser 1, Vers 18 schreibt. Dort bittet Paulus in einem wunderbaren Gebet darum, dass Gott den Christen erleuchtete Augen des Herzens gebe, damit sie erkennen, wie reich die Herrlichkeit seines Erbes für die Heiligen ist.
Diesen Reichtum aus Epheser 1, Vers 18 haben auch die armen Christen. Und etwas Größeres gibt es nicht, einen wichtigeren Reichtum kann uns niemand schenken. Jeder, egal wie arm er sonst menschlich sein mag – an Geld, an menschlichen Begabungen, an Besitz, an Ansehen vor der Welt oder was auch immer – wer Erbe ist im Reich Gottes, der hat schon mehr, als er überhaupt verkraften kann.
Paulus sagt es, Jakobus sagt es: Und was habt ihr gemacht? Vers 6: „Ihr aber habt den Armen verachtet.“ Das ist jetzt nicht mehr hypothetisch formuliert – angenommen, es käme da einer und es ergäbe sich diese Situation –, sondern er sagt es ihnen jetzt ins Gesicht, sagt es ihnen auf den Kopf zu. „Ihr aber habt den Armen verachtet.“ Das ist passiert bei euch.
Überlegt mal, was ihr damit gemacht habt: Ihr habt einen königlichen Erben verachtet und damit den König beleidigt. Das ist das Problem, wenn ihr seine Erben verachtet. Und das widerspricht eigentlich dem Glauben, der euch so wichtig ist.
Das ist euer erster und wichtigster Denkfehler: Ihr habt übersehen, dass Gott auch Arme erwählt. Dabei ist euch noch ein zweiter Denkfehler unterlaufen, nämlich die Lästerung mancher Reicher. Das sind die Verse 6 und 7.
„Ihr aber habt den Armen verachtet. Sind es nicht die Reichen, die euch unterdrücken? Und ziehen nicht sie euch vor Gericht? Lästern sie nicht den guten Namen, der über euch ausgerufen worden ist?“ (Verse 6-7)
Hier sind vor allem die materiell Reichen gemeint. Das lässt sich aber auch auf andere Formen von Reichtum übertragen. Jakobus sagt: Ich sage noch einmal, nicht alle Reichen sind moralisch schlechter. Aber die Reichen haben einfach mehr Möglichkeiten, euch mit ihrer Gottlosigkeit zu schaden. Sie haben mehr Möglichkeiten.
Arme können auch lästern, klar, tun sie auch. Aber die Reichen haben einfach viel mehr Möglichkeiten. Und das ist bei euch offensichtlich vorgekommen, sagt Jakobus: Unterdrücken und Ausbeuten. Wenn unterdrückt und ausgebeutet wird, dann geht das vor allem von Reichen aus. Nicht von allen Reichen, aber von solchen, die nicht nach Gottes Maßstäben leben.
Dass sie euch vor Gericht ziehen, ist ebenfalls problematisch. Die Gerichte wurden damals häufig benutzt, um Arme ihrer Rechte zu berauben. Es gibt interessante Berichte über römische und jüdische Synagogengerichte. Im Laufe der Zeit kam es oft zur Einschränkung der Religionsfreiheit, und in manchen Regionen wurde das Judentum einseitig gegenüber den christlichen Gemeinden bevorzugt.
Leute, überlegt euch doch mal: Solche Sachen gehen eher nicht von Armen aus, sondern von Reichen. Das ist euer zweiter Denkfehler: Ihr seht nicht, dass Lästerungen von vielen Reichen ausgehen. Ihr habt nicht im Blick, dass Gott auch die Armen erwählt hat.
Das führt letztlich dazu, dass ihr die Situation falsch einschätzt und Menschen ungerecht, das heißt ungleich behandelt an dem Punkt, wo ihr sie gleich behandeln solltet. An diesen Beispielen könnt ihr sehen, sagt Jakobus, wie absurd es ist, wenn ihr bestimmte Leute parteiisch bevorzugt, nur weil sie vor der Welt einen bestimmten Status haben.
Das ist ungeistlich, kurzsichtig und irrational. Das heißt nicht, dass ihr sie schlechter behandeln sollt. Nein, im Gegenteil: Ihr sollt ihre Fähigkeiten respektieren, ihr sollt das auch achten. Denn es sind Gaben, die Gott ihnen gegeben hat – seien es bestimmte intellektuelle Fähigkeiten oder wirtschaftliche Erfolge, die Gott ihnen geschenkt hat.
Ihr sollt sie unterstützen, für sie beten, dass sie mit den Gaben, die Gott ihnen geschenkt hat, verantwortlich umgehen. Ihr sollt sie ermutigen, sich mit dem Status, den Gott ihnen geschenkt hat, öffentlich zum Herrn zu bekennen und sich mit ganzer Kraft für ihn einzusetzen. Ihr sollt sie achten und respektieren und euch mit ihnen freuen, wenn sie Erfolg haben.
Auch möglicherweise öffentlich sichtbaren Erfolg vor der Welt. Das ist nicht anrüchig oder geistlich fragwürdig. Die Bibel kennt keinen Klassenkampf. Aber ihr sollt sie nicht als Menschen bevorzugen. Darum prüft euer Verhältnis besonders zu den Schwachen.
Aber ihr sollt auch nicht auf der anderen Seite vom Pferd fallen. Ihr sollt nicht Armut verherrlichen, sondern euch um Gerechtigkeit bemühen, um Fairness und gleiche Wertschätzung. Durch Christus sind wir alle Brüder. Durch Christus sind wir in einer Gemeinschaft zusammengestellt, in der wir uns auf menschlicher Ebene nie in dieser Weise begegnen würden.
Was ist das entscheidende Motiv für alles? Wir machen das nicht aus humanen Gründen, sondern um Jesu Willen. Das ist das Motiv (Jakobus 2,1): Verbindet den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus, den Herrn der Herrlichkeit, nicht mit dem Ansehen der Person.
Dann schließt sich der Kreis zu Vers 7, wo es heißt: „Lästern sie nicht den guten Namen, der über euch ausgerufen worden ist?“ Bei der Art und Weise, wie wir miteinander umgehen, geht es darum, dass der Name Jesu geehrt wird und nicht verlästert.
Darum: Überschätzt nicht den Reichtum, was dazu führen kann, dass ihr Menschen ungleich behandelt. Und dann bleibt ein drittes Beispiel übrig – ein dritter folgenschwerer Fehler, der uns passiert, wenn wir den Reichtum überschätzen: Die Überschätzung des Reichtums verleitet dazu, ihn als Selbstzweck zu horten.
Und das ist Jakobus 5,2-3, unser dritter Punkt: „Euer Gold, euer Reichtum ist verfault, und eure Kleider sind zum Mottenfraß geworden. Euer Gold und Silber ist verrostet, und euer Rost wird gegen euch Zeugnis ablegen und euer Fleisch fressen.“
Wie Feuer – das ist die höchste Form der Vergötzung des Reichtums –, dass es uns um den Reichtum und seinen Selbstwillen geht. Diese Dynamik verselbstständigt sich dann so sehr, dass wir sie nicht mehr einfangen können.
„Euer Reichtum ist verfault, und eure Kleider sind zum Mottenfraß geworden.“ Ihr habt alles gehortet und so viel angesammelt, dass ihr den Überblick verloren habt. Jakobus beschreibt hier das, was ich gerne das Dagobert-Duck-Syndrom nenne.
Zu meiner Zeit gab es Kindercomics wie Donald Duck und Dagobert Duck. Die Älteren werden sich daran erinnern, vielleicht haben sie die Comics sogar für ihre Kinder aufgehoben. Es gab eine besonders interessante Figur – und damit meine ich nicht Daniel Düsentrieb, der immer die sagenhaftesten Dinge erfand, sondern Onkel Dagobert Duck.
Ich habe es noch vor Augen, wie er die Münzen in einem riesigen Swimmingpool sammelt. An diesem Swimmingpool war ein Sprungbrett angebracht, und wenn er seinem Geld besonders nah sein wollte, sprang er von diesem Sprungbrett in den Pool voller Münzen. Manchmal war das etwas schmerzhaft, aber offensichtlich tat es seinem Selbstbewusstsein gut.
Offensichtlich war dieser Reichtum über einen längeren Zeitraum angesammelt worden. Dieses Bild müssen wir uns vor Augen halten: Reichtum ist wie Kleider, in denen sich nach einiger Zeit Motten sammeln, oder wie Metall, das im Laufe der Jahre verrostet.
Wir müssen wissen, dass Gold und Silber im Altertum oft nicht ganz rein waren und deshalb Rost ansetzen konnten. Jakobus sagt: „Liebe Leute, anstatt eure Arbeiter fair zu entlohnen“ (Vers 4), „siehe, der Lohn der Arbeiter, die euch die Felder abgemäht haben, wurde von euch zurückbehalten.“
Anstatt das zu tun, lasst ihr euren Reichtum lieber im Swimmingpool verrosten. Ihr habt mehr Kleider, als ihr tragen könntet, mehr Geld, als ihr jemals ausgeben könntet. Aber anstatt den Besitz arbeiten zu lassen, anstatt den Bedürftigen zu helfen und euren Besitz zum Segen einzusetzen, lasst ihr ihn vergammeln.
Ihr wisst nicht, was die nächste Währungsreform damit machen wird – nur weil ihr den Hals nicht voll genug bekommen könnt. Dann trefft ihr euch einmal im Jahr mit eurem Finanzberater, schreibt die Bilanzen fort und klagt über die niedrigen Zinsen. Aber das Vermögen wächst, und das beruhigt euch. Ihr könnt den Hals nicht voll genug bekommen.
Jakobus sagt damit indirekt, wie viel Gutes sich mit Reichtum bewirken lässt. Reichtum ist ja nicht unbedingt ein Fluch, sondern eigentlich ein Segen. Wie viel Gutes könntet ihr damit tun?
Jakobus 4,17 sagt: „Wer nun Gutes zu tun weiß und es nicht tut, für den ist es Sünde.“ Wie viel Gutes könntet ihr tun? Welche Verantwortung könntet ihr wahrnehmen?
In der Apostelgeschichte lesen wir von Lydia, die die erste Gemeinde in Europa beherbergte. Sie muss eine wohlhabende mittelständische Unternehmerin gewesen sein, die ihr Haus dem Herrn zur Verfügung stellte und die Gemeinde darin beherbergte (Apostelgeschichte 16,15).
Oder wenn wir Apostelgeschichte 10,2 lesen, wird über Cornelius, den römischen Hauptmann, berichtet, der ebenfalls wohlhabend war. Es heißt, er gab dem Volk viele Almosen und betete ohne Unterlass zu Gott.
Man kann also viel Gutes mit Reichtum tun. Tut Gutes, jedermann, vor allem aber den Glaubensgenossen, sagt Jakobus. Das wäre doch so naheliegend.
Aber ihr seid von eurer Überschätzung des Reichtums inzwischen wie betrunken, und ihr könntet so viel Gutes tun, unterlasst es aber (Jakobus 4,17).
Ihr ahnt gar nicht, welche Eigendynamik das in eurem Herzen bewirkt hat und in welcher Gefahr ihr schwebt. Nicht nur eure Schätze werden vergehen – ihr habt es sowieso nicht in der Hand –, sondern auch ihr selbst werdet im Gericht Gottes noch einmal dafür zur Rechenschaft gezogen (Jakobus 5,3).
„Der Rost eurer Schätze wird Zeugnis gegen euch ablegen.“ Wo? Vor Gott natürlich. Ihr habt in den letzten Tagen Schätze angesammelt – wie absurd! Ihr könnt nichts mitnehmen, ihr könnt keine Zukunft darauf bauen.
Anstatt damit dem Herrn zu dienen, sammelt und hortet ihr – und sammelt damit lieber Rost und Motten.
Interessanterweise bedeutet das griechische Wort für Rost zugleich Gift. Diese Bedeutung wird auch in Jakobus 3,8 verwendet. Das Wort erinnert an die Giftigkeit von Metalloxid.
Jakobus sagt also: Leute, gehorteter Reichtum wird mit der Zeit giftig. Er vergiftet euer Leben, und das, womit ihr eure Zukunft sichern wollt, wird eure Zukunft zerstören.
Jakobus bringt hier den dramatischen Beweis, dass unser Leben in höchster Gefahr ist, wenn wir unseren Reichtum überschätzen. Er sagt: Am Ende stehen wir mit leeren Händen da, auch wenn noch so viel Goldstaub an unseren Hemden klebt.
Denken Sie an das Wort von Aristoteles Onassis: „Ein armer reicher Mann ist ein armer Mann mit sehr viel Geld.“
Was bedrückend ist, zeigt sich darin, dass ein solches Denken offensichtlich schon sehr früh in die Gemeinden eindringen konnte. Das hat sich bis heute nicht geändert.
Es begann nicht erst mit der Health-Wealth-Prosperity-Bewegung, die im Rahmen der charismatischen Bewegung eine große Bedeutung bekam und behauptete: „Wenn du Christ bist, musst du gesegnet sein. Dein Segen zeigt sich daran, dass du ein großes Bankkonto hast, ein großes Auto fährst, gesund bist und ein unbeschwertes Leben führst.“
Das ist eine krasse Irrlehre, das Wohlstandsevangelium.
Aber es begann schon dort, wo wir unseren, sei es kleinen, Wohlstand festklammern und vergessen, dass uns auch der Besitz und all die anderen Reichtümer, die Gott uns schenkt – seien es besondere Begabungen oder was auch immer – eigentlich nicht gehören.
Wenn unser Leben dem Herrn gehört, sind wir lediglich eingesetzte gute Haushalter. Daran erinnert uns Jakobus in diesen Passagen.
Wenn wir das lesen, kann uns das einen Schrecken einjagen, denn wenn wir uns kritisch prüfen, merken die allermeisten sehr schnell, wie leicht wir uns von solchen Perspektiven faszinieren und fixieren lassen.
Wie schnell sie unseren Blick bannen und wie leicht wir abhängig werden – von dem, was wir haben, oder von dem, was wir nicht haben.
Das ständige Streben danach ist auch eine Form von Abhängigkeit.
Deshalb hat Jesus selbst in der Bergpredigt ein Testverfahren eingebaut, mit dem wir unser Verhältnis zu Schätzen aller Art überprüfen sollen.
Dieses Testverfahren möchte ich hier im letzten Teil noch kurz in Erinnerung rufen.
In Matthäus 6,19-24, mitten in der Bergpredigt, entfaltet Jesus das Thema, das wir bei Jakobus finden, auch sprachlich in enger Übereinstimmung.
Diese Verse lesen sich wie eine weiterführende Erklärung zu den drei Abschnitten, die wir bei Jakobus studiert haben: Jakobus 1,9-11, Jakobus 2,1-6 und Jakobus 5,1-4.
Jetzt folgt als letzter Text, in dem Jesus das noch vertieft, Matthäus 6,19-24.
Teste deine Schätze – so könnte man diesen Abschnitt überschreiben. Teste deine Schätze, und damit wir eine Testanleitung haben, ein Verfahren, das wir anwenden können, nennt der Herr Jesus uns zwei Testfragen. Zwei Testfragen, denen wir unsere Schätze beziehungsweise unseren Umgang mit unseren Schätzen unterziehen sollen.
Die erste Testfrage ist eine, die Sie an jeden guten Joghurtbecher richten sollten, nämlich die Frage nach dem Haltbarkeitsdatum. Teste deine Schätze im Hinblick auf ihr Haltbarkeitsdatum: Wie lange hält unsere Gesundheit? Mancher hält seine Gesundheit für seinen einzigen und größten Schatz. Wie lange hält mein geschäftlicher Erfolg? Wie lange hält mein Wohlstand? Wie lange hält meine Arbeitsstelle?
Jetzt hören wir mal, was der Herr Jesus sagt: Matthäus 6,19-21:
"Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo die Motten und der Rost sie fressen und wo die Diebe nachgraben und stehlen. Sammelt euch vielmehr Schätze im Himmel, wo weder die Motten noch der Rost sie fressen und wo die Diebe nicht nachgraben und stehlen. Denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein."
Dann entfaltet Jesus diese Wahrheit noch mit dem Vergleich zwischen dem Auge und dem Herzen. Das Auge ist die Leuchte des Leibes – damit ist das innere Auge gemeint, also das Herz. Es ist das Zentrum unseres gesamten Lebens. Deswegen die Frage: Woran richtet sich unser Herz aus?
Alles läuft auf diese Grundsatzentscheidung in Vers 24 zu:
"Niemand kann zwei Herren dienen; denn er wird entweder den einen hassen und den anderen lieben oder er wird dem einen anhängen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon."
Also die erste Testfrage, die Jesus uns stellt, ist die nach dem Haltbarkeitsdatum. Stellen Sie sich vor, an allem, was Sie besitzen, oder an allen Fähigkeiten, auf die Sie stolz sind, an allen ideellen Reichtümern, die Ihnen möglicherweise viel, viel wichtiger sind als Ihr Geld, stünde ein Haltbarkeitsdatum.
Jesus drängt uns, diese Frage zu stellen: Teste deine Schätze! Dein Erfolg, dein Ansehen, dein Aussehen, deine Sportlichkeit, deine Bildung, deine Kultur, deine Lebenserfahrung, deine Familie, deine Gesundheit und alle deine Schätze – sagt Jesus – lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Der Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen liegt im Haltbarkeitsdatum.
Die eine Gruppe sind die Schätze, die von Motten und Rost zerfressen werden. Die andere Gruppe sind die Schätze, die von Motten und Rost nicht kleinzukriegen sind. Die gefährdete Gruppe nenne ich die E-Schätze, die sichere Gruppe nenne ich die H-Schätze. Das eine sind die Schätze hier auf dieser Erde, das andere sind die Schätze im Himmel, sagt der Herr Jesus.
Die E-Schätze und die H-Schätze. Die E-Schätze stehen in Vers 19: "Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, die E-Schätze, wo die Motten und der Rost sie fressen." Und Vers 20 sind die H-Schätze: "Sammelt euch vielmehr Schätze im Himmel, wo weder Motten noch Rost sie fressen." Also ist es eine ganz klare Systematisierung, die Jesus hier vornimmt. Es gibt E-Schätze und es gibt H-Schätze, und das Kriterium, an dem sie sich wesentlich unterscheiden, ist das Haltbarkeitsdatum.
Schauen wir uns zunächst die E-Schätze an, also Vers 19. Von ihnen sagt Jesus: Alles wird gefressen. Schöne Wollkleider galten damals als Zeichen für besonderen Reichtum, aber die Motten waren stärker. Münzen und Metalle waren die Wertpapiere und Geldanlagen jener Zeit, aber auch sie fallen dem Rost zum Opfer. Damit sagt der Herr, es ist alles unsicher, es ist alles vergänglich.
Selbst was du bis zu deinem neunzigsten Geburtstag stolz zusammenhältst, wird dir spätestens der letzte große Dieb entreißen. Und ich denke, Sie haben das gemerkt, was Jesus hier nicht sagt: Jesus sagt nicht, ihr sollt keine Schätze auf Erden haben, das sagt er nicht. Jesus sagt nicht, ihr sollt euren Besitz zur Disposition stellen, das sagt er nicht. Jesus sagt nicht, ihr sollt nicht genießen, sondern er sagt, ihr sollt keine Schätze sammeln. Das heißt, wir sollen unser Herz nicht daran hängen, wir sollen unsere Hoffnung nicht darauf setzen. Wir sollen unsere Gedanken nicht ständig darum kreisen lassen, und wir sollen schon gar nicht den Sinn unseres Lebens darauf bauen. Dafür taugt es einfach nicht.
Das Problem ist gar nicht unser Besitz, das Problem sind nicht deine Millionen, das Problem sind nicht deine großen Ehren, die du vor der Welt hast, das Problem sind nicht deine Erfolge, die du aufzuweisen hast, das Problem ist nicht deine tolle Familie, auf die du stolz bist. Sondern das Problem ist unsere Einstellung dazu.
Wir müssen feststellen, dass die Bibel eine sehr unverkrampfte Haltung zu Geld hat, sofern es auf ehrliche Weise erworben wird. In der Bibel wird auch von vielen reichen Leuten gesprochen, die geistliche Vorbilder waren. Abraham und Hiob etwa waren für ihre Zeit ausgesprochen wohlhabende Leute. Auch später in den christlichen Gemeinden gab es eine ganze Reihe wohlhabender Christen.
Und auch die Jünger waren nicht, wie es von einer gewissen linksgefärbten Theologie gerne behauptet wurde, im Grunde das Lumpenproletariat der damaligen Zeit. Das waren keine Straßenverkäufer, sondern die Jünger waren für damalige Verhältnisse eher Kleinunternehmer, zum Beispiel wenn sie ein ordentliches Fischereigeschäft hatten und Mitarbeiter beschäftigten.
Nein, nicht der Besitz ist das Problem. Zwei Leute können ein gleich hohes Bankkonto haben und doch ganz anders damit umgehen. Für den einen ist es ein Schatz, um den sich seine ganze Sorge dreht, für den anderen ist es schlichtweg ein großes Geschenk Gottes. Er fragt sich ohne Unterlass, wie er Gott damit dienen kann.
Also sagt Herr Jesus: Wer irdische Schätze sammelt, wer sich auf seinen diesseitigen Besitz verlässt, sei es materiell oder ideell, wer nicht an das Haltbarkeitsdatum denkt, der steht am Ende mit leeren Händen da. Er verrechnet sich wie der reiche Kornbauer, der sagt: "Viele Jahre noch hast du Sicherheit." Und Gott sagt: "Heute Nacht ist Ultimo, heute Nacht ist Schluss."
Ich muss in dem Zusammenhang immer an eine Geschäftsfrau denken, die ich in meiner Fahrstelle in Osnabrück kennengelernt habe. Das liegt viele Jahre zurück. Sie wusste, dass sie nicht mehr lange zu leben hat. Ich habe sie besucht. Sie gehörte nicht zu unserer Gemeinde, aber ihre Tochter arbeitete bei uns mit, und sie bat mich, ihre Mutter aufzusuchen.
Ich traf eine sehr, sehr nachdenkliche Frau an, und wir hatten ein sehr gutes, offenes Gespräch. Dann sagte sie: "Was hatten wir eigentlich? Wir hatten ein wunderschönes Geschäft dort in einer Kleinstadt, waren sehr angesehen als Familie auch. Was hatten wir eigentlich? Das ganze Leben haben wir gearbeitet, ja, und unsere Kinder großgezogen, aber nicht mal für die hatten wir viel Zeit. Was hatten wir eigentlich?"
Diese Dame hat das rechtzeitig gemerkt. Das war ein Segen, dass Gott ihr das geschenkt hat. Das war sicherlich auch mitverursacht durch die Gebete ihrer Tochter. Sie hat ihr Leben mit Jesus in Ordnung gebracht, und ihre Beerdigung einige Wochen später war ein Zeugnis für die Treue Gottes. Gott will Menschen aus scheinbar sicheren Situationen, die doch in Verzweiflung führen, herausretten – allein durch Jesus.
Das war eine wunderbare Möglichkeit, an ihrem Sarg das Evangelium zu verkünden. Gott hat sie da noch herausgezogen. Sie hat gemerkt, wie vergänglich, wie schwach und wie unzureichend alle irdischen Schätze sind.
Dann die andere Gruppe, die H-Schätze in Vers 20. Diese haben eine ganz andere Qualität. Sie sind nicht anfällig für Motten, nicht anfällig für Rost, sie können nicht mal von Dieben geklaut werden, uns nicht mal vom Steuerrecht weggenommen werden. Diese ewigen Schätze haben alle mit Gott zu tun.
Vers 20: "Sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder die Motten noch der Rost sie fressen und wo die Diebe nicht nachgraben und stehlen." Sie haben kein Verfallsdatum. Diese Schätze kann man noch nicht sehen, das liegt an ihrem Aufbewahrungsort, nämlich im Himmel, in Gottes ewiger Welt. Aber man kann diese Schätze trotzdem schon rechtmäßig besitzen, wie mit einem Gutschein oder einer Urkunde, wenn man sich das bildlich so vorstellen kann.
Jesus hat gesagt, dass alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben (Johannes 3,16). Und das ist der größte Schatz, den man überhaupt besitzen kann: das ewige Leben. Das ist der Hauptschatz, dass ich weiß, mein Leben ist fest, geborgen und sicher in den Händen dessen, der es mir geschenkt hat. Er wird dafür sorgen, dass ich am Ende sicher bei ihm ankomme. Er wird mich retten, er hält mich fest, und auf ihn kann ich mich hundertprozentig verlassen.
Egal, wenn morgen Schluss wäre: Ich darf wissen, wo ich dann aufwachen werde und dass ich auf ewig bei ihm sein darf. Das ist der Hauptschatz.
Aber die Bibel verspricht uns noch weitere Schätze. Wer sein Leben an Jesus bindet, der bekommt nicht nur diese gültige Eintrittskarte für den Himmel, diese Garantie, sondern er bekommt noch eine ganze Menge an Nebenschätzen.
Gott will uns zusätzlich belohnen. Er sagt immer wieder ganz deutlich in der Bibel, dass alles, was wir aus Liebe zu ihm getan haben, nicht vergessen sein wird. Jeder Mensch, den wir auf Jesus hinweisen konnten, den wir mit Jesus bekannt machen konnten oder den wir im Glauben stärken konnten, wird uns wie ein Schatz im Himmel wieder begegnen.
Und, ihr Lieben, was wäre das großartig, wenn Gott zu uns sagen würde: "Du warst ein treuer Knecht, du hast deine Begabung wirklich für mich eingesetzt, du hast ernst gemacht mit meinem Wort, du hast der Bibel mehr gehorcht als allen menschlichen Parolen. Klar, du warst auch ein Sünder, du hattest auch deine Probleme und musstest Tag für Tag wiederkommen und Abbitte tun und meine Vergebung in Anspruch nehmen, aber dein Herzblut hast du für mich eingesetzt und dich reingehängt um meinetwillen. Du warst ein treuer Knecht. Du hast mich geliebt, du hast mir gedient."
Ihr Lieben, was wäre das, wenn das der Herr uns sagen würde?
Jim Elliot, der berühmte Indianermissionar, hatte Recht, als er sein Leben riskierte, um die Aukas, die Indianer, zu Gott zu rufen. Als man ihn vor den Gefahren warnte, hatte er diesen berühmten Satz gesagt:
"Der ist kein Narr, der hergibt, was er sowieso nicht behalten kann, um zu gewinnen, was er nicht mehr verlieren kann."
Das sind die H-Schätze, und das andere sind die E-Schätze. Das ist genau diese Unterscheidung. Der ist kein Narr, der hergibt, was er sowieso nicht behalten kann. Es ist ein gutes Geschäft, was wir da machen: Der hergibt, was er sowieso nicht behalten kann, um zu gewinnen, was er nicht verlieren kann.
Das ist der erste Test.
Und dann der zweite noch kurz hinterher, der auch damit zusammenhängt: Es geht um das Haltbarkeitsdatum und um unsere Herzenshaltung. Das ist die andere Frage, die Jesus uns stellt. Er sagt in Vers 21:
"Wo dein Schatz ist, da wird dein Herz sein."
Das ist nicht nur für die Zukunft wichtig, sondern das prägt mich ja schon heute.
In der Bibel ist das Herz die Schaltzentrale des Menschen. Das Herz ist nicht einfach der Sitz des Gefühls, sondern gewissermaßen ein multifunktionales System, von dem aus Denken, Wollen, Hoffen und Fühlen gestaltet und gesteuert werden. Unser Herz ist unsere Persönlichkeit. Mein Herz, das bin ich.
Jesus sagt: Woran du dein Herz hängst, das wird dein Leben prägen, das wird dich ausfüllen. Die Schätze, für die du dich entscheidest, werden deine Persönlichkeit in höchstem Maße beeinflussen. Wie du denkst, wonach du strebst, worum deine Überlegungen kreisen von Tag zu Tag, auch deine Gefühle – das wird in hohem Maße davon beeinflusst, wo dein Schatz ist.
Darum: Teste deine Schätze! Überprüfe sie daraufhin, was sie mit deinem Herzen machen. Wie beeinflussen sie dich? Wohin führen sie dich?
Was kann Geld für eine massive Bindung bewirken, weil Geld mir auch einen bestimmten Lebensstil ermöglicht? Und was kann dieser Lebensstil wiederum für meine ganze Sicht auf meine Existenz ausmachen, dass ich das nicht verlieren will?
Wo dein Schatz ist, da ist dein Herz.
Oder für andere kann so ein Götze beruflicher Erfolg sein, und dass er dem alles unterordnet: die Zeit mit seiner Familie, den Einsatz in der Gemeinde, seine charakterliche Integrität hier und da, die eine kleine krumme Tour, wenn es dem Geschäft denn dienlich ist und die Karriere fördert.
Für den anderen ist sein Götze seine Bequemlichkeit. Er sagt: "Ach, Karriere ist mir völlig unwichtig, ich brauche auch nicht viel Geld, Hauptsache ich habe meine Ruhe, Hauptsache ich kann zurückgezogen meinen Müßiggang pflegen und komme mir jetzt nicht mit irgendwelchen Verbindlichkeiten, dass ich irgendwo mitarbeiten soll in der Gemeinde oder so. Lasst mir meine Ruhe!" Meine Bequemlichkeit, das ist mein Götze, das werde ich nicht zur Disposition stellen.
Egal, ob um mich herum die Welt zugrunde geht – meine Bequemlichkeit, meine Ruhe, meine kleine, stille, vertraute Nische, das ist mein Götze, und da lasse ich mich nicht stören, und das ist mein Glück.
Für andere ist die Kultur ein Götze. Kultur ist etwas Wunderbares, aber Kultur kann auch zum Götzen werden. Jemand sagt: "Meine Vorliebe etwa für klassische Musik oder Literatur oder Malerei und Kunst – das ist das wahre Leben, darin gehe ich auf, das zählt, das hat Wert. Und jeder, der das nicht teilen kann, ist eben ein bisschen primitiv."
Oder die Familie. Gott hat uns die Familie als Auftrag gegeben. Die Familie ist kein Luxusartikel, es ist eine geistliche Verantwortung, gut für unsere Familie zu sorgen, liebevoll für die uns Anvertrauten wirklich da zu sein.
Aber selbst die Familie kann zum Götzen werden. Das sieht man spätestens daran, wenn jemand in der Art und Weise, wie er mit seiner Familie umgeht, plötzlich alle biblischen Grundsätze außer Kraft setzt.
"Ja, das gilt für die anderen, aber nicht für meine Familie." Wenn woanders Leute in wilder Ehe leben, dann kritisiere ich das natürlich und zu Recht. Aber wenn meine eigene Tochter ihren Freund mit nach Hause bringt und der dann auch bei uns schläft, na ja, die jungen Leute haben es eben schwer heute, da muss man Verständnis haben und so – dann wird mit zweierlei Maß gemessen, weil ich dieses vermeintliche Idyll nicht ankratzen lassen will.
Gott kann in alles andere reinreden, aber bitteschön nicht in meine Familie. Und das ist ein Götze.
Darauf will Jesus uns hinweisen: Teste deine Schätze, welcher Art sie auch seien, und überprüfe dich daraufhin, was sie mit deinem Herzen machen. Wisse, dass nichts von dem wirklich bleiben kann, sondern richte dein Herz aus auf Jesus allein. Bitte ihn, dass er dein Leben bestimmt, dass er dein Denken immer mehr prägt.
Dann wird Jesus dir den Schlüssel geben, so dass du mit all diesen vergänglichen Dingen souverän umgehen kannst. Wenn Gott dein Leben prägt, wirst du dadurch doch nicht weltfremd. Gott hat die Welt geschaffen.
Wenn Gott dein Leben prägt, wirst du diese Welt auch an vielen Stellen genießen können, wie der Prediger Salomo sagt: "Wer kann genießen ohne ihn? Aber mit ihm kann man genießen."
Wir können dankbar viele gute Dinge in Anspruch nehmen, die der Herr uns schenkt. Wir brauchen kein schlechtes Gewissen dabei zu haben. Im Gegenteil: Wir nehmen es aus der Hand des Herrn – ein wunderschönes Essen, einen Urlaub, den Gott uns ermöglicht, was auch immer. Es ist seine Gabe.
Und wir müssen nicht bei allem Guten, was wir genießen, ein "christlich schlechtes Gewissen" haben, dass wir uns hier irgendwas nehmen, was uns nicht zusteht. Nein. Gott gibt uns eine große Freiheit und Souveränität darin, wie wir mit seiner Welt umgehen.
Der Schlüssel dazu ist, dass unser Herz an ihm hängt und dass wir es mit ihm genießen und unter seiner Führung stehen. Wir fragen: Herr, was willst du, was willst du, wie ich mit meinen Schätzen umgehe? Herr, gib, dass mein Herz nicht an den Dingen hängt, sondern an dir. Dass meine Schätze im Himmel sind. Und ordne du alles andere in meinem Leben so, dass es dich ehren möge.
Das ist die Botschaft, die uns auch Jakobus in diesen Versen ausrichten will, und die der Herr Jesus durch diese Vertiefung und Konkretisierung, was Motten und Rost bedeuten, und durch dieses Testverfahren für unsere Schätze noch einmal vertieft.
So sind wir am Ende vor dieser dreifachen Überschätzung des Reichtums gewarnt:
Erstens verleitet uns die Überschätzung des Reichtums dazu, dass wir uns auf unseren Reichtum verlassen.
Zweitens verleitet sie uns dazu, Menschen ungerecht und ungleich zu behandeln.
Drittens kann sie uns dazu verleiten, Reichtum als Selbstzweck zu horten.
Dann machen wir aus dem, was Gott uns gegeben hat, um es zum Guten einzusetzen, um ihm damit zu dienen und um auch glücklich, fröhlich und dankbar damit in dieser Welt zu leben, etwas, mit dem wir uns von Gott letztlich unmerklich immer weiter entfernen.
So entsteht ein Eigenleben, in das Jesus nicht hineinreden darf, das uns nicht wirklich froh machen wird und auf dem vor allem kein Segen liegen wird.
Darum, liebe Geschwister: Lasst uns immer wieder fragen: Woran will ich mein Herz hängen? Und was zählt wirklich?
Deshalb schließe ich mit einer Kurzgeschichte, die der berühmte Literat Anton Pawlowicz Tschechow geschrieben hat. Sie heißt „Die Wette“ und ist eine bekannte Kurzgeschichte von ihm. Darin zeigt sich, dass dieser russische Schriftsteller geahnt hat, was bei der Entscheidung aus Matthäus 6,24 auf dem Spiel steht: Niemand kann zwei Herren dienen.
Ein Bankier und ein junger Anwalt, beide auf der Höhe ihres Erfolges, schließen eine Wette ab. Anlass ist eine Diskussion über die Form des Strafvollzugs. Der Bankier vertritt die These, dass lebenslange Haft grausamer sei als die Todesstrafe. Bei lebenslanger Haft werde dem Inhaftierten das Leben gewissermaßen langsam herausgezogen.
Der 25-jährige Jurist hingegen sagt: Nein, ich würde lebenslanges Gefängnis vorziehen. Unter schlimmen Umständen zu leben, sei besser als gar nicht zu leben. Daraufhin wettet der reiche Bankier mit dem Juristen um zwei Millionen Rubel – es spielt in Russland, daher Rubel. Er sagt: Sie werden es nicht einmal fünf Jahre in Einzelhaft aushalten. Wenn Sie es aber schaffen, bekommen Sie zwei Millionen. Wenn nicht, können Sie jederzeit in die Freiheit zurückkehren und den Vertrag auflösen.
Der Jurist antwortet: Auch für zwei Millionen mache ich nicht nur fünf Jahre, sondern fünfzehn Jahre. Dann läuft die Uhr. Der Jurist muss sich in ein Gartenhaus begeben, das auf dem Grundstück des Bankiers steht. Das Haus wird rund um die Uhr bewacht. Der freiwillige Gefangene bekommt alles, was er braucht: Essen, Literatur. Er darf nur keine Menschen sehen.
Am Anfang geht alles gut. Er spielt fast den ganzen Tag Klavier und genießt es, dass ihn niemand unterbricht. Dann liest er und lernt verschiedene Sprachen. Die Literatur, die er sich in sein Verlies kommen lässt, wird immer anspruchsvoller. Im zehnten Jahr greift er endlich zur Bibel, und das verändert ihn zunehmend.
Während drinnen die Jahre verstreichen, gerät draußen der Bankier aus der Erfolgsspur. Sein Vermögen wird weniger. Dann kommt der Tag, an dem er die Wette zutiefst bereut. Er weiß, sie wird ihn arm machen und den beneidenswerten Juristen reich. Der Jurist ist erst 40 und hat noch einen großen Teil seines Lebens vor sich.
Der Stichtag naht, und am Vorabend beschließt der Bankier, den Juristen zu töten, um seine Wettschulden nicht bezahlen zu müssen. Er nimmt sein Gewehr, geht in das Gartenhaus und findet den Juristen schlafend vor einem Brief am Tisch sitzen.
Der Bankier sieht den Juristen und denkt, der träumt schon von seinen zwei Millionen, die er morgen besitzen wird. Er will ihn erschießen, da fällt sein Blick auf den Brief, den der Jurist offensichtlich gerade geschrieben hat. Darin steht:
„Morgen um zwölf Uhr werde ich frei sein, aber vorher muss ich Ihnen noch etwas mitteilen: Mit reinem Gewissen und vor Gott, der mich sieht, erkläre ich Ihnen, dass ich das verachte, was Sie Freiheit nennen und was eure Bücher als die Freuden dieser Welt bezeichnen. Ich verachte eure irdischen Segnungen und eure weltliche Weisheit. Sie sind wertlos, hohl und enttäuschend wie eine Fata Morgana, wie ein Trugbild.
Ihr mögt euch für stolz, klug und schön halten, aber der Tod wird euch genauso vom Angesicht der Erde wegwischen, wie er die Maus wegnimmt, die unter euren Fußsohlen flüchtet. Auch eure Erben, eure Geschichte, eure unsterblichen Erfindungen werden zusammen mit der Erde erfrieren und verbrannt werden.
Ihr haltet Lüge für Wahrheit und Abartigkeit für Schönheit. Um euch zu beweisen, wie sehr ich eure Werte verabscheue, verzichte ich auf die zwei Millionen. Früher glaubte ich, sie würden mir die Tür zum Paradies öffnen, heute verachte ich sie nur noch.
Damit ich das Recht auf dieses Geld verwirke, werde ich mein Gefängnis heute fünf Stunden vor der verabredeten Zeit verlassen und so unsere Vereinbarung ungültig machen.“
Da endet der Brief.
Als der Bankier das las, liefen ihm Tränen über das Gesicht. Er küsste den schlafenden Mann auf den Kopf und verließ still das Gartenhaus. „Nie zuvor“, schreibt Tschechow, „hatte er sich so geschämt wie in diesem Augenblick.“ Vor Erschütterung konnte er die restliche Nacht nicht mehr schlafen. Um sieben Uhr morgens informierten ihn seine Wachleute, dass der Jurist gerade das Fenster geöffnet und fünf Stunden vor Ablauf der Frist durch die Pforte des Grundstücks verschwunden sei.
Was ist wirklich wertvoll? Diese Frage hat Tschechow verstanden. Was öffnet mir wirklich die Pforte ins Paradies? Wie soll ich mein einziges Leben investieren?
Jesus macht uns deutlich: Häng dein Herz nicht an Götzen, die versagen, wenn es wirklich darauf ankommt, sondern häng dein Herz an den Herrn. Es geht um viel mehr, als nur die falschen Werte gegen die richtigen Werte einzutauschen. Es geht darum, wem ich vertraue und wem mein Leben gehört.
Darum möchte ich nach diesem fiktiven Beispiel mit einem realen Beispiel schließen: Einem Mann, der wirklich sehr viel Geld besessen hat in seinem Leben. Ich meine Heinz Horst Deichmann, den berühmten Schuhfabrikanten, der ein weltweites Imperium aufgebaut hat und im Oktober letzten Jahres im Alter von 88 Jahren verstorben ist.
Deichmann leitete einen riesigen Konzern, aber er machte immer wieder deutlich, auch in seinen öffentlichen Äußerungen: Mein Leben soll Jesus dienen. Die sächsische Zeitung beschrieb ihn als Schuhhändler, Milliardär und Missionar.
Schon vor elf oder zwölf Jahren, im Jahr 2003, wurde Deichmann vom Manager Magazin in die sogenannte Hall of Fame aufgenommen. Das ist eine besondere Ehrung von Managern für herausragende wirtschaftliche Erfolge. Zu diesem Zeitpunkt hatte er den Gipfel seines wirtschaftlichen Erfolges und seiner Managementkarriere erreicht.
Ich möchte Ihnen am Ende vorlesen, mit welchen Worten Deichmann damals seine Dankesrede schloss, anlässlich der Aufnahme in die Hall of Fame durch das Manager Magazin. Nachdem er seinen vielen Mitarbeitern gedankt hatte, sagte er:
„Darüber hinaus weiß ich mich dem in Dankbarkeit verpflichtet, der seine Jünger nach ihrer Rückkehr von einer erfolgreichen Missionsreise so begrüßte: Lukas 10,20: ‚Doch darüber freut euch nicht, dass euch die Geister untertan sind, freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.‘ Das war die Freude, das war das Ziel, das war das Glück.“
Das war Heinz Horst Deichmann, und es sollte auch unser Glück sein.
Wir beten: Herr Jesus, du weißt, wie jeder von uns an bestimmten Stellen in Versuchung steht, Dinge zu horten, unabhängig von dir. Du kennst unsere Gefährdung, dass Dinge in unserem Leben sich verselbständigen können.
Wir bitten dich, dass du uns bewahrst und immer wieder zurechtrückst. Herr, es ist unsere Sehnsucht und unsere Bitte, dass unser Herz wirklich ungeteilt an dir hängt. Danke, dass du es nur gut mit uns meinst.
Bitte bewahre uns, bring uns ans Ziel und gib, dass all das, was du uns in dieser Welt zum Schätzen schenkst, wir dir zur Verfügung stellen und einsetzen, um dir zu dienen und dich zu ehren.
Danke, dass du es so gut mit uns meinst. Dir sei alle Ehre! Amen.