Einführung in die Gesichter und ihre Bedeutung
Vier Gesichte knapp zusammengefasst
Beim ersten Gesicht geht es darum, dass der Engel des Herrn Israel in die Tiefen führt. Er begleitet Israel und durch seine Fürbitte wird das gute Ende Israels sichergestellt.
Im zweiten Gesicht, das wir jetzt gemeinsam lesen wollen, geht es darum, dass der Herr die Nationen richten wird, die Israel bedrängt haben. Dieses zweite Gesicht findet sich in Sacharja 1,18-21 oder 2,1-4. Die Kapiteleinteilung variiert je nach Bibelausgabe, daher kann es entweder Sacharja 1,18-21 oder 2,1-4 sein.
„Und ich hob meine Augen auf und sah, und siehe, vier Hörner. Und ich sprach zu dem Engel, der mit mir redete: Was sind diese? Und er sprach zu mir: Diese sind die Hörner, welche Juda, Israel und Jerusalem zerstreut haben. Und der Herr ließ mich vier Werkleute sehen. Und ich sprach: Was wollen diese tun? Und er sprach zu mir und sagte: Jene sind die Hörner, welche Juda dermaßen zerstreut haben, dass niemand mehr sein Haupt erhob. Und diese sind gekommen, um sie in Schrecken zu setzen und die Hörner der Nationen niederzuwerfen, welche das Horn gegen das Land Juda erhoben haben, um es zu zerstreuen.“
Hier wird das, was im ersten Gesicht bereits angesprochen wurde, ausführlich erläutert. Im ersten Gesicht hatten wir gesehen, dass Gott sagt: „Ich zürne den starken Nationen mit großem Zorn, denn ich habe gegen mein Volk nur wenig gezürnt, aber sie haben meinen Zorn übertroffen.“ Das bedeutet, sie haben übermäßig gezürnt und mehr Böses an ihnen getan, als sie hätten tun dürfen.
Jetzt sollen diese Nationen wiederum gerichtet werden. Dies wird in diesem Gesicht durch die vier Hörner und die vier Werkleute dargestellt.
Die Bedeutung der vier Hörner und Werkleute
Schon beim ersten Gesicht stellt Zacharia die Frage, nachdem er die vier Hörner gesehen hat: Was sind diese? Beim ersten Gesicht hatte er ebenfalls gefragt. Er hatte einen Reiter gesehen und Gruppen verschiedenfarbiger Pferde. Auch damals fragte er: Was sind diese, wer ist dieser Mann?
Das ist das Vorrecht des Dieners des Herrn oder des Jüngers des Herrn: Der Herr lehrt ihn. Was wir nicht verstehen, dürfen wir ihn fragen. In den Evangelien kommt das immer wieder vor. Die Jünger gehen zum Herrn und fragen ihn: Wie war das? Kannst du uns das erklären? Wenn wir den Herrn suchen und fragen, erhalten wir von ihm Verständnis.
Diese vier Hörner sind die Nationen, die Israel begrenzt haben. Sie werden als Hörner bezeichnet, denn häufig stehen Hörner für militärische Macht. Ganz allgemein steht ein Horn für Stärke, zum Beispiel das Horn des Heils. Dieses symbolisiert ein starkes, wirksames Heil. Auch die vier Hörner des Altars zeigen, dass die Erlösung, von der dieser Altar spricht, wirksam und kräftig ist. Hörner stehen manchmal speziell für militärische Kraft und Stärke.
Ein Beispiel dafür finden wir in Daniel 8, ab Vers 3. Dort lesen wir:
„Ich erhob meine Augen und sah, und siehe, ein Widder stand vor dem Fluss. Er hatte zwei Hörner, und die zwei Hörner waren hoch, und das eine war höher als das andere, und das höhere stieg zuletzt empor. Ich sah, wie der Widder nach Westen, nach Norden und nach Süden stieß, und kein Tier konnte vor ihm bestehen, und niemand rettete aus seiner Hand. Er handelte nach seinem Gutdünken und wurde groß.“
Das ist das medopersische Reich. Dieses Reich breitete sich, wie hier beschrieben, durch Feldzüge nach Norden, Süden und Westen aus. Nach Norden wurde Baktrien erobert, nach Osten das Industal, nach Westen Babylon und nach Süden Ägypten. Das Stossen der Hörner steht für die Feldzüge der persischen Könige.
So sind die vier Hörner, die Juda zerstreut haben, die Armeen der Babylonier und anderer Heidenvölker, die Israel bedrängt haben. Israel hat unter verschiedenen heidnischen Herrschern gelitten: unter den Babyloniern, den Persern, später unter den Griechen und schließlich unter den Römern. Für diese Nationen sollte wiederum Gericht kommen.
Zu den vier Hörnern kommen deshalb vier Werkleute, die diese Hörner zertrümmern. Diese vier Werkleute sind dieselben Mächte, die Israel oder Juda und Jerusalem bedrängt haben. Wer zertrümmerte zum Beispiel das Horn Babels? Es waren die Perser. Wer zertrümmerte später das Horn der Perser? Es waren die Griechen.
Daniel beschreibt dies in Kapitel 8, Verse 5 bis 7:
„Während ich achtgab, siehe, da kam ein Ziegenbock von Westen her über die ganze Erde; er berührte die Erde nicht. Der Bock hatte ein ansehnliches Horn zwischen seinen Augen. Er kam bis zu dem Widder mit den zwei Hörnern, den ich vor dem Fluss hatte stehen sehen, und rannte ihn im Grimm seiner Kraft an. Ich sah, wie er den Widder anlangte und erbitterte sich gegen ihn; er stieß den Widder und zerbrach seine beiden Hörner. Im Widder war keine Kraft, um vor ihm zu bestehen. Er warf ihn zu Boden und zertrat ihn, und niemand rettete den Widder aus seiner Hand.“
Das war das griechische Heer unter Alexander dem Großen. Von Westen her kam es. Der Ziegenbock berührte die Erde nicht – ein Hinweis auf die Schnelligkeit der Züge Alexanders. In wenigen Schlachten pulverisierte Alexander das persische Weltreich. Alexander und seine Heere waren also einer dieser vier Werkleute, die ein Horn zertrümmerten.
Später wurde auch das griechische Horn durch die Römer zertrümmert. So verwendet Gott heidnische Heere und Reiche, um andere Reiche zu zerstören. Alles steht in Beziehung zueinander – das ist wichtig. Alles hängt mit seinen Ratschlüssen für sein Volk zusammen. Deshalb werden diese Hörner, die Juda zerstreut haben, in Beziehung gesetzt. Sie sollen zerstört werden, weil sie sich versündigten – in ihrer Regierung und bei ihren Feldzügen.
Das römische Reich wurde dann durch verschiedene germanische Einfälle zertrümmert. Die Nachfolgereiche dieser germanischen Fürsten bekriegten sich gegenseitig. So scheint ein beständiger Kreislauf zu bestehen, der nie aufhört: Gott gibt einem heidnischen Reich Macht, um Gericht über die Sünden bestehender Reiche zu üben. Dabei versündigen sich diese Reiche wiederum, werden schuldig und müssen erneut gerichtet werden.
Daniel behandelt dieses Thema ausführlich; es ist eines der Hauptthemen seines Buches. Dieses Kreislauf endet erst, wenn der kommt, der gerecht richtet. Es wird ein Reich kommen, das alle Reiche der Welt zertrümmert. Dieses Reich wird ewig bleiben, nie untergehen und niemals gerichtet werden, weil es vollkommen gerecht ist: das Reich des Messias.
Die Vision von Jerusalem als offene und geschützte Stadt
Dann kommen wir zum dritten Gesicht, Kapitel 2,1-13 oder 2,6-17 nach anderer Kapitel- und Verseinteilung. Das Thema dieses dritten Gesichts habe ich hier so umschrieben: Jerusalem wird von Leben überfließen und durch den Herrn selbst geschützt werden.
Lesen wir jetzt diese Verse, Sacharja 2,1-13 oder 2,5-17, je nachdem. Oder es sind, glaube ich, die Verse 5 bis 7.
Und ich erhob meine Augen und sah, und siehe, ein Mann mit einer Messschnur war in seiner Hand. Ich sprach: „Wohin gehst du?“ Und er sprach zu mir: „Jerusalem zu messen, um zu sehen, wie groß seine Breite und wie groß seine Länge ist.“
Und siehe, der Engel, der mit mir redete, ging aus, und ein anderer Engel ging ihm entgegen. Er sprach zu ihm: „Lauf, rede zu diesem Jüngling und sprich: Als offene Stadt wird Jerusalem bewohnt werden, wegen der Menge Menschen und Vieh in seiner Mitte.“
Und ich, spricht der Herr, werde ihm eine feurige Mauer sein ringsum und werde zur Herrlichkeit sein in seiner Mitte.
Hui, hui, flieht aus dem Land des Nordens, spricht der Herr, denn nach den vier Winden des Himmels breite ich euch aus, spricht der Herr. Hui, entrinnet Sion, die du wohnst bei der Tochter Babels! Denn so spricht der Herr der Heerscharen: Nach der Herrlichkeit hat er mich zu den Nationen gesandt, die euch geplündert haben. Denn wer euch antastet, tastet seinen Augapfel an.
Denn siehe, ich werde meine Hand über sie schwingen, und sie werden denen zum Raub sein, welche ihnen dienten. Und ihr werdet erkennen, dass der Herr der Heerscharen mich gesandt hat.
Juble und freue dich, Tochter Zion, denn siehe, ich komme und werde in deiner Mitte wohnen, spricht der Herr. Und an jenem Tag werden viele Nationen sich an den Herrn anschließen, und sie werden mein Volk sein. Ich werde in deiner Mitte wohnen, und du wirst erkennen, dass der Herr der Heerscharen mich zu dir gesandt hat.
Der Herr wird Juda als sein Erbteil besitzen im Heiligen Land und wird Jerusalem noch erwählen.
Alles Fleisch schweige vor dem Herrn, denn er hat sich aufgemacht aus seiner heiligen Wohnung.
Die Bedeutung der Messung Jerusalems und die Rolle des Engels
Dieses dritte Gesicht zeigt nun, wie Gott sein Heil vollendet und was alles dazu gehört. Es gibt ein von Gott gegebenes bestimmtes Maß. Gott hat auch uns ein Maß zugeteilt, das beschreibt, was er uns in Christus alles schenkt. Der Epheserbrief spricht zum Beispiel davon. All das, was Gott sich für sein Volk vorgenommen hat, wird er ihm geben. Darum wird eben gemessen. Es wird an nichts fehlen.
Zur Vollendung des Heils gehört, dass Gott unter seinem Volk wohnt. Außerdem gehört zum Heil Leben – und zwar eine solche Fülle von Leben, dass die Stadt keine Mauer haben darf. Denn das Leben wird sich derart ausbreiten.
Viertens gehört zur Vollendung des Heils vollkommener Schutz. Nichts und niemand wird das von Gott erlöste und vollendete Volk je antasten können. Eine feurige Mauer umgibt daher die Seinen.
Schließlich gehört zur Vollendung des Heils, dass alle Nationen gesegnet werden. So ist das Gesicht, das von der Vollendung des Heils zeugt.
Das Gesicht hat eine zweifache Anwendung. Die erste Anwendung ist einmal diese: Sie ist aber nicht in jedem Punkt in Erfüllung gegangen. Das Haus wird gebaut, und Gott wird unter seinem Volk wohnen. In der Folge werden Nationen kommen und sich dem Herrn anschließen.
Wann kam der Herr selbst in den Tempel, der damals in den Tagen Haggas und Sacharja gebaut wurde? Hat er dieses Haus damals mit seiner Gegenwart erfüllt? Es ist nicht passiert.
Doch wurde dieses Haus einmal von der Gegenwart des Herrn erfüllt. Wann nämlich? Als Jesus von Nazaret dieses Haus betrat. Er hat es einige Male in den Jahren um dreißig betreten, während der drei Jahre, in denen er immer wieder in Jerusalem war. Da hat die Herrlichkeit des Herrn dieses Haus erfüllt. Nur haben es damals wenige gesehen.
In der Folge sind dann Nationen gekommen. Und das war dann Pfingsten. Wie du sagtest, Wolfgang: Nationen sind gekommen und haben sich dem Herrn, dem Gott Israels, angeschlossen – zum Beispiel wilde Germanen und Wikinger und ganz unerwartete Nationen. Ja, ja, wir, die wir hier sitzen.
Aber das ist noch nicht die endgültige Erfüllung. Denn es wird eine buchstäbliche Erfüllung geben, bei der sich die Herrlichkeit des Herrn in Jerusalem offenbaren wird. Dann werden alle Nationen auf der Erde den Herrn und den König Israels anbeten.
Das ist die endgültige Erfüllung dieses dritten Gesichts.
Die Identifikation des Mannes mit der Messschnur und die Bedeutung für Zacharja
Ja, schauen wir uns jetzt einige Einzelheiten im Vers 1 oder eben Vers 5 an: Ein Mann, wieder ein Mann. Übrigens haben schon die alten rabbinischen Ausleger den Mann in Sacharja 1 und Sacharja 2 als den Herrn selbst, den Herrn der Heerscharen, gedeutet.
Ich blättere jetzt zurück zum entsprechenden Zitat. Im babylonischen Talmud steht zu dieser Stelle: Dieser Mann ist kein anderer als der Heilige. „Gepriesen sei er“, denn es heißt: „Der Herr ist ein Mann des Krieges“ (2. Mose 15,3). Also ist dieser Mann Jahwe, der ewige Selbst. Doch das wirkt irgendwie widersprüchlich, denn die zeitgenössischen Gesetzesgelehrten zur Zeit des Herrn schlossen aus, dass der Messias Gott sein könne und dass ein Mensch Gott sein oder Gott ein Mensch sein könne.
Aber man hat es doch irgendwie in der Schrift gesehen. Es ist ja unübersehbar, dass dieser Mann der Herr selbst ist und dass es tatsächlich so heißt in 2. Mose 15,3: „Der ist ein Ijsch Milchama“, wirklich ein Mann. Hier begegnen wir also wieder diesem Mann, und dieser Mann redet. Später steht im Vers: „Der Engel, der mit mir redete“ – also wieder diese Gleichsetzung. Der Mann dort ist auch der Engel, der Engel des Herrn, das ist also der Sohn Gottes, das ist der Messias.
Jetzt hat dieser Mann eine Messschnur in der Hand, und wiederum fragt Sacharja: Was soll das? Was machst du mit dieser Messschnur? Dann bekommt er eine Antwort. So wollen wir an Sacharja wirklich lernen: Wir lesen die Bibel, manches verstehen wir nicht, dann dürfen wir fragen: Herr, was willst du uns damit sagen? Herr, lehre mich! Ich will deine Gedanken verstehen. Und dann geht uns der Herr schrittweise entgegen. Er sagt uns nicht alles auf einmal, aber nach und nach gibt er uns immer besseres Verständnis seiner Absichten und Gedanken.
Nun soll also Jerusalem gemessen werden, nämlich nach seiner Länge und nach seiner Breite. Es ist auffällig, dass eben nur die Länge und die Breite gemessen werden. Auffällig deshalb, weil beim himmlischen Jerusalem in Offenbarung 21,16 Länge, Breite und Höhe gemessen werden.
Das zeigt uns, dass es hier um das irdische Jerusalem geht. Das himmlische Jerusalem hat eine Dimension mehr; es ist etwas Ewiges und gehört zur jenseitigen Schöpfung.
Im Vers 4 heißt es: „Dieser erste Engel, dem zweiten, der da kommt, laufe, rede zu diesem Jüngling.“ Dieser Jüngling ist Sacharja. Hier haben wir den einzigen Hinweis auf sein Alter. Er muss also ein junger Mann gewesen sein, ein Na'ar (hebräisch), ein Jüngling.
Auch Daniel war ein Jüngling, als ihm der Herr zum ersten Mal seine Gedanken in einem Nachtgesicht offenbarte. Es ist also offensichtlich nicht so selten. Die Jünger des Herrn waren ebenfalls Jünglinge, als der Heilige Geist ihnen offenbarte, dass Jesus von Nazareth der Sohn des lebendigen Gottes, der Christus Gottes, ist.
Man muss also nicht warten, bis man vierzig oder älter ist, bis der Herr persönlich zu einem redet und einem Dinge offenbart.
Jerusalem soll als offene Stadt bewohnt werden. Das heißt nicht, dass Jerusalem nicht mehr von der Sünde abgesondert sein soll. Das ist hier nicht die Bedeutung dieser Aussage.
Die Visionen, diese Nachtgesichte, gleichen darin den Gleichnissen des Herrn, da sie nicht immer alles auf einmal sagen. Man darf in einem Gleichnis des Herrn nie erwarten, dass dort die ganze Heilslehre steht, denn sonst würde ein Gleichnis nicht ausreichen.
Hier geht es um die Tatsache in diesem Gesicht, dass Jerusalem so von Leben erfüllt sein wird, dass keine Mauern dieses Leben umfassen können. Es wird eine solche Fülle von Leben sein, dass deshalb keine Mauern nötig sind.
Doch es sind dann doch Mauern da. Die Mauern bedeuten, dass die Gegenwart des Herrn dafür sorgt, dass nichts Unreines, keine Sünde, nichts Böses in die Stadt eindringen darf. Das Volk Gottes ist immer geheiligt, muss immer geheiligt sein und darf keine Sünde in seiner Mitte tolerieren.
Das Fehlen von Mauern hier heißt nicht, dass es egal ist, wer in dieser Stadt ein- und ausgeht – auf keinen Fall.
Am himmlischen Jerusalem wird das ja wieder deutlich gemacht: Dort sind Mauern, und es dürfen nur die in die Stadt eingehen, die ihre Kleider hell gemacht haben im Blut des Lammes. Nichts Gemeines wird in die Stadt eingehen.
Eine offene Stadt, weil sie voller Leben sein wird, und der Herr selbst wird durch seine Gegenwart eine feurige Mauer ringsum sein.
Die Verbindung von Heiligkeit, Gnade und Schutz in der Gemeinde
Sicherheit der Stadt. Ja, wenn Gott unter seinem Volk wohnt und sich offenbart, dann ist die Folge, dass niemand hineinkommt, der nicht hineingehört. Ebenso wird das Volk Gottes wachsen, so wie es in Sacharja 2 angekündigt wird.
Lassen wir uns dazu Apostelgeschichte 5 aufschlagen. Das ist eine Anwendung dieses Nachtgesichts auf uns, auf die Gemeinde. Die Sünde von Ananias und Saphira wird gerichtet, und es folgt Apostelgeschichte 5, Vers 11: „Es kam eine große Furcht über die ganze Versammlung und über alle, welche dies hörten.“
Durch die Hände der Apostel geschahen viele Zeichen und Wunder unter dem Volk. Sie waren alle einmütig in der Säulenhalle Salomos. Von den übrigen wagte keiner, sich ihnen anzuschließen, wie eine feurige Mauer rings um die Stadt. Das Volk erhob sie, und umso mehr wurden Gläubige vom Herrn hinzugetan – Scharen von Männern und Frauen.
Ja, das ist so das Ideal. Wenn das auch bei uns in der Gemeinde so ist, dann müssen wir uns nicht zu sehr Sorgen machen, wo wir die Grenze ziehen zwischen uns und der Welt. Unsere Sorge muss vielmehr sein: Ist der Herr in unserer Mitte? Offenbart er sich unter uns in seiner Heiligkeit und Gnade? Die Folge wird dann sein, dass die vom Herrn so angezogen werden, dass immer mehr Menschen zum Volk Gottes kommen. Dann sind wir auch wie in Sacharja 2 eine offene Stadt. Der Herr selbst ist unser Schutz, nicht menschliche Gebote und Verbote oder Äußerlichkeiten, sondern der Herr selbst.
Die Verse 6 und 7 zeigen uns, dass Heiligkeit und Gnade immer zusammengehören. Gott sucht sein Volk heim, und das ist Gnade. Gott rettet sein Volk und gibt Wiederherstellung – das ist Gnade. Aber Gnade ist immer mit Heiligkeit verbunden.
Wenn also Gott Jerusalem Gutes tut, es baut und segnet, dann muss sich sein Volk auch von Babel trennen. Darum kommt genau an dieser Stelle der Aufruf: „Flieht aus dem Land des Nordens.“ Das Land des Nordens ist Babel, auch wenn es auf der Landkarte östlich von Jerusalem liegt.
Doch es ist das Land des Nordens, weil der Verkehrsweg von Babel nach Jerusalem einen großen Bogen macht. Zuerst führt er von Babel aus nach Norden, und dann gelangt man vom Norden her durch den Libanon ins Land Palästina und nach Jerusalem. Deshalb war Babel das Land des Nordens.
Das ist damit gemeint: „Flieht aus dem Land des Nordens, entrinnt, du, die du wohnst bei der Tochter Babels.“ Ja, du wohnst am falschen Ort. Damals hatten sich viele Juden in Babel häuslich eingerichtet. Unter den Persern, die in gewissem Sinn moderner waren als die Babylonier, ging es ihnen sogar recht gut.
Die Perser waren religiös viel toleranter als die Babylonier. Sie ließen die unterworfenen Völker ihre Kulte betreiben. Die Babylonier wollten eigentlich, dass alle ihren Gott anbeten. Die Assyrer waren noch strenger. Die Perser hingegen waren sehr tolerant.
So ging es den Juden eigentlich gut. Trotzdem war es von Vorteil, wenn man als Jude nicht bekannt war. Die Juden arrangierten sich mit ihren heidnischen Herren und machten Karriere. Im Buch Esther wird das beschrieben.
Es ging so weit, dass sie sogar ihre eigene Identität verleugneten. Niemand sollte wissen, dass sie Juden waren. Sie legten sich heidnische Namen zu, sogar Namen wie Esther. Wisst ihr, was dieser Name bedeutet? Es ist Ischtar, die babylonische Venus. Für einen Juden war das eigentlich ein Graus.
Inzwischen ist der Name Esther unter Juden sehr beliebt, weil die Person so hieß. Aber damals war es ein heidnischer, babylonischer Name. Man wollte nicht sofort als Jüdin erkannt werden. Richtig hieß sie Hadassa, was Myrte bedeutet. Diesen schönen Namen legte sie ab und nannte sich Esther.
Ihr Onkel, der sie aufzog, hieß Mordechai, nach Marduk, dem babylonischen Stadtgott – also ebenfalls ein heidnischer Name. So blieben viele Juden gern in Babel. Diesem Aufruf galt: „Entrinne, Zion, du, die du wohnst bei der Tochter Babels.“ Du solltest nicht dort wohnen. Das war Exil, Verbannung.
Jetzt aber könnt ihr zurückkehren, dahin, wo ihr hingehört. Gnade und Heiligkeit können nicht voneinander getrennt werden.
Zudem blieben manche auch in Babel, weil sie sich sagten, in Jerusalem sei es unsicher. Die Stadt hatte noch keine Mauern. Diese wurden erst später gebaut, nachdem der Tempel schon stand. Keine Mauern bedeuteten keine Sicherheit.
Dabei war Gott mit denen, die zurückgekehrt waren. Er war unter ihnen, redete zu ihnen und schützte sie. Doch Babel ging langsam unter, entvölkerte sich und existiert schon lange nicht mehr.
Der Herr der Heerscharen als Lenker der Nationen
Im Vers 8 wird noch einmal begründet, warum sie Babel verlassen sollten. Dort heißt es: „Denn so spricht der Herr“ – in Vers 12 nach anderer Verszählung.
Denn so spricht der Herr: Nach der Herrlichkeit hat er mich zu den Nationen gesandt. Nach der Herrlichkeit, also nachdem Gott in Jerusalem gewirkt und dort seine Herrlichkeit offenbart hat – in der Treue, die er seinem Volk bewies, im Beistand, indem er Propheten erweckte, das Haus bauen ließ, die Opfer wieder einführte und das ganze Volk den Herrn anbetete –, nach dieser Herrlichkeit hat er mich zu den Nationen gesandt, nämlich um sie zu richten.
Denn die euch geplündert haben – er hat mich zu den Nationen gesandt, die euch geplündert haben. Wer euch antastet, tastet seinen Augapfel an, also den Augapfel des Herrn. Der Herr hat mich gesandt: Wer euch antastet, tastet seinen Augapfel an, und das hat Folgen.
In 5. Mose 32,10 steht zum ersten Mal, dass Gott sein Volk behütete wie seinen Augapfel. Lesen wir diese Stelle: „Er fand ihn im Land der Wüste, in der Öde, dem Geheul der Wildnis. Er umgab ihn, gab Acht auf ihn, er behütete ihn wie seinen Augapfel.“
Im Vers 9 oder Vers 13 wird das noch genauer gesagt: „Denn siehe, ich werde meine Hand über sie schwingen.“ Dabei ist dieser „Ich“, der hier spricht, Yahweh, Gott selbst, der Gericht übt.
Wir müssen jetzt genau auf die Personalpronomen achten: er, ich, mich. Wer ist da jeweils gemeint? „Ich werde meine Hand über sie schwingen, und sie werden denen zum Raub sein, welche ihnen dienten. Und ihr werdet erkennen, dass der Herr der Heerscharen mich gesandt hat.“
Das steht schon zum zweiten Mal: „Der Herr hat mich gesandt.“ Wer ist das? Der Herr hat mich gesandt. Wer ist dieser Gesandte, den der Herr gesandt hat im Zusammenhang mit Heil, mit Segen, mit Unterwerfung und Gericht? Das ist Jesus, der Menschensohn, der Erlöser und Richter. Johannes 5,25-26 sagt, dass er auch der Richter aller ist.
Wenn wir jetzt genau lesen, heißt es in Vers 8: „So spricht der Herr, der Herr der Heerscharen.“ Wer spricht? Jahwe spricht. Dann sagt er: „Er hat mich gesandt.“ Also Jahwe hat gesandt. Wen hat er gesandt? Seinen Sohn, Jesus.
In Vers 9 heißt es: „Ich werde meine Hand über sie schwingen, und sie werden denen dienen, welche ihnen gedient haben.“ Wer ist jetzt dieser „Ich“? Der Herr. Und: „Ihr werdet erkennen, dass der Herr der Heerscharen mich gesandt hat.“ Also Jahwe hat Jahwe gesandt.
So ist es. Das ist einer der unübersehbaren Hinweise darauf, dass in Gott, im einen Gott, ein Wir ist. Unübersehbar!
In der Pause wurde die Frage gestellt, und ich hätte schon längst etwas dazu sagen sollen, habe es aber übersehen: Auffällig häufig kommt der Titel „Herr der Heerscharen“ vor. So zuletzt im Vers 9: „Der Herr der Heerscharen hat mich gesandt.“
Der Herr der Heerscharen ist ein Titel des Herrn, der bei den drei nachexilischen Propheten besonders häufig vorkommt: 52 Mal bei Sacharja, 14 Mal bei Haggai – wobei Haggai deutlich kürzer ist, also fast gleich häufig proportional – und in Maleachi 24 Mal. In den anderen kleinen Propheten kommt dieser Titel nur ein paar wenige Male vor.
Das ist der Lieblingstitel der drei nachexilischen Propheten. Nun, weshalb wohl? Warum gerade bei Haggai, Sacharja und Maleachi so häufig dieser Titel?
Der Herr der Heere, Jahwe Zebaoth, der Herr der Heere – diese Heere, die Zebaoth, stehen für das Sternenheer am Himmel. Das Engelheer heißt so. Ebenso nennt man auch Heere von Menschen Kriegsheere.
Er, der Herr der Sternenheere, der Engelheere und der Heere Israels, ist auch der Lenker der Kriegsscharen der Nationen. Er lenkt sie alle.
Das war für diese nachexilischen Propheten eine regelrechte Offenbarung. So zu erkennen und zu sehen, dass all diese mächtigen Nationen mit ihren gewaltigen Heeren – die Perser, die Griechen, die Römer – alle dem Herrn der Heerscharen unterstellt sind, ohne es zu wissen.
Sie konnten nur dorthin ziehen, wohin er sie ziehen ließ. Sie hatten nur so viele Siege, wie er ihnen gab, und konnten nur so lange bestehen, wie er ihnen Bestand gab.
Der Herr all dieser Heere ist unser Herr, Gott, Erlöser, Bewahrer und Beschützer – der Herr der Heerscharen.
Die Verheißung der Freude und des Segens für Zion
Im Vers 10 heißt es: „Jubel und freue dich, Tochter Zion!“ Ähnlich wird es in Kapitel 9, Vers 9 noch einmal aufgegriffen, in Sacharja 9, Vers 9: „Jauchze, Tochter Jerusalem!“ Wiederum, weil jemand zu ihr kommt: „Siehe, dein König kommt zu dir.“
Wer dieser König ist, wissen wir aus dem Neuen Testament. Beim Einzug des Herrn in Jerusalem wird genau diese Stelle zitiert. Es ist Jesus, der kommt. Somit bedeutet Sacharja 2, Vers 10 auch: „Jubel und freue dich, Tochter Zion! Ich komme und wohne in deiner Mitte“, spricht der Herr. Jahwe, hier der Herr, unser Herr, ist der Messias.
Sehr häufig ist im Alten Testament Jahwe eben der Sohn Gottes – nicht immer, aber sehr oft. Der höchste Grund zur Freude, den es geben kann, ist, dass der Herr selbst zu uns kommt. Das ist wirklich Anlass zum Jubeln: „Ich werde kommen und in deiner Mitte wohnen.“
Solche Verheißungen und Ankündigungen sowie die Geschichte der Erlösung Israels aus Ägypten waren den Jüngern des Herrn natürlich vertraut. Sie kannten diese ganze Geschichte und wie die Erlösung aus Ägypten endete: Der Herr selbst fuhr hernieder und wohnte unter seinem Volk. Später, als Salomo den Tempel baute, kam der Herr herab, wohnte unter seinem Volk und offenbarte seine Herrlichkeit.
Dann gibt es die Verheißungen der nachexilischen Propheten: „Ich werde kommen und in eurer Mitte wohnen.“ Das müssen wir als Hintergrund verstehen. An all das dachten die Jünger, als Jesus von Nazareth eines Tages sagte: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Der Gott Israels selbst offenbarte seine Herrlichkeit.
„Ich werde unter euch wohnen“, spricht der Herr. Die Folge wird sein: An jenem Tag werden viele Nationen sich an den Herrn anschließen. Diese Gewissheit hatten gläubige Juden, gläubige Israeliten seit den Weissagungen, die Mose aufgeschrieben hatte. Sie wurden bestätigt durch David und die Propheten.
Lassen wir uns einige solcher Stellen in Erinnerung rufen. Mose hat das angekündigt, 5. Mose 32, Vers 43: „Jubelt, ihr Nationen, mit seinem Volk!“ Also werden Nationen kommen und mit dem Volk Gottes jubeln. Nach anderer Verszählung ist es Vers 49 oder 50: „Darum, Herr, will ich dich preisen unter den Nationen. Alle Nationen sollen den Ruhm des Herrn hören.“
Psalm 117, Vers 1 fordert alle Nationen auf: „Lobt den Herrn, alle Nationen! Rühmt ihn, alle Völker!“ Das waren nicht einfach Ausdrucke von Wunschdenken, sondern Weissagungen – Ankündigungen von Dingen, die geschehen würden.
Jesaja 11, Vers 10, einer der vorexilischen Propheten, oder besser noch Jesaja 2, Vers 2: „Und es wird geschehen, am Ende der Tage, da wird der Berg des Hauses des Herrn feststehen, auf dem Gipfel der Berge. Er wird erhaben sein über die Hügel, und alle Nationen werden zu ihm strömen. Viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinaufziehen zum Berg des Herrn!“
Das wird im Neuen Testament bestätigt. Dabei meine ich nicht nur, dass das Evangelium zu allen Völkern geht, sondern auch einen noch ausstehenden Sinn. Offenbarung 15, Vers 4 sagt: „Es werden noch ganze Völker kommen und den Herrn anbeten.“
Wer sollte dich nicht fürchten? Wir müssen auch Vers 3 und 4 lesen: Sie singen das Lied Moses, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes und sagen: „Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr Gott Allmächtiger! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, o König der Nationen, neben allen Heidenvölkern. Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen verherrlichen? Denn du allein bist heilig, und alle Nationen werden kommen und vor dir anbeten, denn deine gerechten Taten sind offenbar geworden.“
Das ist eine Folge von Gottes gerechten weltweiten Gerichten. Dann werden Gottes gerechte Taten offenbar, und Völker und Nationen werden kommen, um den Herrn, den König der Nationen, anzubeten. Davon hat auch Sacharja geweissagt, eben an dieser Stelle in Sacharja 2, Vers 15.
Im Vers 16 heißt es: „Der Herr wird Juda als sein Erbteil besitzen im Heiligen Land.“ Das ist die einzige Stelle, wo Israel das Heilige Land genannt wird. Und das Stichwort „heilig“ kommt im Vers 13 noch einmal vor: „Alles Fleisch schweige vor dem Herrn, denn er hat sich aufgemacht aus seiner heiligen Wohnung.“
Die eigentliche Wohnung des Herrn ist im Himmel, aber er kommt hernieder und wohnt unter Menschen – seine heilige Wohnung. Damit ist das Stichwort gegeben: Dem Haus Gottes gebührt Heiligkeit. Das wird das Thema des nächsten Gesichtes sein.
Josua, der Hohepriester, muss geheiligt werden. Und damit machen wir morgen Abend weiter mit der Fortsetzung.