Ja, Freunde, es ist richtig schön, bei euch zu sein und gemeinsam diese Steps Konferenz zu erleben.
Vor ein paar Tagen war ich unterwegs, nur für eine Übernachtung. Abends stand ich im Bad und wollte meine Zähne putzen. Ganz beiläufig habe ich in meinem Kulturbeutel herumgegriffen. Dabei fiel mir auf, dass ich meine Zahnbürste nicht finden konnte. Ich habe dann meine Augen benutzt, um besser zu schauen, und wühlte ein bisschen weiter. Ich fand ein Deo, ein Duschgel, meine Zahnpasta – das war schon mal gut – und noch eine Creme für Babypopos sowie ein paar Pflaster. Aber keine Zahnbürste.
Ich atmete erst einmal durch und dachte, dass ich ja noch meine Mundspülung dabei habe. Also suchte ich weiter in meinem Kulturbeutel – doch die Mundspülung war leer. Ich weiß nicht, ob jemand von euch dieses Gefühl kennt, das dann entsteht: den spontanen Zahnbelag.
Man spürt sofort eine Schicht auf den Zähnen, die sich mindestens fünf Zentimeter dick anfühlt. Und plötzlich hat man den ganzen Geschmack von allem im Mund, was man an dem Tag gegessen hat – alle Kaffees, alle Döner, einfach alles. Man denkt nur: „Oh Junge, das ist kaum auszuhalten.“
Dann verfällt man in eine Art panisches Verhalten. Man fängt vor dem Spiegel an, mit den Fingern in den Zahnzwischenräumen herumzukratzen. Zum Glück hatte ich noch Zahnpasta dabei. Ich gab etwas auf den Finger und versuchte, den Mund zu schrubben. Die ganze Zeit dachte ich: „Boah, irgendwie muss ich doch diesen Döner-Zahnbelag aus dem Mund bekommen.“ Dabei kam auch Stressschweiß auf, weil man es einfach nicht aushalten kann.
So bin ich mit erhöhtem Puls ins Bett gegangen, habe mir noch einen schnellen zuckerfreien Kaugummi in den Mund gesteckt und bin irgendwie mit Panik eingeschlafen. In der Nacht bin ich mit Kaugummibröseln im Mund aufgewacht, aber es hat alles nicht viel besser gemacht.
Jetzt wisst ihr: Einmal das Zähneputzen ausfallen zu lassen, macht gar nichts. Es passiert nichts Dramatisches. Ich bin noch hier, ich bin nicht gestorben, mir sind keine Zähne ausgefallen. Sagt jetzt nicht zuhause: „Der Typ hat gesagt, wir müssen keine Zähne mehr putzen.“ Ich habe gesagt, einmal ausfallen lassen ist okay. Aber es passiert nicht sofort automatisch etwas Schlimmes.
Jetzt ist es ja so: Das christliche „Zähneputzen“ ist die stille Zeit. Gibt es hier noch jemanden, der mit dem Konzept der stillen Zeit aufgewachsen ist? Mal gern ein Handzeichen. Ja, wir sind viele.
Ich bin auch damit aufgewachsen. Mein Papa hat es so vorgelebt, ich habe es jeden Morgen gesehen: Bibellesen und Beten. Ich wusste auch, dass ich ihn in diesen Momenten besser nicht störe. So habe ich es gelernt und übernommen: Bibellesen und Beten am Morgen.
Ich konnte das sogar einigermaßen gut in meinen Alltag integrieren. Eine Zeit lang habe ich das sogar getrackt, mit roten Punkten auf dem einzig wahren christlichen Kalender. Ich wusste: Wenn da ein roter Punkt ist, dann ist ein guter Tag. Wenn an einem Tag kein roter Punkt war, zum Beispiel in der Schule oder unterwegs, dachte ich: „Okay, heute ist kein roter Punktetag.“ Das war irgendwie schwierig.
Was ist das Problem an diesem Konzept? Das Problem ist, dass ich bei mir selbst entdeckt habe, dass ich morgens Gott vielleicht nur kurz „Moin“, „Guten Morgen“ oder „Servus“ sage. Dann denke ich manchmal, ich habe etwas für diesen Tag abgehakt und lebe den Rest des Tages einfach so vor mich hin.
Manchmal merke ich am Abend: „Ja, stimmt, so wirklich mit Jesus gelebt habe ich an diesem Tag nicht.“ Ich habe zwar „Guten Morgen“ gesagt, aber ich war den Tag über gar nicht in Verbindung mit Jesus.
Ein weiteres Problem ist, dass ich mit einem Druckgefühl unterwegs bin. Zum Beispiel an den Tagen, an denen kein roter Punkt auf dem Kalender ist. Ich mache das heute nicht mehr, keine Angst. Aber es ist trotzdem so ein Gefühl da: „Heute ist kein so guter Tag.“
Was ich festgestellt habe und was mir klar geworden ist, ist, dass ich Gottesbegegnung brauche – zum Beispiel am Morgen. Doch meine Beziehung zu Gott braucht mehr als nur einmal am Morgen „Guten Morgen“ zu sagen.
Jetzt stellt sich die große Frage: Wie kann ich mit Jesus leben, ohne dabei den Druck von den „roten Punkten“ zu spüren? Wie kann ich mit Jesus leben und nicht nur morgens „Guten Morgen“, „Moin“ oder „Servus“ sagen, sondern den Tag über in Verbindung mit dem lebendigen Gott verbringen?
Welche Rolle spielen dabei Gewohnheiten? Welche Rolle spielen Dinge, die ich automatisch tue, wie zum Beispiel Zähneputzen? Über diese Fragen wollen wir heute Nachmittag gemeinsam nachdenken.
Wir kommen damit zurück zur ersten Session, in der wir gehört haben: Erster Baum, dann der Tisch. Einige haben das richtig gut verstanden. Erster Baum, dann der Tisch bedeutet, dass es zuerst diese bedingungslose göttliche Annahme zu hundert Prozent geben muss. Danach kommt alles, was wir hineinbringen, um diese Veränderung, diese göttliche Veränderung, zu erleben.
Doch wir spielen auch eine Rolle dabei. Augustinus hat es zum Beispiel so ausgedrückt: „Ohne Gott können wir nicht, ohne uns wird er nicht.“ Ich glaube, das trifft auch auf Veränderung zu. Die Kraft zur Veränderung in unserem Leben ist die Gnade Gottes. Sie kommt von Gott und geht von Gott aus. Jesus und der Heilige Geist verändern uns in unserem Leben.
Aber wir spielen auch eine Rolle. Man könnte sagen: Gott hat die Kontrolle, aber du spielst eine Rolle. Wie das genau aussieht, wollen wir jetzt gemeinsam entdecken – anhand eines Bibeltextes, den ihr schon für euch persönlich ein wenig unter die Lupe genommen habt. Es ist ein richtiger Jesus-Klassiker, würde ich sagen. Und da schauen wir jetzt mal zusammen ein bisschen hinein.
In Johannes 15 sagt Jesus: „Ich bin der Weinstock.“ Er betont: „Ich bin der wahre Weinstock.“ Das ist wichtig, denn damals gab es viele Vorstellungen über den Weinstock. Er war ein Symbol für Leben, Fülle, Energie und Kraft.
Am Palast von Herodes hing zum Beispiel ein goldener Weinstock. Jesus sagt hier: „Ich bin der wahre Weinstock.“ Und weiter: „Mein Vater ist der Weinbauer. Jede Rebe an mir, die keine Frucht trägt, schneidet er ab. Eine Rebe aber, die Frucht trägt, schneidet er zurück. So reinigt er sie, damit sie noch mehr Frucht hervorbringt.“
Jesus erklärt weiter: „Ihr seid schon rein, weil ihr das Wort gehört habt, das ich euch verkündet habe.“
Was Jesus hier macht, ist, dass er eine Bildersprache einführt – von dem Weinstock, von den Reben und von der Frucht. Ich habe euch ein Bild von einem Weinstock mitgebracht, damit ihr euch das besser vorstellen könnt. Vielleicht sind nicht alle hier Weinbauern und beschäftigen sich täglich mit Weinstöcken. So sieht ein Weinstock aus: Man sieht den Stamm, die Äste, die Reben, und die Früchte – dicke, fette Trauben.
Dann spricht Jesus weiter und sagt: „Bleibt in mir, und ich werde in euch bleiben.“ Wenn du diesen Text gelesen hast, ist dir sicher aufgefallen, dass das „Bleiben“ Jesus sehr wichtig ist. Er sagt es immer wieder. Wenn jemand etwas häufig sagt, dann ist es ihm wichtig. Es könnte also sein, dass es Jesus genauso geht.
Jesus sagt: „Bleibt in mir, und ich werde in euch bleiben.“ Eine Rebe kann nicht aus sich selbst Frucht hervorbringen. Sie muss am Weinstock bleiben. Genauso wenig könnt ihr Frucht hervorbringen, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, und ihr seid die Reben. Wenn jemand in mir bleibt und ich in ihm bleibe, trägt er reiche Frucht. Ohne mich könnt ihr nichts tun.
Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich bin Jesus immer sehr dankbar, wenn er so eine Bildersprache einführt – Weinstock, Reben, Frucht – und die Übertragung gleich selbst erklärt. Wir müssen nicht rätseln, wer der Weinstock ist und wer die Trauben sind. Ja, ich glaube, du bist auch so eine Traube. Jesus sagt hier deutlich, wie er diese Bildersprache meint: „Ich bin der Weinstock, und ihr seid die Reben.“ Du und ich – wir, die Jesusnachfolger, sind die Reben.
Okay, was ist dann aber die Frucht? Das sagt er irgendwie nicht so richtig. Ich glaube, wenn Jesus von Frucht spricht und auch die anderen biblischen Autoren von Frucht sprechen, dann meinen sie – und damit meint Jesus – ein Leben, das in Wesen und Wirksamkeit dem Leben von Jesus immer ähnlicher wird. Also ein Leben, das vom Verhalten her, aber auch vom Einfluss her Jesus immer ähnlicher wird.
Kannst du für dich überprüfen, ob du diese Definition verstanden hast? Ich glaube, wenn Jesus von Frucht spricht, dann meint er ein Leben, das in Wesen und Wirksamkeit dem Leben von Jesus immer ähnlicher wird.
Was er jetzt hier deutlich macht, ist: Getrennt von mir könnt ihr nichts tun. Er sagt, wenn eine Rebe vom Weinstock getrennt ist, dann ist da nichts mehr möglich. Ich habe euch mal etwas mitgebracht. Ich habe nämlich bei mir im Garten einen Weinstock, und ich habe gestern eine Rebe gewaltsam vom Weinstock getrennt.
Das war gestern Nachmittag, kurz bevor ich losgefahren bin. Ich habe die Rebe noch ein bisschen in die Sonne gelegt, aber ich weiß nicht, wie es euch geht – der Kamerad sieht relativ schlapp aus, oder? Ich weiß nicht, ob jemand das für ein Experiment mitnehmen wird, um zu sehen, ob da noch irgendwie Trauben kommen. Aber ich habe kein Interesse mehr daran, mich noch längerfristig darum zu kümmern, weil das eigentlich relativ offensichtlich ist für uns alle: Da wird nichts mehr.
Ich habe die Rebe abgezwickt, feinsäuberlich mit so einer zehn Euro Gattenschere. Jetzt ist das Ding getrennt vom Weinstock. Da kommt keine Energie, keine Kraft mehr. Jesus sagt aus göttlicher Perspektive: Du und ich, wenn wir von ihm getrennt sind – so wie diese Rebe hier –, braucht man nicht mehr. Man kann nicht mehr viel damit anfangen.
Und „nichts“ ist ein bisschen wenig. Ich weiß nicht, wie es dir geht, wenn du an dein Leben denkst: nichts hervorbringen, das ist irgendwie ein bisschen wenig. Aber Jesus gibt uns ja auch einen Hinweis, einen Tipp, einen Gedanken und eine Vorstellung, wie da mehr passieren kann.
Im ganzen Text sehen wir eine Progression: von keiner Frucht zu Frucht bis hin zu viel Frucht. Und er gibt uns einen Schlüssel, wie das passieren kann. Wahrscheinlich hast du gerade, als du dir den Bibeltext genauer angeschaut hast, das Wort „bleiben“ schon unterstrichen.
Ich weiß nicht, wie es dir mit diesem Wort geht und was es in dir auslöst, wenn du an „bleiben“ denkst. Ich habe mich manchmal gefragt, warum dort dieses Wort „bleiben“ steht und nicht ein Wort, das vielmehr eine Bildersprache in uns auslöst. Ein Wort, das eher eine Vision in uns weckt, ein Wort, das ein inneres Kopfkino entstehen lässt.
„Bleiben“ klingt ja eher nach Wartezimmer oder Bushaltestelle: Warte ich halt noch, bis der Bus kommt. Im Original steht dort das Wort „meno“. Und das kommt da ständig vor.
Ich habe mich gefragt und ein bisschen auf die Suche gemacht, wo dieses Wort noch auftaucht, weil ich mir davon erhofft habe, mehr Ahnung zu bekommen, was Jesus meint, wenn er dieses Wort „bleiben“ verwendet.
Dann bin ich zum Beispiel auf Johannes 1 gestoßen. Es ist ja immer gut zu gucken, wo der Autor dieses Wort noch verwendet. Dort kommen zwei der ersten Jünger zu Jesus und sagen in Johannes 1,38-39 zu ihm: „Rabbi, wo wohnst du?“ Sie verwenden genau das gleiche Wort. Sie hätten auch sagen können: „Rabbi, wo bleibst du?“
Ich glaube, das kann viel mehr in uns auslösen. Jesus sagt zu uns: Wenn wir Frucht hervorbringen wollen, dann dürfen wir lernen, in ihm zu wohnen, uns dauerhaft bei ihm aufzuhalten, in ihm zu Hause zu sein. Unser ganzes Leben soll in ihm, aus ihm heraus und durch ihn gelebt werden.
Wenn ich an Wohnen und Zuhause sein denke, woran denke ich dann? Was ziehe ich an, wenn ich weiß, dass ich nicht mehr aus dem Haus gehe? Natürlich meine Jogginghose! Und zwar nicht irgendeine Jogginghose, mit der ich auch mal zum Einkaufen gehen würde, sondern eine Jogginghose mit Essensflecken.
Das wisst ihr – das sind die wahren Jogginghosen, die richtig chilligen, auf denen auch schon mal eine halbe Fertigpizza gelandet ist. Solche Hosen wäscht man auch nur alle Schaltjahre, weil man sich darin einfach richtig wohlfühlt. Macht das nicht auch ihr so? Doch, einige nicken jetzt bestimmt. Und genau in dieser Hose fühlt man sich richtig zuhause. Das ist einfach okay so.
Ich glaube, das ist ein bisschen die Bildersprache, mit der gemeint ist, dass wir lernen, aus Jesus heraus zu leben. Dass wir lernen, zu Hause zu sein – in dieser Verbindung mit Gott, mit dem Vater im Himmel, mit Jesus.
Wir sind gerade bei Johannes 15. Wenn du dir Johannes 14 und 16 anschaust, also die Kapitel davor und danach, bekommst du eine Ahnung davon, dass Jesus der Meinung ist, wir können diese Verbindung durch den Heiligen Geist leben. Der Heilige Geist macht es möglich, dass wir in dieser göttlichen Verbindung leben.
Ich habe dir mal ein Zitat vom Autor Dallas Willard mitgebracht, in dem er das in seinen schönen, poetischen Worten beschreibt. Er sagt:
„Das Erste und Grundlegendste, was wir tun können und müssen, ist, Gott vor Augen zu haben. Das ist das grundlegende Geheimnis der Sorge für unsere Seele. Unsere Aufgabe, die Gegenwart Gottes zu praktizieren, besteht darin, unsere Gedanken ständig auf ihn zu richten und umzuleiten.
In der Anfangszeit unseres Übens können wir durchaus von unseren alten Gewohnheiten herausgefordert werden, die sich mit Dingen beschäftigen, die weniger wichtig sind als Gott. Noch jemand im Raum, der sich ab und zu gelegentlich ausnahmsweise mit Dingen beschäftigt, die weniger wichtig sind als Gott? Also ich schon, danke Dallas für dein Verständnis.
Aber das sind Gewohnheiten, nicht das Gesetz der Schwerkraft, und sie können gebrochen werden. Eine neue, von Gnade erfüllte Gewohnheit ersetzt die früheren, wenn wir bewusste Schritte unternehmen, um uns Gott vor Augen zu halten. Bald werden unsere Gedanken zu Gott zurückkehren, so wie die Nadel eines Kompasses sich immer wieder nach Norden ausrichtet.
Wenn Gott die große Sehnsucht unserer Seele ist, wird er der Polarstern unseres inneren Wesens sein.“
Hast du dich bis zum Ende konzentrieren können? Dallas Willard benutzt hier das Bild eines Kompasses. Er sagt, wenn wir Gewohnheiten in unser Leben einbauen und es zur Gewohnheit wird, unsere Gedanken auf Gott auszurichten, dann ist das wie bei einem Kompass.
Wie funktioniert ein Kompass? Du kannst ihn rütteln, schütteln, klopfen, auf den Kopf stellen oder in die Luft werfen – was auch immer. Wenn du ihn eine Sekunde stillhältst, richtet sich die Kompassnadel sofort nach Norden aus.
Dallas Willard geht davon aus und hat das als Ziel für uns als Jesusnachfolger, dass wir so werden, dass man uns rütteln, schütteln oder klopfen kann im Alltag, der manchmal wild ist und voller To-dos und Sorgen. Und wenn man uns eine Sekunde stillhält, richtet sich unsere innere Kompassnadel automatisch auf Gott aus.
Ich glaube, das, was er hier beschreibt, ist das, was Paulus zum Beispiel in 1. Thessalonicher 5 meint, wenn er vom unablässigen Beten spricht. Oder andere Autoren, wenn sie vom Wandel im Geist reden. Oder Jesus, wenn er davon spricht, dass wir in ihm bleiben sollen.
Wir sollen diese grundlegende Ausrichtung lernen und Gewohnheiten in unser Leben einbauen, die uns helfen, diese Ausrichtung auf die Gegenwart und die Präsenz Gottes zu haben. Das ist „bleiben“ – das meint Jesus, wenn er sagt: „Bleibt in mir, bleibt in dieser Verbindung zu mir.“
Und vielleicht sitzt du jetzt hier und denkst: Ja toll, das habe ich verstanden. Ich will nicht abgezwickt sein wie diese schlapprige Rebe, die du mitgebracht hast. Ich will aus dieser Kraft und aus dieser göttlichen Energie leben. Ich will auch Frucht bringen mit meinem Leben – ein Leben, das dem Wesen und der Wirksamkeit Gottes immer mehr ähnelt. Wie kann das gehen?
Ich glaube, wir brauchen ein Hilfsmittel. Genauso wie ein Weinstock ein Hilfsmittel braucht – oder vor allem die Rebe ein Hilfsmittel braucht, um im Weinstock zu bleiben – brauchen wir auch so ein Hilfsmittel. Das hier ist ein ganz hochoffizielles Ranggitter. In der Weinbaufachsprache nennt man das, glaube ich, Weinspalier. Es ist jetzt kein originales, aber du bekommst das Bild.
Dieses Ranggitter hat die Aufgabe, einer Rebe zu helfen, im Weinstock zu bleiben. Die Rebe kann sich daran festhalten. Wenn dann die dicken Trauben kommen, bricht sie nicht einfach ab, sondern kann im Weinstock bleiben. Und genauso brauchen du und ich auch Hilfe, wie ein Ranggitter, um im Weinstock zu bleiben.
Unsere Hilfe, unser Weinspalier, unser Ranggitter – das sind göttliche Gewohnheiten. Geistliche Disziplinen oder, ich mag eigentlich sehr gerne das Wort, geistliche Übungen. Dallas Willard, von dem du gerade gelesen hast, nennt sie auch Trainingsmethoden für Jesusnachfolger. Also geht es um Gewohnheiten, die wir in unser Leben einbauen. Sie sind eine Hilfe, eine Stützstruktur, um in Jesus zu bleiben und mit Jesus verbunden zu bleiben.
Vielleicht klingt das Wort geistliche Übungen oder geistliche Disziplinen für dich gleich nach einem Kalender mit roten Punkten. Du bekommst vielleicht so einen Stressausschlag am Nacken, weil du schon wieder so einen frommen Druck spürst. Ich glaube, das hat viel mit einem Missverständnis zu tun, was geistliche Übungen eigentlich sind. Geistliche Übungen, alle unsere göttlichen Gewohnheiten, sind nie das Ziel. Sie sind immer nur ein Weg, immer nur eine Hilfe. Aber dazu kommen wir gleich noch mehr.
Ich glaube, es ist wichtig, dass wir lernen, solche geistlichen Übungen, geistliche Gewohnheiten in unser Leben einzubauen. Warum? Weil geistliche Übungen uns helfen, immer mehr von unserer Gegenwart in Gottes Gegenwart zu leben. Dass wir immer mehr von unserem Jetzt in seiner Präsenz leben – und eben nicht nur einmal morgens Gott Guten Morgen sagen, dann den ganzen Tag über unser Ding machen und am Abend merken: Hä, so wirklich mit Jesus gelebt habe ich nicht. Warum bringt mein Leben keine Frucht?
Bei geistlichen Übungen geht es darum, dass sie uns helfen, Zeit und Raum zu schaffen, in denen wir in der Tiefe unseres Wesens dem lebendigen Gott begegnen können. Geistliche Übungen helfen uns, der freundlichsten, friedvollsten und liebevollsten Person des Universums zu begegnen. Das ist es, was uns am Ende des Tages wirklich verändern wird.
Geistliche Übungen helfen dir, dein Präsens in seiner Präsenz zu leben. Sie helfen dir, deine Gegenwart, dein Hier und Jetzt in seiner Gegenwart zu leben. Geistliche Übungen helfen dir, möglichst viele Momente deines Alltags im Bewusstsein der Gegenwart Gottes zu leben. In dem Bewusstsein, dass dort der lebendige Gott ist – der Vater im Himmel, der dich sieht, der mit Augen der Liebe auf dich schaut, der dir den ganzen Tag hundert Prozent Gnade entgegenwirft. Und das ist immer der Fall.
Das Problem ist nur, dass wir zu wenig Gewohnheiten in unserem Leben haben, die uns das bewusst machen. Gewohnheiten, die uns dabei helfen, innezuhalten und uns diese Gegenwart Gottes bewusst zu machen.
Ich habe dir ein Zitat mitgebracht von John Ortberg, einem Autor und Pastor aus Amerika. Er sagt: „Das Ziel des Gebets als Beispiel für eine geistliche Übung ist es, mein ganzes Leben und alle meine Worte im freudigen Bewusstsein der Gegenwart Gottes zu leben.“ Ist das nicht wunderschön ausgedrückt? Er hat verstanden: Eine geistliche Übung, eine Trainingsmethode für Jesusnachfolger – zum Beispiel Gebet – ist nicht das Ziel, sondern der Weg, um immer mehr in der Gegenwart Gottes zu leben.
Und weißt du was? Die Gegenwart Gottes ist immer da. Gott ist immer gegenwärtig, und er möchte, dass du immer in dieser Verbindung mit ihm leben kannst. Deinen ganzen Alltag aus dieser Verbindung mit ihm heraus bestreitest.
Und weißt du, letztlich – und das ist eigentlich unfassbar – ist es das, was Gott für die ganze Menschheit vorhat, schon immer. Im Garten Eden wollte er, dass die göttliche und die menschliche Dimension ultimativ vereint sind. Irgendwann, in Offenbarung 21, kommt Gott auf die Erde, und Gottheit und Menschheit sind wieder vereint.
Und weißt du was? Du und ich können das jetzt schon jeden Tag leben. Wir können als Menschen die göttliche Dimension durch den Heiligen Geist erleben. Unfassbar! Findest du das auch unfassbar? Okay, einer freut sich – genau so ist es.
Weißt du, das, was Gott für die ganze Menschheit vorhat, können du und ich jetzt schon jeden Tag leben. Geistliche Übungen helfen dir und mir, unser Präsens in seiner Präsenz zu leben.
Und wir schauen noch einmal auf diesen Bibeltext, besonders auf Vers 9, denn hier schließt sich der Kreis. "Wie mich der Vater geliebt hat, so habe ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe!"
Letztlich geht es genau darum, in der Liebe des Vaters zu bleiben und immer mehr zu einer Person der schenkenden Liebe zu werden. Dieses Bild möchte Jesus in uns verwandeln. Auch der Heilige Geist wirkt daran mit, uns in dieses Bild zu verwandeln.
Das ist eigentlich das Ziel dieser Frage: Wie verändere ich mich? Das Ziel ist, in der Liebe des Vaters zu leben und immer mehr ein Mensch der schenkenden Liebe zu werden – genauso, wie Gott sich in Jesus vollkommen voller Liebe an uns verschenkt hat.
Vielleicht sitzt du jetzt hier und fragst dich die ganze Zeit: "Ja, du redest von geistlichen Übungen, Trainingsmethoden für Jesusnachfolger. Kannst du uns da noch ein bisschen mehr geben?" Danke für die Rückfrage, das mache ich jetzt, okay?
Und natürlich ist eines der Ersten, was uns dabei einfällt – und das ist auch gut so – dass wir uns mit der Bibel beschäftigen. Wir sollen das Wort Gottes in uns aufnehmen, Bibelleser und Bibelleber werden. Dabei lernen wir, die Bibel nicht nur fürs Wissen, sondern vor allem fürs Werden zu lesen.
Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich hatte schon Phasen in meinem Leben, in denen ich wusste, dass ich eigentlich eine Faszination für die Bibel haben sollte. Doch irgendwie war diese Faszination nicht da. Dann habe ich gemerkt, dass ich Abwechslung in meiner Beschäftigung mit der Bibel brauche. Ich muss ein bisschen Variation reinbringen. Vielleicht nutzt du seit Jahren schon die gleiche Methode.
Ich möchte dich ermutigen, einfach Abwechslung hineinzubringen: indem du schneller liest, langsamer liest, einzelne Kapitel liest oder einen Monat lang immer das gleiche Kapitel oder ein ganzes Monat lang immer das gleiche Bibelbuch. Eine zentrale Trainingsmethode ist natürlich, dass wir uns mit der Bibel beschäftigen. Ebenso wichtig ist, dass wir beten und ein Gebetsleben pflegen.
Auch hier habe ich über die Jahre entdeckt, dass die Art und Weise, wie ich standardmäßig mit Gebet verbunden habe, eigentlich nur ein kleiner Ausschnitt aus der unfassbar großen Welt des Gebets ist. Bisher habe ich Gebet meist mit Fürbitte verbunden, also mit einer Art Gebetsliste, die ich dann durchbete. Aber Gebet ist viel mehr: Gebet heißt, zu Gott sprechen, mit Gott sprechen, bei Gott sein und auf Gott hören. Das ist eine Welt voller Entdeckungen.
Bei all diesen Dingen möchte ich dich ermutigen und herausfordern, den Entdeckermodus zu behalten. Gib dich nicht zufrieden mit dem, was du schon entdeckt hast. Die christliche Tradition und die verschiedenen christlichen Gruppen halten viel bereit, das du ausprobieren kannst – zum Beispiel andere Arten und Weisen zu beten.
Ich bin so aufgewachsen, dass ich vorformulierte Gebete belächelt habe. Ich dachte immer, das sei etwas für Leute, die keine so gute Gottesbeziehung haben und deshalb keine eigenen Gebete formulieren können. Dieses Denken habe ich immer belächelt. Doch dann gab es Phasen in meinem Leben, in denen es mir schwerfiel, eigene Gebete zu formulieren. Manchmal weiß man einfach nicht, wie man beten soll.
In solchen Momenten ist es eine große Hilfe, Gebete zu verwenden, die andere Christen vor dir gebetet haben oder die für dich vorbereitet wurden. Das können Gebete sein, die sogar in die Bibel aufgenommen wurden, zum Beispiel in den Psalmen oder an anderen Stellen. So darfst du auch bei diesen Themen immer wieder Neues entdecken.
Eine weitere geistliche Trainingsmethode oder geistliche Übung ist der Sabbat. Natürlich gehört dazu auch das Gebet, allein oder in Gemeinschaft. Ebenso kann gemeinsames Essen eine geistliche Übung sein. Vielleicht klingt das für dich zunächst ungewöhnlich als Trainingsmethode. Aber wenn du das Lukasevangelium liest, wirst du sehen, dass Jesus oft gerade beim Essen ist, vom Essen kommt oder zum Essen geht. Vielmehr macht er eigentlich gar nichts anderes, um es mal etwas flapsig zu sagen.
Nicht missverstehen: Ich weiß, dass das Gleichnis vom verlorenen Sohn und andere Geschichten auch wichtig sind. Aber grob gesagt ist Jesus ständig beim Essen. Das könnte eine Botschaft für uns sein.
Stille und Alleinsein sind ebenfalls wichtig. Gerade in unserer Zeit, in der es um uns herum so laut ist und alles in diesem kleinen Kästchen, das man Smartphone nennt, immer verfügbar ist – sei es Konsum, Arbeit, Schule oder Ausbildung – brauchen wir ablenkungsfreie Räume. Einfachheit als geistliche Disziplin wird immer wichtiger.
Weitere geistliche Übungen sind, Zeuge zu sein, also deinen Glauben zu teilen, und das Fasten. Fasten ist eine Trainingsmethode des Verzichts. Ebenso wichtig sind Geniessen und Feiern. Ich glaube, das ist ein oft unterschätzter Bereich. Wir leben zwar in einer Zeit, in der Feiern und Geniessen extrem wichtig sind. Man spricht vom Hedonismus, bei dem Geniessen und Feiern ein Lebensinhalt sind. Aber wir haben nicht gelernt, diese Dinge als Mittel unserer Gottesbeziehung zu nutzen.
Es zieht sich von der Tora bis zum 2. Timotheus durch, dass Gott uns immer wieder sagt: Ihr müsst in seiner Gegenwart feiern, damit eure Ehrfurcht vor Gott wächst. Nimm das mal unter die Lupe und schau es dir genauer an. Ich glaube, es kann ein echter Game Changer sein, zu lernen, zu geniessen – aber nicht getrennt von Gott, sondern in seiner Gegenwart.
Das Gute, das uns dieses Leben und Gott schenkt, wirklich zu nutzen, hilft dabei, unser Gottesbild größer, schöner und tiefer werden zu lassen. So können wir die Güte Gottes tatsächlich schmecken und sehen – und nicht nur beim Abendmahl.
Dann natürlich Gemeinschaft, Dienen, für Menschen da sein und Großzügigkeit. Ich habe dir jetzt einen Überblick gegeben, aber das ist nicht alles. Heute Nachmittag in den Seminaren kannst du einzelne Themen vertiefen.
Ich möchte einfach, dass du siehst: Es gibt viel zu entdecken. Du darfst herausfinden, welche dieser geistlichen Übungen und göttlichen Gewohnheiten dir helfen können, mehr von deinem Leben in Gottes Gegenwart zu leben.
Ja, sehr schön und gut, es gibt viel zu entdecken, aber wie kann ich denn jetzt anfangen? Am Ende habe ich für dich vier Denkweisen, die dir helfen können, Gewohnheiten zu pflegen, die dir ermöglichen, in seiner Präsenz zu leben.
Die erste Denkweise ist: Denke üben, nicht können. Ich glaube, wenn wir geistliche Disziplinen wie Bibellesen und Beten hören, denken wir sofort, wir müssten etwas können. Dann setzen wir uns einen sehr hohen Anspruch und denken, ab morgen muss ich ein richtiger Performer-Christ sein. Aber bei geistlichen Übungen solltest du nie an Performance denken, sondern immer ans Praktizieren, ans Einüben. Denke üben, nicht können.
Weißt du, geistliche Disziplin – das Wort Disziplin kommt vom lateinischen "discipulus" und bedeutet Schüler. Geistliche Disziplinen sind also eigentlich Ausdruck unseres Schülerseins; wir sind Schüler von Jesus. Und was ist mit einem Schüler? Der kann noch nicht alles, er hat noch viel zu lernen. Genauso ist es mit dir, mir und uns auf dem Weg mit Jesus. Wir sind Schüler von Jesus, das heißt, wir müssen noch nicht alles können, wir haben noch viel zu lernen. Bei den geistlichen Übungen dürfen wir auf diesem Weg mit Jesus lernen und einüben.
Deshalb fang nicht mit fünfzig Minuten an, sondern mit fünf Minuten, mit kleinen Schritten. Denke üben, nicht können.
Die zweite Denkweise lautet: Denke heiliger Ort, nicht stilles Kämmerlein. Als ich ungefähr so alt war wie du, hatten wir in unserer Gemeinde einen Bible Teacher, der mit einer drohenden Stimme sagte: „Richtig beten kann man nur im stillen Kämmerlein.“ Ich habe mir das zu Herzen genommen und versucht, im stillen Kämmerlein zu beten. Aber ich habe es nicht geschafft, ich war immer abgelenkt – stillsitzend, kniend, liegend, Hände faltend, im stillen Kämmerlein ringend, irgendwie zu beten.
Irgendwann habe ich gemerkt, Jesus hat das auch nicht so gemacht. Er hatte gar kein stilles Kämmerlein, er ist immer auf dem Berg herumgelaufen oder so. Dann habe ich ein bisschen darüber nachgedacht, was das „stille Kämmerlein“ noch bedeuten könnte. Es könnte auch Vorratskammer heißen. Und ich glaube, letztlich geht es darum, dass Jesus von den Leuten wollte, dass sie sich einen ablenkungsfreien Raum suchen, einen Ort, wo sie beten können.
Dazu möchte ich dich ermutigen und herausfordern: Alles wird dir leichter fallen, wenn du deinen heiligen Ort kennst. Wenn du weißt, wo du einen ablenkungsfreien Raum hast, wo du dein Herz öffnen kannst und Zeit sowie Raum hast, um dem lebendigen Gott zu begegnen.
Irgendwann habe ich über mich selbst gelernt, dass ich ein kinästhetischer Typ bin. Das heißt, wenn ich mich bewege, kann ich mich besser konzentrieren. Mein heiliger Ort sind meine Laufschuhe. Wenn ich meine Laufschuhe anziehe und durch den Wald renne – oder manchmal Wanderschuhe trage, wenn ich langsamer durch den Wald laufe – dann kann ich mich gut auf Gott konzentrieren und beten. Egal, ob es ein einfaches Gebet der Stille und des Alleinseins vor Gott ist oder auch Fürbitte.
Jesus hat es genauso gemacht, er war auch immer in Bewegung. Deshalb möchte ich dir Mut machen: Suche deinen heiligen Ort, arbeite mit deiner Persönlichkeit, nicht gegen sie. Versuche zu finden, wo dieser Ort ist, dieser Raum, dieser ablenkungsfreie Raum, wo du Gott begegnen kannst. Das kann ein Sessel bei dir am Fenster sein, wo du einen Blick ins Weite hast, eine Parkbank oder was auch immer. Es muss nicht das stille Kämmerlein sein, aber es kann auch das sein. Arbeite mit deiner Persönlichkeit, nicht gegen sie.
Also: Denke üben, nicht können. Denke heiliger Ort, nicht stilles Kämmerlein.
Die dritte Denkweise ist: Denke kurz und lang. Weißt du, wenn wir denken: „Okay, ich suche mir jetzt etwas aus. Ab morgen bete ich acht Stunden jeden Tag“, und dann wundern wir uns, warum es nicht funktioniert. Oder wir denken: „Mein Zeitplan ist so voll, ich muss so viel unterkriegen, die Ausbildung ist anstrengend, das Studium auch, und so weiter.“ Dann denke kurz und lang.
Natürlich tut jeder Beziehung gut, wenn man sich auch mal längere Zeit füreinander nimmt. Aber jede Beziehung lebt auch davon, dass es viele kleine, kurze Interaktionen gibt – jeden Tag, den ganzen Tag. Deshalb mach Routinen zu Ritualen.
Du kannst Dinge, die in deinem Alltag wiederkehrend passieren, einfach zu Gebetsmomenten machen. Du kannst innehalten und dich in der Gegenwart Gottes ausrichten.
Ich habe in meinem Homeoffice einen Kamin. Im Winter muss ich immer Holzscheite nachlegen, sonst wird es kalt. Irgendwann habe ich einen Holzscheit reingelegt und gedacht: „Keep the fire burning.“ Das ist ein unfassbar gutes und schönes Gebet. Deshalb bete ich im Winter, wenn ich Holz nachlege, ganz kurz: „Keep the fire burning“ – also bete dafür, dass Gott die Leidenschaft für seine Leute, seine Kirche, seine Gemeinde in mir am Brennen hält.
Ich habe viele iPhone-Erinnerungen, die mich zu unterschiedlichen Zeiten am Tag daran erinnern, für etwas zu beten. Um elf Uhr bete ich für meine Kinder, mittwochs um 17 Uhr für die nächste Gemeindegründung, um 10 Uhr 2 bete ich wegen Lukas 10,2, dass Arbeiter in die Ernte kommen, also dass Gott Leute nach Schweinfurt schickt, die dort Kirche bauen wollen, und so weiter. Mein Handy vibriert dann einfach, und ich kann während der Predigt einen Gottesmoment haben, ohne das Handy herauszuholen. Ich weiß schon, was es ist.
Deshalb möchte ich dich ermutigen und herausfordern: Denke kurz und lang! Nicht immer nur lange Gebetszeiten, sondern baue auch kurze ein. Meistens ist ja die Bildschirmzeit eine Möglichkeit, wo man etwas auf die Seite legen könnte. Denke auch darüber nach, wo du Routinen zu Ritualen machen kannst.
Die vierte und letzte Denkweise ist: Denke konstant, nicht instant. Wir leben in einer Instant-Gratifikation-Generation. Was heißt das? Wir wollen, wenn wir etwas Gutes tun, sofort merken, dass es gut ist. Zum Beispiel: Ich gehe einmal ins Fitnessstudio, trainiere meinen Bizeps, und möchte am nächsten Tag, dass mein T-Shirt spannt und mich jemand auf meinen massiven Bizeps anspricht. So ungefähr. Oder man übt Gitarre und denkt, dass man spätestens auf der nächsten Konferenz oder wenigstens in der kommenden Kleingruppe so gut spielt.
Wir wollen einmal etwas Gutes tun und sofort in unserem Leben merken, dass es wirkt. Aber auf dem Weg mit Jesus funktioniert das nicht so, und überhaupt im Leben funktioniert das nicht so.
Du hast schon viele kleine Gewohnheiten, wie zum Beispiel Zähneputzen. Letztlich wird aus vielen kleinen Dingen, die wir konstant und über einen langen Zeitraum machen, etwas Großes und Gutes zusammengesetzt.
Hör nicht auf, das Richtige und Gute zu tun. Denke konstant, nicht instant.
Ich möchte dich ermutigen und herausfordern, zu überlegen, was dein nächster Schritt sein könnte. Vielleicht bedeutet es, dass du anfängst, anders über geistliche Übungen zu denken – ohne Druck und ohne sie mit einem Ziel zu verwechseln. Geistliche Übungen sind nur ein Weg.
Weißt du, für den Weinstock geht es nicht darum, gerade zu stehen und ein strammer Weinstock zu sein, sondern darum, dass am Ende Trauben dran sind oder ein Glas Wein dabei herauskommt. Bei geistlichen Übungen geht es nicht darum, ein strammer Christ zu sein, der Haken an eine To-do-Liste macht, sondern darum, dass dein Leben Frucht bringt, dass dein Leben in Wesen und Wirksamkeit Jesus immer ähnlicher wird.
Deshalb möchte ich dich fragen: Vielleicht ist es für dich an der Zeit, neu zu entdecken, was es auf dem Feld der Trainingsmethoden für Jesusnachfolger noch gibt und was du an Gewohnheiten in dein Leben einbauen kannst. Damit du mehr von deinem Präsens, in seiner Präsenz lebst.
Geistliche Übungen helfen dir, dein Präsens, deine Gegenwart, in seiner Präsenz, seiner Gegenwart, zu leben.
Am Ende möchte ich dir erzählen, wie ich durch geistliche Übungen Veränderungen erlebt habe.
Es ist schon relativ lange her, als ich noch studierte. Ich habe in der Bibel gelesen, und zwar Markus 6. Dort hat Jesus einen Moment, in dem er vor Mitgefühl bewegt ist. Es steht, dass es ihm wie der Magen umdreht, weil er sieht, wie es den Menschen geht.
Auf diesen Seiten der Bibel hatte ich eine Jesusbegegnung. Plötzlich wurde mir bewusst: Dieses Mitgefühl, das Jesus auszeichnet, habe ich nicht. Ich bekam die Sehnsucht nach Veränderung: Jesus, ich möchte mehr Mitgefühl haben, so wie du.
Was ich dann gemacht habe, war, ein Jahr lang für mehr Mitgefühl zu beten. Ein einfacher Trick: Ein Jahr lang für etwas beten. In diesem Jahr habe ich nicht die krasse Veränderung bemerkt. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass ich ein bisschen näher am Wasser gebaut bin. Das hat auch Nachteile, und bis heute ist es nicht anders geworden. Aber ich habe nicht wirklich gespürt, dass viel mehr Mitgefühl in mein Leben gekommen ist.
Irgendwann, etwa fünf Jahre später, bekam ich zum Geburtstag einen Brief von Freunden. Zuerst stand darin nur Geburtstagsblabla. Dann schrieben sie: "Wir schätzen so sehr, wie du dich verändert hast. Du bist so beziehungsorientiert geworden und lebst Annahme und Empathie."
Zuerst habe ich das nicht verstanden. Aber als ich den Brief noch einmal las, dachte ich: Boah, stimmt ja! Vor fünf Jahren haben wir ein Jahr lang für mehr Mitgefühl gebetet. Und über die Zeit ist der Heilige Geist, Jesus, in meinem Leben gewachsen. Er hat mich verändert, im Ansehen von Jesus.
Weißt du, du und ich, wir können das alle erleben. Wir können alle erleben, dass wir mehr in seiner Gegenwart leben. Wenn wir viele kleine geistliche Gewohnheiten pflegen, verändert er uns. Er macht uns immer mehr so, wie Jesus schon ist.
Dass du und ich das erleben können – genau dafür möchte ich jetzt noch beten.
Vater im Himmel, ich danke dir so sehr für diesen Text. Ich danke dir, Jesus, dass du diese Worte gesprochen hast – diese Bildersprache, die eigentlich einfach ist, aber gleichzeitig so tiefgründig. Du hast Johannes befähigt, das aufzuschreiben, sodass wir es zweitausend Jahre später lesen und daraus lernen können.
Du siehst uns heute hier im Raum, du siehst unsere Sehnsucht nach Veränderung. Du siehst auch, wie es uns manchmal schwerfällt, im Alltag mit dir zu leben und wirklich in dieser Verbindung zu sein.
Ich möchte beten, dass du jetzt unsere Herzen entlastest, dass du uns den Druck nimmst. Schenke uns durch den Heiligen Geist eine neue Sicht, einen neuen Blick auf geistliche Übungen. Lass uns ganz tief verstehen, dass es kein Ziel ist, sondern ein Weg. Das Ziel ist, in deiner Präsenz, in deiner Gegenwart zu leben – jeden Tag.
Ich bete, dass du uns deutlich machst, was unser nächster Schritt sein könnte und wo wir Neues entdecken dürfen. Jesus, wir sehnen uns danach, dass unser Leben Frucht bringt, dass unser Leben in Wesen und Wirksamkeit dir immer ähnlicher wird.
Danke, dass die Veränderung von dir ausgeht, aber dass du uns auch eine Rolle dabei gibst. Wir sehnen uns danach, dass du uns veränderst. Hier sind wir – fülle uns, forme uns. Amen.