Einführung: Die Frage nach Gottes Gegenwart im Leid
Wo ist Gott, wenn alles schiefgeht? Und das, obwohl wir versucht haben, in allen Dingen gottgefällig zu leben.
Ich weiß nicht, ob du dir diese Frage schon einmal gestellt hast oder ob du das selbst schon erlebt hast. Du hast versucht, Gott treu zu dienen. Du bist den manchmal sehr herausfordernden Weg des biblischen Gehorsams gegangen.
Und genau das führt dann dazu, dass du in noch größere Not gerätst. Da können Zweifel an Gott aufkommen, oder? Das führt leider immer mal wieder dazu, dass Christen den Weg des Gehorsams verlassen und anfangen, ihre eigenen Wege zu gehen.
Unser heutiger Predigttext lehrt uns eine ganz wichtige Lektion. Er kann uns helfen, den Weg Gottes weiterzugehen, auch wenn scheinbar alles schiefgeht.
Wir setzen heute die Predigtserie durch die Josefsgeschichte fort, den letzten großen Abschnitt im ersten Buch Mose.
Überblick über die Josefsgeschichte und ihre Bedeutung
Wir haben diese Predigtserie letzte Woche mit Kapitel 37 begonnen, dem Kapitel, in dem die Josefsgeschichte wirklich startet. Josef wird uns als Siebzehnjähriger vorgestellt, als Lieblingssohn seines Vaters Jakob. Er wird von seinen zehn älteren Brüdern gehasst, die ihn aus boshafter Eifersucht zuerst töten wollen. Schließlich verkaufen sie ihn als Sklaven.
Das nächste Kapitel ist Kapitel 38. Über dieses Kapitel habe ich gerade am ersten Advent gepredigt, deshalb werde ich heute nicht noch einmal darauf eingehen. Die Predigt haben wir in dieser Woche online gestellt, sodass ihr sie euch noch einmal anhören könnt.
Kurz zusammengefasst: Kapitel 38 nimmt uns für einen Moment aus der Josephsgeschichte heraus. Wir sehen Judah, einen der anderen Söhne Jakobs, den vierten Sohn. Die Geschichte in Kapitel 38, die Geschichte von Judah und Thamar, bildet einen deutlichen Kontrast zu Joseph. In diesem Kapitel sehen wir vieles, das ganz anders ist, ja fast gegensätzlich zu dem, was wir bei Joseph sehen.
Dieses Kapitel 38 hat vor allem deshalb an dieser Stelle Bedeutung, damit wir nicht auf die Idee kommen, Josef sei ähnlich wie sein Vater Jakob und sein Großvater Isaak der Erbe der Verheißung. Josef ist nicht derjenige, durch den der verheißene Nachkomme, der Retter, kommen sollte. Das ist Judah. Das lernen wir in Kapitel 38.
Dennoch spielt Josef eine sehr wichtige Rolle für den Fortgang der Geschichte, insbesondere für die Geschichte Gottes mit den Menschen, die Heilsgeschichte. Ab Kapitel 39 rückt Josef wieder in den Blick.
Dabei dachte zumindest sein Vater Jakob, dass Josef inzwischen schon tot sei. Genau das hatten seine Brüder vorgetäuscht, indem sie ihm seinen bunten Mantel genommen hatten, bevor sie ihn verkauft hatten. Sie hatten den Mantel im Blut getränkt und ihn dem Vater geschickt. Der Vater war überzeugt davon, sein geliebter Sohn Josef sei tot.
Josephs Schicksal in Ägypten und Gottes Gegenwart
Aber Joseph lebt gerade noch so. Der eben noch geliebte, der privilegierte Sohn war nun im zarten Alter von siebzehn Jahren Sklave in einem fremden Land. Was für ein Schock für Joseph, was für eine Tragik, was für ein Leiden! Wie muss das gewesen sein für diesen jungen Mann? Vielleicht hat er sich in diesem Trost, als er von dem Midianiter mitgenommen wurde, gewünscht, seine Brüder hätten ihn getötet.
Damit kommen wir zu unserem Predigttext, zu 1. Mose 39. In Vers 1 lesen wir, was genau mit Joseph geschah: Joseph wurde hinab nach Ägypten geführt, und Potiphar, ein ägyptischer Mann des Pharao, Kammerherr und Oberster der Leibwache, kaufte ihn von den Ismailitern, die ihn hinabgebracht hatten.
In den Versen 2 bis 6 sehen wir, dass es Joseph in Ägypten besser ging, als man befürchten musste. Der Herr war mit Joseph, so dass er ein Mann wurde, dem alles glückte. Er war in seines Herrn, des Ägypters, Hause. Sein Herr sah, dass der Herr mit ihm war, denn alles, was er tat, ließ der Herr in seiner Hand gelingen. So fand Joseph Gnade vor seinem Herrn und wurde sein Diener.
Der Herr setzte ihn über sein Haus, und alles, was er hatte, tat er unter seine Hände. Von der Zeit an, als er ihn über sein Haus und alle seine Güter gesetzt hatte, segnete der Herr das Haus des Ägypters um Josephs Willen. Es war lauter Segen des Herrn in allem, was er hatte, zu Hause und auf dem Felde. Darum ließ er alles unter Josephs Händen, was er hatte, und kümmerte sich, da er ihn hatte, um nichts außer um das, was er aß und trank. Und Joseph war schön an Gestalt und hübsch vor Angesicht.
Was für eine Wendung! Joseph gelingt einfach alles. Es sieht so aus, als ob Potiphar ihn immer wieder befördert hätte. Erst war er ein normaler Sklave, dann wurde er ins Haus gebracht, und letztendlich wurde er zum Verwalter des Haushalts, zum Statthalter, wenn wir so wollen, im Hause seines Herrn.
Das lag sicher in gewisser Weise daran, dass Joseph ein sehr fleißiger und begabter Mann war. Doch der Text lässt keinen Zweifel daran, was der wahre Grund für seinen Erfolg war: Der Herr war mit Joseph. Hier kommt Gott ins Blickfeld. Das geschieht in der Josefsgeschichte fast nie.
In Kapitel 37, wie uns letzte Woche sicher aufgefallen ist, wird Gott nicht einmal erwähnt. Im Fortgang in den Kapiteln 40 bis 50 wird der Name des Herrn, der Name Gottes, nur noch ein einziges Mal erwähnt. Aber in diesem Kapitel lesen wir immer und immer wieder vom Herrn. In den ersten Versen allein gleich fünfmal: Der Herr war mit Joseph (Vers 2), alles, was er tat, ließ der Herr in seiner Hand gelingen (Vers 3), es war lauter Segen des Herrn in allem, was er hatte zu Hause und auf dem Felde (Vers 5).
Potiphar bleibt das nicht verborgen; er sah, dass der Herr mit ihm war. Was wir nicht lesen, ist, ob Joseph selbst das auch so wahrnahm, ob er verstand, dass der Herr ihm hier Erfolg schenkte.
Uns muss klar sein: So gut die Karriere von Joseph im Hause Potiphar auch war, es war immer noch eine ganz dramatische Situation. Der junge Mann war getrennt von seiner Familie, von seinem geliebten Vater. Er, der eben noch ein freier Mann war, privilegiert und beschenkt von seinem Vater, ist nun zum einen brutal von seinen Brüdern verstoßen, zum anderen immer noch ein Knecht, ein Sklave. Und er ist in einem fernen Land, fern der Heimat und fern seines geliebten Vaters.
Ich glaube, wir können gut nachvollziehen, dass es in solchen Situationen oft schwer ist, den Segen Gottes zu erleben oder wahrzunehmen. Tatsächlich ist die Gefahr groß, dass Christen in solchen Zeiten, in denen eigentlich so viel schiefgegangen ist, Gott aus dem Blick verlieren. Und wenn dann doch etwas gelingt, wenn es ein bisschen aufwärts geht, wird der wahre Grund dafür oft übersehen.
Kennen wir das nicht auch? Mitten im Leid geht es ein klein bisschen aufwärts, und wir sagen: Das habe ich mir hart erarbeitet, anstatt anzuerkennen: Der Herr ist mit mir.
Nun, wie dem auch sei, wir wissen nicht, wie das bei Joseph war. Aber wir sehen, es geht für ihn ein bisschen aufwärts, mitten in der Gefangenschaft, weil Gott mit ihm ist. Weil der Herr ihn nicht ziehen lässt und selber zurückbleibt im gelobten Land, sondern weil der Herr bei ihm ist alle Tage.
Am Ende des Abschnitts kommt dann eine eher beiläufige, fast ein bisschen witzige Bemerkung: Joseph war schön an Gestalt und hübsch von Angesicht. Klingt nett, nicht? Das wäre doch etwas für die Damen, die noch niemanden haben. Ja, genau, und das wird zum Problem.
Versuchung und Widerstand: Joseph und die Frau des Potiphar
Tatsächlich fällt dieser gut aussehende hebräische Knecht nicht nur den Damen auf, die noch niemand haben, sondern auch der Frau des Potipars selbst. Davon lesen wir ab Vers 7 in dem nächsten Abschnitt unseres Predigttextes, Vers 7 bis Vers 12.
Es begab sich danach, dass seines Herrn Frau ihre Augen auf Joseph warf und sprach: „Leg dich zu mir!“ Er weigerte sich aber und sprach zu ihr: „Siehe, mein Herr kümmert sich, der mich hat, um nichts, was im Hause ist. Und alles, was er hat, das hat er unter meine Hände getan. Er ist in diesem Hause nicht größer als ich, und er hat mir nichts vorenthalten außer dir, weil du seine Frau bist. Wie sollte ich denn ein solch großes Übel tun und gegen Gott sündigen?“ Und sie bedrängte Josef mit solchen Worten täglich. Aber er gehorchte ihr nicht, dass er sich zu ihr legte und bei ihr wäre.
Es begab sich eines Tages, dass Joseph in das Haus ging, um seine Arbeit zu tun, und kein Mensch vom Gesinde des Hauses war dabei. Da erwischte sie ihn bei seinem Kleid und sprach: „Leg dich zu mir!“ Aber er ließ das Kleid in ihre Hand und floh und lief zum Hause hinaus.
Was für eine Situation! Hier ist die Frau des Potiphar – Potiphar haben wir schon gehört, er ist ein Oberster im Volk, also ein angesehener Mann. Die Erfolgreichen dieser Welt haben oft relativ schicke Frauen. Ich weiß nicht, ob ihr schon mal einen Superstar mit einer hässlichen Frau gesehen habt, normalerweise nicht. Wahrscheinlich war die Frau des Potiphar durchaus attraktiv.
Diese attraktive Frau macht dem Joseph schöne Augen. Joseph muss so Anfang, Mitte zwanzig gewesen sein. Mit siebzehn wurde er in die Sklaverei geführt, dann stieg er auf zum Haussklaven und schließlich zum Statthalter im Hause. Das hat sicherlich einige Zeit gedauert, also vielleicht war er Anfang, Mitte zwanzig.
Hier ist also dieser gutaussehende Joseph, und da ist diese attraktive Frau, die ihn zu einem sexuellen Abenteuer einlädt. Diese Versuchung hat es in sich. Zumal es ja nicht bei einem einmaligen Angebot blieb, wie wir in Vers 10 gesehen haben: Sie bedrängte Josef mit solchen Worten täglich.
Hier also Josef in der Hochphase seiner Geschlechtsreife, Single, fern der Heimat, wahrscheinlich ein bisschen alleine als einziger Jude unter den Ägyptern, von seinen Brüdern verraten und verkauft, versklavt – und dann diese Versuchung.
Mal ganz ehrlich: Gerade in solchen Phasen sind wir doch ganz besonders gefährdet, oder? In Situationen, in denen es uns ohnehin schon schlecht ergangen ist, versucht die Sünde oft, uns einzureden, dass wir nun auch mal etwas verdient haben. Dass für uns vielleicht in einer so schwierigen Situation irgendwie Sonderregeln gelten und wir es nicht ganz so streng mit Gottes Geboten halten müssen.
Ganz ehrlich, das höre ich als Pastor regelmäßig immer wieder. Ich habe Gespräche mit Leuten, die mir erklären wollen, dass sie gerade aufgrund ihrer besonders schwierigen Lebensumstände doch ein bisschen mehr Gnade finden sollten, ein bisschen mehr Rücksicht, wenn sie sich in Sünde verstricken.
Und zumindest im Kleinen kennen wir das alle, oder? Mal ganz ehrlich: Wenn dein Ehepartner oder dein Boss oder wer auch immer mit dir besonders schlecht umgegangen ist – das hattest du wirklich nicht verdient, das war einfach mies – dann haben wir doch manchmal das Gefühl: Jetzt habe ich aber auch einen gewissen Anspruch darauf, auch boshaft zu sein. Jetzt darf ich auch mal ein bisschen egoistisch sein. Jetzt kann man von mir nicht erwarten, dass ich immer noch dienend und liebevoll bin, oder?
Kennen wir das? Versuchung zur Sünde, gerade weil es uns gerade nicht so gut ergeht.
Und das gilt eben auch bei dieser besonderen Herausforderung zur sexuellen Sünde. Gerade in schwierigen Ehesituationen, wo der Haussegen schiefhängt, ist die Versuchung zu sexueller Sünde, zum Fremdgehen, größer, oder? Oder da, wo jemand schon lange als Single lebt, obwohl er sich danach sehnt, verheiratet zu sein, und sagt: „Ich warte darauf, dass Gott mir den richtigen Partner schenkt. Ich werde nur jemanden heiraten, der wirklich im Glauben ist.“ Aber nach so langer Zeit des Wartens und der Treue, in der Gott immer noch niemanden geschickt hat, kommt dann der Gedanke: Vielleicht darf ich jetzt doch auch mal anders.
Joseph erlebt hier eine große Versuchung, und er zeigt uns, wie wir solchen Versuchungen widerstehen können.
Josephs Umgang mit Versuchung als Vorbild
In seiner Antwort auf die Avancen von Pudewas Frau sehen wir gleich mehrere sehr hilfreiche Schritte, die auch wir gehen sollten, wenn wir Versuchung erleben.
Das Erste, was er tut, ist, seinen moralischen Kompass zu schärfen. Die Aufforderung der Frau ist kurz und knapp: „Leg dich zu mir.“ Doch seine Antwort wirkt fast so, als würde er für sich noch einmal durchdenken, was eigentlich seine Situation ist. Er besinnt sich erneut: Wie geht es mir hier eigentlich? Was würde es bedeuten, jetzt mit der Frau des Potiphar zu schlafen?
Ihm wird klar, dass das ein großer Vertrauensbruch wäre, wo doch sein Herr ihm so viel Vertrauen entgegengebracht hat. Außerdem erkennt er, dass es die Frau des Potiphar ist, und dass es falsch wäre, in die Ehe einzubrechen. So sagt er hier zu Potiphars Frau über ihren Ehemann: „Er hat mir nichts vorenthalten, außer dir, weil du seine Frau bist. Wie soll ich dann ein so großes Übeltun?“
Joseph erkennt also an, dass die Ehe heilig ist. Sie ist ein Schutzraum für die gute Gabe Gottes, die Sexualität. Es wäre schlicht und ergreifend unmoralisch und falsch, hier gegen Potiphar zu handeln, indem er sich zu seiner Frau legt.
Zweitens nennt Joseph die Sünde beim Namen. Er redet sich nicht ein, dass es eigentlich schön wäre, auch wenn man es vielleicht nicht tun sollte, weil es Konsequenzen hat. Er sagt klar und ohne Umschweife: „Nein, es ist Sünde gegen Gott.“ Er macht deutlich, dass es eine Sünde gegen Gott wäre.
Nachdem er zum einen seinen moralischen Kompass geschärft hat und zum anderen sich klargemacht hat, gegen wen er hier vor allem sündigen würde – nämlich gegen Gott, der es verbietet, den Schutzraum der Ehe zu zerbrechen oder in ihn einzubrechen –, flieht er ganz praktisch vor der Versuchung. Er läuft weg, als Potiphars Frau Hand an ihn legen will.
Das darf uns als Vorbild dienen. Auch wir tun gut daran, in Zeiten der Versuchung unseren moralischen Kompass zu schärfen. Im Moment der Versuchung sollten wir innehalten und überlegen: Was würde es bedeuten, jetzt so zu handeln? Was ist jetzt das Gute und Richtige?
Wir sollten uns klar machen, dass die biblischen Morallehren nicht dazu da sind, uns den Spaß zu rauben. Sie sind uns gegeben zu unserem Schutz und zu unserem Besten. Schärfe deinen moralischen Kompass und nenne Sünde konsequent beim Namen, denn die Sünde will dir einreden, dass sie gar keine Sünde ist. Schau ihr direkt ins Gesicht und sage: „Nicht mit mir, ich werde mich nicht gegen meinen Gott versündigen.“
Und schließlich: Überschätze nicht deine Fähigkeit, Versuchungen auszuhalten. Spiel nicht mit dem Feuer, indem du fragst, wo genau die Grenze ist, und geh so nah wie möglich an diese Grenze heran in der Annahme, du seist sicher. Du bist es nicht.
Ich kann versichern: Der Rand zur Sünde hin, die Grenze zur Sünde hin, ist typischerweise spiegelglatt. Bevor du dich versiehst, bist du mitten in der Sünde. Tu, was Joseph tut: flieh vor der Sünde. So widersteht er der Versuchung. Er tut das, woran wir, wenn wir ehrlich sind, so oft scheitern.
Die falsche Beschuldigung und Josephs Gefängnis
Und vielleicht hofft er nun, dass er sich so offensichtlich von Potipharis Frau gelöst hat, dass sie endlich Ruhe gibt. Doch das war nicht der Fall. Das lesen wir im nächsten Abschnitt, in den Versen 13 bis 18.
Als sie sah, dass er sein Kleid in ihrer Hand ließ und hinausflog, rief sie das Gesinde ihres Hauses und sprach zu ihnen: „Seht, er hat uns den hebräischen Mann hereingebracht, damit er seinen Mutwillen mit uns treibt! Er kam zu mir herein und wollte zu mir legen, aber ich rief mit lauter Stimme!“ Als er hörte, dass sie Geschrei machte und rief, ließ er sein Kleid bei ihr zurück und floh hinaus. Sie legte sein Kleid neben sich, bis ihr Herr heimkam. Dann sagte sie zu ihm dieselben Worte: „Der hebräische Knecht, den du uns hergebracht hast, kam zu mir herein und wollte seinen Mutwillen mit mir treiben. Aber als ich Geschrei machte und rief, ließ er sein Kleid bei mir zurück und floh hinaus.“
Boah, ist die böse, oder? Eben noch kann sie an nichts anderes denken, als diesen Knecht in ihr Bett zu bekommen. Nun ist sie die Verschmähte, voller Hass gegen diesen Mann, gegen den Knecht, den ihr Mann ins Haus gebracht hat. Sie beschuldigt ihn falsch und klagt gleich ihren Ehemann mit an, obwohl nicht sie lügt. Im blinden Zorn sagt sie: „Der hebräische Knecht, den du, mein Ehemann, den ich gerade betrügen wollte, hierhergebracht hast, kam zu mir herein und wollte seinen Mutwillen mit mir treiben.“ Böse, ohne Ende.
Dann lese ich ab Vers 19, was geschieht, als Potiphar die Worte seiner Frau hört. Sie sagt zu ihm: „So hat dein Knecht an mir getan.“ Er wurde sehr zornig, nahm Josef und legte ihn ins Gefängnis, in dem die Gefangenen des Königs waren. Dort lag Josef bei allen anderen Gefangenen.
Wir wissen nicht genau, ob Potiphar ebenfalls böse war oder ob er ahnte, dass seine Frau vielleicht nicht ganz ehrlich war. Viele Ausleger vermuten das, weil sie denken, Potiphar hätte Josef einfach getötet, wenn er die Anschuldigung wirklich geglaubt hätte. Doch das spielt keine Rolle. Was auch immer Potiphar genau erkannte oder glaubte – die Konsequenz für Josef ist eine Katastrophe.
Es wird immer schlimmer. Nachdem seine Brüder ihm einst das Gewand ausgezogen und ihn in einen tiefen Brunnen geworfen hatten, dachte er, der Tiefpunkt sei erreicht. Dann wurde er als Sklave nach Ägypten verkauft. Nun schien es langsam, wenn auch zögerlich, etwas aufwärtszugehen. Doch jetzt wird ihm wieder sein Gewand ausgezogen, und es geht noch tiefer hinab, in den Kerker, in ein ägyptisches Gefängnis.
Dabei hat er doch nichts falsch gemacht. Was ist hier los? Warum lässt Gott das zu? Das alles geschieht, obwohl Josef gerade inmitten größter und so nachvollziehbarer Versuchung steht. Wie viel Verständnis hätte man ihm entgegengebracht, wenn er nachgegeben hätte!
Sein Bruder Juda hatte sich gerade zu seiner Schwiegertochter Thamar gelegt. Natürlich wusste er nicht, dass es seine Schwiegertochter war; er dachte, er hätte eine Prostituierte genommen. Er hatte keine Hemmungen, er, der in Freiheit war und so böse mit seinem Bruder umgegangen war.
Josef hingegen, als Knecht, wird von der Frau versucht und sagt „Nein“. Er widersteht der Versuchung. Und die Konsequenz all dessen ist, dass er jetzt im Dreck sitzt, im Gefängnis, mitten im Ausland, ohne Lobby und ohne jemanden, der für ihn eintreten würde.
Trost und Hoffnung in schwerer Zeit
Ich weiß nicht, ob das für dich gerade unrealistisch klingt. So schlecht läuft es dann doch eigentlich nicht.
Wenn du das denkst, möchte ich dich herzlich einladen, heute Nachmittag dir ein bisschen Zeit zu nehmen, um Gott zu loben und zu danken für all die Bewahrung, die du in deinem Leben erlebt hast.
Ich weiß, manche von uns können das sehr gut nachvollziehen. Für manche klingt das, was hier gerade mit Joseph geschieht, schmerzhaft vertraut. Ich weiß, dass es Geschwister unter uns gibt, die Ähnliches erlebt haben. Die in schweren Zeiten Gott treu geblieben sind, nicht Versuchungen nachgegeben haben, sondern das getan haben, was Gott in seinem Wort gebietet. Gerade deshalb haben sie noch mehr Leid erlebt.
Ich kenne eine Mutter und Ehefrau, die von ihrem Mann mehrfach betrogen wurde. Sie hat gesagt: „Ich will vergeben. So wie mir mein Herr vergeben hat, will ich ihm vergeben. Ich will Gnade vor Recht ergehen lassen. Ich werde mich nicht trennen. Wir fangen neu an.“ Sie hat sich ganz neu auf ihren Ehemann eingelassen.
Und was tut er? Nicht nur, dass er im Verborgenen sich weitere Gespielinnen sucht und seine Frau betrügt. Er nutzt auch noch die Gelegenheit, um Geld zur Seite zu schaffen, damit sie, wenn dann die Trennung kommt, nichts bekommt. So betrogen, so belogen – das ist kein Einzelfall.
Menschen, denen es so ergeht, können anfangen, an Gott zu zweifeln. Sie können dahin kommen, dass sie sagen: „Dann macht der ganze Gehorsam Gott gegenüber doch keinen Sinn, wenn ich für ihn lebe und er mich so leiden lässt.“
Auch wenn es dir so geht, dann bitte red mit Brüdern und Schwestern hier in der Gemeinde. Lass dir Trost zusprechen, lass dich ermutigen, lass dir neue Hoffnung zusprechen. Und höre auf das, was wir in den letzten drei Versen unseres Predigttextes lesen.
Gottes Gegenwart und Führung trotz Leid
Bedenke, was uns hier gezeigt wird in den Versen 21 bis 23.
„Aber der Herr war mit ihm und neigte die Herzen zu ihm und ließ ihm Gnade finden vor dem Amtmann über das Gefängnis, so dass er ihm alle Gefangenen im Gefängnis unter seine Hand gab und alles, was dort geschah, durch ihn geschehen musste. Der Amtmann über das Gefängnis kümmerte sich um nichts, denn der Herr war mit Joseph. Und was er tat, dazu gab der Herr Glück.“
Ich kann mir gut vorstellen, dass Joseph im Gefängnis geschrien haben könnte: „Gott, wo bist du? Warum?“ Aber wir lesen, wo Gott ist. Vers 21 sagt: „Der Herr war mit ihm.“ Und Vers 23 bestätigt: „Der Herr war mit Joseph.“
Wie schon zuvor im Hause des Potiphar ist der Herr immer noch an der Seite von Joseph. Ob Joseph das so bewusst wahrgenommen hat oder nicht, der Herr ist da.
Eins ist klar: Der Herr erspart ihm das Leid nicht, aber er ist bei ihm. Er steht ihm zur Seite. Vor allem aber führt der Herr Joseph durch dieses tiefe, finstere Tal der Gefängniszeit, um ihn genau dorthin zu bringen, wo er ihn haben will und wo er ihn über alle Gebühr segnen wird.
Das kann Joseph hier noch nicht ahnen. Aber wir werden in den nächsten Wochen sehen, dass Gott Joseph ins Gefängnis geführt hat, weil er ihn genau dort haben will. Von dort wird er dann herauskommen in das Haus des Pharao – nicht zurück zu Potiphar, sondern eine Stufe weiter. Dort wird er reich gesegnet werden und von Gott gebraucht werden.
Gott wird ihn dazu nutzen, um seine Brüder und seinen Vater vor einer Hungersnot, vor einem sicheren Hungerstod, zu retten und so seine große Verheißung zu bewahren.
Nur weil Joseph treu den Weg gegangen ist und nicht der Versuchung nachgegeben hat, kann Gott ihn letztendlich dahin führen, wo er ihn haben will. So kann die Verheißung weitergehen, damit eines Tages der Nachkomme geboren werden kann, durch den wir alle ein für allemal aus aller Sünde und allem Leid gerettet werden können.
Nur weil Joseph das tut, was gut und richtig ist. Ich will nicht falsch verstanden werden: Gott kommt immer an sein Ziel. Gott kommt auch ohne uns an sein Ziel. Aber wir kommen nur mit Gott an das Ziel.
Gott kommt mit Joseph an sein Ziel, und Joseph kommt an ein gutes Ziel.
Joseph als Schattenbild auf Jesus Christus
Und so bereitet Joseph letztendlich den Weg für den Retter, für den Herrn Jesus. Nicht nur das, er weist auch schattenhaft auf ihn hin. Denn so wie Joseph den Versuchungen der Frau des Potiphar widerstanden hat, würde auch der kommende Retter, Jesus Christus, allen Versuchungen widerstehen.
Noch viel mehr als Joseph wurde Jesus immer wieder in größter Not versucht. Das zeigte sich schon daran, dass er nach seiner Taufe in die Wüste geführt wurde. Dort erlebte er 40 Tage Hunger. Ihm wurde nicht eine sexuelle Versuchung angeboten, sondern scheinbar ganz harmlos die Aufforderung, aus Steinen Brot zu machen, um sich zu ernähren. Doch Jesus widerstand dieser Versuchung und vertraute auf die Versorgung durch seinen himmlischen Vater.
Nach einem Leben voller Versuchungen wurde Jesus letztendlich an ein Kreuz geführt, wo er brutal gekreuzigt wurde. Dort standen unten am Kreuz Spötter, die zu ihm sagten: „Steig doch herab vom Kreuz, wenn du kannst.“ Was für eine Versuchung! Jesus hätte das tun können, aber er tat es nicht. Er widerstand auch dieser letzten Versuchung und starb.
Lieber Christ, denke niemals, dass der Herr, der dir sagt, du sollst dieser Versuchung widerstehen, nicht weiß, wie groß die Versuchung ist. Jesus kann mit dir mitfühlen. Dein Herr ist versucht worden in allem wie wir, aber ohne Sünde. Und so starb er am Kreuz.
Der sterbende Jesus schrie: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Denn dort am Kreuz erlebte er tatsächlich Gottverlassenheit, zumindest die Verlassenheit von der innigen Liebe, die ihn mit seinem Vater verband. Was er dort von Gott noch erlebte, war nur der gerechte Zorn Gottes über alle Sünde, die auf ihn gelegt wurde.
Das ist der Zorn Gottes, das ist die Gottverlassenheit, die wir alle verdient gehabt hätten, weil wir immer wieder gegen Gott sündigen und Versuchungen nachgeben. So stirbt Jesus dort für uns. Er erträgt das Gericht, das wir verdient hätten.
Nachdem Jesus die Sünden der Welt auf sich genommen hat, überwand er den Tod. Am dritten Tag ist er auferstanden von den Toten und aufgefahren in den Himmel. Er sitzt nun zur Rechten Gottes. Von dort hat er uns seinen Heiligen Geist gesandt.
Durch seinen Geist sagt Jesus dir und mir, jedem, der ihn als seinen Retter und Herrn anerkennt: Er ist bei uns alle Tage, bis an das Ende der Welt. So wie Gott mit Joseph im Gefängnis war und so wie mit Joseph im Potipharshaus, so ist Gott auch mit dir – egal, wohin er dich führt.
Einladung zur Nachfolge und Vertrauen auf Gott
Wenn du bisher noch nicht mit Gott durchs Leben gehst und dich Jesus noch nicht anvertraut hast, kann es sein, dass es dir aktuell ganz gut geht und du den Eindruck hast: Ich brauche Gott eigentlich gar nicht an meiner Seite. Manchmal geht es den Gottlosen gut in dieser Welt. Doch ich kann dir versichern: Eines Tages werden wir alle vor dem Gericht Gottes stehen. Dieser Tag wird kommen, ob du das gerade glaubst oder nicht. Er wird kommen, und an diesem Tag willst du nicht ohne Christus an deiner Seite sein. Du willst nicht ohne Gott an deiner Seite sein.
Fliehe jetzt zu Jesus, damit er bei dir ist – alle Tage, in guten und in schlechten Zeiten. Vor allem dann, wenn du am Tag des Gerichts vor Gott treten musst, vor dem heiligen Gott, vor dem keiner von uns aus eigener Kraft bestehen könnte.
Lieber Christ, der Herr kennt deine Situation, er kennt dein Leiden und schaut nicht distanziert zu. Er ist mitten darin, er ist bei dir. Und nach einem Leiden wird der Segen kommen – so wie bei Joseph. Manchmal sind es viele, viele Jahre des Leidens. Aber manche von uns durften erleben, wie nach vielen Jahren schwieriger Ehesituationen auf einmal ein neuer Aufbruch kam. Und das, was vorher hart war – hier drin zu bleiben, gehorsam zu bleiben, so wie Gott es will – wird zum großen Segen.
Manch anderer erlebt, wie er sich Dinge entsagt im Gehorsam gegenüber Gott und dann von Gott reich beschenkt wird. Viele von uns können bestätigen, wie auf lange Zeiten von Leid Segen folgt. Und wenn du das bisher noch nicht erlebt hast und es in diesem Leben nicht mehr erlebst, darfst du doch mit Sicherheit wissen: Eines Tages und dann für alle Ewigkeit wird denen, die sich zu Gott halten, alles zum Segen werden. Denn eines Tages hat alles Leid ein Ende – für alle, die auf Jesus Christus vertrauen.
Eine kurze Geschichte, die relativ bekannt ist: Wahrscheinlich hat der eine oder andere sie schon gehört. Es geht darum, wie ein Christ mit Gott zurückblickt auf sein Leben und symbolisch sieht, wie seine Spuren durchs Leben gehen. Er sieht auf einmal, dass auf dem Weg durchs Leben durch viele unterschiedliche Zeiten immer noch ein zweites Paar Spuren neben den eigenen sind. Das sind die Fußspuren Gottes, so erklärt Gott.
Doch dann schaut er und sieht, wie an einer ganz besonders schwierigen Stelle auf einmal die zweiten Fußspuren nicht mehr da sind. Der Christ dreht sich traurig zu Gott und fragt: „Warum warst du gerade in dieser schweren Phase nicht an meiner Seite? Warum hast du mich gerade da allein gelassen?“
Gott schaut den Christen an und sagt: „Mein liebes Kind, die Fußspuren, die du siehst, sind meine. Ich habe dich durchgetragen.“
Ich bete mit uns:
Himmlischer Vater, wir wollen dir danken für dein Wort. Wir wollen dir danken, dass wir in deinem Wort sehen dürfen, dass du ein treuer Gott bist. Ja, du ersparst uns Leid nicht. Wir leben in einer gefallenen Welt. Wir selbst, wir Menschen, haben den Sündenfall hervorgebracht, als wir gegen dich gehandelt haben. Wir alle bringen Leid in diese Welt, weil wir nicht immer so leben, wie wir es sollten.
Und doch bist du kein ferner Gott. Du bist aus Liebe und Barmherzigkeit zu uns Menschen gekommen. Du stehst uns bei, du trägst uns durch. Herr, ich bete für die Geschwister unter uns, die gerade durch schwere Zeiten gehen. Ich bete, dass sie neu erleben dürfen, dass sie dieses Vertrauen haben: Du bist bei ihnen alle Tage, du gehst mit ihnen auch durchs tiefste Tal.
Herr, ich bete für uns, denen es gut geht, dass wir diese Lektion gerade in dieser Zeit lernen. Ich bete, dass wir als Gemeinde ein Leib sind, in dem wir einander zur Seite stehen. Und dass du gerade auch durch uns denen in Not zur Seite stehst. Ich bete, dass niemand von uns meint, in die Sünde fliehen zu müssen, sondern dass wir immer wieder erkennen: Dein Weg ist der Weg des Segens.
So stärke uns in diesem Glauben und rüste uns aus für diesen Weg. Und das erbitten wir in Jesu Namen. Amen.
Abschluss: Gottes treue Begleitung in allen Lebenslagen
Bitte geben Sie den Text ein, den ich überarbeiten soll.