Die Motivation zur Bekehrung und ihre Grenzen
Ja, warum hast du dich eigentlich bekehrt – falls du dich überhaupt bekehrt hast? Bist du auch ein Angstgeborener?
Ich habe dieses Zeugnis schon öfter gehört, besonders von Kindern und jungen Leuten, die in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen sind. Sie haben viel von Gott gehört, von Rettung, von Ewigkeit und von der Entrückung. Sie wissen, dass die Gläubigen irgendwann plötzlich beim Herrn sein werden.
Manche sind nachts aufgewacht, weil die Eltern anscheinend nicht da waren. Sie dachten: „Boah, ich habe die Entrückung verpasst, ich bin nicht gerettet, jetzt bin ich hier, und alle anderen sind weg.“
Als sie sich von dem Schreck erholt hatten, merkten sie, dass die Eltern doch nur in einem anderen Zimmer waren oder der Schlüssel in der Tür steckte. Vielleicht hatten sie nur einen Spaziergang gemacht.
Sicherheitshalber haben sie sich dann zum Herrn bekehrt, damit ihnen der Schock nicht noch einmal passiert.
Wenn wir uns so bekehrt haben – manche von euch sicherlich aus ganz anderen Gründen –, dann war es hauptsächlich, um eine Fahrkarte für den Himmel in der Tasche zu haben. Bekehrt aus Angst, nicht im Himmel dabei zu sein, sondern die Ewigkeit ohne Gott verbringen zu müssen.
Dann müssen wir in unserem Leben als Christen vieles lernen. Nämlich, dass es für Gott nicht der einzig wichtige Punkt bei unserer Errettung ist. Es geht ihm nicht nur darum, Menschen in seinen Himmel zu bekommen.
Das ist ein Punkt, um den es heute geht.
Einführung in den Titusbrief und Briefaufbau in der Antike
Ich möchte heute mit euch den Anfang des Titusbriefs lesen, die ersten vier Verse. Der Text ist etwas kompliziert, deshalb versuche ich, ihn so einfach wie möglich zu erklären.
Früher wurden Briefe anders geschrieben als heute. Wie beginnt ein klassischer Brief? Manche von euch, besonders aus der älteren Generation, erinnern sich vielleicht noch daran, dass früher auch privat Briefe geschrieben wurden. Heute sind Briefe im Briefkasten meist Werbung oder Rechnungen. Früher war es spannend, den Briefkasten zu öffnen, weil ab und zu ein privater Brief darin war.
Im Gegensatz zu einem Geschäftsbrief beginnt ein privater Brief in Deutschland meistens mit einer Anrede wie „Lieber Antje“. Man nennt also zuerst den Empfänger. Wenn es geregnet hat und der Umschlag keinen Absender zeigt, muss man den Brief oft ganz bis zum Ende lesen, um sicher zu sein, von wem er ist – zum Beispiel steht dort „Dein Gerald“.
Bei Geschäftsbriefen ist das anders: Dort steht oben ein Briefkopf, und man weiß sofort, von wem der Brief kommt – meistens jemand, der Geld will. Private Briefe sind anders aufgebaut.
Wenn man sich die Briefe im Neuen Testament anschaut, sieht man, dass sie im Wesentlichen so aufgebaut sind wie damals üblich. Es ist ein bisschen anders als heute: Man muss nicht bis zum Ende blättern, um etwas über Absender und Empfänger zu erfahren.
Ein Brief beginnt normalerweise damit, dass der Absender sich vorstellt und manchmal kurz erklärt, wer er ist. Dann folgt die Angabe, an wen der Brief geschrieben ist. Danach gibt es eine kurze Segensformel. Das ist der typische Briefkopf.
Ich lese euch mal einen ganz typischen Briefanfang vor, wie er damals üblich war – nicht nur bei Christen, sondern allgemein:
„Philipper 1,1-2: Paulus und Timotheus, Knechte Christi Jesu, an alle Heiligen in Christus Jesus, die in Philippi sind, mit den Aufsehern und Dienern. Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.“
Das ist ein klassischer Aufbau: Zuerst sagt man, von wem der Brief ist – hier Paulus und Timotheus. Sie nennen sich „Knechte Christi Jesu“, das ist ihr Titel. Das steht am Anfang, nicht wie bei uns am Ende.
Dann folgt die Angabe, an wen der Brief gerichtet ist – hier an alle Gläubigen in Philippi, besonders an die Ältesten, Aufseher und dienenden Diakone in der Gemeinde.
Zum Schluss kommt ein kurzer Segenswunsch, ganz klassisch: „Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.“
Das ist der typische Briefkopf: kurz von wem, kurz an wen, und ein Segenswunsch am Anfang. Bei uns steht so etwas oft am Ende, aber damals war das am Anfang üblich.
In einem christlichen Brief wünscht man also Gnade und Frieden von Gott. In einem griechischen Umfeld hätte man wahrscheinlich die Gnade weggelassen und stattdessen Frieden und Freude im Leben gewünscht. Aber das ist der klassische Aufbau eines Briefes damals.
Der ungewöhnlich ausführliche Briefkopf im Titusbrief
Kehren wir nun zurück zu Titus Kapitel 1. Hier fällt auf, dass Paulus in seinem Briefanfang untypischerweise für die damalige Zeit bereits im Briefkopf sehr viel von dem ausdrückt, was er mit seinem Brief vermitteln möchte.
Er beginnt ganz klassisch. Normalerweise würde der Brief an Titus vermutlich so überschrieben sein: Paulus, Knecht Gottes, aber Apostel Christi Jesu, Titus, „Meinem echten Kind Gnade und Friede von Gott dem Vater und Christus Jesus, unserem Herrn.“ Das wäre der klassische Einstieg. Kurz und knapp, oder?
Schauen wir uns nun aber den tatsächlichen Briefkopf an, wie Paulus ihn wirklich geschrieben hat:
„Paulus, Knecht Gottes, aber Apostel Jesu Christi, nach dem Glauben der Auserwählten Gottes und nach der Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist, in der Hoffnung des ewigen Lebens, das Gott, der nicht lügen kann, verheißen hat vor ewigen Zeiten. Zu seiner Zeit aber hat er sein Wort geoffenbart durch die Predigt, die mir anvertraut worden ist nach Befehl unseres Heilandgottes. Titus, meinem echten Kind, nach unserem gemeinschaftlichen Glauben, Gnade und Friede von Gott dem Vater und Christus Jesus, unserem Retter.“
Das ist ein ziemlich langer Briefkopf. Paulus hat viele Dinge auf dem Herzen, die er Titus und den anderen, die diesen Brief lesen werden, mitteilen möchte. Er fasst diese Gedanken konzentriert im Briefanfang zusammen.
Dabei lassen sich drei Hauptpunkte erkennen, die Paulus wichtig sind: Warum er diesen Brief schreibt, mit welcher Haltung er ihn schreibt und was er darin vermittelt. Er zeigt, warum er ernst ist, warum er hoffnungsvoll bleibt und warum er sich an den Verheißungen und Gaben Gottes freut.
Paulus bringt all das gleich zu Beginn unter, damit die Leser von Anfang an verstehen, worum es ihm geht.
Denn Gott möchte nicht nur, dass wir in den Himmel kommen. Das ist ein zentrales Thema im Titusbrief. Gott will nicht nur, dass wir uns bekehren, unser Leben verändern und irgendwann im Himmel ankommen. Was möchte Gott wirklich?
Das Ziel der Errettung: Ein neues Leben auf Erden
Ich möchte mit euch einen Schlüsselvers aus dem kurzen Brief lesen, den Paulus an Titus geschrieben hat, und zwar Titus Kapitel 2. Dort steht in Vers 14 von dem Herrn Jesus, der sich selbst für uns gegeben hat, damit er uns loskauft.
Jesus hat sich selbst für uns gegeben, um uns loszukaufen. Aber jetzt kommt das „uns“. Uns loszukaufen – nicht von der Verlorenheit, nicht von der Macht des Teufels, sondern um uns loszukaufen von aller Gesetzlosigkeit, von dem, wie wir vorher gelebt haben.
Wir haben gerade etwas über ein neues Herz gehört, das wir bekommen sollen, und von einem neuen Geist. Hier steht, dass Jesus nicht nur gekommen ist und sich hingegeben hat, um uns loszukaufen von einer schrecklichen Zukunft oder einer schrecklichen Gefangenschaft. Er hat uns auch losgekauft von unseren Lebensgewohnheiten, in denen wir gelebt haben, und um sich selbst sein Eigentumsvolk zu reinigen.
Jesus ist gekommen und hat uns gerettet, damit wir ein Volk sind, das ihm gehört auf dieser Erde. Damit wir ein Volk sind, zu dem er sagen kann: „Das ist mein Volk.“ Ein Eigentumsvolk, ein Volk, das ihm gehört.
Der Satz geht noch ein bisschen weiter: „das eifrig ist in guten Werken.“ Jesus hatte mehr vor, als uns irgendwann in den Himmel zu bringen. Er wollte uns zu neuen Menschen machen, damit wir sein Volk auf dieser Erde sind, damit wir zeigen, wie er ist, und damit wir veränderte Menschen sind.
Ein paar Verse vorher, in Titus 2, schreibt Paulus eigentlich relativ speziell an Knechte. Heute würden wir vielleicht sagen Arbeitnehmer, obwohl wir nicht alle in einem Sklavenverhältnis arbeiten – manche vielleicht schon. Er sagt, wie sie sich verhalten sollen: „Nichts unterschlagend“, Vers 10, „sondern alle gute Treue erweisen, damit sie die Lehre, die unseres Rettergottes ist, zieren in allem.“
Jesus hat uns gerettet und ein neues Leben gegeben, damit wir eine Zierde für ihn sind, eine Zierde für sein Evangelium, eine Zierde Gottes auf dieser Erde. So dass Menschen sagen: „Wenn Menschen so leben, weil sie Gott gehören, dann möchte ich diesen Gott kennenlernen.“
Das war das Ziel, das Jesus mit unserer Errettung hatte. Ihr merkt, es ist mehr, als irgendwann im Himmel anzukommen. Es geht darum, auf dieser Erde ein Volk zu sein, das Eigentum Gottes ist und eine Zierde für ihn.
Das ist ein hohes Ziel. Und genau darüber schreibt Paulus hier im Titusbrief.
Die Herausforderung der kulturellen Herkunft und das Problem in den Gemeinden Kretas
Und es gab ein ganz besonderes Problem. Der Brief, von dem hier die Rede ist, wurde nämlich an Titus geschickt. Zu dieser Zeit war Titus in Kreta. In Kreta waren verschiedene Gemeinden entstanden, in unterschiedlichen Städten. Die Menschen dort waren wahrscheinlich zum großen Teil noch nicht lange gläubig. Sie hatten Schwierigkeiten, so zu leben, dass es eine Zierde für Gott ist und dass es zu einem Eigentumsvolk Gottes passt.
Paulus beschreibt das Problem, das Titus auf seinen Reisen antrifft. Es betrifft die Gemeinden und das Land insgesamt. Man könnte es als den Volkscharakter oder die Schwächen dieser Gesellschaft bezeichnen. Paulus drückt es sehr deutlich aus. Er zitiert einen Kreter, einen eigenen Propheten aus Kreta, und sagt in Kapitel 1, Verse 1 bis 12: „Einer von ihnen, ihr eigener Prophet, hat gesagt: Kreter sind immer Lügner, böse, wilde Tiere, faule Bäuche.“
Das trifft heute wahrscheinlich nicht auf alle zu, die in Kreta leben. Die Bevölkerungsstruktur hat sich im Laufe der Zeit verändert. Ich möchte auch nichts Schlechtes über Leute sagen, die aus Kreta kommen. Aber Paulus sagt, dieses Zeugnis ist wahr. „Das ist nicht meine Idee, das aufzuschreiben“, sagt er, „das hat einer eurer Leute gesagt, aber so ist es.“ Dort, wo Titus unterwegs ist, in den Gemeinden, kommen die Leute aus diesem Umfeld.
Es ist normal, es ist Standard zu lügen, sagt Paulus. Es ist normal und üblich, sich durchzusetzen, seine Interessen auch mit Gewalt durchzusetzen. So verhalten sich böse und wilde Tiere, die nicht auf moralische Überlegungen achten. Sie fragen nicht: „Passt das moralisch? Passt das ethisch?“ Sie sagen einfach: „Das will ich, und das hole ich mir.“ So sind die Kreter, so sind die Leute in euren Gemeinden. Das ist, wo sie herkommen, ihre Familien, ihr Volk, so ticken sie. Und sie sind prinzipiell faul.
Das ist nicht einfach, oder? Wenn du dich aus einer Familie bekehrst, aus einem Hintergrund, in dem es üblich ist zu lügen, in dem es normal ist, mit aller Gewalt seine eigenen Interessen durchzusetzen, und in dem Faulheit herrscht, dann ist das eine große Herausforderung.
Und jetzt wirst du Christ! Gott wünscht sich, dass du aus dieser Gesetzlosigkeit gerettet bist. Er möchte sich ein Eigentumsvolk heiligen, das eifrig ist zu guten Werken. Das ist ein großer Kontrast.
Ich weiß nicht, wie man Deutsche beschreiben würde. Jedes Volk hat seinen Volkscharakter und seine Schwächen, oder? Und nicht jeder Deutsche ist typisch deutsch. Viele Ausländer würden sagen, typische Deutsche sind rechthaberisch. Sie sind gründlich, fleißig und rechthaberisch. Sie schauen auf andere herab, weil diese nicht so gründlich und fleißig sind. Wenn ich Punkt zehn hier bin und jemand anders erst fünf nach zehn, weil das in seiner Kultur normal ist, sage ich vielleicht: „Das ist kein richtiger Christ, okay? Der ist nicht mal pünktlich.“
Aber wahrscheinlich ist ein typischer Pfälzer kein typischer Deutscher. Und was ein typischer Pfälzer ist, weiß ich nicht. Vielleicht kommst du aus einer Familie, die etwas anders tickt als ein typischer Deutscher oder ein typischer Pfälzer. Vielleicht bist du ein bisschen wie dein Vater oder deine Mutter. Und vielleicht sind da deine Schwächen.
Doch so groß der Unterschied auch ist, Paulus sagt: Es gibt einen Unterschied zwischen unserem alten Leben – dem, was uns so normal erscheint, weil wir es von Kindheit an gesehen und selbst gelebt haben, was in unserem alten Leben normal war – und dem, wozu Jesus dich gerettet hat.
Die Notwendigkeit der strengen Zurechtweisung
An dieser Stelle, in den Versen 12 und 13, steht für mich ein sehr bemerkenswerter Satz: „Aus diesem Grund weise sie streng zurecht.“
Sie haben bezeugt, dass sie sich bekehrt haben, sie bekennen sich als Christen und sind in der Gemeinde. Doch vieles von ihrem alten Leben – sei es typisch deutsch, typisch griechisch, typisch pfälzisch oder geprägt vom familiären Umfeld – hängt ihnen noch an. Dieses abzulegen ist schwierig. Vieles haben sie in die Gemeinde hineingetragen. Paulus sagt deshalb: Weise sie streng zurecht, denn Gott hat ein Ziel.
Oft sind wir Christen einfach immer so nett, oder? Ich frage mich manchmal, ob wir uns überhaupt trauen, jemanden streng zurechtzuweisen. Und ich frage mich auch, was es überhaupt bedeutet, streng zurechtzuweisen. Ich glaube, das ist in jeder Kultur etwas anderes. Versuch mal, einem Koreaner mitten ins Gesicht zu sagen, was dich an ihm stört. Es könnte sein, dass er, wenn du sein Chef bist, sogar Selbstmord begeht.
Denn in Korea sagt man Dinge nicht direkt, sondern deutet sie nur vorsichtig an, weil der andere es schon versteht. Ich glaube, streng zurechtzuweisen bedeutet, dass die Botschaft wirklich beim anderen ankommt. In Deutschland musst du jemandem etwas direkt und deutlich sagen, sonst glaubt er nicht, dass du es ernst meinst.
„Weise sie streng zurecht“ klingt nicht nett. Paulus sagt aber, dass Gott ein Ziel hat. Er hat uns gerettet, um sich ein Eigentumsvolk zu reinigen, das eifrig ist in guten Werken. Diese Menschen müssen die Art Gottes lernen, sie müssen verstehen, wie Gott ist und wie Gott uns haben möchte.
Du musst ihnen klare Ansagen machen, sonst kommt es nicht bei ihnen an. Denn das alte Verhalten, das in der Gesellschaft üblich ist, fühlt sich für sie selbstverständlich an. Es ist für sie normal, nicht immer die Wahrheit zu sagen. Es ist selbstverständlich für sie, den einfachen Weg zu gehen und faul zu sein. Es ist selbstverständlich für sie, ihre eigenen Interessen durchzusetzen.
Diese Menschen müssen lernen, dass es bei Gott anders ist. Wenn man anders lebt, ist man eine Zierde für Gott.
Die zentrale Botschaft des Briefanfangs
Wir kommen jetzt endlich zum Predigttext. Ich habe versprochen, wir reden über die ersten vier Verse von Titus, und ich habe noch nichts dazu gesagt.
Titus 1, Vers 1: Ich lese noch einmal. Paulus, Knecht Gottes, sagt auch: Ich lebe unter dem Befehl und nach den Maßstäben Gottes. Ich stehe da voll drunter. Aber – es ist kein so hartes „aber“ wie im Deutschen, eher ein „aber auch“ – ich bin nicht nur Knecht Gottes, sondern auch Apostel Jesu Christi. Ich bin mit einer Autorität gesandt, und ich schreibe diesen Brief mit einer Autorität.
Wie schreibe ich diesen Brief? Worum geht es? Was ist das Thema meiner Botschaft? Entsprechend dem Glauben der Auserwählten Gottes und der entsprechenden Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist.
Er sagt: Leute, ich schreibe euch, und ich glaube, er geht davon aus, dass nicht nur Titus, sondern auch andere diesen Brief hören und lesen werden. Er sagt: Was ich euch diese nächsten zwei Seiten schreibe, hat Gewicht. Wischt es nicht einfach weg. Was ich schreibe, ist kein Vorschlag. Es ist nicht freiwillig, ob ihr das anwendet oder nicht. Was ich schreibe, ist ernst.
Er sagt ihnen zwei Dinge. Das eine ist: Leute, ihr müsst wissen, wer ihr seid. Ihr seid Auserwählte Gottes. Gott hat euch genommen, um aus euch ein Eigentumsvolk zu machen. Gott hat euch genommen, damit ihr vor ihm steht und ihn repräsentiert. Gott hat euch genommen, damit ihr eine Zierde seid für euren Gott. Ihr repräsentiert einen großen König. Gott hat euch dazu auserwählt.
Und was ich euch schreibe, egal wie alltäglich es euch vorkommt – wie man sich als Arbeitnehmer verhält, wie man redet, welches Vokabular man benutzt –, das ist ja, wenn du mich fragen würdest, wichtig, würde ich sagen: Na ja, im Vergleich zur Ewigkeit ist es sekundär. Aber Paulus sagt, das sind Dinge, die schreibe ich euch, und die sind nicht sekundär. Das sind die Glaubensinhalte derer, die Gott auserwählt hat.
Ihr seid auserwählt, Gott zu repräsentieren. Ihr müsst zu ihm passen als Botschafter Gottes. Ich schreibe euch diesen Brief, damit ihr wisst, wer ihr seid, und damit ihr wisst, welches Verhalten dazu passt, wer ihr seid. Das, was ich sage, entspricht den Glaubensinhalten der Auserwählten Gottes. Wischt es nicht einfach weg. Das sind nicht Maßstäbe nur für Kreta, und es sind auch keine Maßstäbe, die nur für Kreta gelten oder nicht gelten, sondern das sind Maßstäbe, die für jeden wirklichen Nachfolger Jesu gelten, sagt er.
Und das Zweite sagt er: Ihr müsst wissen, was das Wichtigste ist, was ihr auf dieser Erde tut. In meiner Übersetzung ist es mit „Gottseligkeit“ übersetzt, aber eigentlich heißt es „wirkliche Verehrung“. Er sagt: Das Wichtigste, was ihr auf dieser Erde tut, wofür ihr auf dieser Erde seid, ist, Gott zu verehren.
Natürlich mit dem, was ihr sagt, wie ihr zu ihm betet, wie ihr zu ihm singt, aber auch mit dem, wie ihr lebt. Euer Leben soll widerspiegeln, dass ihr diesem Gott gehört und dass ihr diesen Gott verehrt, dass das euer Gott ist.
Und genauso wie ihr wissen müsst, wer ihr seid und welches Verhalten dazu passt, müsst ihr wissen, was das Wichtigste ist, was es auf dieser Erde für euch gibt. Das Wichtigste, was ihr tun könnt. Und ihr müsst wissen, was dazu passt: die Erkenntnis der Wahrheit, die der wirklichen Verehrung Gottes entspricht.
Und das ist ein bisschen streng, oder? Das ist ein bisschen streng. Paulus gibt dem Gewicht, er sagt: Wischt das nicht leichtfertig weg. Es geht um die Glaubensinhalte der Auserwählten Gottes, und es geht um die Wahrheit, die ihr wissen müsst, um wirklich Gott zu verehren und ihm zu dienen.
Lest das, was ich schreibe, gründlich. Denkt nicht, es ist banal. Gott ist wichtig. Ein Eigentumsvolk zu haben, gereinigt zu guten Werken, ist Gott wichtig. Gott ist es wichtig, Menschen auf dieser Erde zu haben, die eine Zierde sind für ihren Rettergott.
Euer praktisches Leben auf dieser Erde ist nicht unwichtig. Es ist nicht nur eine Übergangsstation, um irgendwann im Himmel anzukommen. Wie ihr auf dieser Erde lebt, als Repräsentanten Gottes, ist Gott wichtig.
Die Hoffnung auf das ewige Leben und die Verheißung Gottes
Aber das ist nicht der einzige Punkt, den Paulus in seine Einleitung packt. In den Versen zwei und drei spricht er lässig von der Hoffnung des ewigen Lebens, das Gott, der nicht lügen kann, vor ewigen Zeiten verheißen hat.
Zu seiner Zeit, zur richtigen Zeit, hat Gott sein Wort offenbart – durch die Predigt, die mir anvertraut worden ist nach dem Befehl unseres Rettergottes. Paulus sagt: Ja, auch wenn ich in diesem Brief hauptsächlich über diese Erde schreibe und über euer Leben hier, über das, was Gott von euch erwartet – ein ganz praktisches Verhalten, ein ganz praktisches Reden miteinander –, so glaube ich doch, genau wie ihr, an ein ewiges Leben. Ich glaube daran, dass das Größte noch kommt.
Ich schreibe euch mit dieser ganzen Ernsthaftigkeit für dieses Leben, aber ich schreibe euch auch mit der Hoffnung auf ein ewiges Leben. Wir hatten Titus Kapitel 2, Vers 14 gelesen. Ich lese noch einmal diesen Abschnitt ab Vers 11:
Denn die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend für alle Menschen, und unterweist uns, damit wir die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden verleugnen und besonnen, gerecht und gottselig leben in dem jetzigen Zeitlauf.
Es geht um diese Erde, sagt Paulus. Wir sollen auf dieser Erde, in der Zeit, die uns noch bleibt, so leben, wie es Gott gefällt.
In Vers 13 heißt es: Indem wir erwarten die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus. Er sagt also: Ja, es geht auch um die Ewigkeit. Wir sollen auf dieser Erde leben, wie es Gott gefällt, aber wir erwarten auch die Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus.
Und bei all dem Kampf auf dieser Erde, bei all der Bemühung, so zu leben, wie es Gott gefällt – mit der Hilfe, die Gott uns dazu gibt – warten wir doch auf eine Ewigkeit. Diese Erde ist nicht alles. Sie ist nicht unwichtig, sie ist wichtig, aber sie ist nicht alles.
Dann kommt Vers 14, den wir schon gelesen haben: Er hat sich selbst für uns gegeben, den er loskaufte von aller Gesetzlosigkeit und sich selbst ein Eigentumsvolk reinigte, das eifrig sei in guten Werken.
Paulus fängt in Vers 12 mit dieser Erde an: Lebt, wie es Gott gefällt. In Vers 13 sagt er: Es gibt eine Ewigkeit, wir warten auf etwas. Und in Vers 14 sagt er: Deshalb lebt auf dieser Erde so, wie es Gott gefällt.
Er sagt, beides ist wichtig. Das widerspricht sich nicht, das gehört zusammen. Ich finde es schön, dass er das in dieser Einleitung schon sagt: in der Hoffnung des ewigen Lebens. Ich schreibe euch in der Hoffnung eines ewigen Lebens.
Im zweiten Timotheusbrief, den er wahrscheinlich etwa ein Jahr später geschrieben hat, schreibt er das wieder – eigentlich nur diesen einen Satz in der Einleitung: in Erwartung des ewigen Lebens. Das war der Brief, in dem er wusste, dass er nur noch wenige Tage, Wochen oder Monate zu leben hat, weil er hingerichtet werden würde. Vielleicht hat das dort noch größeres Gewicht, aber auch hier hat es schon Gewicht: die Hoffnung des ewigen Lebens.
Dann sagt er so einen netten kleinen Satz, der typisch für den Titusbrief ist: „welches Gott verheißen hat vor ewigen Zeiten, der Gott, der nicht lügen kann.“
Überlege mal: Du kommst aus einer Kultur wie der auf Kreta, wo Lügen normal sind. Wo du nie weißt, ob jemand dir gerade die Wahrheit sagt – ob es ein Kollege ist, dein Chef oder vielleicht sogar jemand aus deiner Familie. Lügen ist so normal, dass du der Aussage von jemandem zu vertrauen gar nicht gewohnt bist. Jemandem einfach zu glauben, was er sagt, ist für dich ungewohnt.
Und Paulus sagt: Wisst ihr, wer euch das ewige Leben versprochen hat? Der Gott, der nicht lügen kann.
Ich glaube, sie haben lange gebraucht nach ihrer Bekehrung, um das nicht nur im Kopf zu wissen, sondern um es auch so zu empfinden: Da ist ein Gott, der nicht lügen kann. Denn sie kannten niemanden, der nicht lügt. Sie kannten niemanden, der nicht immer wieder lügt.
Zu wissen, dass da ein Gott ist, der anders ist, der mir etwas versprochen hat – ewiges Leben –, und weil er es versprochen hat, wird er es halten. Ich werde dieses ewige Leben bekommen.
Der Abschluss des Briefkopfs: Gemeinschaft und Segen
Paulus hat eine Botschaft für die Kreter. Er spricht sie direkt an: Ihr seid es gewohnt zu lügen, euch durchzusetzen und faul zu sein. Doch Gott erwartet von euch andere Menschen. Ihr seid es gewohnt, dass man euch anlügt, aber euer Gott ist anders.
Die Botschaft ist nicht mehr so streng wie in Vers 1. Dort zeigt sich die Strenge Gottes, doch hier spürt man die Hoffnung und die Zusagen Gottes. Die Atmosphäre ist nicht mehr so streng. Paulus schließt seine Einleitung ab – das ist der dritte Punkt – mit Vers 4. Er nennt ganz normal den Empfänger des Briefes und fügt einen kleinen Segenswunsch hinzu.
Er schreibt an Titus, „ein echtes Kind“, und wünscht ihm Gnade und Frieden von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Retter. Fast immer schreibt Paulus „unserem Herrn“, aber hier nennt er Jesus „unseren Retter“. Das hat er schon einmal erwähnt, in Vers 3: Diese Botschaft ist ihm anvertraut worden nach Befehl Gottes, unseres Retters.
Ihm ist es sehr wichtig, dass wir gerettet sind – gerettet für die Ewigkeit und gerettet aus unseren alten Lebensgewohnheiten. Beides gehört zusammen. Jesus ist unser Retter. Wir müssen nicht so bleiben, wie wir sind, heißt es in einem Lied, und wir haben eine Zukunft im Himmel.
Ein kleiner Satz in Vers 4 gefällt mir besonders gut – eigentlich nur ein kleines Wort. Paulus sagt: „Titus, meinem echten Kind nach unserem gemeinsamen Glauben.“ Paulus ist von jüdischem Ursprung, Titus von heidnischem. Paulus betont, dass sie einen gemeinsamen Glauben haben.
Das ist eine der größten Segnungen für Christen auf dieser Erde: Menschen zu haben, die denselben Glauben und dieselben Überzeugungen teilen. Ich empfinde das als eines der größten Geschenke, die ich habe – Menschen mit wirklich denselben Überzeugungen. Ich glaube, Paulus hat das genauso empfunden, deshalb schreibt er es so.
Ob Titus durch Paulus gläubig wurde oder ob Paulus ihn nur geistlich geprägt hat, als eine Art geistlicher Adoptivsohn, ist nicht ganz klar. Aber Paulus ist wichtig zu sagen: „Du, Titus, was mein Herz erfüllt, ist unser gemeinsamer Glaube und unsere gemeinsame Überzeugung.“
Das ist auch ein Grund, warum ich die Gemeinde Gottes liebe. Es ist ein Grund, warum ich es liebe, wenn ich irgendwo bin, Geschwister zu suchen – selbst im Urlaub. Ich suche Menschen mit einem gemeinsamen Glauben, auch wenn wir nicht die gleiche Sprache sprechen. Man findet immer einen Weg, sich zu verständigen.
Letzte Woche bekam ich eine Mail, darunter stand: „Verbunden in dem Herrn Jesus, Andreas.“ Solche christlichen Floskeln überlese ich meist. Doch hier habe ich gespürt, dass Andreas es wirklich meint. Er schreibt das, obwohl wir uns nur alle paar Jahre sehen. Dass er sich mit mir verbunden fühlt in dem Herrn Jesus, hat mich sehr bewegt.
Das ist das, was Paulus hier sagen will: Wir haben einen gemeinsamen Glauben und eine gemeinsame Überzeugung. Darum schreibt er Titus. So viel hat Paulus schon in den ersten vier Versen seines Briefes untergebracht. Er spricht von der Strenge Gottes, die er später noch deutlicher nennt. Es geht um den Glauben an den wahren Gott und um echte Gottesverehrung – wie wir auf dieser Erde leben sollen.
Er hat auch die Zuverlässigkeit Gottes und die Hoffnung, die wir in ihm haben, angesprochen – die Hoffnung auf das ewige Leben, die Gott uns verheißen hat, weil er nicht lügen kann. Und er hat etwas von der größten Segnung erwähnt, die wir auf dieser Erde haben: Menschen, mit denen wir durch den Herrn Jesus verbunden sind, durch einen gemeinsamen Glauben und gemeinsame Überzeugungen.
Paulus hätte viel Zeit gehabt, alles ausführlich zu schreiben, und manches davon tut er später noch. Aber das sind die Punkte, die ihn bewegt haben. Darum schreibt er diesen Brief. Er hat diese Gedanken schon in den Briefkopf gepackt, weil sein Herz voll davon war.
Es ist gut, wenn wir diese Gedanken nicht einfach zur Seite schieben. Es ist gut, über die Maßstäbe und die Strenge Gottes nachzudenken. Es ist gut, über die Verheißung Gottes nachzudenken – über den Gott, der nicht lügen kann. Und es ist gut, über die großen Segnungen nachzudenken, die wir schon hier auf der Erde haben, besonders die Segnung von Geschwistern.
Diese Botschaft richtet sich an ganz junge Gemeinden. Aber egal, wie lange wir schon gläubig sind: Gott hat diesen Brief in sein Wort aufgenommen, und er ist auch eine Botschaft für uns.
Diese ganze Spannweite zwischen Strenge, Segnung und Verheißung zeigt die Güte und die Strenge Gottes. So ist Gott, und so ist seine Botschaft. Es ist gut, wenn wir nichts davon wegnehmen.