Einführung in die Herausforderung des biblischen Auftrags
Wir kommen nun im Römerbrief zu Kapitel 12, Vers 17. Hier werden wir mit einem Abschnitt konfrontiert, der uns das Wort Gottes aufträgt, auch Dinge auszusprechen, die wir vielleicht nicht sagen wollten. Es geht, wie schon im Wort Jesu, um das Tun.
Es war mir eine große Hilfe, dass wir gerade dieses Lied gesungen haben. Es zeigt, dass Christen der Welt keine Ratschläge geben können, sondern sich unter ihre eigenen Versäumnisse beugen müssen – besonders dort, wo es um Liebe und Frieden geht.
Das sind keine leeren Sprüche, die man einfach ausspricht oder auf Plakate schreibt. Stattdessen ist es eine Haltung, bei der man auf die Knie gehen und sagen kann: „Herr, sei mir Sünder gnädig.“ Ohne eine solche Erneuerung und Umkehr wird nichts neu werden – weder bei uns noch bei anderen.
Es ist gut, dass wir heute nur diese wenigen Verse haben, damit wir sie ganz für uns aufnehmen, lesen und darüber nachdenken können:
„Vergeltet niemand Böses mit Bösem, seid auf das Gute bedacht. Gegenüber jedermann, so viel an euch liegt, habt mit allen Menschen Frieden. Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes, denn es steht geschrieben: ‚Die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der Herr.‘ Vielmehr, wenn dein Feind Hunger hat, gib ihm zu essen; hat er Durst, gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln. Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“
Herr, richte jetzt unsere Herzen und bewahre uns davor, nur Sprüche zu machen! Amen!
Die Realität des Bösen und die Herausforderung der Liebe
Schwestern und Brüder, zu den Dingen, die junge Leute ausprobieren müssen, gehört sicher auch, eine Münze auf die Straßenbahnschienen zu legen. Haben Sie das auch schon einmal gemacht, als Sie klein waren? Das ist schon lange her, so ein Abenteuer: Wenn die Räder der Straßenbahn darüber rattern und man danach die Münze in die Hand nimmt. Früher konnten wir uns höchstens einen Pfennig leisten, damals waren wir ärmer als heute.
Doch die Münze ist wie zuvor: Genau so viel Material ist noch drin, genau das Eisen, alles ist noch da. Sie ist nur plattgewalzt. Man sieht die Prägung darauf nicht mehr.
An diese Erfahrung muss ich in diesen Tagen immer denken, wenn so viele Bibelworte zitiert werden. Und Menschen, die sonst von Jesus gar nicht viel halten, plötzlich überzeugte Verfechter der Bergpredigt Jesu werden – sogar der Rede, die Jesus als die Ordnung nur seinen Jüngern zugemutet hat, den Glaubenden.
Wenn so viele Räder darübergehen, hat man Sorge, was am Ende übrig bleibt. Ob das nicht genau so plattgewalzt ist, sieht noch aus wie zuvor, aber das Profil fehlt. Das, was in diesen Worten eingeprägt ist.
Und da kann man dann bei allen Zitaten von Bibelworten immer wieder die Probe aufs Exempel machen: Sieht man das Profil noch? Das spricht doch Paulus, der in einem solchen Ernst verkündigt hat, dass man ohne Jesus nichts tun kann. Sieht man das noch, das Profil?
Denn bei einem Predigttext, wie wir ihn heute haben, da könnte es ja passieren, dass wir plötzlich Beifall bekommen von vielen Menschen, die sonst gar nicht viel vom Wort Gottes halten. Sie sagen: Endlich predigt er über die Sache, die so wichtig ist, dass wir Liebe tun, freundlich sind, entspannend wirken, entkrampfend und in dieser Welt etwas Neues gestalten.
Ja, wollt ihr nicht mitmachen? Warum haltet ihr euch denn immer abseits? Warum reiht ihr euch nicht ein in unsere Kette?
Und dann fühlen wir uns unverstanden, wenn wir immer wieder sagen: Wir können das nicht so leicht wie ihr, das ist bei uns viel, viel schwieriger.
Ach so, ihr wollt das nicht, wir wollen es. Wir sagen: Dann geht. Wir freuen uns an eurem Mut und an eurem Optimismus. Aber wir wissen, dass es gar nicht lange dauert, bis ihr wieder in eine tiefe Depression verfallt und enttäuscht seid, wenn man nämlich wirklich merkt, dass man den Frieden nicht machen kann.
Die bedrückende Wirklichkeit des Bösen
Warum nicht? Mein erster Punkt, über den ich heute predigen muss: Das Böse ist eine erschütternde Realität.
Es tut uns manchmal ganz gut, wenn wir in alten Predigtbüchern lesen. Bei manchen von Ihnen steht zuhause noch die Auslegung, die einst Helmut Thielecke zur Bergpredigt gehalten hat, hier in der Stuttgarter Markuskirche. Als damals die Stuttgarter zusammenkamen aus den zerbombten Häusern, viele hatten alles verloren, und wenn man eine solche Predigt liest, dann fällt einem erst auf, dass man damals gar nicht mehr solche Worte verstehen konnte.
Man hat ja die Dämonie des Bösen erlebt. Man war so machtlos gegen alles. Und Thielecke spricht davon. Das klingt in unseren Ohren, als wären es Märchen, als ob wir Frieden machen könnten.
Aber ich habe heute Morgen gedacht: Hier im Gottesdienst sitzen Leute, die genau dieselbe Erfahrung machen. Das Böse ist eine grausige Realität.
Das Böse – das ist typisch für unsere Zeit, dass man es leugnet. Es gibt ja nichts Böses mehr. Es gibt eine schlechte Erziehung, es gibt dumme, unverständliche Eltern, sagen die jungen Leute. Die haben uns falsch erzogen. Aber mit Wissen, Verstand und gutem Willen kann man alle Probleme lösen.
Aber wer einmal sein eigenes Leben anschaut – und wenn Sie sich nur umschauen bei Ihren Nachbarn heute Morgen hier im Gottesdienst –, da gibt es Menschen, die in einer Ehe leben und sagen: Es ist die Hölle.
Und wenn man diesen Leuten schulterklopfend sagt: „Du musst bloß lieben, du musst bloß wollen, dann wird alles gut“, dann hilft das nicht.
Da gibt es Eltern, die können über ihre Kinder nur noch weinen, weil sie sagen, sie sind von dunklen Mächten beherrscht. Und andere haben schon Angst, wenn sie morgen wieder an ihren Arbeitsplatz kommen, weil sie spüren: Das sind Menschen, die wollen nur Gemeines mit mir.
Wir kennen das von vielen, die es uns anvertrauen und sagen: Die Arbeit wäre gar nicht schlimm, wenn nur die Menschen nicht wären – diese bösen Menschen in der Familie, im gleichen Haus, oft unter einem Dach.
Meint Paulus das auch so? Schuld und klug von „Na ja, richtet nicht und liebt und seid mal nette Leute und probiert das mal mit dem Guten“? Das kann ich doch gar nicht tun.
Darum habe ich von dem Profil gesprochen, dass wir das nicht plattwalzen.
Die innere Erkenntnis des Bösen und die Notwendigkeit der Umkehr
Was hat Paulus im selben Römerbrief über das Böse geschrieben? Eigentlich sollten wir das Böse am besten aus unserem eigenen Herzen kennen. Woher? Weil dieses Böse uns so sehr gefangen hält.
Manchmal zeigen es uns schon die Kinder in ihrer Aufrichtigkeit, wenn es eine Verstimmung gab: „Es tut uns leid, ich wollte das eigentlich gar nicht, ich verstehe mich selbst nicht mehr.“ So schreibt Paulus im siebten Kapitel des Römerbriefs, dass das Böse, das ich eigentlich nicht tun will, ich dennoch tue. Er beschreibt das Gefühl, gebunden und gefangen zu sein in diesem Bösen.
Wenn Paulus uns hier Ratschläge zur Liebe, zum Vergeben und zum Versöhnen gibt, dann wusste er ganz genau, wie diese Welt aussieht. Und wenn Jesus uns in der Bergpredigt Ähnliches gesagt hat, dann wusste auch er es genau. Er, der gekommen ist, um diese Welt zu erlösen, wollte nicht einfach nur bei großen Weltverbesserungsvorschlägen mitmachen. „Völker, die guten Willens sind, vereinigt euch und tut das Gute.“ Aber da steht doch auch: „Seid auf das Gute bedacht“ im Vers 17.
Die Bedeutung des Guten im biblischen Kontext
Was ist denn das Gute?
Man muss dazu ins Neue Testament schauen und sich genau ansehen: Seid auf das Gute bedacht. Das Gute ist, dass Jesus Christus böse Herzen neu machen kann. Das Gute ist, dass Jesus Christus uns umwandeln und bekehren kann.
Luther hat mit seinem Bußruf genau das gemeint: dass wir wiedergeborene Menschen werden, wenn der Heilige Geist Gottes uns bestimmt und nicht mehr unsere natürliche Art. Was soll denn das Gute anders sein?
Es gibt eine Welterlösung, an der niemand vorbeikommt. Dafür hat Jesus Christus sein Leben gelassen und ist gestorben. Dabei musste Blut fließen, denn ohne das ist es gar nicht möglich, dass wir Menschen aus unserer alten, bösen und streitsüchtigen Art herauskommen.
Seid auf das Gute bedacht!
Das war Paulus besonders wichtig. Er hat in den ersten acht Kapiteln eindrucksvoll beschrieben, wie uns Jesus aus dieser alten Bindung des Bösen herausrettet. Nun möchte er den Christen sagen: Lebt das doch jetzt!
Ihr dürft das, was Jesus euch schenkt, umsetzen und in euren spannungsvollen Beziehungen in dieser Welt praktizieren. Ihr dürft in die Fußstapfen Jesu treten – als umgewandelte und bekehrte Menschen. Lebt das und praktiziert es!
Die Grenzen menschlicher Weltverbesserung und die Notwendigkeit von Realismus
Das Zweite
Wir können diese Welt nicht säubern. Es ist immer schwierig, wenn man in solchen optimistischen Bewegungen, wie sie heute weltweit verbreitet sind, ein wenig dämpfen möchte. Die Leute meinen dann oft, wir seien dagegen. Dabei freuen wir uns über jedes Gute, über jeden guten Gedanken.
Aber all die großen Bewegungen der Erneuerung, wenn sie nicht im Evangelium Jesu verwurzelt sind, sind in kurzer Zeit wieder vergangen. Sie waren wie ein Rausch und sind am Bösen gescheitert. Deshalb müssen wir einfach Realisten sein.
Wir wissen doch: Wenn wir in dieser Welt leben – und jetzt nennen wir die Dinge beim Namen – kann man in dieser Welt ohne Polizei leben? Nein. Paulus fährt ja gleich im nächsten Kapitel des Römerbriefs fort, dass die Obrigkeit, die Staatsmacht, mit Recht die Gewalt hat zu töten. Denn das Böse in dieser Welt ist so schlimm, dass man es nur durch Notordnungen zurückdrängen kann.
Es gäbe ein grausames Chaos, wenn man versuchen würde, einmal alles freizulassen – in jener merkwürdigen Anarchie, das heißt Herrschaftslosigkeit. Wir würden merken, wie gerade das Böse so schrecklich triumphiert, wie der Schwache an die Wand gedrückt wird und wie keiner ihn in Schutz nimmt. Denn das Menschenherz ist nicht gut, sondern böse.
Darum ist es auch im Glauben klar, dass Christen mithelfen müssen, die Ordnungen der Welt zu bewahren. Ein Richter kann nicht bei einer Gerichtsverhandlung sagen: „Ach, ich habe dich lieb“, wenn ein Schwerverbrecher gebracht wird. Damit wird er das Böse nicht besiegen können. Es braucht das.
Vielleicht wäre ich auch schon manchmal bei einer roten Ampel durchgefahren, wenn es keine Strafzettel gäbe. Vielleicht sind manche entsetzt, wenn man so etwas sagt, aber so sind wir manchmal. Wir reagieren nur empfindlich, wenn wir wissen, dass eine Radarkontrolle stattfindet oder eine Geschwindigkeitsbegrenzung überwacht wird. Das wissen wir doch selbst: Wir antworten nur darauf, wenn uns genau gemahnt wird: „Du musst hier Achtung geben – um des Menschenlebens willen.“
Es wäre schön, wenn wir das alles spontan täten, ohne Androhung von Strafe. In dieser Welt gibt es Notordnungen. Aber Paulus geht es gar nicht darum, dass wir die Welt säubern könnten. Das ist vielleicht wieder ein Wahn unserer Zeit.
Wenn manchmal von den Kanzeln hin und her über alle Länder der Welt gepredigt wird – von Mittelamerika bis Südamerika, von Korea bis rund um die Welt – dann gilt: Wir können die Welt nicht säubern, auch nicht mit unseren christlichen Sprüchen.
Wir können ja nicht einmal unsere Kinder beeinflussen. Wir können nicht einmal in unserer nächsten Umgebung oft Frieden stiften. Darum sagt Paulus so viel an euch ist. Das ist ganz nüchtern erkannt: Wir haben das gar nicht in unserer Macht, dass wir nur auf den Knopf drücken müssen und alles spurt.
Wir sind nicht die Saubermänner der Welt, die über alles und jedes Gericht sitzen müssen. Nein, das sollen wir nicht sein. Wir brauchen nicht zu rächen, denn Gott richtet die Welt. Das entkrampft uns als Christen.
Dass die furchtbaren und scheußlichen Dinge dieser Welt von uns gar nicht gerichtet werden können – die KZ und die Strafarbeitslager, die Millionen Toten und die zu Unrecht Betrübten – sicher wollen wir darauf hinweisen. Aber wir können diese Welt nicht richten.
Paulus packt uns und sagt: Lebe du in deiner Umgebung die Liebe Jesu. Tu du das an deinem Platz.
Die Überwindung der natürlichen Reaktion auf das Böse
Dass mit dem Rächen ist eine Sache, die uns automatisch überkommt, wenn uns jemand reizt oder provoziert. Dann kommt diese Reaktion spontan und wie ein Echo aus uns heraus. So sind wir nun einmal gebaut: Wir sind Menschen, die reagieren – manche schneller und temperamentvoller, andere langsamer. Aber wir sind auf diese Reaktion angelegt.
Paulus weist uns jedoch auf ein Geheimnis hin: Wir können diese schreckliche Reaktion unterbrechen, indem wir das, was uns so sehr belastet und verwundet, bei Jesus ablegen.
Jetzt sehen Sie, wie Paulus als Seelsorger mit diesen Worten gedacht hat. Er hat an die spannungsvollen Verhältnisse gedacht, die uns zu Boden drücken. Er sagt: Leg das im Gebet zu Füßen Gottes – die verletzenden Worte, die Verbittern, diesen Hass, der dich zusammendrückt. Leg es Jesus hin.
An dieser Stelle kann man nicht anders, als an das wunderbare Bild von Konrad Ferdinand Maybach zu denken: Die Füße im Feuer. Darin muss ein Schlossherr jenen Abgesandten des Königs beherbergen, der einst seine eigene Frau ins Feuer geworfen hat. Am Morgen betritt dieser Abgesandte das Zimmer, in dem der Mann sitzt, an dessen Händen Blut klebt. Er fragt ihn anschließend: „Warum hast du nicht Rache geübt?“
Die Antwort lautet: „Mein ist die Rache, spricht der Herr.“ Wir können die Dinge gar nicht rächen, und das ist nicht unsere Aufgabe. Es ist nicht christlich, ständig über das Schreckliche zu reden und zu klagen, das in der Welt geschieht. Auch sollten wir nicht immer wieder alle schrecklichen Ereignisse der Geschichte vorbringen. Das ist nicht unsere Art.
Wir sollten vielmehr Boten des Reiches Gottes sein.
Die Hoffnung auf die endgültige Überwindung des Bösen durch Liebe
Und da komme ich zum Dritten und eigentlich zum Wichtigsten: Das Böse kann besiegt werden.
Das Böse kann besiegt werden, nicht in der Form der Saubermänner, die meinen, wir machen eine neue Welt. Das sind die Ideologen, die ein neues Einheitsreich bauen wollen. Und wir Christen können da nicht mitmachen. Das passt nicht hinein, nach all dem, was wir wissen, und nach all dem, was uns auch das Wort Gottes sagt. Über die Zukunft der Weltgeschichte wollen wir da nicht mitreden.
Warum handeln Christen manchmal anders? Wir haben davon gesprochen, dass wir in den Ämtern sehr darauf bedacht sein müssen, dass diese Welt erhalten wird und dass das Böse einigermaßen zurückgedrängt wird in all den staatlichen Ordnungen und Gesetzen. Paulus weist uns darauf hin, dass es eine zweite Sache bei uns gibt: dass wir Boten Jesu sind. Und da wollen wir Menschen retten von der Macht des Bösen.
Das noch mal gesagt: Wenn es darum geht, wie wir das Böse einigermaßen in dieser Welt in Schach halten, dann geht das Böse, das wir nicht wegbekommen, leider nur durch Macht, nur durch Ordnung, nur durch Strafe. Eltern müssen auch ihren Kindern Grenzen setzen, und wer das in seiner Erziehung versäumt, wird schuldig. Man kann das nicht anders regeln.
Aber es gibt noch eine zweite Linie. Du weißt es doch selbst aus deinem Leben, wie teuflisch Bindungen sein können. Jetzt schau den anderen Menschen, der dir so viel Not macht, einmal mit den Augen der erlösenden Liebe Jesu an. Sieh doch dieses Scheusal von Mann, der dich bedrängt, einmal so an als einen Gebundenen des Satans, der in seinem Innersten, ohne es sich zuzugeben, nach Erlösung schreit.
So hat auch Jesus die Menschen betrachtet. Er hat ja nicht gesagt: „Das ist eine Dirne, ach so“, sondern gewusst, dass im Innersten die Sehnsucht nach Gott lebt. Nur so verstehen Sie die Bergpredigt, nur so verstehen Sie die Worte der Liebe in der Bibel richtig, nur so verstehen Sie das Profil der biblischen Worte.
In allen staatlichen Ordnungen wollen wir einen seelsorgerlichen Blick haben. Wenn ein Lehrer diesen Blick nicht hat bei seinen Schülern, dann wird er mit allen Strafen danebenliegen. Und wenn das einer nicht sieht, auch im Gericht, auch im Gefängnis, wenn er Wärter sein muss und zuschließen muss, aber keinen seelsorgerlichen Blick für den Menschen hat, wird er schuldig.
Und das ist jetzt wunderbar: Das Böse kann besiegt werden, wirklich besiegt, vollkommen besiegt werden. Wir waren im letzten Sommer in Pura bei einer Freizeit. Das ist ein Freizeitheim des Gotthilfswerks in der Schweiz. Dort sammeln sie so viele schwer erziehbare junge Leute.
Ich wollte Ihnen einfach nur erzählen, was die für Erfahrungen machen. Sie müssen manchmal ganz klare Ordnungen aufstellen, sicher, sonst würde ja alles drunter und drüber gehen. Aber wie sie sagen: Wenn man anfängt, mit der Liebe Jesu und mit seiner Botschaft auf Menschen zuzugehen, mit seiner Botschaft, mit dem Evangelium von der erlösenden Gnade Jesu, dann sagen plötzlich Kinder, die nur in Bitterkeit und Hass waren: „Ich entdecke diese Liebe.“ Und dann wird ihr Herz umgewandelt.
Das Böse wird nur durch die Liebe Jesu besiegt. Das andere sind Notordnungen, um das Böse zurückzudrängen. Und das ist unser Auftrag. Das kann ich nur als Einzelner tun, das können wir nur als Gemeinde tun. Lasst uns diesen Dienst tun an den Menschen!
Die Kraft der Liebe Jesu in schwierigen Lebenssituationen
Jetzt stehen Sie wieder draußen und sagen: Ja, aber wenn jetzt der spannungsvolle Moment kommt und ich mit Menschen zusammenlebe, die das Wort Mensch nicht mehr verdienen – und das stimmt ja –, dass Menschen, Geschöpfe Gottes, zu Bestien werden können, dann kann ich doch gar nicht lieben.
Dann blicken Sie sie an, so wie Jesus sie anblickt. Du kannst es nicht, aber Jesus will dir diese Liebe schenken. Er hat es bis hin zum Kreuz noch durchprobiert, als sie ihn geschlagen und verhöhnt haben: „Vater, vergib ihnen.“ Nicht, dass fünf gerade sind – gar nicht so –, sondern: „Herr, sieh doch diese Menschen und lass sie herausfinden aus ihrer grausamen Art!“
Und ich darf das noch begründen, einfach, damit wir ein bisschen besser Bescheid wissen. Jesus selbst hat dieses Gesetz der Bergpredigt nicht so angewandt. Als er vor dem Hohenpriester geschlagen wurde, hat er nicht gesagt: „Da ist die andere Wange.“ Er hat gesagt: „Warum schlägst du mich?“
Jesus hat gewusst, dass das Böse auch gestraft werden muss – sicher. In unserer Welt darf man das benützen. Und ein Franz Alt, der für den Frieden ist, hat auch beim Gericht geklagt, dass er wieder Moderator sein darf. Das darf man, die weltlichen Ordnungen benützen. Das sind zwei verschiedene Dinge, und wir brauchen beide, wenn wir keine Schwärmer sein wollen.
Und ein Paulus, der so von der Liebe redet, hat sich doch auf den Kaiser berufen, auf das Gerichtsverfahren. Er sagt: „Ich will das geklärt wissen, ob ich verurteilt werde.“ Wir dürfen die Weltordnung natürlich benützen, aber das ist des Christen nicht eigentlicher Dienst.
Halten Sie das auseinander!
Der Auftrag der Christen als Boten der Liebe und Hoffnung
Wir sind Boten der Liebe Jesu, gesandt, das Böse zu besiegen. Deshalb befinden wir uns oft in spannungsvollen Beziehungen, an Orten, wo es kaum noch auszuhalten ist.
Warum muss ich dort sein? Damit ich die Liebe Jesu weitergeben kann. Dabei sammle ich feurige Kohlen auf mein Haupt. Menschen, die voller Bitterkeit und Hass sind, sollen spüren: Jesus liebt dich. Ich kann das nicht tun ohne ein klares Profil. Ohne das unverwechselbare „Jesus hat dich lieb“ und die Botschaft, dass Jesus dich aus den Klauen des Teufels befreien muss. Er muss dein Herz bekehren und verwandeln.
Dazu ist es notwendig, dass wir selbst verwandelt sind. Es ist eine merkwürdige Reformationsfeier, die wir heute hier begehen, aber sie trifft doch ins Herz.
Lass dich nicht vom Bösen überwinden und klage nicht darüber. Natürlich ist das die Welt – die unerlöste Welt, die vom Bösen beherrscht wird. Dort sagt der Teufel: „Alles gehört mir.“ Aber sei du ein Bürger des neuen Reiches Gottes. Lebe so und überlege: Wie kann ich anderen die Liebe Jesu spüren lassen?
Du bist einer, der in dieser Welt nicht sein Recht fordert, sondern einen ganz anderen Ruhm kennt. Wenn ich nur etliche retten darf, wenn ich nur erleben darf, dass bei einigen das Böse von der Liebe Jesu überwunden wird – nicht in der naiven Erwartung, dass das Böse plötzlich nicht mehr da ist, sondern in der Kraft Jesu.
Diese Kraft macht sündige Menschen frei, holt sie heraus aus ihrem falschen Leben und führt sie hinein in die Nachfolge Jesu, damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Amen.
