Liebe Freunde, beim Alten Testament kommt es mir immer so vor, als wäre es wie ein Spiegelsaal in einem Schloss. Kennen Sie solche Säle, zum Beispiel in Versailles, Ludwigsburg, Morpho oder sogar auf der Solitude in Schönbrunn?
Zuerst ist man oft ein wenig enttäuscht und denkt: „Ach, die Spiegel sind abgeblättert, das hatte ich mir ganz anders vorgestellt.“ Die Spiegel wirken etwas trübe. Und dann steht man im Spiegelsaal und sieht dort Menschen mit seltsamen amerikanischen Hüten, zwei Japanerinnen, die Fotos machen, und denkt: „Ach, das sind ja dieselben Leute.“ Die Menschen spiegeln sich unzählige Male. Der Vater, der sein Kind auf dem Rücken trägt, sieht diese Menschen vielfach reflektiert.
So ist es auch, wenn man ins Alte Testament eintaucht. Man denkt, das sind menschliche Geschichten: Abigail und Jona, Abraham und Sarah – Menschen mit Macken, Ecken und Kanten. So liest man es zunächst.
Doch wenn im Spiegelsaal durch den Führer die Kronleuchter eingeschaltet werden, kann man sich vorstellen, wie prächtig es früher war, als der Saal noch voller Kerzenlicht war. Dann vergisst man die amerikanischen Touristen, die fotografierenden Japanerinnen und den Vater mit seinem Kind auf dem Rücken.
Man sieht nur noch die Fülle des Lichts. Ein Spiegelsaal ist genau dafür gebaut: dass das Licht endlos vervielfacht wird.
Die Offenbarung des Alten Testaments im Licht Jesu Christi
Wenn wir einen Blick ins Alte Testament werfen, zeigt sich plötzlich Jesus als das Licht der Welt, das sich darin spiegelt. Dann sehen wir nicht nur Menschliches, mit Macken, Ecken und Kanten oder Trübes. Vielmehr erkennen wir bereits den Jesus am Werk, der unser Heiland und Retter ist.
Deshalb sagte Jesus nach seiner Auferstehung den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus, als sie noch ganz benommen waren und überhaupt nicht verstanden, was geschehen war: „Musste nicht Christus dies erleiden?“ Er nannte sie „dumme Kerle“ und fragte, ob sie so träge in ihrem Herzen und Denken seien, dass sie nicht begriffen, dass all dies schon im Alten Testament geschrieben steht. Dann öffnete er ihnen die Schrift. Später sagten sie: „Uns brannte das Herz, als er die Schrift öffnete.“
Jesus begann bei Mose, den Propheten und den Psalmen und zeigte ihnen, dass alle Linien zwangsläufig auf ihn hindeuten – auf den gekreuzigten und auferstandenen Jesus. Nicht, weil Mose schon ein paar „Jesus-Gene“ in sich getragen hätte, sondern weil Gott am Wirken ist. Von ihm singen wir: „Wie du warst vor aller Zeit, so bleibst du in Ewigkeit.“
Deshalb sehen wir die Fußspuren Gottes. Wir erkennen, dass Gott bei Mose, Abraham, Sarah und Abigail zugepackt hat – aber am deutlichsten bei Jesus. Die fünf Abende über Mose waren nur ein Versuch, eine Art Appetizer, damit wir den Reichtum der Schrift sehen und verstehen, wie alles zusammenpasst: das Wirken Gottes bei Mose und bei Jesus.
Die Herausforderung des Glaubens in der modernen Welt
Für den modern denkenden Menschen ist das alles Blödsinn. Ein normal denkender Mensch muss also sagen: Das verstehe ich nicht, dass sich hier 250 doch ganz normal aussehende Menschen über so ein Thema versammeln. Gott, das gibt es doch nicht.
Das haben wir erwiesen. Es gibt doch den Menschen mit seinem Verstand und seinen Möglichkeiten. Vielleicht haben früher einmal Menschen an Gott geglaubt, aber das haben wir hinter uns.
Natürlich wissen wir mit menschlichem Verstand, dass die Erde nicht perfekt ist. Es gibt manches Böse. Aber wir werden es mit unserem menschlichen Verstand schaffen. Gott brauchen wir nicht, sagt der menschliche Verstand heute, 1997, obwohl offenkundig ist, dass der menschliche Verstand mitten im Bankrott ist.
Es gibt heute keinen Ökonomen mehr, keinen Professor der Volkswirtschaft, der – früher Keynes geheißen, oder wie, oder Adam Smith – noch meinte, Lösungen zu haben. Es weiß heute kein Mensch mehr, wie man die ganze Krise der Weltwirtschaft lösen kann. Es weiß kein Politiker, wie wir es lösen können.
In einer Zeit, in der die Weltkriege im Augenblick verhindert scheinen, brechen Nationalkriege wieder aus: in Bosnien-Herzegowina, in Tschetschenien, in Afrika. Es weiß kein Mediziner, wie man das bewältigen kann.
In einer Zeit, in der wir meinten, Tuberkulose, Schwindsucht und Krebs besiegt zu haben, oder dass wir es vielleicht schaffen könnten, kommen ganz neue Krankheiten auf: Aids zum Beispiel. In Afrika kommt man mit den Hospitälern und dem Aidsgang gar nicht mehr nach. Das multipliziert sich in einer Weise, die wir nicht kontrollieren können.
Der menschliche Verstand ist mitten im Bankrott. In diesem Augenblick ist es für uns wichtig, dass wir wieder neu lernen, was Gott tun kann und wie er handelt.
Deshalb danke ich Ihnen, dass Sie mit mir zusammen jetzt ein bisschen darüber nachgedacht haben – fünf Abende lang. Wie du warst vor aller Zeit, so bleibst du in Ewigkeit.
Parallelen zwischen Mose und Jesus als Zeichen göttlichen Handelns
Bei Mose gibt es besonders viele Hinweise auf Ähnlichkeiten zu Jesus. Wir haben am ersten Abend gesagt: So wie Jesus in seiner Kindheit vor schwerer Bedrohung und dem Tod bewahrt wurde, so wurde auch Mose als kleines Kind gerettet.
Wie Mose seine Hand ausstreckte und dem Meer befahl, dass es ihm gehorchen musste, so hat Jesus Macht über den Sturm. Oft war Jesus in Nazareth bedroht, ähnlich wie Mose, der auf Gottes Befehl die Hungrigen in der Wüste speiste. Jesus hat ebenfalls Tausende gespeist. Es gibt viele solcher Beziehungen.
Doch der Herr Jesus hat besonders eine Beziehung herausgestellt. Darauf wollen wir heute Abend eingehen. Wenn Sie die Bibel zur Hand haben, schlagen Sie bitte das Johannes-Evangelium auf, Kapitel 3, Vers 14: „Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden.“
Jesus sprach immer von sich als dem Menschensohn. Er wurde um unseres Willens Mensch, als Sohn der Maria. Er hatte eine Mutter wie wir. Er muss erhöht werden – die Gemeinde steht am Schandpfahl des Kreuzes. Dort wird er erhöht, damit alle, die an ihn glauben, ewiges Leben haben.
Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit niemand verloren gehe, der an ihn glaubt, sondern ewiges Leben habe (Johannes 3,16).
Nun kommen wir zu einer wichtigen Geschichte, in der Jesus die Beziehung zu Mose besonders hervorhebt. Wie damals Mose die Schlange in der Wüste erhöhte und die Menschen dadurch gerettet wurden, so wird auch Jesus erhöht. Die Menschen waren von der Schlange gebissen, doch durch das Zeichen des Sieges wurden sie gerettet.
Die Schlange wurde besiegt – sie ist ein Symbol dafür, dass es einen Stärkeren gibt. Gott hat nicht einfach die Krankheit weggenommen oder die Schlangen vertrieben, wie man einen Bienenschwarm vertreibt. Mose hat nicht einfach irgendein Holz zerrieben und einen Tee zubereitet, den jeder trinken musste, um gesund zu werden.
Nein, wer das Zeichen der erhöhten Schlange ansah – ein Symbol dafür, dass die Schlange besiegt ist – und Gott vertraute, wurde gerettet. Im Buch der Weisheit heißt es: Nicht die Schlange hat geheilt, sondern du, der Heiland aller Menschen.
Wer diesem Heiland aller Menschen vertraute, wurde gerettet. Es war die Stunde, in der der Glaube und das Zutrauen zu Gott neu entdeckt wurden.
Die Erzählung von den feurigen Schlangen als Warnung und Heilung
Jetzt zur Geschichte: Wir wollen sie aufschlagen, wenn man eine gesamte Bibel hat, bei 4. Mose 21,4.
Sie brachen auf vom Berg Hor in Richtung Schilfmeer, um das Land der Edomiter zu umgehen. Sie waren also auf dem Weg heraus aus dem Land der Sklaverei, wo ihre Vorfahren 400 Jahre lang unterdrückt worden waren. Ihr Ziel war das Land, das Gott ihnen verheißen hatte.
Die Wolkensäule ging voraus, und die Feuersäule begleitete sie nachts. Täglich wurden sie mit Manna gespeist. Gott selbst gab ihnen in der Wüste Wasser. Er zeigte ihnen den Weg, damit sie um das Land der Edomiter herumkamen.
Doch das Volk wurde unterwegs verdrossen und redete gegen Gott und Mose: „Warum hast du uns aus Ägypten geführt? Wir sterben in der Wüste, denn es gibt kein Brot und kein Wasser hier, und uns ekelt vor dieser mageren Speise.“
Daraufhin sandte Gott feurige Schlangen, die das Volk bissen, sodass viele Israeliten starben. Da kamen sie zu Mose und sagten: „Wir haben gesündigt, weil wir gegen den Herrn und gegen dich geredet haben. Bitte den Herrn, dass er die Schlangen von uns nimmt!“
Mose bat für das Volk. Doch der Herr sprach zu Mose: „Mache dir eine eherne, eine gegossene, eine eiserne Schlange und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen ist und sie ansieht, der soll leben.“
So machte Mose eine gegossene eherne Schlange und richtete sie hoch auf. Wenn jemand von einer Schlange gebissen wurde, sah er die eherne Schlange an und blieb am Leben.
Das Volk war also verdrossen auf dem Weg, dem Weg, den Gott ihnen zeigte – durch die Wolkensäule und Feuersäule. Gott war mit ihnen und schenkte ihnen seine Gaben. Doch sie wurden unwillig, murrten und klagten, dass es ihnen schlecht gehe. Sie fragten: „Warum sind wir nicht in Ägypten geblieben? Sollen wir nicht wieder zurückgehen?“
Das Murren als Ausdruck geistlicher Not und menschlicher Schwäche
Ermüdungserscheinungen
Einer meiner Freunde, der als Jugendreferent in der Nachkriegszeit mitten im Aufbruch der Jugendarbeit tätig war, hat bei einem Ostertreffen einmal laut geschrien, als ihm alles zu viel wurde und die Mitarbeiter nicht richtig mitspielten: "Ich habe den Saftladen hier satt!"
Man fühlt sich manchmal einfach nicht genug gesehen. Er sagte auch: "Ich kandidiere nicht mehr für die kirchliche Gemeinde. Ich habe das zwölf Jahre gemacht, und es kommt nichts dabei heraus. Was soll überhaupt noch zur Wahl gehen? Jetzt wird die Note gegeben, die bringt auch nichts für dich. Das neue Gesangbuch ist auch nicht besser als alle anderen."
Das Murren war groß. Warum sind wir jetzt schon längst nicht am Ziel? Warum gibt es nicht größere Wunder? Wir kennen das: Wir haben Gottes Führung um uns herum. Ihr habt vorgestern gespielt, ihr habt mich gefragt, was ich wünsche. Jesus Christus erst als König – das war uns 1946 beim ersten Nachkriegsposaunentag ein Wunder.
Nach der Zerstörung, nach dem Verbot evangelischer Jugendarbeit, konnte man noch einmal zusammenkommen. Im zerstörten Ulm waren rund zweitausend Bläser beieinander. Damals sind allen die Tränen beim Gloria heruntergelaufen. Und heute, wenn zwölftausend Bläser da sind, zwölf Glocken am Ulmer Münster läuten und fünfzig Fanfarenbläser spielen, sagen manche: "Na ja, wir sind diesmal in der Donauhalle eingeteilt. Wir wären lieber im Münster. Und der Omnibus ist auch nicht rechtzeitig gekommen. Wo gibt es hier überhaupt Toiletten? Alles ist schlecht organisiert."
Wir haben Pro Christ und Christi, jeden Sonntag Gottesdienste, Gemeindekreise, die Fülle diakonischer Einrichtungen. In Württemberg gibt es die größten Opfer, die es überhaupt in Deutschland gibt. Wir haben unser Gemeindeblatt mit einer wöchentlichen Auflage von 160.000 Exemplaren. Die nächsthöhere Auflage ist in Westfalen und Rheinland mit 40.000. Wir haben Stunden, Jugendkreise, Jugendbünde und Posaunenchöre en masse.
Und dennoch sagen viele: Das war nicht einfach eine Idee, es sollte etwas ganz anderes sein. Warum können die Pfarrer nicht sprechen wie Helmut Schmidt oder Harald Schmidt? Warum kann man die Sache Gottes nicht vertreten wie Gottschalk, auch mit Esprit und Witz? Es muss doch ganz anders sein. Warum kommt der Pfarrer immer im schwarzen Talar? Kann er nicht auch mal grüner auftreten?
Das sind die verrücktesten Ideen, das Murren. Wir leben in einer Zeit des Egoismus, in der jeder meint, selbst zu wissen, wie es besser sein muss. Der eine sagt, Gottesdienst dauert zu lang, der andere sagt, er bringt nichts Gutes. Bei der Hofhager Konferenz sind die Vorträge viel zu kurz, der andere sagt, vier Vorträge sind viel zu viel. Der eine sagt, das neue Gesangbuch hätte mir hundert Lieder zu wenig, der andere sagt, die wesentlichen Lieder sind noch gar nicht drin, es müsse noch viel mehr sein.
Jeder murrt gegen den anderen, gegen die da oben – den Kirchgemeinderat, die Stundeleiter und den Vorstand vom CfH. Aber ich würde alles anders machen.
Merken wir eigentlich noch, wie viel Gott uns gelassen hat? Sind wir dankbar dafür, dass er uns mit seinem Wort speist? Das Murren übereinander ist schlimm, das Murren gegen Mose und untereinander ist schlimm. Aber das Allerschlimmste war unser Ekel vor dieser mageren Speise. Das war das Manna gemeint.
Es war noch wie zu Beginn, in 2. Mose 16 beschrieben: Es war weiß wie Koriandersamen und schmeckte wie Semmel mit Honig. Aber man bekommt auch Weißbrot mal genug, und dann ekelt es uns.
Geistlicher Hunger und die Gefahr der geistlichen Verhungung
Die Not unserer Zeit besteht darin, dass wir alle geistlich am Verhungern sind, ohne es überhaupt zu merken. Lassen Sie mich das erklären.
Als ich noch in Ulm war, wurde ich eingeladen, einige Ausländer durch das Ulmer Münster zu führen – eine englische Führung. Es sollten Ärzte sein, die zu einem Kongress zusammengekommen waren. Plötzlich waren da 800 Leute aus aller Welt. Was für ein Kongress ist das? Es war ein Kongress zum Thema Bulimie.
Bulimie ist die neueste und schlimmste Krankheit, die es weltweit gibt. Es handelt sich um eine Fressmagersucht: Die Betroffenen stopfen alles in sich hinein, haben einen Heißhunger, um dann eine halbe Stunde später alles wieder herauszukotzen – entschuldigen Sie den Ausdruck. Im Grunde sind sie magersüchtig. Wenn jemand in der Familie so etwas hat, ist das furchtbar, denn die ganze Familie leidet mit.
Die Ärzte erklärten mir, unter anderem eine nette Japanerin oder Koreanerin, die das nicht so genau auseinanderhalten konnte, dass das Komische daran sei: Wenn man sich vornimmt, ein bisschen abzunehmen, klappt das die ersten zwei, drei Kilo gut. Man freut sich darüber. Doch dann wird es zur Sucht. Der Körper stellt sich um und es entwickeln sich Dinge, die Halluzinationen hervorrufen – ähnlich wie Haschisch oder Marihuana.
Der Körper produziert Gifte, die im Kopf eine Euphorie auslösen. Man geht innerlich kaputt, braucht nichts mehr zu essen und will nichts mehr, aber fühlt sich trotzdem gut. Von Tag zu Tag geht es einem besser. Vater und Mutter sagen: „Unser Mädel geht doch kaputt! Mädel, iss noch was!“ Doch das Mädchen antwortet: „Ah nein, das ist doch toll. Ich kann meinen Gürtel enger schnallen.“ Sie ist nur noch so dünn wie der Suppenkasper und sagt: „Ist doch wunderbar!“ Die Eltern sehen, dass der Mensch eingeht, aber er selbst spürt es gar nicht.
Liebe Freunde, das ist ein Bild dafür, wie es geistlich zugeht. Können Sie denn noch ein Bibelwort aufnehmen? Was nehmen Sie sonntags mit? Was nehmen Sie aus der Stunde mit? Was nehmen Sie von der cvdm-Bibelstunde mit? Was nehmen Sie vom Losungsbüchlein mit? Bleibt das bei Ihnen oder spucken Sie es wieder aus, obwohl Sie es gar nicht wollen?
Wie geht es Ihnen beim Beten, beim stillen Gebet in der Kirche oder jetzt, wenn man still betet, bevor der Posaunenchor anfängt? Denken Sie dann manchmal: „Ihr könntet ja eigentlich auch anfangen, ich weiß nämlich nichts mehr zu beten“?
Wir haben eine Gebetsdiät, eine Bibeldiät, eine Wortgottesdiät, eine Seelensorgediät – und gehen geistlich ein, weil uns alles ekelt. Wir wollen es gar nicht mehr. „Ich brauche kein Gebet, ich brauche nicht so viel Bibel, nicht so arg fromm.“
Geht die ganze Stimme durch in so einer Hofhager-Vereinigung, bei der ich Vorsitzender sein darf? Aber warum macht die Hofhager-Konferenz nicht schon um zwölf Uhr Mittag? Zwölf Minuten Predigt – das ist auch schon lang genug. Und warum immer so lange?
Es kann sein, dass wir heute manches kürzer machen müssen. Aber was steckt dahinter? Können wir denn überhaupt noch aufnehmen? Uns ekelt vor der Gottesgabe, der Speise, die er uns geben will.
Die feurigen Schlangen als Zeichen göttlicher Züchtigung
Da sandte Gott feurige Schlangen. So wie wir von Feuerquallen im Meer sprechen: Dort brennt ja nichts, aber wenn sie beißen, brennt es dennoch. Ähnlich war es bei den feurigen Schlangen. Es war nicht so, als ob ein Drache Feuer ausatmete, aber – mein Liebermann hat es ja schon gespürt – durch ihr Gebiss bemerkte man, dass es giftig war.
Nicht Gott hat das zugelassen, sondern er hat seine Hand zurückgezogen, damit sie merken, was es alles in der Wüste gibt. Gott hat ihnen diese Strafe gesandt, damit sie erfahren, wie es in der Wüste eigentlich normalerweise sein müsste.
Ich selbst gehöre auch zu denen, die seit dreißig Jahren darüber klagen – schon seit meinem Studium vor fast vierzig Jahren – was wir heute als moderne Theologie bezeichnen. Und Ihr Pfarrerstrecker musste das in den schwierigen Jahren der Revolution im Stift durchstehen. Aber vielleicht ist es nur oberflächlich, wenn wir darüber schimpfen.
Sehen Sie Professor Lüdemann, der im Moment alles bestreitet: die Bibel, das Neue Testament und alle bisherigen Auslegungen. Er war jemand, der beim EC im Zelt zum Glauben kam und von sich sagt, dass er zwei Jahre lang mit der Bibel im Arm herumgelaufen ist.
Gott sandte und sagte: „Ich schicke euch einen Irrlehrer, damit ihr wisst, wie es ist.“ Als Herr Professor Moltmann mit seinem Buch „Theologie der Auferstehung“ nach Tübingen kam, dachte ich, jetzt kommt eine Wende in der Theologie – jemand, der die Auferstehung wieder groß macht.
Heute vertritt seine Frau in unserem württembergischen Land die Ansicht, dass der Sühnetod Jesu nichts bedeutet und dass wir keine sündigen Menschen sein sollen, sondern alle ehrenwerte Leute sind. Ist das nur eine falsche Theologie oder hat Gott uns das geschickt, damit wir erkennen, wie gut wir es bisher hatten – mit Professor Michel, Professor Hengel, Rainer Riesner und Gerhard Meyer?
Was für ein Segen war das für unser Land, unsere Frauenkreise! Und heute wird durch die Frauenkreise und die Frauenarbeit in unserem Land der Unglaube nähergebracht – etwa durch den Weltgebetstag der Frauen, der jedes Jahr stattfindet.
Wir können das nicht einfach beschimpfen und als oberflächlich abtun. Vielleicht hat Gott es so geschickt, damit wir wissen: Wenn niemand Hunger nach Gottes Wort hat, dann schicke ich feurige Schlangen, damit man erkennt, wie es wirklich sein könnte. Ich sende den Unglauben in seiner ganzen Potenz.
Damals sind die Menschen wenigstens aufgewacht, sie erschraken, kamen zu Mose und baten Gott, dass diese Plage aufhöre. Können wir heute überhaupt noch aufwachen? Oder sind wir so schläfrig geworden?
Die Mahnung zur Wachsamkeit und das Gebet um Bewahrung
Ich habe im Moment den Eindruck, dass man in Württemberg alles vertreten kann. Dort sagt man: „Ja, liebe Leute, so schlimm wird es nicht sein.“ Jesus hat jedoch von den klugen und den törichten Jungfrauen gesprochen und dabei durchaus einen Unterschied gemacht. Aber alle schliefen ein, als der Bräutigam kam.
Wir erleben jetzt schon seit 40, 50 Jahren das, was Bischof Dietz-Welbinger einmal gesagt hat: „Das ist ein Glaubenskampf, der schlimmer ist als im Dritten Reich.“ Dabei wird man auch mal müde. Ich frage mich: Warum muss ich eigentlich dauernd kämpfen? Warum muss ich ständig meine Prügel einstecken? Sie schliefen alle ein.
Können wir eigentlich nur aufwachen und nicht sagen: „Die Hofarkvereinigung muss protestieren, die lebendige Gemeinde muss etwas tun“, sondern vielmehr: „Herr, bewahr du uns vor Irrlehre.“ So wie es in unseren Liedern heißt: „Die Sache und Ehre Jesu Christi ist nicht unser, sondern dein.“ Ja, gib, dass wir in deinem Wort leben und behüte uns vor falscher Lehre.
Kommen wir noch zusammen, gib, mach uns wach, Herr. Sie kamen zu Mose und sagten: „Herr, du unser Hirte.“ Wir haben darüber gesprochen, dass Mose Fürbitte war. Bitte Gott, dass er diese Plage von uns nimmt. Und Mose hat es getan.
Lieber Gott, komm! Du kannst die Schlangen verdorren lassen. Du kannst die Schlange wegnehmen. Du kannst es fertigbringen, dass die Heuschreckenschwärme verschwinden. Du hast die Froschplage über uns kommen lassen, du kannst auch mit dem Schwarm fertigwerden. Gott hat gesagt: „Halt mal, ich mache es nicht automatisch. Sonst machst du dies Zeichen als Symbol.“
Das Zeichen der erhöhten Schlange als Garantie göttlicher Rettung
Symbol ist mir fast zu wenig. Mein Ehering ist ja nicht mehr nur ein Symbol der unendlichen Treue, die ich zu meiner Frau habe oder die meine Frau zu mir hat. Vielmehr ist er eine Garantieerklärung. Meine Frau hat mir diesen Ring gegeben, darin steht ihr Name. Damit sagt sie: „Ich will zu dir gehören.“
Deshalb ist mir das Wort „Symbol“ gar nicht so wichtig. Gott hat gesagt: Dieses Zeichen, diese Schlange, die erhöht ist, die getötete Schlange, ist meine Garantieerklärung. Ich will mit den Schlangen fertig werden. Ich will euer Heiland sein. Ich bin nicht der, der euch strafen will.
Wer traut mir das zu? Wer auf dieses Zeichen glaubensvoll blickt, wird gerettet werden – auch wenn er von der Schlange gebissen ist.
Und jetzt sagt der Herr Jesus: „So ist es genau bei mir, wie damals bei Mose. Wie Mose die Schlange erhöht hat, so wird auch der Menschensohn erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen.“
Der Zusammenhang von Johannes 3,16 und diesem Gespräch mit Nikodemus liegt darin, dass die Menschen die Finsternis mehr liebten als das Licht.
Die Herausforderung des Lichts in der Welt und die Kraft des Glaubens
Liebe Leute, wir alle leben in einer Welt, in der wir von tausend Stricken zu Dingen hingezogen werden, die wir vielleicht gar nicht wollen und von denen wir wissen, dass sie nicht gut sind. Es ist die große Lüge des Humanismus, dass der Mensch edel und gut sei.
Dass der Teufel an uns zerrt und wir am Ende die Finsternis mehr lieben als das Licht, ist die Krankheit unserer Zeit. Die großen Schriftsteller unserer Tage beschreiben das immer wieder. Ich kann es euch nur in dieser doppelten Weise sagen: Über unsere ganze Menschheit lastet, bis hinein hinter die Glastüren jeder Familie, über jeden Beruf und jedes politische Geschehen, wie ein Fluch – wir wissen gar nicht warum –, wie ein Bann.
Wir wären gerettet, wenn wir aus diesem Fluch herauskämen und angeschlossen wären an die Kräfte der ewigen Welt. Das sieht bei jedem Schriftsteller anders aus, aber die Sehnsucht ist da: Wie kann ich herauskommen aus dem Dreck? Wer auf ihn sieht, wird erquickt, so heißt es bei den Psalmen. Dabei geht es nicht nur um das Zeichen des Kreuzes. Paulus hat später gesagt: Gott hat diesen Jesus für den Glauben hingestellt, in seinem Blut ist etwas für dich geschehen.
Du wirst mit deinem Verstand vielleicht nicht ergründen, wie das funktioniert, aber denk an den Gekreuzigten. Ludwig Hofhager, der große Erwägungsprediger unseres Landes, hat einmal gesagt: Sieh deinen Bürgen an, wie er sich krümmt auf Golgatha. Dort ist alle Schuld der Welt auf ihn geladen worden. Dort kämpft er mit der Sünde und mit dem Teufel – nur damit du weißt, er ist stärker als alle Sünde und aller Fluch.
Wir begreifen es nicht, aber sieh auf ihn. Jedes Mal, wenn du das Zeichen Jesus siehst, das Kreuz, denke: Er hat mit der Sünde und mit dem Tod gekämpft. Wir wären doch verloren, aber er – ihn hat Gott aus diesem Kampf als Sieger herausgeholt.
Jetzt denk an diesen Jesus, glaub an diesen Jesus und sag: Herr Jesus, ich brauche dich. Wer auf ihn sieht, ihm glaubt und sagt: Herr, ich brauche dich, der wird gerettet und nicht von den tausend Stricken in den Abgrund gezogen. Hofhager hat das gepredigt, aber wissen Sie, das hat er nicht immer als festen Besitz gehabt – auch nicht auf seinem Sterbelager.
Er hat einen Freund besucht, den Dichter Albert Knapp, und hat ihn in großer Unruhe gefunden. Knapp war der Erweckungsprediger unseres Landes und erst 31 Jahre alt. Hofhager hat zu sich selbst gesagt: So ernst, wie du es meinst, meinen es wenige. Das stimmt doch gar nicht. Ich habe den Willen Gottes verkündigt, aber habe ich mich denn daran gehalten? Da ist so viel Eigensinn in meinem Herzen, so viel Stolz.
Albert Knapp hat ihm daraufhin aus seinem Vers vorgelesen von den goldenen Gassen, zu denen wir als Leute Jesu berufen sind. Hofhager sagte: Zu flott für mich, da komme ich nicht hin, da gehöre ich nicht hin. Albert Knapp hat ihn etwas ratlos verlassen.
Nach einer Woche, als er wiederkam, fand er Ludwig Hofhager, den Sterbenskranken, getrost, fast fröhlich. Er fragte ihn: Wie ist denn dieser Umschwung gekommen? Hofhager antwortete: Ich habe mir mal klargemacht, was für eine Schande es eigentlich ist, dass der Heiland seine am Kreuz für mich Sünder angenagelten Hände als der Auferstandene dauernd nach mir ausstreckt und sagt: Du, dich möchte ich doch haben, ich möchte für dich aufkommen, ich möchte dich nicht dem Verderben überlassen.
„Ich möchte dich, der du die Hölle tausendmal mehr verdient hast als den Himmel, doch retten.“ Mir ist klar geworden, dass der Heiland seine Hände nach mir ausstreckt, und ich nehme meine Unwürdigkeit, meinen Kleinglauben und meine Bedenken noch so ernst, dass ich ihn immer abweise. Jetzt habe ich mich einfach entschlossen, es gelten zu lassen, dass der Heiland für mich da ist, obwohl ich tausendmal mehr die Hölle verdient habe als den Himmel.
Liebe Freunde, wenn Ihnen nichts bleibt als dieser Satz, dann hat sich die ganze Woche gelohnt – aber nicht nur als historische Erinnerung. Jetzt will ich es für mich gelten lassen, dass der, der am Kreuz gestorben ist, stärker ist als mein Eigensinn, als all meine Verbesserungsvorschläge, als mein Egoismus, der immer meint, ich wüsste in der Gemeinde alles besser, als meine Kritik, als die dunklen Stellen in meinem Leben.
Jesus ist stärker. Und wenn ich auch die Hölle tausendmal mehr verdient habe als den Himmel, er ist stärker und kann mich herausziehen. Das Zeichen der Rettung, das rettende Zeichen, war bei Mose die Schlange. So wie Mose die Schlange erhöht hat, so wird der Menschensohn erhöht werden – er, Jesus –, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden.
Die Unsicherheit des Glaubens und die Zuversicht in Jesus Christus
Man kann nicht garantieren, wie der eigene Glaubenszustand in der Sterbestunde sein wird, wenn die großen Versuchungen kommen. Mich beeindruckt immer wieder eine Frau in meiner näheren Verwandtschaft. Sie sagt oft: „Ich weiß doch nicht, ob ich durchhalte, wenn ich schwer krebskrank werde, noch bis zum letzten Augenblick mit meinem Glauben.“ Nein, das wissen wir nicht.
Wir wissen nicht, ob wir durchhalten, wenn die Feinde Gottes übermächtig werden und uns foltern. Aber ich weiß, dass der durchhält, der den Tod, die Sünde und den Teufel überwunden hat. Dem möchte ich gehören, dem Herrn Jesus. Alle, die an ihn glauben, sollen sagen: „Herr Jesus, du kannst auch meinen Glauben halten in meinem letzten Augenblick. Halte du mich fest.“ Das möchte ich. Ich wünsche mir, dass sie auch dazugehören und wissen und sagen: „Herr Jesus, ich möchte zu denen gehören, die von dir gehalten werden.“
Ich möchte auf ihn schauen, so oft wie möglich. Auch in der Bibel möchte ich nach seinem Bild schauen. In Ulm hatten wir einen Arzt, der sich zu Tode schaffte, einfach weil die Menschen so viel Vertrauen zu ihm hatten. Am Heiligen Abend besuchte er noch seine Patienten, weil er immer dachte, denen sollte er noch nachgehen. Die Patienten werden sich gewundert haben, als er am Heiligen Abend um halb elf auftauchte, nur um zu fragen: „Wie geht es euch denn?“
In der Nacht vom Heiligen Abend auf den ersten Feiertag fuhr er mit seinen zwei Töchtern und seiner Frau in den Bregenzer Wald. Am ersten Feiertag stiegen sie auf eine Hütte, damals noch mit Steigfellen, denn es gab noch keinen Lift. Oben vor der Abfahrt packte ihn ein doppelter Herzinfarkt. Trotzdem fuhr er noch unter grausamen Schmerzen ab. Man transportierte ihn dann ins Krankenhaus Bregenz. Er bat darum, dass ich als junger Seelsorger kommen solle.
Das war eindrücklich für mich. Er sagte mir die Bibelworte vor, die ich ihm sagen sollte. Er meinte: „Ich kann es nicht mehr glauben, aber sage es mir: Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst.“ Dann bat er mich, ihm 2. Korinther 6 vorzulesen: „Wir sind bedrängt von allen Seiten, aber wir kommen nicht um.“ Sozusagen ein Wort, das jemand, der nicht mehr glauben kann, hören möchte. Das brauchte er jetzt.
Dann sagte er: „Herr Chef Fuchkönz, die Wände sind so kahl, mein Auge irrt. Ich möchte das Zeichen Jesu an der Wand haben.“ Wir fanden gerade kein Kruzifix, obwohl es im katholischen Bregenz war, auf der Intensivstation. Ich malte auf ein Stück Papier ein Kreuz und heftete es an die Wand. Das Zeichen Jesu: Er ist da, er kennt mich, es gibt keine Not, die er nicht versteht, keine Armseligkeit, die er nicht selbst durchlitten hat. Er ist für mich da.
Wer auf ihn sieht, wird erquickt. Ich wollte beten: Herr Jesus...
Das lebendige Zeugnis des Glaubens und die Einladung zum Vertrauen
Wir danken dir, dass das alles keine bloße Theorie ist, kein Gedankengebäude, sondern dass du ein Faktum in der Weltgeschichte bist. Du bist ans Kreuz gegangen, und wir zählen unsere Jahre im Kalender nach dir, nach deinem Erscheinen in dieser Welt.
Denn du bist keine Theorie, sondern Wirklichkeit. Du lebst bis heute beim Vater und willst erkannt werden, in diesem Zeichen. Du hast dich mit Haut und Haar, mit Leib und Leben aus großer Liebe für uns Sünder gegeben – für uns, die wir tausendmal mehr die Hölle als den Himmel verdient hatten.
Jetzt wollen wir deine Garantieerklärung ernst nehmen. Wir wollen uns nicht einfach damit beruhigen und sagen, es ist alles gut, sondern froh darüber werden. Wir wollen hineinfinden in die Tiefe deines Wortes, das uns nicht ekelt vor der mageren Speise, sondern uns einen Hunger schenkt.
Du hast gesagt: „Selig sind, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; sie sollen satt werden.“ Herr, wir wollen satt werden. Und ich kenne die aus unserer Mitte, die satt werden wollen und die einen neuen Hunger brauchen.
Wir danken dir für das Zusammensein, Herr. Lass es nicht vergeblich sein, auch in Ewigkeit. Amen!