
Genau, ihr braucht eine Bibel. Eigentlich bräuchtet ihr fast nur das Buch der Sprüche. Du hast völlig recht, aber ohne die Bibel geht es heute kaum.
Ich habe mir vor kurzem ein T-Shirt machen lassen. Man muss ja irgendwie versuchen, die Dinge, die man nicht vergessen möchte, in sein Leben zu integrieren. Im Alten Testament gibt es das Wort, dass man das Wort Gottes überall hinschreiben soll – auf Pforten und so. Auch an Handgelenke und Ähnliches.
Ich dachte mir, ich mache das auch so. Ich habe mir ein T-Shirt gemacht. Das ist ja heutzutage ganz einfach im Internet: Man gibt den Text ein und erstellt sich seinen eigenen Aufdruck. Ich hänge das T-Shirt mal hier vorne hin. Ich hoffe, ich bekomme es irgendwie mit einem schweren Buch fixiert. Ah, wunderbar.
Die deutsche Rechtschreibung passt gut. So, ich hoffe, man kann das lesen. Ich schaue jetzt mal. Ja, da steht drauf: „Heilige Gelassenheit“. Das ist das Motto für unsere Predigt heute. Da möchte ich hin. Am Ende meiner Predigt möchte ich, dass wir bei heiliger Gelassenheit rauskommen.
Starten möchte ich mit dem Gegenteil von heiliger Gelassenheit. Ich möchte mit euch ein wenig über das Thema Hastigkeit nachdenken.
Im Alten Testament habe ich die Sprüche gelesen und dabei einige Verse zum Thema Hastigkeit entdeckt. Ich habe mich gefragt, was genau damit gemeint ist. Man liest solche Verse und bekommt einen emotionalen Eindruck, aber was bedeutet „hastig“ eigentlich?
Ich habe darüber nachgedacht: Wenn mich jemand gefragt hätte, Jürgen, bist du hastig? Dann hätte ich mir am Hinterkopf gekratzt und überlegt: Hastig? Nun ja, ich möchte schon zügig von A nach B kommen. Dabei halte ich mich normalerweise an die Straßenverkehrsordnung und fahre meist so um die 50 km/h. Das ist schon grenzwertig. Also ja, ich bin zügig, aber hastig? Ich wusste es nicht genau.
Vielleicht bin ich hastig, vielleicht auch nicht. Eigentlich wusste ich gar nicht genau, was das bedeutet. Gerade als ich ein etwas umfangreicheres Kommentarwerk zu den Sprüchen durchgearbeitet habe, stieß ich auf den Begriff „hastig“. Plötzlich wurde mir etwas klar.
Ich verstand, dass wir heute einander niemals fragen würden: „Bist du hastig?“ Stattdessen würden wir eher fragen: „Bist du gestresst?“ Wenn in der Bibel von Hastigkeit die Rede ist, würden wir das heute mit Stress übersetzen.
Der Grund ist einfach: Die Bibel wurde in einer Zeit geschrieben, in der es mehr um das Tun und weniger um Gefühle ging. Die alten Griechen stellten die Frage nach der größten Tugend. Heute hingegen richten wir unseren Blick stark auf die emotionale Seite des Lebens. Nicht so sehr: „Bist du hastig?“, sondern eher: „Wie fühlst du dich in deinem Leben? Fühlst du dich gestresst?“
Deshalb können wir, wenn wir in der Bibel von Hast lesen, das eins zu eins auf unser heutiges Leben übertragen und mit Stress gleichsetzen. Das, was Stress in meinem Leben ausmacht, ist das, was in der Bibel mit Hast bezeichnet wird.
Wir leben im 21. Jahrhundert als Menschen, die Dinge vor allem über die Gefühlsebene ausdrücken und nicht so sehr über die Tat-Ebene. Doch das, was hinter dem Gefühl „Ich fühle mich gestresst“ steckt, ist eigentlich Hast.
Jeder, der gestresst ist, ist im Grunde hastig. Zu diesem Thema möchte ich nun ein wenig mehr sagen.
Ich möchte zunächst etwas zum Buch der Sprüche sagen, damit wir es richtig einordnen können. Im Alten Testament gibt es die Weisheitsliteratur. Zu diesen Büchern zählen unter anderem Hiob, Psalmen, Sprüche, Prediger und teilweise auch das Hohelied.
Diese Weisheitsliteratur wurde in die Bibel aufgenommen, damit wir eine Vorstellung davon bekommen, wie wir unser Leben hier auf der Erde ganz praktisch gestalten können. Das Buch der Sprüche ist deshalb ein großartiges Werk, weil es uns für viele Lebensbereiche, die uns begegnen können, immer wieder Hilfestellung bietet.
Nicht umsonst ist das Buch der Sprüche eigentlich ein Erziehungsbuch. Es ist das Buch, das Eltern nutzen sollen, um ihren Kindern Werte zu vermitteln. Es ist ein biblischer Erziehungsratgeber beziehungsweise ein Weisheitsvermittlungsratgeber. Es zeigt, wie geistliche Inhalte an Kinder weitergegeben werden können, wie man ihnen erklärt, was richtig und falsch ist, wie man ein Gewissen in ihnen aufbaut und wie man dafür sorgt, dass sie sich im Entscheidungsalter für Gott entscheiden.
Im Buch der Sprüche gibt es fantastische Verheißungen über den Wert, sich mit biblischen Sprüchen zu beschäftigen. Ein Spruch funktioniert folgendermaßen: Man stellt sich das Leben wie einen Weg vor, auf dem man vorwärtsgeht. Dann kommt man an eine Weggabelung und muss entscheiden, welchen Weg man einschlagen will. Das kann etwas ganz Kleines sein.
Die Weggabelung, über die ich heute sprechen möchte, hat sich zufällig gerade heute Morgen ereignet. Meine Nachbarn waren etwas laut, und ich musste wieder rübergehen und sie bitten, etwas leiser zu sprechen. Ich war dann wach von ungefähr halb fünf bis sechs. Eigentlich wollte ich schlafen, war aber noch nicht früh genug ins Bett gekommen. Ich wollte die Predigt noch einmal durchgehen, war innerlich etwas aufgewühlt, weil noch ein paar schwierige Gespräche anstanden, die mich schon innerlich beschäftigten.
Dann legte ich mich noch einmal hin, um den letzten Rest Schlaf zu holen. Ich stand etwas zu spät auf, ging schnell in die Küche, um etwas zu essen, zog mich hastig an und ging schnell runter. Dabei fiel mir ein, dass noch Sachen im Auto waren, die wir rausholen mussten. Ich sagte zu meiner Frau: „Schatz, geh du schon mal durch den Keller, ich gehe außenrum.“ Draußen begegnete ich den Methodisten, hatte aber keine Zeit für eine Begrüßung. Schnell machte ich die Autotür auf. Es regnete, und ich wurde ganz nass, während ich die Sachen rausholte.
Dabei wurde mir bewusst, dass ich gerade eine Predigt über Hast und Gelassenheit halte. Meine Frau bemerkte das ebenfalls und sagte scherzhaft: „Das ist ja lustig, du predigst heute über Hast und Gelassenheit und fährst mich gerade an, weil ich diese Box hier haue. Komm, nimm endlich ab, es regnet, sie will ins Auto.“
Ich stand also vor dieser Lebensentscheidung: Die Heckklappe war offen, es regnete, ich war nass und hatte keine Jacke an. Außerdem war ich eigentlich schon spät dran. Ich musste entscheiden: Folge ich meinen inneren Gefühlen, die sagen „Jetzt aber schnell, jetzt ein bisschen schneller“? Und schmeiße dabei alles an Liebe, Mitgefühl und sonstigen guten Eigenschaften, die ich eigentlich haben sollte, für meine Frau kurz über Bord, weil ich gestresst bin? Oder bin ich bereit, das zu leben, wofür ich mir mein T-Shirt gemacht habe?
Ich hatte es nicht an, das ist immer das Problem. Man muss so etwas vor Augen haben: wirklich ein Stück heilige Gelassenheit zu leben und zu sagen: „Was ist denn der schlimmste Fall? Der schlimmste Fall ist, dass ich fünf Minuten zu spät komme. Na ja, ihr werdet auch mal ohne mich anfangen können.“
Das hat mir gefehlt. Jetzt versteht ihr, wie die Sprüche funktionieren. Sie sind dazu da, dass wir in solchen Momenten, in denen wir an eine Weggabelung kommen und uns entscheiden müssen, einen kurzen Merkvers im Kopf haben, den wir abrufen können. Einen Vers, der uns sagt: „Stopp! Du möchtest jetzt hier lang, aber du weißt, es ist falsch. Geh da lang!“
Dann geht man den Weg ein Stück weiter und kommt wieder an eine Weggabelung. Wieder stellt sich die Frage: „Gehe ich da lang?“ Und dann entscheidet man sich bewusst dafür. So schlängeln wir uns, wenn wir die Sprüche ernst nehmen und uns daran halten, auf Gottes Weise durchs Leben.
Genau so funktionieren die Sprüche. Deshalb ist es so wichtig, Sprüche zu kennen und sich mit ihnen zu beschäftigen.
Allerdings muss man sich, was Sprüche angeht, ein wenig einlesen. Das werdet ihr merken. Die Israeliten oder eigentlich alle Semiten haben eine besondere Art, Sprüche zu formulieren. Sie sagen meistens dasselbe zweimal.
Wir können uns das mal anschauen, damit wir es verstehen. Wir fangen im Buch der Sprüche an, Kapitel 19, Vers 2. Das soll auch unser erster Vers sein, den wir betrachten wollen.
Sprüche 19,2: „Ohne Erkenntnis ist selbst Eifer nicht gut, und wer mit den Füßen hastig ist, tritt fehl.“
Nochmal: „Ohne Erkenntnis ist selbst Eifer nicht gut, und wer mit den Füßen hastig ist, tritt fehl.“
Wenn ihr das lest und ein bisschen darüber nachdenkt, dann stellt ihr fest, dass hier eigentlich zweimal dasselbe gesagt wird – nur mit unterschiedlichen Worten. Der erste Teil „Ohne Erkenntnis ist selbst Eifer nicht gut“ und der zweite Teil „Und wer mit den Füßen hastig ist, tritt fehl“ gehören irgendwie zusammen.
Ohne Erkenntnis ist das Gleiche wie hastig sein, und Eifer, der nicht gut ist, steht in Verbindung mit dem „mit den Füßen Fehltritt“. Das nennt man einen Parallelismus. Ich sage zweimal ungefähr dasselbe, und das ist eine Kunstform. Die Leute haben sich Mühe gegeben, es so auszudrücken.
Indem man diese beiden Seiten eines Parallelismus, diese zwei Seiten der Medaille, miteinander vergleicht, versteht man, was der Autor damit transportieren möchte. Also hier in diesem Zusammenhang: Wenn man das mal macht, steht auf der einen Seite „ohne Erkenntnis“ und auf der anderen Seite dem parallel gegenüber „hastig sein“. Das ist bewusst so gesetzt, weil der Autor uns mitteilen möchte, dass das Problem eines hastigen Menschen ein Mangel an Erkenntnis ist.
Ein hastiger Mensch hat nicht genug Einsicht und denkt nicht genug nach. Ihm mangelt es – und das ist ganz wichtig – nicht an Eifer oder Einsatz. Der hastige Mensch tut etwas, er ist wirklich dabei, etwas zu schaffen. Aber an der Stelle, wo es darauf ankommt, vorher nachzudenken, hat er nicht richtig mitgedacht. Er ist zu schnell unterwegs.
Es wäre für ihn gut gewesen, zurückzutreten und zu überlegen: Wie mache ich es denn?
Nochmal: „Ohne Erkenntnis ist selbst Eifer nicht gut, und wer mit den Füßen hastig ist, tritt fehl.“
Der Eifer, der nicht gut ist, ist ein Eifer, der mit Füßen verglichen wird, die fehl treten. Die Gefahr von Hast, von Aktionismus, ohne sich vorher die Mühe zu machen, nachzudenken – ist das sinnvoll? Ist das richtig, was ich tue?
Die große Gefahr von Hast, von Stress, von einem Leben im Stress ist tatsächlich, dass wir am Ende nicht ans Ziel kommen. Wir geraten wie Leute, die fehltreten, ins Straucheln. Unser ganzes Leben gerät ein Stück weit aus den Fugen, und wir kommen überhaupt nicht an das Ziel, wo wir hinwollen.
Wir haben zwar ein Ziel, aber irgendwie kommen wir nicht an. Wir sind ständig in Aktion, ohne wirklich dort anzukommen, wo wir hinwollen.
Ich möchte das an zwei Beispielen oder großen Bereichen deutlich machen, in denen die Sprüche sagen, dass Geld eine große Rolle spielt. Zum einen ist das das Geld, zum anderen unsere Art zu reden. Also die Themen Geld und Worte spielen in den Sprüchen eine große Rolle. Ich denke, es ist irgendwie ganz klar, warum das so ist. Ihr könnt dieses Prinzip aber auch auf viele andere Themen übertragen. Es gilt für mehr – in den Sprüchen sind eben das Thema Geld und Worte besonders hervorgehoben.
Wir wollen gemeinsam Sprüche 21 lesen. Wir schlagen mal auf Sprüche 21 auf und schauen uns Vers 5 an. Dort heißt es: „Die Pläne des Fleißigen führen nur zum Gewinn, aber jeder, der hastig ist, erreicht nur Mangel.“ Ihr merkt schon, hier werden zwei Seiten gegenübergestellt, die nicht genau parallel sind, sondern eigentlich Gegensätze bilden.
Nochmal: „Die Pläne des Fleißigen führen nur zum Gewinn“, also der Fleißige und der Gewinn. Demgegenüber steht: „Aber jeder, der hastig ist, erreicht nur Mangel.“ Auf der einen Seite wird der Fleißige dem Hastigen gegenübergestellt, und der Gewinn dem Mangel. Man kann die zwei Seiten der Medaille also auch so anordnen, dass sie als Gegensatz funktionieren. Dadurch wird schön deutlich, worum es dem Autor geht.
Der Hastige arbeitet, aber er ist eigentlich nicht fleißig. Als ich das das erste Mal so verstanden hatte, war das für mich ein richtiges Aha-Erlebnis. Hier wird der Fleißige dem Hastigen gegenübergestellt. Was unterscheidet bitte den Fleißigen vom Hastigen? Wenn ihr mir folgen wollt: In der Mitte steht irgendwie Fleiß. Fleiß ist in den Sprüchen immer positiv.
Nun kann der Fleißige auf zwei Arten vom Pferd fallen. Ich habe lange Zeit immer nur die eine Seite gesehen. Wenn ich mich vor einem Jahr noch gefragt hätte, was das Gegenteil von Fleiß ist, hätte ich gesagt: Faulheit, ist doch logisch. Aber das stimmt nur halb. Wenn der Fleißige jemand ist, der nichts tut, dann nennt man ihn faul. Wenn der Fleißige aber jemand ist, der nicht genug nachdenkt und trotzdem viel tut, dann nennt man ihn hastig.
Das heißt, in der Bibel ist der Fleißige, dessen Leben nur zum Gewinn wird, jemand, der zwei Dinge miteinander verbindet: Nachdenken auf der einen Seite und Einsatz auf der anderen Seite. Ich kann tatsächlich auf beiden Seiten vom Pferd fallen. Ich kann zu wenig tun und faul sein. Da hilft mir all mein Nachdenken nichts. Du kannst den ganzen Tag im Bett liegen; faul liegt da wie eine Tür in der Angel und dreht sich immer wieder um. Du kannst die ganze Zeit nachdenken, du wirst nichts in deinem Leben erreichen.
Genauso kannst du aber auch sagen: „Hey, ich will fleißig sein, ich will etwas schaffen.“ Und du bist so von dieser Idee fixiert, dass du unbedingt etwas erreichen musst, dass du gar nicht nachdenkst, nicht reflektierst, wo du eigentlich hinwillst, wie du dein Ziel richtig erreichst. Du rennst einfach los und fällst auf der anderen Seite vom Pferd. Du tust viel, aber hast nicht genug nachgedacht, wohin, wofür und wie.
Das ist es, was mir durch diesen Vers hier deutlich geworden ist, und ich fand das sehr interessant. Der Faule tut zu wenig, und der Hastige denkt zu wenig nach. Die Klugheit des Fleißigen besteht darin, dass er bereit ist, seine Lebensplanung und seine Ziele zu durchdenken, bevor er sich an die Umsetzung macht. Er überlegt sich vorher: Wo will ich eigentlich hin?
Also nochmal: Der Fleißige ist nicht der Workaholic. Früher dachte ich immer, super fleißig sind die Leute, die ihren Urlaub nicht nehmen und sechzig Stunden Wochen arbeiten. Aber der Workaholic ist in der Bibel eigentlich der Hastige. Ein echter Workaholic, der irgendwann in den Burnout läuft, ist kein positives Vorbild. Das ist jemand, der nicht nachgedacht hat, der seine Prioritäten nicht richtig gesetzt hat, so dass er die Menge an Arbeit, die er meint schaffen zu müssen, gar nicht schaffen kann. Er holt sich zu viel Arbeit ins Leben und wird am Ende von dieser Menge an Arbeit aufgefressen.
Dann bleibt tatsächlich nur Mangel übrig und nicht Gewinn. Der Hastige hat zwar Eifer, das will ich noch einmal betonen, er tut etwas. Aber wir werden gleich in einem anderen Spruch sehen, dass er, weil er nicht genug nachgedacht hat, bereit ist, für sein Ziel jedes Mittel einzusetzen – das, was recht ist, aber auch das, was unrecht ist.
Das heißt, beim Hastigen, dem es nur darum geht, etwas zu schaffen, fliegt relativ schnell die Moral aus dem Leben. Der Hastige sagt sich: Dieses harte, disziplinierte Arbeiten möchte ich eigentlich nicht. Wir würden heute sagen, das sind Leute, die das schnelle Geld machen wollen. Dieses Leben, das ein Leben lang so vor sich hin arbeitet, ist ihnen zu wenig. Sie wollen schnelles Geld.
Das steckt in der Idee des Hastigseins mit drin. Wir lesen nun Sprüche 28, Vers 22. Dort wird Hast mit einer inneren Grundeinstellung verbunden. Die Frage ist: Wie kommt ein Mensch dazu, hastig zu sein? Wie kommt jemand dazu, Eifer zu haben, aber nicht wirklich vorher nachzudenken, wohin es geht? Wie entsteht so eine Grundeinstellung?
Dort heißt es: „Ein missgünstiger Mann hastet nach Besitz, und er erkennt nicht, dass Mangel über ihn kommt.“ Ein missgünstiger Mann – in der Fußnote wird das auch als „ein habgieriger Mann“ übersetzt, wörtlich „ein Mann der Bosheit des Auges“. Ich finde das toll. Das ist jemand, der andere anschaut und merkt, der andere hat etwas, was ich nicht habe, und er kann es einfach nicht ertragen, dass der andere so etwas besitzt.
Im Neuen Testament gibt es ein Gleichnis, das in Matthäus 19,20 zu finden ist. Es handelt von Weingärtnern, die nacheinander über den Tag verteilt eingestellt werden und am Ende alle dasselbe bekommen. Dort steht genau das: „Warum blickt dein Auge missgünstig?“ Das ist dieses Böse auf den anderen. Du siehst, er hat weniger gearbeitet, bekommt aber genauso viel. Das will ich nicht, das kann doch nicht sein. Das ist der missgünstige Mann, jemand, der einem anderen etwas nicht gönnt.
Interessanter wird diese Grundeinstellung, dieses Nicht-Gönnen-Wollen, etwas selbst für sich haben zu wollen und nicht mit dem zufrieden zu sein, wo man steht. Das wird in den Sprüchen sehr oft mit hastigem Leben verbunden. Also nochmal: Ein missgünstiger, ein habgieriger oder ein Mann eines „bösen Auges“, ein missgünstiger Mann, hastet nach Besitz.
Das ist jemand, der für sich haben will. Und „Hast“ ist der Ausdruck dafür, dass er nicht bereit ist, ein Leben zu führen, in dem er sich auf die Gebote Gottes einlässt. Eines dieser Gebote wäre zum Beispiel, großzügig zu sein. An anderer Stelle heißt es in den Sprüchen auch: „Wer gütigen Auges ist, wird gesegnet werden, denn er gibt von seinem Brot dem Geringen.“
Hier haben wir also den missgünstigen, den „Bosaugen“-Mann, und auf der anderen Seite den mit dem gütigen Auge, der durchs Leben geht und nicht sagt: „Boah, der hat mehr als ich, wie kann das sein?“ Sondern der sagt: „Boah, der hat weniger als ich, wie kann ich ihm helfen?“ Das ist eine ganz andere Lebenseinstellung. Die Sprüche machen deutlich: Wenn du mit dieser Lebenseinstellung durchs Leben gehst, wird Gott dich segnen.
Der Hastige, der das schnelle Geld machen will, sagt: „Mir ist ein Stückchen vom anderen egal, solange ich mich hier durchs Leben arbeiten kann. Was soll der links und rechts von mir? Der ist mir einfach Wurst. Ich möchte für mich jetzt hier möglichst schnell zum Ziel kommen.“ Dieser Mann erkennt nicht, dass Mangel über ihn kommt. Er glaubt, sein Leben sei die Ausnahme. Er kann sich mit seinem Ellenbogen durchsetzen, direkt zum Ziel gehen und am Ende als Sieger dastehen.
Aber die Realität ist: Wer gütigen Auges ist, wird gesegnet werden, denn er gibt von seinem Brot dem Geringen. Der missgünstige Mann in Sprüche 28,22 erkennt nicht, dass Mangel über ihn kommt. Das bedeutet so viel wie: Er ist ein Dummkopf.
Jetzt wisst ihr, warum es so wichtig ist, die Sprüche mit seinen Kindern durchzugehen. Damit ein Lebenskonzept, wie es allgegenwärtig in unserer Welt praktiziert wird – „Nutze deinen Ellenbogen, vergiss den Rest, geh durch die Wand, mach was aus deinem Leben. Und wenn links und rechts ein paar zurückbleiben, völlig egal, so funktioniert unsere Welt“ –, nicht zum Maßstab wird.
Die Sprüche sagen: Wenn du dieses Konzept ausprobierst, verspreche ich dir, das Ende ist Mangel, das Ende ist Verlust. Du wirst am Ende als der Dummkopf und Narr dastehen. Du wirst ein verpfuschtes Leben haben. Wenn du glaubst, dass dieses Zusammenspiel zwischen Sünde und einem verpfuschten Leben in deinem Leben gerade nicht gilt, kannst du das knicken. Es gilt immer. Wir leben in einem Universum, in dem das so funktioniert.
Du hältst dich an die Regeln, die Gott gesetzt hat? Dann wirst du am Ende als Sieger aus dem Rennen hervorgehen. Du hältst dich nicht daran? Dann wirst du Mangel kennenlernen.
Das war das Thema Geld. Geld, das schnelle Geld, ist in den Sprüchen ein gutes Beispiel dafür, wo Leute hastig werden. Und mit der Hast kommt sehr schnell auch Unmoral und Egoismus ins Leben.
Ich möchte noch auf einen weiteren Vers eingehen, bevor ich ein kurzes Fazit ziehe. Es handelt sich um Sprüche 29, Vers 20. Diesen Vers hätte ich mir fast als Grundlage genommen, also das wäre meine echte Alternative gewesen. Vielleicht mache ich mir irgendwann mal noch ein Sprüche 29-T-Shirt. Der Spruch gefällt mir nämlich auch unglaublich gut.
In Sprüche 29,20 geht es um das Thema Reden. Dort heißt es: „Siehst du einen Mann, der sich in seinen Worten überhastet? Für einen Toren gibt es mehr Hoffnung als für ihn.“ Ein schöner Vers. Wenn du jemanden siehst, bei dem du merkst: „Freund, erst Hirn einschalten, dann Klappe aufmachen“, dann passt das genau.
Wenn dir so jemand begegnet, ist das das, was mit „Worten überhastet“ gemeint ist. Jemand fängt erst mal an zu reden, und du merkst, er ist nicht multitaskingfähig. Er hätte wirklich erst nachdenken sollen.
Dann sagt hier der Schreiber: „Für einen Toren“, also für einen Dummkopf, jemanden, der eigentlich nichts für seinen niedrigen IQ kann, „gibt es mehr Hoffnung als für ihn.“ Gemeint ist derjenige, der eigentlich in der Lage wäre, nachzudenken, mal kurz innezuhalten, zu überlegen, was er jetzt sagt, und dann zu reden.
Doch dieser Mensch ist es gewohnt, immer erst mal loszublubbern. Solche Leute sind hoffnungslose Fälle. Es sind Menschen, die sich um Kopf und Kragen reden.
Das Schöne ist: Es gibt einen Vers, den ich nur kurz vorlesen möchte. Dort heißt es: „Auch ein Narr, wenn er schweigt, kann als weise gelten, wenn er seine Lippen verschließt, als verständig.“
Das bedeutet: Der Dummkopf, der weiß, dass er blöd ist und den Mund hält, kommt besser durch als der, der eigentlich etwas zu sagen hat, aber immer nur blubbert und nicht nachdenkt.
Deshalb ist dieses Thema „Hast“ – also ein überhastetes Leben zu führen, ohne wirklich vorher nachzudenken, warum ich etwas tue, wie ich es tue – etwas, wovor die Sprüche warnen: Finger weg davon!
Ich ziehe ein kurzes Fazit.
Erstens: In den Sprüchen geht es bei Hast hauptsächlich um Geld und Reden, und es ist immer negativ belegt. Versucht also nicht, einen Spruch zu finden, in dem Hast positiv dargestellt wird – ihr werdet keinen finden.
Zweitens: Der Hastige zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht über die Folgen seines Handelns nachdenkt. Er handelt einfach erst einmal. Der Hastige will, und das ist die Folge, Erfolg um jeden Preis. Am Ende wird er das ernten, was er gesät hat. Er selbst denkt natürlich, er sei die einzige Ausnahme.
Nun stellt sich die Frage: Wo zeigt sich diese Hast in unserem Leben? Wir sind noch nicht ganz dort, aber gleich kommen wir dazu.
Ich glaube, wir können zumindest sagen: Dort, wo es ums Geld geht, besteht eine echte Gefahr, dass wir uns von der Idee anstecken lassen, Geld sei so wichtig. Damit verbunden sind Wohlstand und Sicherheit. Die Folge ist, dass wir richtig Gas geben, ohne mehr darüber nachzudenken, ob die Idee „mehr Geld bedeutet mehr Leben“ überhaupt stimmt.
Wir sind so darauf gedrängt, dass das ganz automatisch in uns abläuft: mehr, mehr, mehr. Dabei kann es passieren, dass aus einem fleißigen Leben ein Leben wird, das sich nicht mehr die Zeit nimmt, darüber nachzudenken, wie man seinen Lebensstil gestalten möchte, wo man seine Prioritäten setzt und wie man diese Prioritäten so umsetzt, dass nicht die Familie, die eigene Person oder die Gottesbeziehung auf der Strecke bleiben.
Trotzdem soll man ein fleißiger Arbeiter bleiben, der Geld nach Hause bringt und ein vernünftiges Leben führt. Man möchte noch Zeit haben für Freunde, für die Kinder und für das, was einen wirklich beschäftigt.
Ich erinnere mich noch gut an die erste Zeit, als ich richtig Geld verdient habe. Während des Studiums kam man gerade so über die Runden. Dann hatte man das erste Mal ein Gehalt als Hauptsachbearbeiter – zwar nicht erdrückend viel, aber doch deutlich mehr als vorher. Da denkt man: „Boah, so viel Geld kann man verdienen!“ Und wenn man dann in die BAT-Tabelle schaut, denkt man: „Wenn das so weitergeht...“ Da wird etwas in einem gefangen genommen.
Plötzlich entsteht die Idee, noch mehr Geld zu verdienen, um sich noch mehr leisten zu können oder noch mehr zu machen. Sagt mir nicht, zumindest ihr Männer, dass das nicht etwas ist, was kitzelt. Doch, das tut es.
Hier besteht die Gefahr, dass aus einem fleißigen Menschen, der noch überlegt, was gut für ihn und seine Familie ist, ein Hastiger wird, der einfach mehr haben will – ohne Reflexion und ohne sich die Frage zu stellen, ob er wirklich zuerst nach dem Reich Gottes trachtet, wenn er den nächsten Karriereschritt macht oder einen zusätzlichen Job annimmt.
Ich unterstelle nicht, dass ihr krumme Dinger dreht – das ist nicht mein Punkt.
Der zweite Punkt betrifft das Reden. Das ist meine persönliche Erfahrung, und ich habe den Eindruck, dass dieser Punkt etwas mehr auf Frauen zutrifft – vielleicht zwei Prozent mehr. Es geht um Schnellreden, Vielreden und die Gefahr, erst etwas zu sagen und dann zu überlegen, ob das in dem Zusammenhang wirklich angebracht war.
Das betrifft uns alle, aber ich denke, hier müssen wir besonders nachdenken: Was sagen wir, und wie sagen wir es?
Jakobus hat Recht: Das falsche Wort am falschen Ort entzündet einen ganzen Wald – wie ein Streichholz, das man im Sommer in einen trockenen Kiefernwald wirft. Da kann alles abfackeln.
Es gibt ein oder zwei Dinge, die ich mir für Spandau wünschen würde. Wir arbeiten hart daran, diese typisch Berliner Spottsucht in den Griff zu bekommen – dieses „erstmal meckern“ und „erstmal sagen, was einem nicht passt“. Wir haben schon viele Predigten zu dem Thema gehalten, dass wir uns lieben sollen. Immer wieder kam der Punkt: Pass auf, denk erst nach, bevor du redest, und überlege dir gut, ob das, was du sagst, jetzt wirklich dran ist.
Den dritten Punkt hatte ich zu Beginn schon angesprochen: Hast und Stress gehören zusammen. Mein Eindruck ist, dass der typische Gestresste heute viele Termine und Ziele im Blick hat – sehr viele. Doch unterm Strich handelt er oft wie der Hastige.
Der typische Gestresste plant eigentlich nicht richtig, weil er mehr will, als gut für ihn ist. Das Verrückte ist: In dem Moment, in dem wir gestresst sind – und deshalb erzähle ich euch die Geschichte von heute Morgen – meinen wir, ein Recht zu haben, unmoralisch zu handeln.
Stress ist in unserer Gesellschaft die Ausrede, die wir am häufigsten anführen, um unseren Mangel an Milde, Geduld, Gnade, Liebe oder Selbstbeherrschung zu entschuldigen.
Ich bin jetzt gestresst, also darf ich dich anbluffen. Ich bin gestresst, also muss ich dir nicht helfen. Ich bin gestresst. Ich merke das selbst bei mir: Ich lade mir zu viel auf, treffe Fehlentscheidungen, mein Leben ist an manchen Stellen nicht sauber durchdacht.
Ich rede nicht davon, dass mal etwas aus dem Lot gerät oder ein Unfall passiert. Ich rede von einem Dauerzustand. Immer wieder komme ich in Situationen, in denen ich Gott dadurch entehre und sündige, weil ich sage: „Ich bin so gestresst, jetzt muss der andere aber ganz schnell nach meiner Pfeife tanzen.“
Das ist es, was ich aus diesen Versen für mich gelernt habe: Ich möchte nicht mehr, dass gestresst sein als Ausrede für mein Verhalten gilt. Wo ich im Stress meine Frau anblase, möchte ich um Vergebung bitten und sagen, dass es falsch war. Dasselbe gilt für meine Kinder.
Ich glaube, dass der Hastige und Gestresste mehr Plan in seinem Leben braucht. Er muss tief drin verstehen, dass er mit diesem Lebenskonzept sein Lebensziel nicht erreichen kann.
Am Ende steht der Mangel, sagt Gott.
Und deswegen möchte ich so eine Art Gegengift vorstellen. Ihr kennt das vielleicht nicht direkt, aber ihr habt es schon gesehen: Da gibt es Klapperschlangen, und wenn Leute von ihnen gebissen werden, haben sie eine gewisse Zeit, bis sie ein Gegengift bekommen können.
Ich möchte euch ein Gegengift zeigen. Es mag nicht allumfassend sein, aber es ist gut. Etwas, von dem ich sage: Wenn du das ein Stückchen in dein Leben integrierst, dann ist der Stress besser machbar. Du musst natürlich weiterhin nachdenken und dein Leben vernünftig planen. Aber jetzt möchte ich zu meinem T-Shirt kommen: Heilige Gelassenheit!
Wo ist mir heilige Gelassenheit zum ersten Mal auf eine sehr eindrückliche Weise in der Bibel begegnet? Ich will euch die Stelle zeigen: Prediger 7. Schlagt mal auf! Wir sind immer noch in der Weisheitsliteratur, also Sprüche, dann Prediger, und direkt danach eben Prediger 7.
Da gibt es einen Vers, der mich jedes Mal wieder vom Hocker haut, weil ich einfach denke: „Mann, ist das cool!“ Prediger 7,20 heißt es: „Denn kein Mensch auf Erden ist so gerecht, dass er nur Gutes täte und niemals sündigte.“ Das ist ja schon mal ganz gut.
In Vers 21 steht: „Auch richte dein Herz nicht auf all die Worte, die man redet, damit du nicht hörst, wie dein Knecht dich verflucht.“ Die Begründung dazu lautet: „Denn auch viele Male hat dein Herz gewusst, dass du andere verflucht hast.“
Als ich das gelesen habe, dachte ich mir: „Mann, das ist entspannt.“ So ein bisschen dieses „Wir sind alle Sünder“ – alle nicken, klar. Und weil wir alle Sünder sind und unsere Macken haben und ganz genau wissen, was wir an Dreck am Stecken haben, mach dir mal nicht so viel Kopf darüber, dass du immer wissen willst, was alle gerade über dich reden.
Warum? Weil es immer welche gibt, die sich gerade hinter deinem Rücken über dich das Maul zerreißen. Irgendjemand ist immer dabei, der dich gerade nicht cool findet.
Ja, aber das muss ich doch dann ans Licht bringen, das muss mich doch persönlich treffen... Nein, muss es gar nicht.
Denk mal nach: Wie oft ist dir das schon passiert, dass jemand hinter deinem Rücken schlecht über dich geredet hat? Ganz ehrlich, ja, stimmt ja.
Das ist für mich der Inbegriff von dieser heiligen Lässigkeit: Das Leben so zu nehmen, dass du zwar da bist, um zu helfen, wenn jemand in Sünde versinkt, aber gleichzeitig diesen nüchternen, bodenständigen Blick behältst – mit beiden Beinen im Leben stehst und sagst: „Ich bin ein Sünder, du bist ein Sünder. Ich mache Sachen, die schlecht sind, und du auch.“
Und ein bisschen davon möchte ich einfach leben. Das läuft vielleicht unter „ertragen“ oder einfach unter „heiliger Lässigkeit“. Ich möchte ein Stückchen über den Dingen stehen.
Ich will nicht, dass ich immer gleich ausflippe, wenn mir jemand mal schräg von links oder rechts kommt und sich daneben benimmt. Dann gleich sagen: „Jetzt hier, jetzt muss man doch... das geht doch gar nicht!“
Nein, hier heißt es: Sei entspannt! Wenn dir so etwas passiert, denk doch mal nach, wie oft dir das schon passiert ist. Wie oft hast du den gleichen Fehler auch schon gemacht?
Sei doch mal ein bisschen ruhig, ein bisschen entspannt im Umgang mit anderen.
Ich fand diesen Vers schon immer sehr faszinierend.
Nun kehren wir zurück zu den Sprüchen, Kapitel 14. Ich möchte nicht sofort zu Vers 30 springen, sondern zuerst noch gemeinsam mit euch Vers 29 betrachten. Dieser Vers dient als Vorbereitung.
In Sprüche 14,29 heißt es: „Der Langmütige ist reich an Verständnis, aber der Jähzornige trägt Narrheit davon.“ Ich möchte euch auf die Fußnote an dieser Stelle hinweisen, wo es heißt, der Jähzornige treibt die Narrheit auf die Spitze. Der Spruch macht deutlich, dass es nichts Dümmeres gibt, als jähzornig zu sein.
Warum ist das so? Noch einmal Vers 29: „Der Langmütige ist reich an Verständnis.“ Hier begegnet uns wieder der Gedanke: Wie werde ich jemand, der mit anderen langmütig umgeht? Was braucht es, damit ich mich nicht gleich aufregt, wenn ich höre, dass jemand wieder etwas getan hat, was mich ärgert?
Ich brauche Verständnis. Aber was muss ich verstehen? Zuerst einmal muss ich verstehen, wie ich selbst bin. Wenn ich das begriffen habe, fällt es mir leichter, ohne Jähzorn und ohne böse Gedanken mit anderen Menschen umzugehen.
Dann kommt Vers 30: „Ein gelassenes Herz ist des Leibes Leben, aber Wurmfraß in den Knochen ist die Leidenschaft.“
Der Begriff Wurmfraß könnte man mit Knochenkrebs übersetzen, also etwas, das von innen heraus den Körper zerfrisst. Die Leidenschaft meint hier eine innere Erregung. Ihr könnt jede Form von negativer innerer Erregung einsetzen. Das ist eine Variable, in die alles passt: Bitterkeit, Zorn, Eifersucht – alles gehört dazu.
Wenn du das in deinem Inneren zulässt, wenn du vielleicht hastig und nicht gelassen bist und diese Erregung sich steigert, ist das wie Knochenkrebs, der dich langsam von innen auffrisst.
Noch einmal: „Ein gelassenes Herz ist des Leibes Leben.“ Wenn „Leibes Leben“ Leben im umfassenden Sinn meint – also Körper, Geist, Psyche und auch deine Beziehungen – dann brauchst du ein gewisses Maß an heiliger Gelassenheit, wenn du gesund sein möchtest und nicht von innen zerfressen werden willst.
Du brauchst die Einstellung, dass du nicht das Wichtigste im Universum bist. Du musst bereit sein zu sagen: „Okay, ich bin nicht das Zentrum der Welt. Es müssen nicht alle nach meiner Pfeife tanzen.“
Das ist mein Wunsch für euch: Wenn ihr in Situationen kommt, in denen ihr merkt, dass in euch ein Stressfaktor aufsteigt – wenn sich der Magen zusammenzieht, der Adrenalinspiegel steigt, vielleicht die Nackenhaare sich aufstellen und ihr denkt: „Jetzt aber mal richtig!“ – dann ist das ein Vers, den ihr auswendig lernen solltet. Oder ihr lasst euch ein T-Shirt machen mit diesem Vers.
Dann braucht ihr dieses Maß an heiliger Gelassenheit, um zu sagen: „Stopp! Hier muss ein Stoppschild hochgehen. Ich möchte das jetzt nicht ausleben.“
Ihr steht an einer Weggabelung. Ihr könnt jetzt so reagieren, dass ihr alles, was euch in der Beziehung zum anderen wertvoll ist, für einen Moment über Bord werft und euch so verhaltet, wie es sich überhaupt nicht gehört.
Wenn ich das mit meiner Frau mache, kann daraus ein Streit entstehen. Wenn ich das mit meinen Kindern mache, sind sie irgendwann sauer, egal was passiert. Und wenn ich das mit meinem Arbeitskollegen mache, hat der irgendwann nicht mehr die beste Meinung von mir.
Dann muss ich innehalten und sagen: „Stopp, Gelassenheit, fahr noch mal runter! Du bist nicht der Nabel der Welt.“
Ich weiß, in diesem Moment glaubst du, dass das, was gerade dran ist – dieser eine Termin, das Ziel, das du erreichen möchtest – das Wichtigste in deinem Leben ist. Aber das stimmt nicht. Es ist eine Lüge.
Du bist dabei, eine Lüge zu glauben, eine Lüge zu leben und dein Leben auf eine Lüge aufzubauen. Leben ist wichtig, dein Leben ist wichtig, aber dieser Punkt ist nicht so wichtig, dass du alles, was deine Beziehung zu Gott ausmacht, über Bord wirfst und dein altes Ego vollgas leben lässt.
Jetzt geht es darum, in diesem Moment zu sagen: „Herr Jesus“ – und wenn man „Herr“ sagt, bedeutet das immer, dass man sein Leben einem anderen unterstellt. Es heißt: „Herr Jesus, du kannst mir jetzt sagen, was ich tun soll.“
In diesem Moment möchte ich da leben, wo du mich hingebracht hast. Dazu gehört Gelassenheit. Einfach mal sagen: „Okay, nochmal runterkommen. Wo stehe ich jetzt gerade?“
Nehmen wir ein Beispiel: Wir sind zehn Minuten über der Zeit und kommen zu spät zum Gottesdienst. Früher war das so ein Standard-Problem am Sonntagvormittag. Was machen wir jetzt? Im Moment können wir nichts ändern, wir können nur fahren.
Ich kann es schaffen, dass wir ohne Streit zehn oder zwanzig Minuten zu spät kommen. Das geht noch. Und wir können später darüber nachdenken, wie wir das besser organisieren.
Aber jetzt, nur weil wir unter Termindruck stehen und ich glaube, mein Ziel sei das Einzige, was zählt, ist es völlig falsch, diesem Stress nachzugeben, hastig zu werden, unmoralisch zu handeln und etwas zu tun, wofür ich im Nachhinein nur sagen kann: „Vater im Himmel, bitte vergib mir. Tabea, vergib mir bitte. Bärbel, vergib mir. Kathrin, vergib mir.“
Ich weiß dann nur, dass ich mich entschuldigen muss. Und wenn ich mich um diese Vergebung herumdrücke, wird alles nur noch schlimmer.
Das ist mein Ziel für heute. Relativ einfach vielleicht. Ich möchte, dass ihr Folgendes versteht:
Erstens: Hast führt ins Unglück. Wenn du dich einem Lebensstil aussetzt, in dem du zu viele Ziele, zu viele Termine und zu viel Druck aufbaust, wenn du einfach tun willst, ohne wirklich sauber nachzudenken, was du überhaupt tun kannst und was wirklich dran ist, dann wird dich das moralisch, psychisch, körperlich und beziehungstechnisch kaputtmachen.
Zweitens: Mit der Hast oder dem Stress kommt ein Mangel an Liebe und Geduld in unser Leben. Ich möchte dich bitten, wenn das bei dir so ist, wenn du sagst: Ja, das kenne ich, dann tue Buße darüber. Wir dürfen nicht denken, unser Stress wäre ein heiliger Stress, so wie heiliger Zorn. Nein, es gibt keinen heiligen Stress oder heiliges Hastigsein. Es gibt nur Buße, Ehrlichkeit und das Beten um Veränderung an dieser Stelle.
Weil Hast letztlich nichts anderes als Ichsucht ist, ist an dieser Stelle das Evangelium so schön. Dafür ist genau Jesus gestorben. Wenn wir einmal verstanden haben, dass Hast in unserem Leben nur eine andere Form von Egoismus ist, dann können wir immer wieder zum Kreuz schauen und sagen: Vielen Dank, Herr Jesus, dass du für diesen Moment gestorben bist, in dem ich vor lauter Stress meiner Umgebung das Leben zur Hölle gemacht habe, obwohl ich eigentlich dazu da bin, das Leben zum Himmel zu machen.
Bitte vergib mir. Du bist am Kreuz für mich gestorben. Ich möchte das lernen. Ich möchte in dieser Entspanntheit durchs Leben gehen, wie du durchs Leben gegangen bist. Wenn ihr eins im Neuen Testament lest: Jesus wirkt nie gestresst. Er wirkt immer extrem gelassen.
Man könnte sagen: Na ja, er ist ja auch Gott, da kann man noch ein bisschen über den Dingen stehen. Aber ich glaube, diese Antwort passt nicht wirklich. Ich glaube, er will uns hier auch etwas vorleben von Zielhaftigkeit, die sich nicht durch Burnouts, Abstürze, Streitereien oder blöde Gespräche auszeichnet. Das findet sich bei ihm gar nicht. Er geht geradeaus seinen Weg.
Ich wünsche euch eigentlich dasselbe.
Dazu der dritte Punkt: Werde gelassener, nimm dich nicht zu ernst. Eigentlich möchte ich dir sagen: Lach ab und zu mal über dein Leben. Ich meine das wirklich so. Nimm dir mal fünf Minuten Zeit, geh einen Schritt zurück und schmunzel über dich. Schmunzel über die Ecken, wo du sagst: Da bin ich echt noch ein bisschen verkorkst.
Letzte Woche war meine Frau auf dem Sola. Wisst ihr, es gibt für mich nichts Schlimmeres als ohne meine Frau. Ich weiß nicht warum, aber ich habe da einfach meinen Schuss weg. Dann bin ich zu Karstadt gegangen und habe mir eine Flasche Whisky gekauft. Genau, das ist keine Lösung, das fiel mir dann auch ein, nachdem ich es gemacht hatte.
Aber weißt du, es ist einfach gut, mal zurückzugehen und zu sagen: Was bist du eigentlich für ein Hampel? Es ist einfach gut, so entspannt zu sehen und zu sagen: Du hast auch deinen Schuss weg.
Natürlich nehme ich meine Arbeit super ernst, ihr braucht jetzt keine Angst zu haben. Aber einfach mal ein bisschen zurücktreten und sagen: Wer bin ich eigentlich? Wirklich ehrlich über sich selbst schmunzeln und damit die Distanz schaffen, die uns leicht verloren geht. Man denkt dann: Ich muss in meinen Zielen jetzt zum Leben kommen.
Nein. Du bist Mensch, du bist Sünder. Du darfst dein Leben mit einer gewissen Coolness leben. Du wirst manches richtig machen und manches falsch. Lasst uns das im Blick behalten und lasst uns das umsetzen, was hier steht.
Heilige Gelassenheit, gerade im Umgang miteinander – das wünsche ich mir sehr, das wünsche ich mir für Spandau, das wünsche ich mir für euch.
Zum Abschluss möchte ich noch beten:
Vater im Himmel, wir wollen dir dafür danken, dass du uns zu einem Leben berufen hast, das lebbar ist. Dass du uns tatsächlich nicht mehr auflädst, als wir tragen können.
Wir bitten dich um Weisheit, dass wir immer wieder den schmalen Grad erkennen zwischen dem, was wir schaffen sollen und schaffen wollen, und dem, was wir noch tragen können.
Wir bitten dich um Weisheit und um einen tiefen Einblick in uns selbst, damit wir uns nicht zu ernst nehmen, aber die Aufgabe, an der wir arbeiten, ernst nehmen.
Wir bitten dich, dass wir die Spannung zwischen Beauftragung und persönlichen Grenzen hinbekommen.
Hilf uns, die richtigen Prioritäten zu setzen, damit wir in den verschiedenen Lebensbereichen, in denen wir stehen und denen wir uns nicht entziehen können, das tun, was dran ist.
Schenke uns die Weisheit, die du uns schenken möchtest, unter der Leitung und Führung deines guten Heiligen Geistes, der uns dein Wort aufschließt.
Wir danken dir, dass wir dein Wort haben, und ich bete darum, dass uns das gelingt.
Ich bete darum, dass wir Leben führen, die nicht im Stress enden, sondern in einem gut lebbaren, glücklich machenden und letztlich zum Gewinn führenden Fleiß.
Dass wir tun und denken und bei alledem dir die Ehre geben und dich verherrlichen.
Darum bitte ich dich von Herzen. Amen.
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