Einführung: Freiheit als zentrales Thema
Ich lese den Predigttext Zweite Mose 12,1-13:
Und der Herr redete zu Mose und Aaron im Land Ägypten und sprach: "Dieser Monat soll euch der Anfang der Monate sein. Er soll für euch der erste Monat des Jahres sein.
Redet zu der ganzen Gemeinde Israels und sprecht: Am zehnten Tag dieses Monats nehme sich jeder Hausvater ein Lamm, ein Lamm für jedes Haus. Wenn aber das Lamphaus zu klein ist für ein Lamm, so nehme er es gemeinsam mit seinem Nachbarn, der am nächsten bei seinem Haus wohnt. Nach der Zahl der Seelen sollt ihr die Anzahl für das Lamm berechnen, je nachdem, wie viel jeder zu essen vermag.
Dieses Lamm aber soll makellos sein, männlich und einjährig. Von den Schafen oder Ziegen sollt ihr es nehmen. Ihr sollt es aufbewahren bis zum vierzehnten Tag dieses Monats.
Die ganze Versammlung der Gemeinde Israels soll es zur Abendzeit schlachten. Sie sollen von dem Blut nehmen und damit beide Türpfosten und die Oberschwellen der Häuser bestreichen, in denen sie essen.
Sie sollen das Fleisch in derselben Nacht essen, am Feuer gebraten, mit ungesäuertem Brot und mit bitteren Kräutern. Ihr sollt nichts davon roh essen, auch nicht im Wasser gekocht, sondern am Feuer gebraten sein – Haupt samt seinen Schenkeln und den inneren Teilen – und ihr sollt nichts davon übrig lassen bis zum anderen Morgen.
Wenn aber etwas davon übrig bleibt bis zum Morgen, so sollt ihr es mit Feuer verbrennen.
So sollt ihr es aber essen: eure Lenden umgürtet, eure Schuhe an euren Füßen und eure Stäbe in euren Händen, und in Eile sollt ihr es essen. Es ist das Passa des Herrn.
Denn ich will in dieser Nacht durch das Land Ägypten gehen und alle Erstgeburt im Land Ägypten schlagen, vom Menschen bis zum Vieh. Ich will an allen Göttern der Ägypter ein Strafgericht vollziehen – ich, der Herr.
Das Blut soll euch zum Zeichen dienen an euren Häusern, in denen ihr seid. Wenn ich das Blut sehe, dann werde ich verschonen und an euch vorübergehen. Es wird euch keine Plage zu eurem Verderben treffen, wenn ich das Land Ägypten schlage."
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Herr, und nun zeig uns dein königliches Walten, bring Angst und Zweifel selbst zur Ruh. Du wirst allein ganz Recht behalten. Herr, mach uns still und rede du. Amen.
Freiheit als kostbares Gut in der Geschichte
Vor einigen Tagen stieß ich auf die Abschiedsrede eines berühmten Parteivorsitzenden, der 1987 sein Amt an seinen Nachfolger abgab. Die Rede stammt von Willy Brandt, einer prägenden Figur der deutschen Sozialdemokratie. Dabei überraschte mich besonders Brandts Betonung der Freiheit.
Er beginnt die Rede mit den Worten: „Wenn ich sagen soll, was mir neben Frieden wichtiger sei als alles andere, dann lautet meine Antwort ohne Wenn und Aber: Freiheit – die Freiheit für viele, nicht nur für die wenigen, Freiheit des Gewissens und der Meinung.“
An anderer Stelle sagt er: „Wir tun gut daran, gegenüber allen Tendenzen wachsam zu bleiben, die die individuelle Freiheit unnötig einschränken. Und wir dürfen dem Aberglauben an die stets heilsame Wirkung oberigkeitsstaatlicher Maßnahmen nicht nachgeben.“
Weiter betont Brandt: „Für Freiheit gegen den Oberigkeitsstaat haben unsere Altvorderen gekämpft – Freiheit gegen den Oberigkeitsstaat. Sie, wir haben vor den Nazis und ihren mächtigen Helfern nicht kapituliert, wir haben uns durch die brutale Herausforderung aus dem Osten nicht unterkriegen lassen. So soll es bleiben.“
Deutsche Sozialdemokraten, sagt Brandt, dürfen Kränkungen der Freiheit „nie und nimmer hinnehmen, im Zweifel für die Freiheit“.
Damals, 1987, galten diese Aussagen als vermeintliche Selbstverständlichkeiten, die kaum jemandem auffielen. 37 Jahre später, besonders nach der sogenannten Corona-Zeit, sind diese Worte brisanter Zündstoff.
Freiheit in der heutigen Gesellschaft unter Druck
Angesichts der Tatsache, dass zum Beispiel vor wenigen Tagen der Wirtschaftsminister in einer Rede vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik forderte, die sozialen Medien müssten noch viel stärker kontrolliert und auf ihre Inhalte hin überwacht werden, stellt sich die Frage nach der Definition von Legalität.
Habeck fordert eine scharfe Anwendung des Digital Service Act. Sie wissen, dieser Digital Service Act ist die EU-Verordnung, die die Verbreitung illegaler Inhalte eindämmen will.
Nun fragen wir: Wer bestimmt, was als legal und was als illegal zu gelten hat? Wir wissen, dass dies inzwischen auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze gilt. In unserem Land gibt es bereits einige Meldestellen, bei denen Bürger denunzieren können, wenn sie meinen, dass andere etwas Illegales gesagt hätten.
Im Zweifel für die Freiheit – dieser Satz muss wie Hohn in den Ohren jenes Bundeswehrsoldaten klingen, Alexander Bittner. Er hat seinem Land immer treu gedient und sitzt wegen der Verweigerung der sogenannten Impfung immer noch im Gefängnis. Dabei lag er mit all seinen Vorbehalten gegenüber dieser Gen-Therapie richtig. Das wussten wir immer schon und inzwischen können es auch die damaligen Entscheider nicht mehr leugnen.
Trotzdem sitzt Alexander Bittner weiterhin im Knast und hat erst kürzlich seinen Hungerstreik beendet.
Die biblische Freiheit: Exodus als Urerlebnis
Freiheit! Dieses Thema hat in der Bibel schon im Alten Testament großes Gewicht. Das Volk Israel erlebte eine entscheidende Wende seiner Geschichte als Freiheitsgeschichte. Der Exodus Israels aus der Sklaverei in Ägypten ist das Urereignis dieser Freiheitsgeschichte.
Exodus ist die griechische Übersetzung für „Auszug“. Eigentlich versteht man darunter eine massenhafte Auswanderung. Die Erinnerung an diesen Exodus blitzt im Alten Testament immer wieder auf – als Ermutigung, aber manchmal auch als Mahnung, nicht wieder in die alte Sklaverei zurückzufallen.
Diese Erinnerung zieht sich wie eine rote Linie durch das Alte Testament hindurch: bei den Propheten, bei den Psalmen – immer wieder wird an Ägypten gedacht. Auch im Neuen Testament greift Jesus Christus das Exodus-Thema auf, wenn er seine Nachfolger, also auch uns, zur Wachsamkeit auffordert.
Das können wir in Lukas 12 lesen, wo Jesus sagt, ab Vers 35: „Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen.“ Die Aufforderung, die Lenden umgürtet zu haben und die Lichter brennen zu lassen, erinnert an das Gleichnis aus Matthäus 25 vom letzten Sonntag: „Lasst eure Lichter brennen, dass sie nicht ausgehen.“
Die umgürteten Lenden sind ein unmittelbares Zitat aus 2. Mose 12, Vers 11, unserem Predigttext: „So aber sollt ihr es essen: um eure Lenden sollt ihr gegürtet sein, eure Schuhe an den Füßen haben und den Stab in der Hand, und sollt es essen als die Hinweggehenden.“
„Lasst eure Lenden umgürtet sein“, sagt Jesus Christus. Das bedeutet, man muss das Gewand hochziehen und es gewissermaßen mit einem Band zusammenbinden, damit man Fußfreiheit hat, um loszumarschieren. Lenden umgürtet heißt also: Kleidung hoch, zusammengeschnürt – jetzt kannst du unbehindert loslaufen.
Die Gemeinde Jesu in der Exodus-Tradition
Der Apostel Petrus hat diese Mahnung seines Herrn Jahrzehnte später noch einmal den Lesern seines ersten Briefes in Erinnerung gerufen. Er schreibt in 1. Petrus 1,13: „Darum umgürtet die Lenden eures Gemüts.“
„Umgürtet die Lenden eures Gemüts“ bedeutet, euer Denken zu ordnen. Seid wach, seid aufbruchbereit und sensibel in eurem Denken. Auch die Gemeinde Jesu steht somit in dieser Exodus-Tradition.
Deshalb finden wir hier ein fünftes Bild, mit dem Gottes Wort die Gemeinde beschreibt. Wir haben das bereits an den vorangegangenen Zeltsonntagen gesehen: Gemeinde als das Haus der lebendigen Steine, Gemeinde als Leib und Glieder, Gemeinde als Weinstock und Reben, Gemeinde als Bräutigam Jesus und Braut.
Jetzt kommt als fünftes Bild der Exodus aus Ägypten als Bild für die Gemeinde hinzu.
Deswegen haben wir für diesen Gottesdienst die Überschrift gewählt: Gemeinde Jesu Christi – geknebelt oder frei? Geknebelt oder frei?
Freiheit als Hoffnung in der Musik und im Leben
An diese Freiheitshoffnung haben sich die Negro Spirituals geklammert. Sie entstanden unter der amerikanischen Sklaverei im siebzehnten Jahrhundert.
Eines der berühmtesten Spirituals, das wir eben vor der Predigt gesungen haben, erzählt genau die Geschichte des Exodus. Es beschreibt, wie Israel in Ägypten gelandet ist und dann befreit wurde.
In der deutschen Übersetzung, die wir gesungen haben, kommt dieses Freiheitspathos sehr gut zum Ausdruck:
Als Israel gefangen war,
Freiheit für mein Volk,
gequält, geknechtet manches Jahr,
Freiheit für mein Volk,
Mose, Mose, geh nach Ägyptenland.
„Sprich zum Pharao: Freiheit für mein Volk!“
Und dann am Ende:
Gott duldet keine Sklaverei,
Freiheit für mein Volk,
Er kauft mit seinem Sohn uns frei,
Freiheit für mein Volk.
Die Freiheit – Sehnsucht und Gewissheit der Negro Spirituals.
Gemeinde Jesu – geknebelt oder frei?
Freiheit trotz Überwachung und Bedrohung
Ein letztes Beispiel für die Exodus-Tradition aus unserer Zeit darf hier nicht fehlen: Unser Bruder und Kollege, Doktor Theo Lehmann, den die Stasi in der DDR massiv überwachte und bedrohte. Trotzdem rief er unverdrossen öffentlich Gottes Wahrheit in die stickige Luft einer Diktatur hinaus.
Wir wissen, dass Theo Lehmann oft auch über den Livestream unsere Predigten hört. Sollte das heute Morgen der Fall sein, grüßen wir ihn ganz herzlich hier aus Hannover. Wir wissen uns verbunden.
Zwangsläufig erscheint es daher passend, dass Lehmann seine Autobiographie unter das Motto stellt: „Freiheit wird dann sein“. Das ist das Motto seiner Autobiographie. Darin finden wir auch sein Freiheitslied, das Theo Lehmann noch im Februar 1989 gedichtet und mit seinen Leuten gesungen hat.
Sie wissen, Februar 1989 – da war die Mauer noch nicht gefallen, die Situation spitzte sich zu. In dieser Zeit dichtete und sang Theo Lehmann mit seinen Leuten:
Freiheit wird dann sein, herrlich wird es sein,
Freiheit wird dann sein, wenn Jesus wiederkommt,
kein Leid und keine Mauer,
kein Schmerz und keine Trauer,
Freiheit wird dann sein.
Wir sind auf einer Reise in Gottes neue Welt. Wir leiden unter vielem, was uns hier nicht gefällt. Noch gibt es Krieg, Folter und Ungerechtigkeit. Doch in Gottes Herrlichkeit gibt es keine Tränen.
Wir haben ein Zuhause in Gottes neuer Welt. Gott hat es uns versprochen, und weil er sein Wort hält, halten wir es gerne noch aus in dieser Zeit. Doch wir freuen uns jetzt schon auf Gottes Ewigkeit.
Freiheit wird dann sein, herrlich wird es sein,
wenn Jesus wiederkommt,
Freiheit der Gemeinde Jesu Christi.
Auch dafür hat Gott für uns dieses Exodus-Geschehen aufschreiben lassen – als Vorbild für die Gemeinde Jesu Christi. Denn darin finden wir, was das Geheimnis unserer Freiheit als Gemeinde ausmacht.
Es zeigt uns, warum die Gemeinde Jesu Christi letztlich nicht geknebelt werden kann, auch wenn es manchmal so aussieht. Letztlich kann sie nicht geknebelt werden.
Gottes Auftrag und Schutz als Grundlage der Freiheit
Und wir hören noch einmal den Anfang von 2. Mose 12. Ich werde in Zukunft einfach immer Exodus sagen, weil das schneller geht. Exodus 12 ab Vers 1:
Der Herr aber sprach zu Mose und zu Aaron: „Dieser Monat, also der Monat Abib, der später Nisan genannt wurde, soll der erste Monat sein. Von ihm an sollt ihr künftig die Monate des Jahres zählen.“
Er sagt zur ganzen Gemeinde: „Am zehnten Tag dieses Monats nehme jeder Hausvater ein Lamm für sein Haus.“
Man muss wissen, dass zu diesem Zeitpunkt die Luft in Ägypten vom Schrecken der neun Plagen erfüllt ist, die Gott bereits über dieses Land hat kommen lassen. Das geschah, weil Ägypten sich weigert, sein Volk in die Freiheit ziehen zu lassen – Gottes Volk.
Zunächst hatte Gott im Guten mit ihnen geredet. Er hatte seinen Boten zum Pharao geschickt (Exodus 5). Danach gingen Mose und Aaron hin und sprachen zum Pharao: „So spricht der Herr, der Gott Israels: Lass mein Volk ziehen, damit ich ein Fest in der Wüste halte.“
Aber der Pharao spottete und sagte: „Wer soll dieser Gott sein, auf den ihr euch da beruft? Wer ist der Herr, dass ich ihm gehorchen müsse und Israel ziehen lasse? Ich weiß nichts von dem Herrn und ich werde auch Israel nicht ziehen lassen.“
Zusammen mit diesem Spott verschärfte der Pharao die Arbeitsbedingungen. Jetzt mussten die Israeliten genauso viele Ziegel wie bisher produzieren, aber sie mussten sich ihr Material vorher auch selbst besorgen, was ihnen sonst immer zur Verfügung gestellt worden war.
Da wurden Mose und Aaron erneut vorstellig (Exodus 7). Sie kennen diese Szene bestimmt aus dem Kindergottesdienst: Mose beweist durch Gott beglaubigt seine Autorität vor dem Pharao. Er wirft seinen Hirtenstab hin, und dieser verwandelt sich in eine Schlange.
Pharao lässt daraufhin seine Zauberer und Okkultisten antreten, und sie versuchen dasselbe. Am Anfang gelingt es ihnen, aber dann geschieht Folgendes: Der Stab von Mose und Aaron verschlingt die Stäbe der Zauberer. So beweist Gott seine Überlegenheit sehr deutlich.
Pharao ignoriert das Offensichtliche und schaufelt sich damit sein eigenes Grab.
Die Plagen als Zeichen göttlicher Macht
Und dann rollen die angekündigten Plagen über Ägypten hinweg, und der erste Warnschuss fällt: Das Wasser des Nils wird zu Blut. Mose geht wieder hin und sagt: „Lass das Volk ziehen“, spricht Gott. Du siehst, Gott hat die Macht.
Aber weil Pharao Gott verhöhnt und sich weigert, seinem Befehl zu gehorchen, zieht er Gottes Gericht immer mehr über sich. Irgendwann wird der mächtige Herrscher für die Warnungen dieser Plagen nicht mehr erreichbar sein. Wir müssen sagen: Erst will er sich nicht beugen in seinem Aufruhr gegen Gott, und dann kann er sich irgendwann nicht mehr beugen.
Die Froschplage, die Stechmücken – da werden sogar seine Berater langsam wach. In Kapitel 8, Vers 15, da sprachen die Zauberer zum Pharao: „Das ist doch Gottes Finger, Gottes Finger!“ Aber das Herz des Pharao wurde verstockt, und er hörte nicht auf sie, wie der Herr gesagt hat.
Dann folgen Stechfliegen, Viehpest, Blattern, und immer wieder heißt es: „Aber er weigerte sich“, denn Gott verhärtete sein Herz, nachdem Pharao sich so aufgelehnt hatte.
Schließlich folgen als siebte Plage der Hagel, als achte die Heuschrecken, als neunte die große Finsternis. Und da lesen wir über diesen großen Unterschied in Kapitel 10, Vers 22: „Und Mose reckte seine Hand gen Himmel, da ward eine so dicke Finsternis in ganz Ägyptenland drei Tage lang, dass niemand den anderen sah, noch weggehen konnte von dem Ort, wo er gerade war, drei Tage lang. Aber bei allen Israeliten war es Licht in den Wohnungen.“
Was für eine Ermutigung! Jetzt sehen Sie den Unterschied. Obwohl Sie ja noch immer in Ägypten gefangen sind, noch immer unter Pharao, obwohl der Diktator noch immer dagegenhält und obwohl er Gottes Wort noch immer einschüchtern will und immer noch nicht aufgeben will in seinem Widerstand – jetzt sehen Sie den Unterschied.
Jetzt, und zwar noch bevor Pharao gebeugt wird, erreicht sie der Freiheitsruf ihres Gottes. Sie ziehen aus, feiern das Passah. Seid bereit, um eure Lenden gegürtet, eure Schuhe an den Füßen, den Stab in der Hand, und ihr solltet essen wie die, die auf dem Weg sind.
Freiheit schon jetzt: Gottes Macht im Exil
Und haben sie es gemerkt? Gott sagt nicht: „Also Leute, kommt erst mal raus aus Ägypten, und dann, wenn ihr genügend Kilometer zwischen euch und den Pharao gelegt habt, dann könnt ihr vielleicht in Ruhe Gottesdienst feiern.“ Nein, das Passahfest dürfen und müssen sie noch in Ägypten feiern – ganz wichtig.
Also auf dem vermeintlichen Hoheitsgebiet des Pharao und ihrer Unterdrücker. Und hier lernen wir das Erste, was über das Geheimnis unserer Freiheit als Gemeinde Jesu gesagt wird. Der erste Punkt heißt: frei schon jetzt.
Notieren Sie sich das ganz dick: frei schon jetzt. Das heißt, noch im Exil, mitten auf fremdem Boden, frei schon jetzt. Gott hatte ja bewiesen, dass er auch auf dem politischen Hoheitsgebiet Ägyptens absolut übermächtig ist. Gott hatte es bewiesen.
Den ersten Vorgeschmack hatte der Pharao ja bereits bei Moses’ Machtprobe bekommen. Zunächst konnten seine Zauberer dagegenhalten und auch ihre Stäbe verwandelten sich. Aber dann geschah das Unheimliche: Aarons Stab verschlang ihre Stäbe. Da hat der Pharao es doch gesehen – ein starkes Signal für die Israeliten. Auch unter der Knute einer fremden Macht steht ihr dennoch unter dem Schutz von Gottes Übermacht.
Wenige Tage später folgt das zweite Signal, das ich Ihnen vorgelesen habe: Ringsum versinkt alles in stocktiefer Finsternis, aber bei allen Israeliten war es Licht in ihren Wohnungen. Das zweite Ermutigungssignal.
So gewinnen sie immer mehr den Mut, auch unter dem Druck der feindlichen Staatsmacht ihrem Gott zu gehorchen. Und das ist Freiheit: im Vertrauen auf Gottes Wort zu handeln – gegen den äußeren Druck.
Denn Gottes Schutz und Gottes Auftrag ermächtigen uns zu dieser Freiheit.
Gottes Terminsetzung und der Auftrag zur Freiheit
Den Termin für das Passafest legt Gott in Vers 1 fest: „Der Herr sprach zu Mose: Dieser Monat soll bei euch der Erste sein, und am zehnten sollt ihr das Lamm besorgen, und am vierzehnten sollt ihr es schlachten.“
Gott bestimmt diesen Termin. Die Israeliten müssen sich nicht erst von Pharao die Genehmigung dafür einholen. Wahrscheinlich hätten sie diese auch gar nicht bekommen, das versteht sich von selbst. Wenn Gott sagt, dass wir zu seiner Ehre singen sollen, dann sollen wir uns versammeln und singen – ganz gleich, ob Pharao und seine Verordnungen das erlauben oder verbieten.
So wird der Gottesdienst der Gemeinde Jesu immer wieder angegriffen, manchmal ganz plötzlich. „Wie aus heiterem Himmel“ kann man das nicht wirklich sagen, denn solche Angriffe kommen meist von anderer Seite. Doch der Herr verteidigt den Gottesdienst seiner Gemeinde. Dabei treten manchmal ganz unerwartete Helfer auf den Plan.
Manchmal sorgt Gott sogar für ganz weltliche Hilfe, durch die er sicherstellt, dass seine Gemeinde ihm dienen kann. Das haben wir bereits erlebt. Das bedeutet Freiheit – frei schon jetzt.
Frei schon jetzt – so werden die Israeliten ihren Passagottesdienst im Angesicht ihrer Feinde feiern. Sie werden das Blut der Passalämmer öffentlich von außen an ihre Türpfosten streichen. Sie verstecken sich nicht. Freiheit mitten im Exil.
Wichtig ist: Noch zwischen der neunten und der zehnten Plage, also bevor Gott Pharao endgültig beugen wird, gehen die Israeliten in innerer Freiheit den nächsten Schritt. Gott hat ihnen durch Mose genau erklärt, wie sie dieses Passa feiern sollen.
In Vers 28 lesen wir: „Und die Israeliten gingen und taten, wie der Herr es Mose und Aaron geboten hatte.“ Das geschieht noch mitten in Ägypten. Hinter diesem einfachen Satz steckt die ganze aufwendige Prozedur von fünf Tagen, wie sie zuvor beschrieben wurde.
Jeder Hausvater besorgt ein Lamm – für ein Haus, für eine Hausgemeinschaft, wie wir in Vers 3 gelesen haben. Dieses Lamm verwahren sie bis zum vierzehnten Tag. Das bedeutet, sie haben vom zehnten bis zum vierzehnten Tag vier Tage Zeit, sich gezielt auf das Passa vorzubereiten. Dabei achten sie genau darauf, dass das Lamm fehlerlos ist und somit für diesen Zweck geeignet.
Am vierzehnten Tag schlachten sie das Lamm. Dann streichen sie das Blut, wie in Vers 7 beschrieben, an ihre Türpfosten. Sie nehmen von dem Blut und bestreichen beide Pfosten und die obere Schwelle der Tür. Die untere Schwelle wird nicht bestrichen, damit sie nicht mit ihren Füßen über das Blut gehen.
Ab Vers 8 wird das Essen beschrieben: Sie sollen das Fleisch in derselben Nacht am Feuer gebraten essen, dazu ungesäuertes Brot und bittere Kräuter. Das Fleisch soll roh gegessen werden.
Man fragt sich natürlich, besonders wenn man wenig Kocherfahrung hat: Warum soll das Fleisch nicht gekocht, sondern gebraten werden? Was wäre beim Kochen passiert? Beim Kochen wäre das Lamm nicht als Ganzes erhalten geblieben, sondern auseinandergefallen. Außerdem wäre es schwer gewesen, einen so großen Kochtopf zu finden. Selbst wenn das gelungen wäre, hätte das Fleisch sich abgelöst und wäre nicht mehr als Lamm erkennbar gewesen.
Darum geht es: Das Lamm sollte vollständig erhalten bleiben. Die Israeliten sollten das Lamm sehen, bevor sie es verzehrten. So verstehen sie die konkrete Botschaft: Dieses Lamm, das am Bratspieß geröstet wird, bewahrt unseren Erstgeborenen in der Nacht und sorgt dafür, dass er mit uns gehen kann.
So feiern sie dieses Passa noch in Ägypten – frei schon jetzt, weil sie Gottes Zusage im Rücken haben. In Kapitel 12, Vers 12 heißt es: „Ich will in derselben Nacht durch Ägyptenland gehen und alle Erstgeburten schlagen, vom Menschen bis zum Vieh. Ich will Strafgericht halten über alle Götter der Ägypter, ich, der Herr.“
Das bedeutet: Weder Pharao noch seine Götzen können den Israeliten etwas anhaben. Gott hält ihnen den Rücken frei. Pharao und seine Götzen sind letztlich ohnmächtig. Am Ende werden sie die Israeliten nicht nur gnädig ziehen lassen müssen, sondern sogar froh sein, sie endlich loszuwerden.
So lesen wir ab Vers 29: „Und zur Mitternacht schlug der Herr alle Erstgeburten in Ägyptenland, vom ersten Sohn des Pharao, der auf seinem Thron saß, bis zum ersten Sohn des Gefangenen im Gefängnis. Es war kein Haus, in dem nicht ein Toter war.“
Daraufhin stand der Pharao in derselben Nacht auf, ebenso alle seine Großen und alle Ägypter. Es entstand ein großes Geschrei in Ägypten. Dann ließ er Mose und Aaron rufen und sprach: „Macht euch auf und zieht weg aus meinem Volk, ihr und die Israeliten! Geht hin und dient dem Herrn, wie er gesagt hat. Nehmt auch eure Schafe und Rinder mit, wie er gesagt hat. Geht hin und bittet auch um Segen für mich!“
Merkt er, dass es auf den Segen dieses Gottes ankommt? Die Ägypter drängten das Volk mit untriebenem Eifer aus dem Land, denn sie sagten: „Wir sind alle des Todes.“
Freiheit im Vertrauen auf Gottes Übermacht
Manchmal muss Gott seinem Volk helfen, herauszukommen, manchmal aber auch, hereinzukommen – so wie in unserem Fall. Doch Gott hat die Übermacht, das wissen wir.
Deshalb lebt die Gemeinde Jesu diese Freiheit schon jetzt. Noch befinden wir uns im Exil, oder anders gesagt: Wir sind noch nicht im Gemeindehaus und stehen noch unter fremder menschlicher Herrschaft. Trotzdem sind wir bereits frei.
Warum? Weil wir, genau wie das Volk Israel, wissen dürfen, was Johannes im Neuen Testament formuliert hat. In 1. Johannes 4,4 heißt es: „Kinder, ihr seid von Gott und habt jene überwunden; denn der, der in euch ist, ist größer als der, der in der Welt ist.“
Das ist der Grund unserer Freiheit. Der, der in euch ist, ist größer als der, der in der Welt ist. Darin liegt das Geheimnis unserer Freiheit: Wir wissen mit Johannes, dass der in uns ist, größer ist als der, der in der Welt ist.
Freiheit und Verantwortung in der Gegenwart
Nun muss man natürlich sagen, dass Gott unseren Zeitgenossen gegenüber anders handelt als gegenüber den Ägyptern. Das Neue Testament bringt hier noch eine weitere Dimension hinzu.
Wir haben unseren Zeitgenossen, anders als Mose, keine unmittelbaren bevorstehenden Katastrophen anzukündigen. Dennoch haben wir denselben Gott zu verkündigen – denselben Gott, vor dem einmal jeder Mensch Farbe bekennen muss, um sein letztes, endgültiges Urteil zu empfangen.
Auch hier in Mellendorf haben wir den Menschen einerseits die frohe Botschaft zu bringen, dass es ihnen zum Segen gereichen wird, wenn sie sich dem lebendigen Gott zuwenden, den jeder in der Bibel finden kann. Es wird ihnen zum Segen, wenn sie auf seine Barmherzigkeit hoffen. Ebenso wird es ihnen zum Segen, wenn sie seine Boten gut behandeln.
Wir dürfen ihnen aber auch nicht verschweigen, was Paulus auf dem Areopag in Athen den Philosophen ganz ehrlich verkündet hat, weil es die Wahrheit ist. Er sagt in der Apostelgeschichte 17: Gott hat einen Tag festgesetzt, an dem er die Erde mit Gerechtigkeit richten wird – durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat. Jedem Menschen hat er den Glauben angeboten, indem er diesen Mann von den Toten auferweckt hat.
Auch das haben wir zu sagen, so wie Paulus es den Philosophen sagte, ebenso hier unseren Zeitgenossen in Mellendorf.
Das Kriterium in dieser letzten Krise wird einzig und allein sein, was Johannes der Täufer am Ende von Johannes 3, Vers 36 sagt: Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer aber dem Sohn nicht gehorsam ist, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm.
Das wird das Kriterium sein, auch in diesem Gericht. Und das hat die wahre Kirche Jesu Christi ihren Zeitgenossen in allen Epochen immer wieder bezeugt.
In dieser Bindung an den Herrn Jesus Christus liegt das Geheimnis unserer Freiheit – Freiheit schon jetzt.
In solcher Freiheit konnte Mose seine Leute mutig aus Ägypten herausführen, wie es in Hebräer 11, Vers 27 geradezu bejubelt wird: Durch den Glauben verließ er Ägypten und fürchtete nicht den Zorn des Pharao, denn er hielt sich an den, den er nicht sah, als sähe er ihn.
Das heißt: frei schon jetzt. Er hielt sich an den, den er nicht sah, als sähe er ihn. Darum fürchtete er nicht den Pharao und seine gesamte Entourage.
Freiheit trotz Schuld: Das Blut des Passalamms
Aber nun müssen wir noch ein zweites klären. Die Bibel stellt Ägypter und Israeliten nicht holzschnittartig als die Bösen hier und die Guten dort gegenüber – also die bösen Ägypter und die guten Israeliten. Das wird gerade jetzt an der zehnten, der letzten Plage deutlich, und das überrascht vielleicht.
Bei den Plagen eins bis neun waren die Israeliten noch weitgehend verschont geblieben. Besonders spektakulär wurde das bei der neunten Plage: Überall war es stockfinster, nur bei ihnen war es hell. Jetzt aber, wenn Gott in seinem Gericht die Erstgeburt schlagen wird, kann auch Israel nicht mehr einfach mit verschränkten Armen zuschauen. Israel braucht plötzlich selbst Rettung.
Vers 13 sagt: „Dann aber soll das Zeichen das Blut euer Zeichen sein; wo ich das Blut sehe, will ich an euch vorübergehen.“ Verstehen Sie? Hier liegt die engste Parallele zwischen Exodus und der Gemeinde Jesu, hier liegt das tiefste Geheimnis unserer Freiheit. Wir sind nicht nur jetzt schon frei, sondern zweitens auch frei von Schuld – frei von Schuld.
Jede Familie, jede Hausgemeinschaft brauchte so ein Passalamm. Nicht nur, um die Passamahlzeit zu halten, sondern weil sie eben das Blut des Lammes brauchten, um ihre Erstgeburt – sowohl von Menschen als auch von Tieren – vor Gottes Todesstrafe zu schützen. Sie brauchten dieses Blut, um es an ihre Türpfosten zu streichen. Dann würde Gottes Gericht an ihnen vorübergehen.
Das ist die Bedeutung des Wortes „Passa“, dieses hebräische Verb. Es bedeutet einmal „hinken“ in der Erstbedeutung, aber auch – und das ist hier gemeint – „über etwas hüpfen“, „etwas übergehen“, „etwas unberührt lassen“, „darüber hinweggehen“ oder „daran vorbeigehen“. So ist es hier gemeint: Passa – darüber hinweggehen.
Dort, wo das Blut des Lammes an der Tür haftet, wird Gott mit seinem Gericht vorübergehen. Er wird dieses Haus von seinem Gericht und von der Todesstrafe unberührt lassen, er wird darüber hinweggehen. Und der einzige Schutz, der völlig ausreicht, ist das Blut des Lammes. Dieses heißt deshalb Passalamm, weil es bewirkt und garantiert, dass Gottes Gericht vorüberzieht und darüber hinweggeht. Passa – deshalb das Passalamm.
Die Ägypter haben dieses Passalamm nicht, und das ist der Unterschied. Deshalb steht in Vers 12: „Denn ich will in derselben Nacht durch Ägyptenland gehen und alle Erstgeburten schlagen, den Menschen und das Vieh, und will Strafgericht halten über alle Götter Ägyptens.“
Verstehen Sie? Zwei Adressaten hat dieses göttliche Gericht: einmal Ägyptens Götter, und Gott richtet sie wegen ihrer Machtlosigkeit, wegen ihrer Hilflosigkeit gegenüber dem wahren Gott, der die Welt geschaffen hat, der Gott Israels ist und der alle Menschen zu sich ruft – zum Gehorsam zu sich ruft.
Wie machtlos Ägyptens Götter gegenüber diesem lebendigen Gott sind, zeigt sich daran, dass bei den Ägyptern teilweise auch erstgeborene Tiere als Gottheiten verehrt wurden, wie zum Beispiel der Stier Apis oder der Bock Mendes. So traf es auch die Erstgeburt der Tiere, aber auch die Erstgeburt bei den Menschen – den erstgeborenen Sohn, der meist als entscheidend für die Zukunft einer Familie galt. Auf diesem Erstgeborenen ruhte ihre Hoffnung. Der erstgeborene Sohn des Königs wurde möglicherweise sogar göttlich verehrt.
Damit sagt Gott: Leute, das, worauf ihr euch verlasst, das, wovon ihr eure Sicherheit auch für die Zukunft erwartet, wird euch nicht retten. Es kann sich selbst nicht retten. So trifft es die Erstgeburt – den Stärksten, wenn man so will – quasi stellvertretend und als Warnsignal für alle anderen. Und das ist unheimlich ernst.
Der Text zeichnet aber kein Schwarz-Weiß-Bild: auf der einen Seite die bösen Ägypter, auf der anderen Seite die guten Israeliten. Sie sehen: Auch das Volk Israel steht unter dieser Bedrohung, obwohl es sich in diesem Vorgang überhaupt nichts hat zuschulden kommen lassen. Sie haben den Ägyptern ja nichts getan.
Und obwohl dieses Volk Israel von Gott in besonderer Weise erwählt und geliebt ist – das hat Mose bei seiner Erstbegegnung mit Pharao auch noch einmal ganz deutlich ausgerichtet (Kapitel 4, Vers 22): „So spricht der Herr: Israel ist mein erstgeborener Sohn, und ich gebiete dir, dass du meinen Sohn ziehen lässt, dass er mir diene. Wirst du dich aber weigern, so will ich deinen erstgeborenen Sohn töten.“
Gott identifiziert sich hundertprozentig mit seinem Volk. Nun fragen wir erst recht: Warum wird auch Israel vom Gericht seines Gottes bedroht und nicht nur Ägypten? Warum nicht nur die offiziellen Heiden, sondern auch die vermeintlichen Christen?
Die Antwort: Weil sie sich größtenteils von Gott abgewandt hatten. Die Israeliten in Ägypten verließen sich lieber auf die Götzen Ägyptens. Das wird im Rückblick oft gesagt, zum Beispiel in Josua 24, Vers 14: „Eure Väter in Ägypten dienten den Götzen.“
Das wird der Prophet Hesekiel in Kapitel 20, Verse 7 und 8, dann auch noch einmal sagen: Sie dienten in Ägypten den Götzen, sie verweigerten ihrem Gott die Hingabe, die Liebe und die Treue. Darum ist das Verhältnis zu Gott bei den Israeliten genauso beschädigt wie bei den Ägyptern.
So wie es Paulus später im Römerbrief für die gesamte Menschheit sagen wird: „Alle haben gesündigt, und alle haben die Herrlichkeit verloren, die Gott ihnen zugedacht hatte. Sie sind allesamt Sünder“ – die Israeliten genauso wie die Ägypter.
Darum werden auch die Israeliten in der bevorstehenden Nacht, wenn der heilige Gott gerechtes Gericht übt, genauso gefährdet sein. Sie werden genauso gefährdet sein, wenn sie diese Nacht ohne das Passalamm überstehen wollen.
Und hier liegt der Unterschied: Der Unterschied zwischen den Ägyptern und den Israeliten. Beide sind schuldig vor Gott, beide sind dem Tod verfallen, beide müssen in dieser Nacht um ihre Erstgeburt bangen. Aber Israel hat ein Passalamm, und darum hat Israel die Chance, frei von Schuld zu werden und den heiligen Gott nicht als Richter, sondern als Retter zu erfahren.
Jesus Christus als das wahre Passalamm
Hier verstehen wir nun, warum Jesus sein Abendmahl knapp 1500 Jahre später im Rahmen des Passamals eingesetzt hat. Genau in diesem Monat, der nach dem Exil Nisan genannt wurde, feierten die Juden ihr jährliches Passamahl. Dieses hatte Gott damals in Ägypten zum ersten Mal feiern lassen.
Wenn Sie die Berichte von der Einsetzung des Abendmahls lesen, fällt auf, was beim Passamahl fehlt, das Jesus mit seinen Jüngern hält: das Lamm. Denn Jesus selbst ist bei diesem Mahl am Gründonnerstag bei ihnen – er ist das Lamm.
Am nächsten Tag, Karfreitag, stirbt der Herr Jesus in der neunten Stunde, also um 15 Uhr. Dies geschieht zur selben Zeit, als im Tempel die Passalämmer geschlachtet werden und das Blut in Strömen durch die Gassen Jerusalems fließt.
Dies geschieht am vierzehnten Nisan, beziehungsweise vierzehnten Abib, wie es in Vers 6 heißt: „Und sollt es verwahren bis zum vierzehnten Tag des Monats. Und dann sollt ihr es schlachten.“ An diesem Tag wird Jesus Christus am Kreuz für uns sterben.
Deshalb hat Johannes der Täufer Jesus angepriesen und gesagt: „Das ist das wirkliche Passalamm, das der Welt Sünde trägt.“ Auch der Apostel Paulus schreibt in 1. Korinther 5,7: „Auch wir haben ein Passalamm.“ Natürlich ist er unser Passalamm, das stellvertretend für uns sein Leben hingibt, damit Gottes Gericht uns überspringen kann. Damit Gottes Gericht an uns vorbeigeht und wir Kandidaten des Himmels, Mitglieder der Familie des ewigen Gottes sein dürfen – durch unser Passalamm, Jesus.
Hier liegt das eigentliche Wunder der christlichen Freiheit. Wir dürfen mit Gott versöhnt sein und brauchen sein Gericht nicht mehr zu fürchten. Denn das Passalamm hat stellvertretend für uns Gottes Gericht durch seinen Opfertod am Kreuz auf sich genommen.
Dadurch werden wir auch frei von der Verzweiflung angesichts des Todes, weil wir wissen: Er ist auferstanden und wird uns das ewige Leben schenken.
So wird der alte Exodus plötzlich durchsichtig, er wird transparent für Gottes viel weiterreichenden Plan. In dem Moment, in dem Gott Israel aus der Sklaverei herausholt – circa 1446 v. Chr. – gibt er der ganzen Welt dieses große symbolische Versprechen. Eines Tages wird sein vollkommenes, endgültiges Opferlamm kommen: sein eigener Sohn Jesus Christus.
Darum musste dieses Opferlamm in Ägypten fehlerlos sein, weil sein Sohn Jesus ohne Sünde sein würde und müsste, um uns retten zu können. Deshalb betonen die Evangelien auch, dass Jesus kein Bein gebrochen wurde – so wie auch dem Passalamm kein Bein gebrochen werden durfte.
Jetzt kommt alles darauf an, dass sein Blut an den Pfosten meines Hauses eingetragen ist. Darum ist die Gemeinde eine Gemeinde der Befreiten, frei schon jetzt, wenn auch noch im Exil. Frei von Sünde, nicht weil wir selbst sündlos wären, sondern weil wir das Passalamm haben. Und weil wir uns jeden Tag wieder an ihn wenden können und sagen: Herr, vergib all das, was ich auf mich geladen habe. Danke, dass deine Vergebung gültig ist.
Freiheit als Lebensstil: Wachsamkeit und Aufbruch
Und zum Schluss finden wir hier ein letztes Freiheitsmerkmal, auf das uns Jesus selbst hingewiesen hat. Er zitierte den Anfang von Vers 11: „So sollt ihr es aber essen, um eure Lenden sollt ihr gegürtet sein und eure Schuhe an euren Füßen haben und den Stab in der Hand.“ (Lukas 12,35).
Was beschreibt Jesus hier mit dem Zitat aus dem Exodus? Er beschreibt die Lebenshaltung, den Lebensstil, der seine Nachfolger prägt. Er beschreibt den Lebensstil, der die Christen in Bewegung hält. Wenn wir mit Jesus leben, das heißt, wenn wir ihm die Herrschaft über unser Leben übergeben haben, dann werden wir nicht nur frei von jetzt, nicht nur frei von Sünde, sondern wir werden drittens auch frei vom vertrauten Trott, der unser Leben lähmt.
Das ist die Folge: Wir werden frei vom vertrauten Trott, frei von eingeschliffenen Gewohnheiten, die oftmals so zäh an uns kleben. In der Passahnacht war damit Schluss, wenn man den Auszug aus Ägypten nicht verpassen wollte, wenn man den Weg in die Freiheit mitgehen wollte. Wenn man dem Regime des Pharao entkommen wollte, dann tat man gut daran, Gottes Tischordnung eins zu eins ernst zu nehmen, wie es in Vers 11 heißt: „So aber solltet ihr es essen, um eure Lenden solltet ihr gegürtet sein, eure Schuhe an euren Füßen haben und den Stab in der Hand und sollt es essen als die, die hinweg eilen, denn es ist des Herrn Passer.“
Verstehen wir? Das meint Jesus in Lukas 12. Das meinte Jesus übrigens auch mit dem Gleichnis vom letzten Sonntag, in dem der Herr die fünf sogenannten törichten Jungfrauen als ein Bild wählte. Wir sahen sie als solche, die sich formal für Christen halten, weil sie äußerlich dazugehören, aber die in ihrem Herzen so wenig für Jesus brennen wie ihre müden Fackeln. Diese Fackeln qualmen am Ende des Tages nur noch müde und erkalten schließlich.
In der Passahnacht wollte sich das kein Israelit leisten. Da waren sie hellwach, saßen quasi, wie dieser Vers 11 zeigt, auf gepackten Koffern und aßen das im Weggehen. Als Kind hat einem die Mutter ja manchmal gesagt, dass man nicht im Stehen essen sollte, das würde dem Magen nicht guttun. „Iss nicht im Stehen, Junge, setz dich hin.“ Aber in dieser Nacht war das anders.
In dieser Nacht, als im Palast genauso wie in den Bürgerhäusern und in den Armenvierteln die Erstgeburten starben, als alle die Machtlosigkeit ihrer Götzen sahen und ihre eigene Wehrlosigkeit gegen den Tod, da wussten die Israeliten, dass es in dieser Nacht losgehen würde. Deshalb gab es zum Fleisch auch nur ungesäuertes Brot, weil für den normalen Backprozess die Zeit nicht mehr reichte. Deswegen ungesäuertes Brot – mehr war nicht drin.
Während die Israeliten hinter ihren blutig gestrichenen Haustüren auf Gottes Aufbruchssignal warteten, auf ihren Koffern sitzend, wurde das übrige Land von Geschrei und Trauer erschüttert. Noch einmal Vers 29: „Und zur Mitternacht schlug der Herr alle Erstgeburten im Ägyptenland, vom ersten Sohn des Pharao, der auf seinem Thron saß, bis zum ersten Sohn des Gefangenen im Gefängnis.“
Da stand der Pharao auf, in der Nacht, und alle seine Großen, alle Ägypter. Es entstand ein großes Geschrei, denn es gab kein Haus, in dem nicht ein Toter war. Dann beschworen sie Mose und seine Leute: „Bitte geht, nehmt alles mit, was ihr wollt, bitte geht!“ Und es wird noch gesagt, dass sie sogar Schmuck von den Israeliten mit auf den Weg bekamen – teilweise aus Sympathie, teilweise, um einfach sicherzustellen, dass sie jetzt wirklich gehen.
Die Wachheit jener Nacht nimmt Jesus als ein Bild dafür in Lukas 12, wie wir als seine Nachfolger leben sollen. Wozu er uns befreien will: zu einem Lebensstil frei vom vertrauten Trott, frei von einem Trott, der sich längst in den ägyptischen Sitten eingerichtet hat.
Natürlich war Ägypten für viele auch eine bittere Zeit, und deshalb diese bitteren Kräuter, mit denen sie das Brot auch in Zukunft würzen sollten, das ungesäuerte Brot, um die Ägyptenzeit nicht nachträglich zu verklären. „Ach, was war es doch schön in Ägypten!“ – nein, die bitteren Kräuter müssen rein.
Trotzdem kann man sich ja einrichten, man kann es sich doch passend machen: das eigene kleine Leben, die vertraute kleine Welt, das Häuschen, die Hobbys, die Geburtstagspartys mit den Kindern, die Arbeit, die Urlaubsreisen, der Sport, die Freunde, die Spieleabende, die Konzertbesuche – so kann man ein Leben schon rumbringen und zwischendrin irgendwie auch noch Gott unterbringen, seine Gemeinde und den Gottesdienst, wenn nicht gerade etwas Dringenderes vorliegt. So kann man leben.
Und Jesus rüttelt uns wach, indem er uns diesen Vers 11 vor Augen stellt und sagt: „Denkt dran, um eure Lenden sollt ihr gegürtet sein, eure Schuhe an euren Füßen haben und den Stab in der Hand und sollt es essen, als die, die hinweg eilen.“
Und ich möchte fragen: Ist das dein Leben, was Vers 11 hier beschreibt? Was antwortest du Jesus auf diese Frage? Ist das dein Leben? Lebst du dein Christsein als ein Hinwegeilender? Mit dem Stab in der Hand, an den Lenden umgürtet, an den Füßen mit Schuhen ausgerüstet, auf deinen Koffern sitzend, bereit, der Führung deines Herrn zu folgen, wohin sie dich auch führen mag? Oder hängst du fest im vertrauten Trott, in dem du dich längst bequem eingerichtet hast?
Wärst du mitgegangen in jener Nacht? Wärst du mitgegangen, oder wäre es dir zu riskant gewesen, zu plötzlich, zu hektisch oder zu wenig berechenbar? Wärst du mitgegangen?
Du wirst nicht dadurch Christ und Himmelsbürger, dass du einen bestimmten Lebensstil pflegst. Aber wenn du zu Jesus gehörst, wenn du die Vergebung der Sünden von ihm empfangen hast und aus dieser Vergebung täglich lebst, wenn du Jesus wirklich liebst, dann wirst du sicher auch noch schlechtere, müdere Tage haben, klar. Aber du wirst dich danach sehnen.
Du wirst dich danach sehnen, dass Jesus dich von diesem vertrauten Trott freimacht, der manchmal wie Honig an unserem Leben klebt, so zäh und uns hindert, Jesus und seiner Gemeinde mit ganzem Herzen zu dienen.
Und so wichtige Fragen: Kennst du diese Freiheit der Christen, diese Freiheit der Gemeinde, die der heilige Gott uns hier im Exodus vor Augen stellt? Frei schon jetzt, obwohl wir noch im Exil sind, weil Gott mit seiner Macht hinter uns steht und uns durch seinen Auftrag zum Handeln bevollmächtigt. Frei von Sünde, weil das Passalamm für dich gestorben ist und weil du ihm glaubst und ihm vertraust. Ja, und frei vom vertrauten Trott, weil du wach geworden bist und deine Lenden umgürtet hast, weil du Jesus treu nachfolgen willst.
Verantwortung und persönliches Bekenntnis
Stell dir vor, eine dieser Hausgemeinschaften hätte das Lamm geschlachtet und verzehrt, aber darauf verzichtet, das Blut des Lammes an ihre Türpfosten zu streichen. Sie hätte gesagt: „Ach, wozu soll das dienen? Ein Lamm ist doch zum Verzehren da.“
Diese Nacht hätte für dieses Haus in einer Katastrophe geendet. Ihr Erstgeborener wäre gestorben, weil Gott zu seinem Wort steht – sowohl in Gnade als auch im Gericht.
Daran erkennt man, wie ernst Gott deine Verantwortung nimmt. Es genügt nicht, nur zu wissen, dass Jesus gekreuzigt wurde und dies auch zu verstehen. Das ist die Voraussetzung.
Du musst das Blut persönlich an die Pfosten deines Hauses streichen. Das hat nichts mit Magie zu tun. Es geht vielmehr darum, dass du sagst: Es galt und gilt für mich, dass Jesus sein Leben geopfert und sein Blut vergossen hat. Darum geht es.
Du musst ihm Antwort geben. Du musst ihm sagen: Herr, lass dein vergossenes Blut, lass deinen Opfertod am Kreuz meine Schuld bedecken und so die Pfosten meines Lebens für immer zieren.
Offenheit der Gemeinde für alle Menschen
Und zum Schluss noch eine allerletzte Beobachtung, nur ein kurzer Satz: Vers 38.
Da heißt es beim Auszug: „Und es zog auch mit ihnen, also mit den Israeliten, viel fremdes Volk.“ Erstaunlich, viel fremdes Volk – das waren keine Israeliten, sondern andere Nationalitäten. Darunter waren bestimmt auch einige Ägypter.
Diese Menschen hatten offenbar etwas entdeckt und waren wach geworden. Manche hatten offenbar eine Sehnsucht nach dem Gott Israels bekommen. Sie wagten es, in diesem kritischen Moment mitzugehen.
Vielleicht hört diese Predigt oder liest diesen Text auch mancher, der sich eher zu diesem fremden Volk zählen würde. Und es zog auch mit ihnen viel fremdes Volk.
Jemand, der bisher nie groß mit der Gemeinde oder der Kirche zu tun hatte, geschweige denn mit ihrem Herrn – dann möchte ich besonders auf diesen Vers 38 hinweisen. Nehmen Sie diesen Satz ganz persönlich: „Und es zog auch mit ihnen viel fremdes Volk.“
Wir als Gemeinde sind keine geschlossene Gesellschaft. Man muss keine fromme Geschichte haben und braucht keinen christlichen Stallgeruch, um zu Jesus zu kommen.
Darum lohnt sich für Sie die Gemeinde, der Gottesdienst. Warum? Weil Sie hier Jesus finden. Nicht, weil wir so ein gutes Bodenpersonal wären, sondern weil wir das Wort von Jesus haben und weil wir ihn lieben.
Jesus Christus, danke, dass du unser Passah-Lamm geworden bist. Und dass es mitten unter den Bedingungen dieser Welt wirklich Freiheit gibt – Freiheit für dein Volk, Freiheit durch Vergebung unserer Schuld, Freiheit von diesem alten, bequemen Leben, in dem unser Egoismus das Zepter führt.
Herr, danke, dass du uns diese Freiheit schenken willst. Hilf, dass jeder erkennt, an welcher Stelle er sich mit seiner Existenz vor dir befindet.
Danke, dass wir zu dir kommen und dich einfach von Herzen anrufen dürfen. Mach uns frei und sei uns gnädig, du lieber, guter Herr! Amen.