Einführung in die Weltmission und ihre Bedeutung
Weltmission – Was Christen mit Gott erlebt haben
Darüber berichtet Rolf Schäffbuch aus Schorndorf bei Stuttgart. Die meisten Missionare, von denen er erzählt, sind zwar schon seit einigen Jahrhunderten tot und nun in Gottes Ewigkeit. Doch wenn Rolf Schäffbuch von ihnen und ihrem Leben berichtet, werden sie vor unserem geistigen Auge wieder lebendig.
Diese Menschen haben Großes für Gott gewagt und ihr Leben aufgegeben, um ihrem Herrn zu dienen. Dabei sollen hier keine Helden verklärt oder geschmückt werden. Diese Ansprache will vielmehr dazu einladen, ähnlich verfügbar für Gott zu sein wie die Männer der Kirchengeschichte. Und solche verfügbaren Menschen gibt es heute ja auch.
Vor hundert Jahren hat der schwäbische Pfarrer Carl Friedrich Werner die Gottesdienste im Grünen neu entdeckt. Eigentlich hat sie ja unser Herr Jesus selbst entdeckt, als er am Ufer des Sees Genezareth und am Abhang des Berges Tausende um sich versammelte. Doch Pfarrer Carl Friedrich Werner hat diese schöne Sitte neu belebt.
An Sonntagabenden sammelte er jeweils zweitausend bis dreitausend Leute aus den umliegenden Gemeinden an den Hängen des Kappelbergs über den Weinbergen von Fellbach. Während die Abendglocken aus den umliegenden Dörfern erklangen, erzählte er einfach davon, was Gott im Bereich der weltweiten Mission tut. Das war wunderbar.
Das gab den Menschen damals einen unsagbar weiten Horizont. Sie waren durch Fürbitte und Opfer so mit all diesen Aktionen verbunden, dass für sie der Horizont nicht durch die Hänge des Remstals begrenzt war. Für sie waren Okak in Labrador, Chambala in Indien und Nyasoso in Kamerun so etwas wie Außenstationen ihres heimatlichen Kirchenbezirks.
Anteilnahme an Gottes Wirken in der Weltmission gibt einen wirklich weiten Horizont. Und wir Christen haben das Anrecht darauf, einen weiten Horizont zu haben.
Persönliche Erfahrungen und die Bedeutung der Einsatzbereitschaft
Deshalb möchte ich Ihnen heute einiges erzählen von dem, was sich im Bereich der Weltmission Gottes getan hat und bis heute tut. Ich bin kein Missionswissenschaftler, das werden Sie bald merken. Ich möchte nur ein wenig plaudern und Sie Anteil nehmen lassen an dem, was mich gepackt hat.
Vor einigen Jahren ruft mich abends Walter Arnold an, damals noch Generalsekretär des deutschen CVdM. Er sagt, in unserer Technikerausbildung in Afrika, in Accra, sei von heute auf morgen der Ingenieur ausgefallen, der die ganze Architekturarbeit leitet – die Ausbildung von Bauhandwerkern und von Schreinern. Wir mussten ihn wegen Krankheit rausfliegen lassen.
„Ja“, sage ich, „und was ist los?“
„Ja, wir brauchen einen Württemberger“, da sage ich, „gut, ich will mal danach schauen.“
Da antwortet Walter Arnold: „Was heißt ‚danach schauen‘, warum? Ja, den brauchen wir möglichst schon vorgestern, und ihr in Württemberg habt doch solche Leute, die das machen können.“
Ich habe das dann schnell mal durchgedacht und mit meinen Kollegen im württembergischen Jugendwerk besprochen. Sie haben gesagt: „Frag doch mal den Wilhelm, der ist Architekt, der Wilhelm aus Mössingen.“ Ich sehe mich noch am folgenden Tag in der Röthestraße in Stuttgart, in dem Architekturbüro. Da hat dieser Wilhelm noch spät abends gearbeitet.
Ich habe ihn gefragt: „Herr so und so?“
Er hat mich unterbrochen und gesagt: „Du kannst ruhig Wilhelm sagen, wir sind nämlich verwandt.“ Da hat sich herausgestellt, er ist ein schwäbisches Väterle.
Da habe ich gesagt: „Wilhelm, bei uns ist der Mann ausgefallen, Accra, könntest du nicht einspringen?“
Da fragte er langsam: „Wann denn?“
Na, da habe ich das gesagt, was Walter Arnold mir mitgeteilt hat: möglichst vorgestern.
Da sagte Wilhelm ganz nüchtern: „Na ja, das lässt sich wohl machen. Ich spreche morgen früh mit meinem Chef. Impfungen habe ich schon, ich war ja in letzter Zeit zweimal in Afrika. Ich könnte nächsten Montag, wenn ein Flugzeug geht.“ Und er ging.
Versehen Sie, da war ein Mann, der innerhalb von 48 Stunden bereit war, seinen Arbeitsplatz zu wechseln. Und er hat dann sein Herz in Afrika verloren und wurde den afrikanischen Brüdern ein Bruder, ein Experte, der ihnen bis heute hilft, ein Christ, der sie mitbelebt.
Wir brauchen heute in der Mission junge Leute, die von heute auf morgen abrufbar sind, die nicht zuerst ihr Häusle abbezahlen müssen, die nicht erst lange Sprachkurse absolvieren müssen. Wir brauchen abrufbare Leute, die bereit sind, mit den Christen der ersten Generation draußen die Bibel zu lesen und zu beten – so wie sie das verlangend, erwartungsvoll und vertrauensvoll tun.
Die Anfänge der Herrnhuter Mission und ihre Herausforderungen
Haben Sie schon einmal vom Namen Zinzendorf gehört? Er war ein Edelmann, im achtzehnten Jahrhundert Reichsgraf und vornehm in Dresden ausgebildet im staatsmännischen Dienst. Seine Güter lagen in der Niederlausitz. Eines Tages kamen Flüchtlinge aus Böhmen zu ihm – versprengte Evangelische unter der Leitung eines Zimmermanns namens Christian David. Diese Flüchtlinge baten, ob sie nicht ihre einfachen Blockhütten auf den Gütern des Grafen errichten dürften. Er erlaubte es, denn er war ein frommer Mann.
Mit der Zeit wuchs seine Verbundenheit zu dieser Flüchtlingsgemeinde. Es waren etwa 500 böhmische Flüchtlinge. Der Anführer, Christian David, sagte bei den Gebetsversammlungen immer wieder: „Wir dürfen hier nicht einfach bleiben, wir haben die Aufgabe, der Welt von Jesus zu erzählen.“
So wurden im August 1732 zwei Männer aus dieser Flüchtlingsgemeinde ausgesandt: Leonhard Dober und David Nitschmann. Vorher hatte man recherchiert und untersucht, wo damals die Ärmsten der Armen leben. Man fand heraus, dass sie ganz sicher auf den Karibikinseln Sankt Thomas und Santa Cruz wohnen.
„Wohnen“ ist dabei ein schöner Ausdruck, denn es handelte sich um Negersklaven. Die meisten von ihnen waren von arabischen Häuptlingen gefangen genommen, an Europäer verkauft, auf Sklavenschiffen in die Karibik verschifft worden. Dort wurden sie wie menschlicher Schrott ausgeladen. Diejenigen, die im Sterben lagen, ließ man sterben, die anderen wurden ein wenig aufgepäppelt.
Man hielt sie in Pferchen, wie man heute keine Schweine halten würde. So wurden sie wieder fit gemacht, um sie auf die Sklavenmärkte von Georgia und Alabama – den heutigen Südstaaten der USA – zu bringen. In dieser Fieberhölle von Sankt Thomas und Santa Cruz lebten Zehntausende von Negersklaven.
Diese waren die Vorväter jener Schwarzen, die später in den Südstaaten Amerikas eindrückliche Spirituals sangen, voller Glauben an Jesus und voller Hoffnung. Vielleicht kannst du nicht predigen wie Petrus, vielleicht kannst du nicht beten wie Paulus, aber du kannst die Geschichte von Jesus weitererzählen, der für dich gestorben ist. Diesen Glauben haben sie von den ersten Herrnhuter Missionaren mitbekommen.
Als diese ersten Flüchtlingsmissionare, Dober und Nitschmann, sich entschlossen, dorthin zu gehen, brach in Europa Spott los – besonders in der gelehrten Welt. Ein königlich dänisches Missionskollegium verfasste ein Gutachten über die Unsinnigkeit, Leute dorthin zu schicken, wo man nicht einmal die Sprache kennt.
Und selbst wenn man die Sprache kennen würde, erfuhr man, dass diese Sklaven nicht einmal den Namen Gottes gebrauchen. Wie könne man solchen Leuten, die den Tieren näherstünden als den Menschen, das Evangelium von Jesus sagen wollen? So stellte es das königliche Missionskollegium fest.
Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf nahm dieses Gutachten wie einst Hiskia, der König Israels, den Brief des feindlichen babylonischen Königs genommen hatte. Er breitete das Gutachten vor Jesus aus und betete vor der ganzen Herrnhuter Gemeinde: „Herr Jesus, nun antwortest du selbst auf den Spott deiner Feinde. Amen!“
Als Zinzendorf dies sagte, sah er prophetisch: „Ich sehe vor mir, dass in den Ländern, in denen jetzt das Christentum zu Hause ist, der Unglaube immer mehr zunehmen wird. Aber ich sehe auch, dass Türen aufgehen werden in Afrika, in Asien und Amerika.“
Die Herausforderungen und der Mut der ersten Missionare
Was hatten die beiden Männer, Nitschmann und Dober, vor sich? Die Fieberhölle in der Karibik. Sie hatten keine Tropenimpfungen und keinerlei Erfahrung. Sie wussten nicht einmal, welche Sprachen dort gesprochen wurden. Es gab kein missionswissenschaftliches Institut. Sie hatten nicht einmal das Fahrgeld bis nach Kopenhagen, von wo das Schiff losging – ein dänisches Schiff in die Karibik. Das war ihre Situation.
Aber sie hatten auch den Herrn Jesus vor sich. Zinzendorf hatte ihnen das Lied der Streiter Jesu Christi mitgegeben: „Jesu, geh voran auf der Lebensbahn, soll's uns hart ergehen, lass uns feste stehen.“ Wissen Sie, das ist kein Lied für die Hochzeit, sondern ein Lied für die Streiter Jesu. Es heißt: „Ordne unseren Gang Jesu lebenslang.“
Sie hatten nicht nur den Hass der Sklavenhalter vor sich, sondern diesen lebendigen Jesus. Zinzendorf sagte zu Nitschmann: „Sie werden euch einsperren wie die Sklaven.“ Darauf antwortete Nitschmann: „Dann werden wir umso besser den Sklaven predigen können.“ Sie waren bereit, sich in diese Lage zu begeben.
Hinter sich hatten Nitschmann und Dober nicht nur den Spott Europas, sondern auch das 24-Stunden-Gebet der Herrnhuter Gemeinde. Diese armen Flüchtlinge setzten sich Stunde um Stunde zusammen und beteten für die Missionsarbeit: „Soll's uns hart ergehen, lass uns feste stehen.“
Diese ersten Missionare machten dann gleich draußen auf St. Thomas wichtige Erfahrungen. Als sie unter den Schwarzen waren, merkten sie, dass am meisten verachtet die Mischlinge waren – die gab es damals schon. Sie wurden von den Schwarzen ausgestoßen und von den Weißen ebenfalls.
Einer der ersten Herrnhuter Missionare heiratete als Zeichen dafür, dass Jesus alle Menschen annimmt und liebt, eine solche Mischlingsfrau. Der Gouverneur der Insel ließ sowohl den Missionar als auch seine Mischlingsfrau ins Verlies werfen. Der Missionar durfte nach einiger Zeit wieder aus dem Gefängnis heraus, die Frau blieb drin. Warum? Im Dritten Reich hätte man das als „Rassenschande“ bezeichnet.
Daraufhin reiste Zinzendorf selbst nach St. Thomas – auf einer unsäglich schwierigen Reise. 1739 kam er dort an. Der Gouverneur war erschienen, es kam ein Reichsgraf. Zinzendorf sagte gleich am Hafen: „Wo ist die Gefangene?“ Er wollte nichts vom Staatspalast sehen, nichts von anderen Einrichtungen. Er fragte nur: „Wo ist die Gefangene?“
Der Gouverneur führte ihn hin und öffnete die Zelle. Als die Tür zu diesem stinkenden Verlies geöffnet wurde, trat Zinzendorf hinein, ergriff die Hand der Mulattin und küsste sie, wie man einer Reichsgräfin einen Handkuss gibt. Er gab ihr eine unsagbare Ehre.
Der Gouverneur sprach danach nicht mehr davon, dass sie wieder ins Verlies eingesperrt werden sollte. Verstehen Sie, zur Mission gehörte von Anfang an, sich für die Entrechteten einzusetzen – aber auf eine Weise, die mit dem Evangelium von Jesus zusammenpasst.
Es gab keinen Gedanken daran, dem Gouverneur das Haus anzuzünden oder eine Revolution zu machen. Stattdessen galt es, einen Weg zu finden, der Christen ziemt. Wir Christen sollten nicht so borniert sein, dass wir alle Stilmittel der Welt nachahmen. Wir müssen eigene Wege finden, um den Entrechteten Recht zu schaffen.
Das war 1732, 1739.
Die Mission im 18. und 19. Jahrhundert: William Carey und Christian Friedrich Spittler
Jetzt folgt in meiner Plauderei eine längere Pause. In Deutschland und Europa haben wir uns oft die Köpfe eingeschlagen. Denken Sie nur an Friedrich den Großen und andere historische Konflikte. Dadurch blieb wenig Zeit für Mission.
In England gab es damals einen kleinen Flickschuster namens William Carey. Er kam mit achtzehn Jahren zum Glauben und ließ sich taufen. Gleichzeitig schrieb er in sein Tagebuch: „Ich will es schaffen, working.“ Dieses Wort hatte für ihn eine große Bedeutung.
Carey gestaltete seinen Alltag so, dass er am Montagabend nach seiner langen Arbeit als Flickschuster Stilübungen in seiner Muttersprache machte. Dienstags widmete er sich dem Erlernen fremder Sprachen. Im Laufe der Zeit lernte er Hebräisch, Latein, Französisch, Holländisch und Spanisch – alles im Selbststudium. Es gab damals keine Volkshochschule oder Abendrealschule.
Mittwochs studierte er biblische Schriften, donnerstags bereitete er seine Predigten vor. Zusammen mit seiner Bekehrung begann er, auf einsamen Höfen zu predigen. Freitags traf er sich mit christlichen Freunden, und samstags hielt er bereits seinen Predigtdienst. „Working“, also schaffen, war sein Lebensmotto.
Er arbeitete meist von vier oder halb fünf Uhr morgens bis abends um acht Uhr in seiner Flickschusterei. Doch danach begann erst seine eigentliche Arbeit für das Reich Gottes. Ein Christ, der für seinen Herrn Jesus verfügbar sein will, muss seine Zeit gut nutzen können. Leider sitzen wir heute viel zu oft vor Fernsehschirmen.
Carey schrieb eine Schrift über die Pflicht der Christenheit, die Botschaft von Jesus zu den Heidenvölkern zu tragen. Auch hier lächelten die anglikanische Kirche und die Baptistenkirche nur milde. Was für eine Torheit, sagten sie, ein Flickschuster wolle uns sagen, was unsere Aufgaben seien. Außerdem seien die Menschen dort draußen keine echten Menschen, sie seien den Affen ähnlicher als den Menschen. Was solle man ihnen als Evangelium bringen?
Carey hatte sich mit seiner Frau abgesprochen, doch sie war nie ganz einverstanden mit seinem Vorhaben. Zunächst war sie nicht bereit, mit ihm auszureisen. Es ist immer wichtig, den richtigen Lebenspartner zu finden, wenn man Jesus dienen will. Carey hatte zeitlebens die Schwierigkeit, dass seine Frau nicht richtig mitzog.
Schließlich verkaufte er seine Flickschusterei und reiste nach Indien, in die Gegend von Serampur, einer dänischen Siedlung in der Nähe von Kalkutta. Dort arbeitete er sieben Jahre lang als Flickschuster mit seinen Mitarbeitern. Seine Frau wurde darüber wahnsinnig, und einige Kinder starben. Doch Carey bemühte sich zuerst, die Dialekte und indischen Sprachen zu erlernen.
Er schrieb sieben Grammatiken und Wörterbücher. Nach sieben Jahren hielt er mit seinen wenigen Mitarbeitern einen Gottesdienst in Serampur. Diese berühmte Predigt hatte zwei Teile: „Wagen wir endlich Großes für Gott“ und „Erwarten wir endlich Großes von Gott“.
Großes für Gott zu wagen, bedeutete für ihn, alles aufzugeben. Wissen Sie, was das größte Wagnis ist? Dass wir unser Vertrauen nicht auf uns selbst setzen, sondern auf den Gott, der Tote auferweckt. So sagten wir endlich: Ich selbst kann überhaupt nichts, ich bin höchstens ein Hindernis für Gott. Aber wirke du, Gott, durch mich hindurch! Das war die Predigt von Serampur.
Dann begann es wie ein Dammbruch. Wenige Jahre nach Careys Tod standen in der Gegend von Serampur 124 christliche Schulen. 24 große christliche Gemeinden lebten dort, und die Universität von Serampur war entstanden – sie gibt es heute noch in Indien. Fast jeder Pfarrer, der in Indien sein Abschlussexamen macht, erhält sein Dokument von dieser Universität, die Carey gegründet hatte.
William Carey lag auf dem Sterbebett, als ein englischer Stabsarzt zu ihm kam und sagte: „Herr Doktor Carey“, denn Carey hatte inzwischen einen Ehrendoktortitel erhalten, „Sie können getrost sterben, Herr Doktor Carey, was Sie alles geleistet haben, Doktor Carey.“ Doch Carey knurrte nur: „Reden Sie nicht immer von Doktor Carey, Doktor Carey! Reden Sie von Careys Heiland!“
Bis heute steht auf Careys Grabstein in Serampur: „William Carey, Geburtsjahr, Sterbejahr, ich elender Wurm, ich falle in deine mächtigen Arme.“ Sehen Sie, es war nicht so, wie wir heute oft sagen: „Wir sind die Hände Jesu.“ Da hätte Jesus arme, armselige Hände. Nein, Gottes Hand ist nicht zu kurz geworden, und wir dürfen kleine Handlanger dieses großen Jesus sein.
Nun komme ich der Gestalt näher, an die ich mein Herz verloren habe: Christian Friedrich Spittler. Er kam aus Schorndorf, wo ich heute selbst leben darf. Christian Friedrich Spittler war als Sohn einer Pfarrwitwe schließlich in der Stadtschreiberei von Schorndorf untergekommen. Er war mit seinem Beruf höchst unglücklich, denn er wollte kein Schreiber sein.
Er überlegte, mit seinen Kameraden zusammen nach Kanada auszuwandern. Doch seine Mutter schrieb ihm: „Bete und warte darauf, dass Jesus dir den richtigen Weg zeigt.“ Man muss abwarten können.
Im Jahr 1801 kam dann ein Brief von Doktor Karl Steinkopf aus London. Über ihn müssten wir lange reden. Er berief den achtzehnjährigen Christian Friedrich Spittler, Sekretär der Christentumsgesellschaft in Basel zu werden.
Damals war das eine lose Vereinigung von Leuten, die am alten biblischen Glauben festhalten wollten – ein bisschen ein christlicher Saftladen, nicht wahr? Doch in dem Moment, als Spittler als kaum Zwanzigjähriger Sekretär dieser Christentumsgesellschaft wurde, verwandelte sich dieser Mythenladen in einen Vulkan.
Spittler sagte: „Mensch, wir müssen noch Missionare hinaussenden in die Länder, die von Jesus noch nichts wissen.“ Aber wissen Sie, 1813 war gerade die Völkerschlacht bei Leipzig geschlagen. Wenn Sie ein bisschen Geschichte kennen, wissen Sie, wie schwer es damals war, aus Deutschland oder der Schweiz Missionare auszusenden.
Spittler sagte: „Wir machen zuerst eine Missionsausbildung und gründen eine Missionsgesellschaft.“ So wurde 1815 die Basler Mission gegründet. Gemeinsam mit seinem Freund Karl Steinkopf in London vereinbarte er: Die Missionare, die wir in Basel ausbilden, schicken wir über London hinaus durch die Church Missionary Society.
Wir lassen sie als anglikanische Missionare ordinieren, denn die Engländer haben durch ihre Kolonialgebiete viel mehr Möglichkeiten als wir, sie in Indien und Afrika einzusetzen. So wurden die ersten Basler Missionare als Missionare der Church Missionary Society ausgesandt.
Sehen Sie, in der Mission braucht man Menschen mit Gespür, mit Ideen – und man braucht einsatzbereite Leute.
Die Basler Missionare und ihre Entdeckungen in Afrika
Unter den ersten Missionaren, die Spittler mit der Basler Mission ausgesandt hat, war Ludwig Krapff aus Tübingen. Heute trägt in Tübingen die Ludwig-Krapff-Straße seinen Namen. Johannes Rebmann aus Gerlingen war ebenfalls dabei.
Krapff entdeckte in Kenia, Rebmann den Kilimandscharo. Natürlich wussten die einheimischen Afrikaner schon, dass es diese Berge gibt. Nur die Europäer hatten davon noch keine Kenntnis. Die Afrikaner betrachteten den Kilimandscharo als Götterberg. Es erzählte sich die Sage, dass oben auf dem Berg Silber liege. Wenn man das Silber heruntertragen wolle, verwandle es sich in der Hand zu Wasser, weil es in Wirklichkeit Schnee war.
Als Rebmann diesem Gerücht nachging, um den Berg zu sehen, trat er plötzlich aus dem Busch heraus und sah über den Wolken den schneebedeckten Gipfel des Kilimandscharo. Er blieb stehen und sang „Jerusalem, du hochgebaute Stadt“. Anschließend schrieb er einen Brief an die Church Missionaries Society in London. Darin berichtete er von seiner Entdeckung: ein schneebedeckter Berg mitten am Äquator, der mehrere tausend Meter hoch ist.
Die Londoner reagierten sofort und schickten einen Arzt nach Dar es Salaam, um Rebmann zurückzuholen. Sie hielten ihn für verrückt, denn ein Schneeberg unter dem Äquator erschien ihnen völlig undenkbar. Daraufhin entschied sich Rebmann, sich nicht mehr um seine Heimatmission zu kümmern, sondern zusammen mit Krapff zu missionieren.
Ludwig Krapff war insgesamt fünfmal in Afrika. Bereits bei seinem ersten Aufenthalt starb seine Frau. Im alten Hafen von Mombasa findet man bis heute das Grabmal dieser Missionsfrau. Die Inschrift auf dem Grab stammt aus einem Brief, den Krapff nach Hause schrieb: „Sagt den Freunden unserer Gesellschaft, dass Gott seinen Beginn der Arbeit mit einem Grab gemacht hat. Aber Gott hört nicht mit Gräbern auf, sondern fängt mit den Gräbern der Seinen sein wunderhaftes Werk an.“
Man kann sich kaum vorstellen, dass Krapff darauf gewartet hat, bis seine Frau nach sieben Jahren endlich nachreisen konnte. Bei der Geburt ihres ersten Kindes starb dieses, und die Mutter erlag dem Schmerz. Trotzdem wusste Krapff: „Unser Gott ruft den Toten, dass sie leben. Unser Gott hört mit Gräbern nicht auf, sondern fängt an.“
Welche Opferbereitschaft und welchen Einsatz zeigten diese ersten Missionare! Sowohl Krapff als auch Rebmann erhielten den Ehrendoktor der Universität Paris und die Gedenkmünze der Geographischen Gesellschaft in London für ihre Erkundungen in Ostafrika.
Wenn man heute das Museum in Tansania, in Dar es Salaam, besucht, ist die erste Abteilung der Mission gewidmet. Das ist bemerkenswert, denn dieses Land ist heute sozialistisch geprägt. Es stimmt also nicht, dass man in den Ländern Afrikas und Asiens generell über die Mission schimpft. Im Gegenteil: In großer Dankbarkeit ist die erste Abteilung eines sozialistischen Museums den Missionsarbeitern gewidmet. Denn sie waren die Ersten, die aus der arabischen Sklaverei Neger freigekauft haben.
Erweckungsbewegung in Ostafrika und ihre Auswirkungen
Wenn wir jetzt schon in Ostafrika sind, möchte ich eine Geschichte erzählen, die ich im Jahr 1978 gehört habe. Wir waren oben auf der Höhe von Blalo in den Usambara-Bergen. Vielleicht kommen von dort die Usambara-Feilchen. Allerdings haben wir keine mehr gesehen, möglicherweise weil so viele bei uns verkauft werden.
Im Missionshaus von Lalo – früher hieß es Hohenfriedberg – trafen wir eine achtzigjährige Dame, Friedel Wohlrab. Sie war die Tochter des ersten Missionars, der hier oben von der Tanga-Ebene hinauf in die Usambara-Berge kam. Diese Berge liegen wie ein großer Bergklotz mitten in Ostafrika.
Friedel Wohlrab erzählte uns eine Geschichte. Sie sagte: „Seht ihr da drüben die riesengroßen, alten Bäume? Ja, das sind nach Ansicht der Bewohner hier Geisterbäume. In den Zweigen leben die Seelen der Ahnen. Jeder, der unter den Bäumen vorbeigeht, wird getötet. Man hat immer einen weiten Bogen um diese Bäume gemacht.“
Als dann die beiden ersten Missionare der Bethel-Mission, Wohlrab und Johannsen, vom Tiefland heraufstiegen, machten sie durch Zeichensprache deutlich, dass sie einen Platz suchten, um ihr Zelt aufzuschlagen. Sie kannten den Dialekt, der dort oben gesprochen wurde, noch gar nicht.
Der Häuptling lachte breit und sagte: „Bitte hier, auf dieser wunderbaren, schönen und einladenden Wiese, die durch keinen Menschenfuß zertreten ist, mitten unter den Geisterbäumen.“ Die Missionare ließen ihr Zelt dort durch ihre Träger aufschlagen. Sie sammelten einige Äste aus der Umgebung, banden ein Kreuz zusammen und stellten es vor ihr Zelt.
Die Afrikaner beobachteten das heimlich hinter den Büschen, gespannt darauf, ob nicht sofort ein Donnerschlag kommen würde. Doch Wohlrab und Johannsen hielten an diesem Kreuz ihre Abendandacht, krochen ins Zelt und standen am nächsten Morgen wieder auf. Sie sangen das Morgengebet und sprachen ihr Gebet.
Die Afrikaner von Blalo sagten daraufhin: „Seht, die Missionare haben einen Baum, und sie meinen, das Kreuzeszeichen sei stärker als unsere Geisterbäume.“ Verstehen Sie, bevor überhaupt ein Wort in der Chagas-Sprache gesprochen werden konnte, mussten die Missionare diese erst erforschen. Doch Jesus hatte schon dafür gesorgt, dass seine Botschaft bekannt wurde: Der Kreuzesbaum ist stärker als die Geisterbäume.
Das war der Beginn der großen Erweckungsbewegung in den Usambara-Bergen, die bis in unsere Tage weitergeht. Wir leben heute stark von der ostafrikanischen Erweckungsbewegung. Am liebsten würde ich Ihnen das Lied vorsingen, das wir in dieser Bewegung singen: „Tuku Tendre sei Jesu, Ehre und Preis sei dem Lamm.“
Wenn man in einer christlichen Gemeinde in Ostafrika – in Ruanda, Burundi, Uganda, Tansania oder Kenia – sprechen will, darf man nicht einfach so wie ich heute aus der Missionsgeschichte erzählen. Man muss berichten, was man in den letzten vier Wochen mit Jesus erlebt hat. Wie man ein Bibelwort getroffen hat, wie man ein Wunder Gottes erlebt hat oder wie einem ein bestimmter Menschenweg geschickt wurde.
Das ist eine Art Ausweis, den man vorlegen kann, um zu zeigen, dass man wirklich mit Jesus verbunden ist und nicht nur ein nominelles Christentum lebt. Wenn dann diese Berichte kommen, was man mit dem lebendigen Jesus erfahren hat, erheben in den Gemeinden alle ihre rechte Hand und singen das Lied „Lob und Ehre sei dem Lamm.“
Diese ostafrikanische Erweckungsbewegung nimmt seit etwa 50 Jahren besonders die Vergebung der Sünde sehr ernst. Wenn ich den Eindruck habe, dass der andere etwas falsch gemacht hat und zwischen uns eine Spannung besteht, muss ich hingehen und sagen: „Lasst uns das bereinigen, was zwischen uns steht. Das darf nicht zwischen uns bleiben.“
So wie Jesus es in Matthäus 18 gesagt hat: „Ich will euch eure Sünden vergeben, wenn auch ihr fähig seid, euch untereinander Sünde zu vergeben.“ Das hat Jesus uns bis hin zum Vaterunser wichtig gemacht: „Vergib uns unsere Schuld.“ Auch wir wollen es fertigbringen, denen zu vergeben, die uns schuldig geworden sind.
Ich habe erlebt, wie Bischof Festo Kivengere – viele von Ihnen kennen ihn – uns in Nairobi erzählt hat, dass er, als er dort in die Schule ging, einen Hass auf einen schottischen Missionar hatte, obwohl dieser ihm nichts getan hatte. „But I hated him“, sagte Festo. Er hasste ihn, nur weil er so britisch war, weil er durch und durch Englisch war.
Dann machte Gott ihm klar: „Das geht nicht, Festo!“ Festo ging zu diesem schottischen Missionar. Er erzählte uns, wie schwer es ihm gefallen sei, an die Tür zu klopfen. Der Missionar kam heraus und fragte: „Was ist los, Festo?“ Da sagte er: „Vergib mir, vergib mir meinen Hass.“ Der Missionar nahm ihn in den Arm, sie weinten beide, und sie merkten, dass nicht nur zwischen ihnen beiden etwas geheilt wurde, sondern dass Gott nun ihre Arbeit segnen kann.
Sehen Sie diese ostafrikanische Erweckungsbewegung? Diese Eindrücke wollte ich Ihnen heute mitgeben. Aber jetzt stellt sich die Frage: Sind Sie hellhörig genug, um den Ruf zu hören, wo Gott Sie braucht?
Hören Sie nicht nur auf die Stimme in sich selbst, sondern fragen Sie auch Brüder und Schwestern, wie sie Sie beurteilen. Sie müssen Ihnen sagen, wo Ihre Gaben und Fähigkeiten liegen. Machen Sie sich bereit in dem Gebiet, auf dem Gott Ihnen natürliche Gaben gegeben hat.
Wer ein guter Techniker ist, braucht nicht zuerst auf die Bibelschule, sondern soll ein guter Techniker sein. Die Missionare Gottes heute sind Techniker, Ärzte, Mediziner, Schwestern. Machen Sie sich fit in dem Bereich, auf dem Gott Sie brauchen kann.
Vor einem halben Jahr kam der Ruf aus China: „Schickt uns 500 Ärzte.“ Wenn wir innerhalb von vier Wochen 500 christliche Ärzte zusammengebracht hätten, hätten wir 500 christliche Missionare nach China schicken können. Aber eben nicht als Pastoren oder Bibelschüler, sondern als Ärzte.
Das ist der Weg, auf dem Gott heute seine Leute sucht: dass wir aus ganz normalen Berufen kommen. Es gibt ja neben den Pfarrern auch noch ganz normale Christen. Hoffentlich sind wir in unseren Berufen fit und lernen möglichst noch eine Fremdsprache, um uns fortzubilden. So können wir Kontakt suchen zu anderen Christen, ihren Dienst unterstützen und selbst in diesen Ländern missionarisch tätig werden.
Aufgaben gibt es genug. Wichtig ist auch, dass wir gesundheitlich stabil sind. Wir brauchen eine Kerngesundheit, seelisch und körperlich, wenn wir brauchbar sein wollen für unseren Herrn.
Aber viel wichtiger als all das ist, dass immer mehr die Leitmelodie unseres Lebens wird: Wir setzen unser Vertrauen nicht auf uns selbst, nicht auf unsere Erfahrung, nicht auf unsere Frömmigkeit und nicht auf unsere seelische Stabilität. Wir setzen unser Vertrauen auf den Gott, der Tote auferweckt.