Einführung in das Thema Atheismus und seine gesellschaftliche Relevanz
Zum letzten Punkt komme ich zu unserem Thema heute Nachmittag. Das Thema ist angekündigt als Atheismus. Natürlich geht es heute Nachmittag nicht darum, dass ich hier für den Atheismus werbe. Ich denke, das haben Sie auch nicht erwartet.
Mir ist aufgefallen, dass mein Büchlein, auf das mich jemand aufmerksam gemacht hat, bei Amazon im Internet besprochen wurde. Es gab dort mehrere Besprechungen. Die, die ich gerade gelesen habe, beklagte sich sehr bitter und sagte, das Buch sei ja ganz schlecht. Warum? Weil ich darin auch Argumente gegen den Atheismus nenne. Da habe ich mir gedacht, der hat begriffen, worum es mir ging.
Mein Buch sehe ich nicht als Weltgeschichte des Atheismus. Das haben andere bereits vorgelegt, das brauche ich nicht zu tun. Vielmehr will ich möglichst sachgerecht darlegen, welche Argumente heute im Atheismus vertreten werden, wie die Diskussion momentan läuft und auch Ansätze liefern – mehr als Ansätze geht in einem dünnen Buch von knapp hundert Seiten ja nicht – wie man sich als Christ mit dem Atheismus auseinandersetzen kann. Denn dazu findet man nicht so viele Hinweise.
Atheismus ist seit einigen Jahren in der Gesellschaft wieder zu einem Thema geworden. Nach 1989 war der Atheismus zumindest im öffentlichen Leben mehr oder weniger tot. Warum? Weil der große Schutzpatron des Atheismus, nämlich der Sozialismus, zusammengebrochen ist. Dort gab es einen staatlich verordneten Atheismus, der weltweit Werbung machte. Das gibt es seitdem nicht mehr.
Jedem wurde vor Augen geführt, dass ein atheistisches Regime oder eine atheistische Ideologie keine echte Alternative ist. Können Sie sich an große Auseinandersetzungen über den Atheismus in den 1990er Jahren erinnern? Es gab sie nicht. Erst in den letzten zwei, drei Jahren ist das Thema wieder aufgekommen.
Zwischenzeitlich gab es sogar, ich fand es fast wie eine Ironie der Geschichte, ich meine, es war 2005, da erhielt ich eine Nachricht von einer Presseagentur. Die Vereinigung der Humanisten, das war die Vereinigung der Atheisten in Moskau, hatte sich beim Parlament wegen Diskriminierung der Atheisten beschwert. Da habe ich gedacht, welch ein Witz! Noch ein paar Jahre zuvor wurden Christen von diesen Atheisten eingesperrt, und jetzt fühlen sie sich diskriminiert. Seltsame Dinge gibt es.
Auf jeden Fall ist das Thema seit ein paar Jahren wieder aktuell. Als ich studiert habe, gab es noch die letzten Auswirkungen der starken Diskussion um den Atheismus, auch im Bereich der Theologie, eines der Fächer, die ich studiert habe. Vielleicht erinnern Sie sich auch daran: In den 60er, 70er und bis in die 80er Jahre hinein gab es intensive Diskussionen.
Jeder Theologe von Rang und Namen musste irgendwie noch sagen, dass er doch auch halbsozialistisch sei. Es gab Bücher wie „Gott im Atheismus“ oder „Atheistisch Christ sein“ und ähnliche Werke. Ich erinnere mich, einer unserer Professoren an der Universität Basel, Herr Professor Gerber, begann seine Vorlesung damit, dass er sagte: „Ich bin atheistischer Christ.“ Dann versuchte er zu erklären, warum man am besten Christ sein kann, wenn man glaubt, dass es keinen Gott gibt.
Das fand man Ende der 80er und in den 90er Jahren nicht mehr. Es gab immer noch Gottlose, aber ein bisschen verkappt. Das heißt, sie meditierten vielleicht mit Anselm Grün, glaubten aber trotzdem nicht an Gott. Das gab es zwar, aber es war eher untergegangen. Man sprach nicht mehr so viel darüber.
Selbst die Bibelkritiker wurden ein Stück weit fromm. Das machte es für den Gläubigen an der Universität nicht immer einfacher, denn dann wusste er nicht mehr genau, wer Gegner und wer Freund war. Das war nicht mehr so einfach. Früher war das deutlicher. Wenn ein Professor sagte: „Ich bin atheistischer Christ“, musste man nicht lange überlegen, ob das nun ein Bruder ist oder nicht. Er konnte nett und freundlich sein, aber theologisch hatten wir wahrscheinlich nicht dasselbe Verständnis.
Die aktuelle Konfrontation zwischen Glauben und Atheismus
Atheismus ist in letzter Zeit wieder aktuell geworden. Ich erinnere nur an den Weltbestseller von Richard Dawkins, "Der Gotteswahn". Ich weiß nicht, ob Sie das Buch gelesen haben – ich natürlich schon, ebenso einige seiner Folgebücher.
Ich würde es Ihnen nicht unbedingt empfehlen, und zwar nicht nur, weil ich kein Atheist bin. Das Buch ist zwar hier und da unterhaltsam, aber argumentativ relativ schwach. So empfinde ich es. Wenn Sie mir nicht glauben, nehmen Sie sich diesen 600-Seiten-Wälzer zur Brust, und vielleicht kommen Sie zu demselben Ergebnis.
Ich werde später auch noch sachlich begründen, warum ich das Buch nicht für gut halte, und einzelne Aspekte näher erläutern. Vielleicht überrascht es Sie, wenn Sie erfahren, dass Richard Dawkins mehrfach in seinem Buch schreibt, er wolle seine Leser zum Atheismus bekehren – wörtlich.
Da stellt sich natürlich die Frage: Ist das die Aussage eines scheinbar neutralen Naturwissenschaftlers, oder geht es dabei doch um Weltanschauung und Glauben? Genau das ist der Fall. Richard Dawkins arbeitet in seinem gesamten Buch polemisch. Das ist manchmal unterhaltsam, führt aber intellektuell nicht unbedingt weiter.
Er nutzt sein Renommee als weltbekannter Evolutionsbiologe, um für den Atheismus zu kämpfen und, wie er wörtlich sagt, Menschen zum Atheismus zu bekehren. Hier wird deutlich: Die Auseinandersetzung ist nicht einfach ein Austausch von Argumenten. Nein, darum geht es nicht.
So erleben wir momentan wieder eine härtere Konfrontation zwischen denen, die an Gott glauben, und denen, die ihn leugnen. Erinnern Sie sich an die Aktion in ganz Europa, die in England begann: "Es gibt keinen Gott" stand auf Bussen. Ähnliche Aktionen gab es in der Schweiz und in Teilen Italiens.
In Deutschland gab es den sogenannten Atheistenbus, der durch das Land tourte. Einige Christen schlossen sich zusammen und schickten einen "Gottbus" hinterher, also einen Bus, der für Gott war. Das führte durchaus zu guten Gesprächen hier und dort.
In Deutschland war das Ganze vergleichsweise wenig, in anderen Ländern wurde wesentlich mehr Aufwand betrieben. Millionen wurden in Werbung gegen Gott investiert. Diese Personen treten immer wieder auf und sind teilweise auch einflussreich in Politik und Wissenschaft.
So wird an Universitäten der Glaube immer stärker an den Rand gedrängt. An manchen Hochschulen dürfen die Hochschulgemeinden nicht mehr am schwarzen Brett für ihre Veranstaltungen werben, weil man sagt, Gott habe im intellektuellen Universitätsbereich nichts zu suchen.
Argumente für den Atheismus sind also weit verbreitet.
Verschiedene Typen von Atheisten und Gesprächsstrategien
Ich möchte nun mehrere Dinge tun. Zum einen möchte ich versuchen zu erklären, wie sich ein Atheist fühlt, das heißt: Was für Menschen sind Atheisten überhaupt? Dann möchte ich einen kurzen Abriss über die Geschichte des Atheismus geben. Anhand dieser Geschichte werde ich die wesentlichen Argumente gegen Gott nennen und mir erlauben, daran eine gewisse Kritik zu üben. Diese Kritik will ich sachlich vorbringen. Es geht mir nicht darum zu sagen, ein Atheist sei ein dümmerer oder unmoralischer Mensch. Denn Sie werden feststellen: Es gibt viele Atheisten, die nach christlicher Ethik leben, was sehr seltsam wirkt. Viele Atheisten sind moralisch durchaus integre Personen – viele, aber nicht alle. Diese Aspekte können wir jedoch nicht direkt miteinander verbinden.
Ich möchte zeigen, wo intellektuelle Fehlargumentationen im Atheismus liegen. Darum soll es mir gehen. Am Ende werde ich auch versuchen, einige Argumente zu nennen, die aus unserer Sicht für die Existenz Gottes sprechen.
Zunächst möchte ich einen kleinen methodischen Hinweis geben. Wenn Sie mit einem Atheisten zu tun haben, rate ich Ihnen immer, zuerst nachzufragen. Ich werde auch beschreiben, welche verschiedenen Typen von Atheismus es gibt. Die meisten Menschen, denen Sie begegnen, sind nämlich keine überzeugten intellektuellen Atheisten. Die meisten sind lediglich praktizierende Atheisten. Solche finden Sie besonders häufig in Großstädten und in Ostdeutschland. Warum? Lange Zeit wurde Menschen, die Christen waren, vorgeworfen: „Du bist ja nur Christ, weil du dazu erzogen wurdest.“ Dieses Argument können Sie umgekehrt auch verwenden, wenn Sie einen Ostdeutschen treffen, der als Atheist auftritt. Dann können Sie sagen: „Du bist ja nur Atheist, weil du zum Atheismus erzogen wurdest.“ Und das stimmt!
Die meisten Atheisten, die ich in Ostdeutschland erlebt habe – und ich habe immer wieder mit welchen gesprochen, auch bei Vorträgen –, können ihren Atheismus intellektuell kaum begründen. Sie leben einfach so, als gäbe es keinen Gott. Sie haben nie irgendwo glaubwürdig Argumente für Gott präsentiert bekommen.
Ich erinnere mich an einen Philosophiestudenten in Berlin. Ich sprach mit ihm nach einer Veranstaltung. Er begann sofort und sagte, es sei doch schon lange bewiesen, dass es keinen Gott gibt. Ich fragte ihn: „Wer und was hat das denn bewiesen?“ Er nannte seinen Professor an der Uni. Ich sagte ihm: „Wahrscheinlich bin ich einer der Letzten, der noch nicht weiß, welche Argumente gegen Gott sprechen.“ Daraufhin begann ein zweistündiges Gespräch. Am Ende meinte er: „Na ja, ganz so eindeutig ist das doch wohl noch nicht. Ich müsste mich da intensiver mit auseinandersetzen. Es könnte ja doch sein, dass es einen Gott gibt.“ Immerhin ein Zwischenerfolg. Das war noch nicht das Ende, aber ein Zwischenerfolg.
Viele Menschen treten in Gesprächen am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft oder anderswo mit einem Lächeln auf den Lippen auf und sagen: „Ach, was bist du für ein armer Mensch, ich weiß doch, es gibt keinen Gott. So kann man einfacher leben. Das ist doch alles aus dem Mittelalter.“
Mein erster Tipp: Wenn Sie mit solchen Menschen zu tun haben, nennen Sie nicht – ich wiederhole – nennen Sie nicht viele Argumente für die Existenz Gottes. Sie werden damit vor die Wand fahren. Warum? Jemand, der ein fertiges Weltbild hat oder zumindest zu haben meint, ist gar nicht bereit, Ihre Argumente ernsthaft anzuhören. Solange der Gesprächspartner nicht anerkennt, dass er eigentlich gar keine guten Argumente gegen Gott hat, lassen Sie Ihre Argumente stecken. Wenn ich das so krass sage, dann ist das wie Perlen vor die Säue werfen.
Sie können es probieren, aber Sie werden diese Erfahrung machen. Das ist auch vollkommen klar: Wenn Sie einen vollkommen überzeugten Zeugen Jehovas haben und ihm sagen, Sie kennen den Weg zu Gott, wie erfolgreich sind Sie dabei? Gar nicht. Erst wenn der Zeuge Jehovas beginnt zu zweifeln, ob sein System so toll ist, hört er überhaupt erst zu. Genauso ist es beim Atheisten auch. Wenn wir ihn nicht dazu bringen, dass er sieht, dass sein System löchrig ist, sind alle anderen Argumente nutzlos.
Deshalb versuchen Sie im Gespräch zuerst herauszufinden, welche Argumente gegen Gott sprechen, und analysieren Sie diese. Das werde ich gleich tun. Und ich sage Ihnen jetzt schon das Ergebnis: Sie werden vielleicht sagen, das ist jetzt ein bisschen übertrieben. Ich werde das aber hinterher begründen. Ich glaube, dass es eigentlich kein einziges wirklich intellektuell stimmiges Argument gegen die Existenz Gottes gibt.
Das denken Sie wahrscheinlich: „Ja, ich weiß doch mindestens zehn.“ Warten Sie ab, ob Sie das am Ende meines Vortrags noch sagen. Ich werde Argumente nehmen – und wie gesagt, das sind keine sekundären Argumente. Ich lese Bücher von Atheisten, und zwar von führenden Atheisten. Bisher hat mich keiner überzeugt, aber ich werde Ihnen auch gleich sagen, warum. Ich will das nicht bei der Behauptung lassen, ich will Ihnen dann erklären, warum.
Erste Stufe: Es gibt eine Vielzahl von Atheisten. Die meisten sind lediglich praktizierende Atheisten, die zum Atheismus erzogen wurden oder nie ernsthaft die Frage nach Gott gestellt bekommen haben. Ernsthaft gefragt, meine ich. Das ist das, was man überall durch Medien und Menschen mitbekommt: „Es gibt keinen Gott.“ Und das übernehmen viele Menschen.
Dann gibt es Atheisten, die aus persönlichen Gründen Atheisten sind. Ich würde sie als „von Leid betroffene Atheisten“ bezeichnen. Das sind Atheisten, die aus existenziellen Gründen Gott leugnen. Mit solchen Atheisten braucht man keine langen intellektuellen Gespräche zu führen, denn die laufen ins Leere und sind total sinnlos. Hier braucht es Seelsorge, nicht Argumentation.
Wenn Sie mit solchen Atheisten zu tun haben, lassen Sie alle Ihre Argumente beiseite. Hier braucht es Seelsorge. Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen, das ich vor einigen Jahren in Siegen erlebt habe: Ich war auf dem Bahnhof, wartete auf meinen Zug und neben mir saß eine Frau, etwa über fünfzig Jahre alt.
Ich fragte sie, wie das denn nun mit Gott sei. Ich weiß den genauen Wortlaut nicht mehr. Sie begann zu schimpfen und sagte sehr emotional und aggressiv: „Es gibt keinen Gott.“ Ich hätte jetzt gleich argumentieren können: „Wo sind die guten Argumente, wo die schlechten?“ Aber ich fragte sie zuerst: „Was ist los? Warum sagen Sie das?“
Nach einem kurzen Gespräch kam heraus, dass ihr Mann kurz zuvor an Krebs verstorben war. Sie war vollkommen betroffen und hatte den Eindruck, ein Gott könne doch nicht ihren lieben Mann zulassen. Nach ihrer Aussage war ihr Mann sehr vorbildlich, sie hatten eine gute Ehe geführt. Sie sagte, Gott könne das nicht zulassen. Sie hatte in der Krankheit Gott gebeten, dass ihr Mann gesund werde – doch es geschah nicht.
In dieser Situation helfen keine intellektuellen Argumente. Das Gespräch war nicht sehr lang, weil bald ihr Zug kam, vielleicht 20 Minuten. Am Ende beteten wir zusammen. Plötzlich war die Frage „Gibt es einen Gott oder nicht?“ nicht mehr relevant, denn diese Leugnung Gottes hatte nichts mit intellektuellen Dingen zu tun, sondern mit persönlich existenziellen Fragen. Hier müssen wir ganz anders vorgehen.
Auch hier gilt: Achten Sie genau darauf, mit welchem Typ von Atheisten Sie es zu tun haben.
Es gibt auch den kämpferischen Atheisten. Wenn Sie Bücher von Karlheinz Deschner gelesen haben, kennen Sie so jemanden. Er hat sein Leben lang Bücher geschrieben, wie böse die Christen seien. Egal welchen Titel Sie von ihm lesen, Sie wissen vorher, worum es geht – es sei denn, Sie haben das Buch noch nie in der Hand gehabt.
Es gibt auch andere Atheisten, deren Position von vornherein feststeht, egal was sie schreiben. Mit solchen Atheisten zu reden bringt nichts. Sie wollen Ihre Argumente gar nicht hören. Häufig sind sie aus biografischen Gründen überzeugt, zum Beispiel durch schlechte Erfahrungen in der Kindheit mit dem Pfarrer, den Eltern oder Ähnlichem. Dann wird das intellektuell sublimiert und weitergetragen in einem Atheismus.
Hier hilft Beten, nett und freundlich sein. Diskussionen führen nicht weiter. Sie merken, dass Sie argumentieren, und der andere hört gar nicht zu. Stattdessen kommt immer wieder dasselbe: „Aber Gott ist doch so böse, wenn es ihn gäbe. Das kann doch alles nicht sein.“ Das hilft Ihnen nicht weiter.
Weiterhelfen können Argumente für Gott nur bei Menschen, die sehen, dass sie keine letztliche Antwort haben. Das sind zum Beispiel Menschen, die sagen: „Es gibt keinen Gott“ – und die wir zum Nachdenken gebracht haben –, oder Agnostiker. Das sind Menschen, die sagen: „Ich weiß nicht so genau, vielleicht gibt es Gott, vielleicht nicht.“
Für diese Menschen helfen Argumente für Gott. Vieles in unserer Gesprächsführung und im Umgang mit Menschen entscheidet sich schon daran, dass wir nachfragen und die Person uns sagt, warum sie gegen Gott eingestellt ist.
Manche Menschen sind ganz überrascht, wenn man sie fragt, weil sie meinen, sie müssten sich rechtfertigen. Hier würde ich Ihnen folgenden Tipp geben: Kommen Sie zu Ihrem Gesprächspartner und sagen Sie etwas übertrieben: „Was, du bist einer der wenigen Menschen, die glauben, dass es keinen Gott gibt? Achtzig Prozent der Menschheit sind überzeugt, dass es einen Gott gibt. In der Weltgeschichte waren alle großen Kulturen davon überzeugt. Wie kommst du eigentlich darauf?“
Wenn Sie das so machen, ist es ja wahr, es ist nicht erfunden. Ihr Gesprächspartner wird total überrascht sein. Das hat er nie bedacht. Weltweit ist es so, dass die meisten Menschen glauben, es gibt einen Gott. Hier habe ich alle vereinnahmt, auch Hindus, Buddhisten, Muslime, denn es geht ja nur um die Frage: Gibt es einen Gott? Und das glauben Hindus und Muslime auch. Ich sage damit nicht, dass sie fromme Christen sind, aber für einen Atheisten ist nicht die Frage entscheidend, ob jemand Christ ist oder nicht, sondern es geht um die Existenz Gottes.
Dort sehen wir den Großteil der Menschheit in der gesamten Weltgeschichte und auch in der Gegenwart überzeugt: Es gibt einen Gott. Schon allein dieses Argument ist logisch nicht viel wert, aber statistisch bringt es manchen zum Nachdenken. So hat er das nicht gesehen.
Warum? Weil in den Medien, die in Deutschland stark prägend sind, Gottgläubige, die das auch äußern, kaum vorkommen. Die Menschen reden entweder gar nicht über den Glauben oder kritisch. Weltweit ist das allerdings eher die Minderheit.
Selbst in Deutschland ist es die Minderheit. Nach statistischen Umfragen, eine der letzten, die ich gelesen habe, war vom „Fokus“ – die kommen ja alle paar Jahre wieder –, glauben etwa 65 bis 67 Prozent der Deutschen, dass es einen Gott gibt. Ich sage nicht, dass sie Christen oder gläubig sind, aber sie glauben, dass es einen Gott gibt.
Auch in Deutschland sind Atheisten, egal ob praktizierende oder überzeugte, in der Minderheit.
Mein erster Punkt war also: Es gibt verschiedene Typen von Atheisten. Wenn wir einem Atheisten begegnen, ist es ganz wichtig, erst einmal zu erfahren, herauszuspüren oder nachzufragen, zu welcher Gruppe von Atheisten unser Gesprächspartner gehört. Nur dann können wir ihm adäquat begegnen.
Nun möchte ich einen kurzen Abriss über die Geschichte des Atheismus geben.
Eine kurze Geschichte des Atheismus und seine Argumente
Atheismus gibt es, soweit wir das historisch sagen können, eigentlich seitdem es Menschen gibt. Allerdings war der Atheismus der frühesten Zeit eher ein praktizierender Atheismus. Dies finden wir zum Beispiel in der Bibel. Dort steht in den Sprüchen und auch in den Psalmen die Aussage: „Und der Tor spricht in seinem Herzen, es gibt keinen Gott.“ Mehrere Stellen im Alten Testament bestätigen dies. Das heißt, auch schon zur Zeit des Alten Testaments gab es Atheisten. Allerdings wurden sie von Gott dort gleich gewertet, und es wurde gesagt, dass sie töricht seien.
Diese Atheisten, die dort beschrieben werden, waren keine kämpferischen Atheisten. Vielmehr waren es Menschen, die sagten: „Gott interessiert mich nicht, ich kann essen und trinken, denn morgen sind wir tot. Ich genieße das Leben und brauche dafür keinen Gott.“ Solche Menschen waren das. Mit ihnen wurde zu biblischen Zeiten auch wenig argumentiert, denn es ging nicht um Argumente, sondern einfach darum, dass dieser Mensch Gott ignoriert oder es versucht hat. Das gibt es heute auch noch.
Die nächste Stufe von Atheisten finden wir in der griechischen Antike. Pythagoras beispielsweise war überzeugt, dass man die ganze Welt mit Zahlen allein erklären könne. Er war kein kämpferischer Atheist, aber sein System vertrug sich nicht so sehr mit Gott. Die Zahlen traten an die Stelle Gottes.
Vielleicht wissen Sie auch, dass Sokrates unter anderem wegen Atheismus verurteilt wurde. Allerdings bedeutete Atheismus bei ihm, dass er die Existenz der griechischen Götter leugnete. Als man ihn fragte, sagte er, der wahre Gott zeige sich in ihm. Er habe ein inneres Daimonion, eine Stimme Gottes, die zu ihm redete, und das sei wirklich ein Hinweis auf Gott – und nicht diese Statuen und Tempel.
Nun möchte ich Sokrates nicht als Gläubigen erklären, aber in gewisser Weise hat er Recht. Denn wir als Christen glauben auch nicht daran, dass Athene, Zeus oder andere Götter wirklich existieren. Er wurde wegen Atheismus umgebracht.
Übrigens wurden auch die ersten Christen in den drei Jahrhunderten nach der Geburt Jesu verfolgt, und ihnen wurde unter anderem Atheismus vorgeworfen. Das klingt heute fast ironisch. Woran lag das? Die Christen hatten dasselbe gemacht wie Sokrates. Stellen Sie sich vor: Ihr Nachbar ist kein Christ und fragt Sie, warum Sie nicht mehr zum Tempel gehen. Sie antworten: „Ich glaube nicht daran, dass diese Götter existieren.“ Er fragt: „Wo ist denn dein Gott?“ Sie sagen: „Den kann man nicht sehen.“ Und wo wohnt er? „Er ist überall.“ Da denkt der normale, bodenständige Römer: Das ist Unsinn, diesen Gott gibt es gar nicht. Sie leugnen alle Götter, also gibt es diesen Gott nicht. Das wurde als staatsgefährdend angesehen. Das war einer der Gründe, warum Christen in den ersten drei Jahrhunderten wegen Atheismus getötet wurden – natürlich ein Missverständnis.
In der folgenden Zeit des Mittelalters gab es in Europa zumindest keine große Diskussion um den Atheismus. Warum? Weil die christliche Kirche – katholisch, später auch orthodox und noch später lutherisch – davon ausging, dass alle Menschen von der Existenz Gottes überzeugt seien.
In dieser Zeit wurden dann Gottesbeweise formuliert, die ersten, die uns heute bekannt sind, entstanden in der Scholastik, zum Beispiel von Anselm von Canterbury. Später folgten die fünf klassischen Gottesbeweise von Thomas von Aquin. Auch Duns Scotus formulierte welche, die wir bis heute noch kennen.
Diese Argumente für die Existenz Gottes sind gut, allerdings nicht für den Atheisten geeignet. Sie wurden von frommen Theologen geschrieben, die dadurch mehr durch den Verstand Gott loben wollten. Sozusagen sollte auch der Verstand für die Existenz Gottes sprechen. Für einen heutigen modernen Atheisten klingen sie nicht immer ganz logisch, das ist auch nicht ihre Absicht. Aber es ist durchaus hilfreich, sie einmal nachzudenken und die Argumentation nachzuvollziehen.
Ich würde Ihnen jetzt, wenn Sie etwas mehr Zeit hätten, zum Beispiel den ontologischen Gottesbeweis vorstellen. Den finde ich genial, allerdings heute nicht mehr ganz überzeugend. Viele dieser Gottesbeweise wurden in der Aufklärung „widerlegt“. Es wurde auf logische Mängel aufmerksam gemacht, die darin stecken. Aber man hat den Anspruch vollkommen verkannt. Es ging diesen Menschen nicht um die Überzeugung von Atheisten, denn die gab es im Mittelalter ja so gut wie nicht. Es ging darum, durch den Verstand Gott zu loben und groß zu machen.
Der neuzeitliche Atheismus, wie wir ihn kennen, ist eigentlich ein Ergebnis der Renaissance, des Humanismus und der Aufklärung. Renaissance, Humanismus und Aufklärung gliedern sich zeitlich nacheinander und beeinflussen sich stark. Ihr Hauptaugenmerk liegt nicht mehr auf Gott, sondern auf dem Menschen – seinem Denken, seinen Werten und Überzeugungen.
Descartes hatten wir heute Morgen erwähnt: cogito ergo sum – ich denke, also bin ich. Das Selbstbewusstsein des denkenden Ichs steht im Mittelpunkt. Was mir plausibel ist und was ich für wahr halte, das ist Realität. Was ich nicht verstehe oder nachvollziehen kann, das gibt es auch nicht.
So begann man, nicht mehr Gott oder eine Autorität anzuerkennen, sondern nur noch das, was plausibel erscheint. Das war der Vorläufer oder die Vorboten des späteren Atheismus.
In der Zeit der Reformation kümmerte man sich noch nicht so sehr darum. Nach der Reformation entwickelte dann die lutherische Orthodoxie Lehren wie zum Beispiel die Inspirationslehre. In der mittelalterlichen Kirche hatte man sich über die Inspiration wenig Gedanken gemacht, weil sie nie in Frage gestellt worden war. Alle Menschen gingen davon aus, dass die Bibel von Gott ist.
Im Humanismus begann man daran zu zweifeln, und die Kirche setzte dagegen. Es gab die Inspirationslehre, die biblisch belegt wurde. Man hatte aber verkannt, dass für den Atheisten diese biblischen Belege irrelevant sind und man Inspiration rein logisch nicht beweisen kann.
Dann kam die nächste Stufe des Atheismus in der Philosophie. Es gab nun eine Elite der Gesellschaft, die sich über Philosophie Gedanken über Gott machte. Es war noch nicht die Mehrheit der Philosophen, sondern eine kleine Gruppe aufklärerischer Philosophen des 18. und 19. Jahrhunderts.
Dazu gehört auch Voltaire, den ich heute Morgen genannt habe. Er war ein Gottesleugner, der stark gegen Gott polemisierte. Interessanterweise ließ er in seiner Villa in der Nähe von Genf eine Pyramide bauen, die Gott gewidmet war. Das ist seltsam. In seiner Villa wurden später von der Genfer Bibelgesellschaft Bibeln gedruckt. Auch das ist merkwürdig. Aber so ist manchmal die Geschichte Gottes.
Voltaire war ein sehr starker Gottesleugner, weshalb er in die Schweiz ging. Dort konnte er frei schreiben und reden. In Frankreich, wo die katholische Kirche stark war, wurde er verfolgt, weshalb er floh.
Das ist ein Ansatz, der sich weiterentwickelte und seinen ersten Höhepunkt in der Französischen Revolution hatte. Dort wurde Gott offiziell verabschiedet und für nichtig erklärt. Hier merken wir wieder, welch ein Witz das ist: Wenn es einen Gott gibt, was kümmert ihn ein Beschluss des französischen Parlaments, ob es ihn gibt oder nicht?
Das kommt mir so vor, als wenn wir abstimmen würden, ob es Angela Merkel gibt. Wenn die Mehrheit dagegen ist, gibt es sie nicht mehr. Die Realität lässt sich durch Abstimmungen nicht beeinflussen. Die Existenz Gottes kann nicht per Abstimmung entschieden werden. Entweder gibt es ihn oder nicht. Wenn es ihn nicht gibt, dann ist eine Abstimmung irrelevant.
Die Französische Revolution war ein neuer Höhepunkt der Ausbreitung des Atheismus. In der Folge gab es einige Philosophen, die versuchten, für Gott zu argumentieren. Am bekanntesten war der deutsche Philosoph Hegel, der bis heute wichtig ist, insbesondere für die Postmoderne und international.
Hegel versuchte, durch die Beobachtung der Geschichte Gott zu beweisen. Von ihm stammt die Überzeugung von These, Antithese und Synthese: Es gebe eine gesellschaftliche Entwicklung, an deren Spitze der christliche Glaube steht, und letztlich würde alles in Gott münden.
Er arbeitete nicht nur mit der Bibel, sondern auch als Philosoph. Er verstand sich als fromm und argumentierte für die Existenz Gottes.
Allerdings konnte er sich nicht träumen lassen, dass einige seiner Schüler – die sogenannten Linkshegelianer – seine Theorie zum Grundstein des modernen Atheismus machten. Das war nicht Hegel selbst, sondern seine Schüler. Feuerbach ist der bekannteste unter ihnen.
Feuerbach schrieb, er würde Hegel vom Kopf auf die Füße stellen. Damit meinte er, dass Hegel es noch nicht genau begriffen habe. Sein System sei zwar gut, aber er versuche, Gott zu beweisen. Nein, eigentlich müsse man die hegelische Theorie dazu benutzen, Gott zu widerlegen.
Am bekanntesten ist Feuerbachs Einwand, der bis heute häufig zu hören ist: Gott sei eine Projektion der menschlichen Wünsche. Das haben Sie vielleicht auch schon gehört: „Das ist nur deine Wunschvorstellung. So, wie du dir Gott vorstellst, baust du ihn dir selbst.“
Feuerbach war kein dummer Mann, er hat zum Teil Recht. Es gibt viele Götter, die sich Menschen nur ausdenken. Der Durchschnittsdeutsche hat so eine Mischung aus buddhistischem, esoterischem und christlichem Gottesbild, und glaubt nach eigener Überzeugung nicht an diesen Gott.
Tatsächlich entspringen nach Karl Barth viele Religionen dem Wunsch des Menschen, Gott zu beschreiben und zu begreifen. Das heißt, ein Mensch schafft sich einen Gott. Dass Menschen sich Gottesbilder machen und hinterher an sie glauben, das stimmt.
Nur ist die Frage: Ist das ein Argument gegen die Existenz Gottes?
Ich würde sagen, hier wird nur ein Missbrauch des Begriffs „Gott“ beschrieben.
Stellen wir uns vor, ich träume. Eine unserer Töchter beschrieb einmal, wie sie ihr Auto bauen wollte. Sie sagte, alle Autos, die es gibt, seien langweilig. Sie würde ein ganz anderes Auto bauen, wenn sie groß ist: ein Auto mit zwei Stockwerken, oben eine Sonnenterrasse, unten ein Schwimmbad und so weiter.
Nun könnte ich fragen: Dieses Auto habe ich so noch nicht gesehen. Ich halte das Auto für eine Projektion menschlicher Wünsche. Ergo schließe ich daraus: Es gibt keine Autos.
Das argumentiert Feuerbach ähnlich: Weil Menschen sich ein Gottesbild schaffen, gibt es keinen Gott. Wie ist das logisch? Wenn Menschen sich Gott einbilden, was sagt das über die reale Existenz Gottes aus? Gar nichts.
Er müsste beweisen, dass jeder einzelne Mensch, der an Gott denkt, sich das nur einbildet. Wie will er das? Das geht nicht. Das ist eine schlichte Behauptung, die auf den einen zutrifft und auf den anderen nicht.
Und selbst wenn alle Menschen sich Gott nur einbilden würden, was sagt das über seine Existenz aus? Gar nichts. Denn Einbildung ändert nichts an der Realität.
Im Mittelalter meinten alle Menschen, die Erde sei Mittelpunkt des Universums und die Sonne kreise darum. Inwiefern hat das die Sonne beeinflusst? Gar nicht. Selbst wenn alle Menschen sich etwas Falsches einbilden, ändert das nichts an der Realität.
Feuerbach kritisiert also nur einen falschen Gebrauch des Gottesbegriffs, nicht seine Existenz. Das können wir ihm zugestehen.
Ich würde sogar sagen: Ich glaube an einen Gott, den ich mir nicht selbst geschaffen habe. Dieser Gedanke existierte lange vor mir.
Ich würde sogar sagen: Wenn ich einen Gott erfinden würde, wäre er ganz anders als der, an den ich glaube. Ich hätte lieber einen Gott, der alle Menschen einfach so rettet, weil ich harmoniebedürftig bin und keinem die Hölle wünsche.
Ich sage nicht, dass ich an diesen Gott glaube, ich hoffe, Sie haben gut zugehört. Ich glaube nicht an diesen Gott. Aber wenn ich einen schaffen würde, dann wäre er so.
Ich wünsche mir auch einen Gott, der uns alle reich und gesund macht. Es gibt Leute, die glauben daran: Ein Gott, dem man nur sagen muss, was man will, und schon liegt alles vor der Tür.
An so einen guten Gott würde ich gern glauben, der verspricht: Wenn du mir treu bist, bist du immer gesund und reich. Aber ich glaube nicht an diesen Gott.
Also würde ich Feuerbach sagen: Deine These trifft auf meinen Glauben an Gott nicht zu. So wie ich mir idealisiert Gott vorstelle oder wünsche, ist der, an den ich glaube, gerade nicht.
Feuerbach ist bis heute aktuell, seine Argumente werden immer noch nachgedruckt. Oft steht nicht direkt bei Feuerbach, aber die Idee, dieses Argument findet sich in den neuesten atheistischen Büchern.
Ein zweiter großer Schlag gegen den Glauben an Gott und für den Atheismus war Charles Darwin. Ende des 19. Jahrhunderts trat seine Evolutionstheorie an die Stelle des Glaubens an Gott.
In Deutschland war insbesondere Professor Ernst Haeckel ein Kämpfer für den Atheismus. Er war Mitglied der humanistischen Vereinigung, die sich stark für die Evolution einsetzte. Haeckel meinte, die Evolution sei das beste Argument gegen den Glauben an Gott und die Kirche.
Es ging ihm nie nur um Evolution, sondern ganz deutlich darum, den Einfluss der Kirchen und des Glaubens an Gott zu bekämpfen.
Das wird deutlich, als er seine Entwicklungstafeln veröffentlichte, also embryologische Stammesentwicklung. Das sogenannte biogenetische Grundgesetz besagt, dass der menschliche Embryo zunächst einem Einzeller ähnelt, dann einer Kaulquappe und schließlich immer menschenähnlicher wird.
Diese These war Anfang des 20. Jahrhunderts eines der Hauptargumente für die Evolution in Deutschland.
Bis einige Naturwissenschaftler bemerkten, dass die Tafeln nicht stimmen. Es stellte sich heraus, dass sie gefälscht waren und über Jahrzehnte hinweg nachgedruckt wurden.
Zunächst leugnete Haeckel das, später gab er zu und sagte: „Für die Wahrheit muss man manchmal auch lügen.“ Es ging also nicht um reine Wissenschaft, sondern um die Ideologie dahinter – nämlich gottlos zu werden.
Das war in der Geschichte der Evolution immer wieder ein Merkmal, in Deutschland besonders bei Haeckel.
Falls Sie das nachlesen wollen, ich kann Ihnen Literaturangaben geben. Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern offensichtlich. Diese Stammtafeln waren zum Teil noch in Schulbüchern bis in die 70er und 80er Jahre, obwohl sie falsch waren. Irrtümer können sich also lange halten.
Gegen Gott, für Atheismus.
Eine nächste Stufe des Atheismus im deutschsprachigen Raum war Friedrich Nietzsche mit seinem Ausdruck „Gott ist tot“. Das war unter anderem seine Parabel vom „tollen Menschen“. Er schrieb mehrere Bücher, die sich mit Gott auseinandersetzen, zum Beispiel „Der Antichrist“.
Man muss sagen: Nietzsche konnte schreiben. Wer Sprache mag, sollte Nietzsche lesen. Er schrieb aphoristisch, anschaulich, mit starken Worten. Viele Philosophen eiern etwas herum, Nietzsche übertreibt eher.
Aber Nietzsche ist kein gutes Beispiel für den frohen, überzeugten Atheisten. Er ist in einem frommen Elternhaus aufgewachsen. Sein Vater war Pfarrer. In seiner Jugend schrieb er Gedichte an seinen Heiland Jesus Christus.
Warum die Kehrtwendung bei Nietzsche? Traurig leider. Es liegt daran, dass ihm viele Christen begegneten, die nicht glaubwürdig waren. Er sagt später, die Christen, die ihm begegneten, hätten ihn von Gott weggebracht.
Sein Denken ist eher eine Suche nach der Existenz Gottes, eine Sehnsucht, auf die er keine Antwort findet. Das ist Nietzsche.
Nietzsche ist nicht der freudige Atheist, der froh ist, endlich gottlos zu sein. In der Parabel vom tollen Menschen ist das kein Triumph, sondern ein Verzweiflungsschrei.
Er schreibt: „Wir haben Gott getötet. Ist es nicht kälter geworden? Tut sich vor uns nicht der Abgrund auf? Fallen wir nicht ins Nichts hinein?“
Dann sagt er, der Gedanke, dass Gott tot ist, sei zu groß für uns, wir könnten damit nicht leben. Der Mensch müsse mit dem Gedanken leben, dass es einen Gott gibt, sonst sei nur das Nichts.
Dann kommt sein Gedanke, dass wir auf den Übermenschen warten müssen, der in der Lage sein wird, Gott zu töten und an seine Stelle zu treten.
Geschichtlich wurde daraus der Nationalsozialismus, der meinte, diesen Übermenschen hervorzubringen.
Aber Nietzsche selbst meinte, der Mensch könne nicht ohne Gott leben, ohne in tiefe Verzweiflung zu geraten. Das drückt sich in seinen Werken aus. Es ist nicht nur Triumph.
Manche moderne Atheisten lassen das schnell unter den Tisch fallen und nehmen nur den Triumph „Wir haben Gott getötet“ mit.
Das war bei Nietzsche nicht triumphal, sondern von Verzweiflung geprägt, weil er kein gutes Argument fand und keinen überzeugenden Menschen für die Existenz Gottes.
Leider ein Armutszeugnis für die Christen seiner Zeit. Vielleicht war Nietzsche zu kritisch, wer weiß. Auf jeden Fall kein gutes Argument.
Parallel dazu entwickelte sich aus den Thesen Feuerbachs der Sozialismus. Marx und Engels argumentierten gegen Gott. Marx schrieb: „Religion ist Opium des Volkes.“
Lenin entwickelte das weiter und sagte: „Opium fürs Volk.“ Das ist ein Unterschied. Marx meinte, das Volk schaffe sich selbst einen Ausweg, um mit dem Leiden fertig zu werden, und nennt diesen Ausweg Gott. Gott helfe, wenn es einem schlecht geht.
Marx und Engels wussten, wovon sie sprachen. Engels lebte damals in Wuppertal und lernte Christen kennen, auch christliche Fabrikanten. Leider stellte er fest, dass sie nicht besser als Ungläubige waren.
Er beobachtete, dass Fromme ihren Arbeitern sagten: „Sei still und ruhig, keine Demonstration, es gibt das Himmelreich, da wird es dir gut gehen.“
Er sagte zu Recht, dass das nicht gehen könne.
Diese Beobachtung, dass Religion manchmal benutzt wird, um das schwierige Alltagsleben zu ertragen, stimmt.
Wenn jemand zu mir sagt: „Du glaubst nur an Gott, weil du schwach bist und Hilfe brauchst“, hören wir das nicht gerne. Aber eigentlich müssten wir sagen: „Du hast recht, ich komme allein nicht zurecht.“
Ich persönlich könnte mir ein Leben ohne Gott nicht vorstellen. Ich brauche Gott.
Als ich vor zehn Jahren im Krankenhaus war mit Krebs und nicht wusste, ob ich überlebe, brauchte ich Gott.
Die Alternative wäre gewesen: Was hätte ich ohne Gott gemacht? Wäre das besser zu ertragen gewesen?
Kommen dann alle anderen Menschen perfekt zurecht? Warum lassen sich über 50 Prozent scheiden? Warum gibt es Missbrauch? Warum begehen mehr Menschen Selbstmord als im Straßenverkehr sterben, allein in Deutschland jedes Jahr?
Warum, wenn alle so perfekt zurechtkommen?
Hier muss man das Argument auch logisch prüfen. Wenn ich Gott brauche oder meine, ihn zu brauchen, heißt das, dass es ihn nicht gibt? So argumentiert Marx.
Er sagt, das sei Opium des Volkes. Jetzt habe ich erklärt, wofür Gott da ist, und weil ich das erklärt habe, gibt es ihn nicht.
Der Kurzschluss vieler Leute ist: „Du brauchst ihn, also gibt es ihn nicht.“
Dabei beschreibt man nur den Gebrauch Gottes.
Das wäre so, als würde man sagen: Der Mensch hat Hunger, also erfinde ich Nahrung. Weil ich sie brauche, gibt es sie nicht.
Ist das logisch? Für mich nicht.
Oft klingt das überzeugend: „Du hast Gott nur erfunden, weil du ihn brauchst, oder weil du schwach bist.“
Das kann so sein oder nicht.
Wenn ich aber Hilfe durch Gott erfahre, warum sollte ich dann sagen, dass es ihn nicht gibt? Das ist nicht logisch.
Hier sind wir wieder in einer Sackgasse.
Das Argument wird immer wieder benutzt: Schwache brauchen Gott.
Nietzsche schreibt das auch.
Wenn die Gott brauchen, was sagt das über Gott aus? Man könnte sagen: Es ist doch toll, dass er den Schwachen hilft.
Es ist doch gut, dass der Arbeiter in der industriellen Revolution, dem es schlecht ging – ich habe neulich ein Buch über Wanderarbeiter aus Lippe gelesen, die im Ruhrgebiet zwölf bis vierzehn Stunden am Tag arbeiteten, manchmal nicht mal sonntags frei hatten und minimalen Lohn bekamen – Trost braucht.
Warum sollte ich ihnen den verweigern?
Stimmt es nicht, dass der Himmel auf uns wartet, auch für die Leute, denen es dreckig geht?
Dass man das missbraucht und auf der Erde nichts verändert, ist schlecht, aber das hat nichts mit der Existenz Gottes zu tun.
Warum leugnet man Gott? Weil man die Not des Arbeiters vergrößern will. Wenn er Trost in Gott hat, macht er keine Revolution.
Erst wenn man ihm jeden Trost nimmt, macht er Revolution.
Es geht nicht um intellektuelle Argumente, sondern darum, die Masse fertigzumachen, indem man ihr jeden Trost nimmt, damit die kommunistische Revolution durchbricht.
Das war erfolgreich.
Aber das ist kein intellektuell redliches Argument.
Lenin sagte später, Religion sei Opium fürs Volk.
Hier ist also nicht das Volk, das sich den Glauben sucht, um getröstet zu werden, sondern die Regierung benutzt Religion, um die Leute ruhig zu machen.
Auch das ist nicht dumm, ein Stück weit stimmt das.
Religion kann gut missbraucht werden, um Menschen ruhigzustellen.
Aber was sagt das über die Existenz Gottes aus?
Wieder wird nur ein Missbrauch des Gedankens an Gott beschrieben, nicht seine Existenz.
Wenn ich sage, es gibt den und den Herrscher, der Religion missbraucht hat, stimmt das oft.
Karlheinz Deschner zählt in seinen Büchern minutiös, wie oft Religion missbraucht wurde.
Was sagt das über die Existenz Gottes aus?
Ich könnte genauso einen Katalog machen und sagen, wie oft Sexualität missbraucht wurde.
Gibt es deshalb keine Frauen? Oder aus männlicher Sicht: Gibt es keine Männer oder Kinder?
Wie oft wurde Atomkraft missbraucht? Gibt es deshalb keine Atome?
Wie oft wurde Demokratie missbraucht? Gibt es deshalb keine Demokratie?
Das ist Quatsch.
Es gibt Dinge, die man missbrauchen kann, aber das sagt nichts über ihre Existenz aus.
Genauso ist es bei Gott.
Nun sind wir schon fast in der Gegenwart angekommen und haben immer noch kein wirklich gutes Argument gefunden.
Freud hat noch etwas beigetragen.
Er sagte, Religion oder Gott sei eine kollektive Neurose. Das sind starke Worte.
Allerdings haben wir das Problem, dass Psychologen vieles behaupten können, weil man das Gegenteil nie beweisen kann.
Wenn er mir sagt, ich habe eine Neurose, weil ich an Gott glaube, sage ich: Nein, habe ich nicht.
Er sagt: Siehst du, dass du dagegen argumentierst, ist ein Zeichen für deine Neurose.
Man kann das umdrehen und sagen: Du hast schlimme Kindheitserfahrungen, deshalb glaubst du nicht an Gott und willst ihn leugnen.
Du fühlst dich sicherer, wenn du Gott leugnest.
Das weißt du natürlich auch nicht, weil du dich an deine Kindheit nicht erinnerst.
Das wäre die gegenteilige Argumentation.
Freud macht also nur eine Behauptung. Ob wirklich alle, die an Gott glauben, krank sind, müsste erst bewiesen werden.
Er behauptet es nur.
Mit seinen Behauptungen war Freud nicht sehr erfolgreich.
Zu seinem hundertjährigen Jubiläum schrieb ein amerikanischer Psychoanalytiker, Grünbaum, ein Buch mit dem Titel „Hundert Jahre Psychoanalyse und kein Ende“.
Darin beschrieb er minutiös, dass Freud in seiner ganzen Praxis keinen einzigen Menschen geheilt hat.
Das sollte uns zumindest ein Fragezeichen dahingestellt lassen, ob seine Interpretationen wirklich glaubwürdig sind.
Sie klingen interessant, zweifellos.
Dann müssten wir allerdings sagen, dass der Großteil der Menschheit krank war und ist und es wahrscheinlich immer bleiben wird.
Wir müssten sagen, wenn wir jetzt alle für krank erklären, ist nicht vielleicht der kleinere Teil, der nicht an Gott glaubt, eher krank?
Das wäre auch eine These.
Freuds Theorie hat wenig Beweise, es ist nur eine unbelegte Behauptung.
Deshalb sollten wir sie nicht zu schwer nehmen.
Wenn wir weiter in die Gegenwart schauen, fällt auf, dass es in den letzten 50 bis 60 Jahren keine wirklich neuen guten Argumente gegen Gott gibt.
Wenn Sie welche finden, schicken Sie sie mir.
Ich habe vor keinem dieser Argumente Angst, ich suche sogar danach und lese regelmäßig Neuerscheinungen.
Die meisten sind kalter Kaffee, alles dasselbe.
Dann wird natürlich immer geschimpft: Die Christen sind so böse oder so.
Aber das ist kein Argument gegen Gott.
Dann sage ich: Die Atheisten sind so böse, also ist der Atheismus falsch.
Auch Quatsch.
Weil Kirchen versagen, hat das nichts mit Gott zu tun.
Ich kann sagen, die katholische Kirche ist schlecht oder die evangelische oder sonst eine.
Dann ist das gegen diese Kirche, aber nicht gegen Gott.
Das ist ein schwaches Argument.
Gerne wird noch das Theodizee-Argument benutzt, also dass das viele Leiden in der Welt ein Argument gegen die Existenz Gottes sei.
Ich will jetzt keine Seelsorge betreiben, deshalb gebe ich nur eine rein logische Antwort.
Die Frage der Theodizee ist keine Frage der Existenz Gottes.
Es ist eine Frage innerhalb der Theologie des christlichen Glaubens.
Nämlich: Wie können wir theologisch die Allmacht Gottes und seine Allliebe miteinander verbinden?
In anderen Religionen ist diese Frage irrelevant.
Gehen Sie nach Indien, dort gibt es die Göttin Kali, dargestellt mit Totenköpfen um den Hals, weil sie ab und zu Menschen umbringt, alles blutüberströmt.
Für diese Göttin ist die Theodizee keine Frage.
Man müsste sogar sagen, das wäre ein Beleg, dass es diese Göttin gibt.
Ich meine nicht, dass es wirklich so sei.
Ich hoffe, Sie haben die Argumentation mitbekommen.
Leiden in der Welt hat nichts mit der Existenz Gottes zu tun, sondern mit meinem Problem, seine Eigenschaften, die ich annehme, widerspruchsfrei miteinander zu verbinden.
Wenn wir zum Beispiel einen Gott haben, der Leid aus bestimmten Gründen zulässt, dann haben wir kein Problem mehr, dass es ihn gibt.
Und genau das sagt uns die Bibel.
Die Bibel sagt, Gott ist liebend, aber zum Beispiel ein Gott, der unsere Autonomie und unseren Willen zulässt.
Plötzlich wissen wir: Vieles des Leidens auf der Welt kommt daher.
Es ist ein Gott, der sagt: Du hast eine Entscheidung gehabt, Adam und Eva – Sie kennen den Sündenfall.
Das meiste Leid auf der Erde kommt daher.
Es ist nicht Gott, der im Jenseits sitzt und sagt: „Jetzt lasse ich dich krank werden.“
Vieles ist nach christlichem Verständnis nicht die Ohnmacht Gottes oder mangelnde Liebe, sondern die Trennung der Welt von Gott.
Deshalb lesen wir in Offenbarung 21, dass in der neuen Welt, die Gott einmal schaffen wird, keine Krankheit, kein Geschrei, kein Leid mehr sein wird.
Nach biblischem Konzept ist das kein Widerspruch, sondern ein Ergebnis des Heilsplans, ein Nebeneffekt dieses Plans.
Dass wir nicht für jedes Leid eine Erklärung haben, liegt auf der Hand.
Aber das liegt nicht daran, dass es keine gäbe, sondern dass wir nicht klug genug sind, die Perspektive Gottes zu haben.
Hier ist mir sympathisch, was ich heute Morgen von Leibniz zitiert habe: Ich glaube, wir sind in der besten aller Welten als Glaubensgrundlage, weil wir den besten Gott haben – allmächtig, gut und allwissend.
Das ist aber nicht das, was ich jeden Tag erfahre.
Das liegt daran, dass meine Erfahrung begrenzt ist.
Frühere Menschen meinten, die Sonne müsse um die Erde kreisen, weil sie es jeden Tag sahen: Sie geht auf, sie geht unter.
Unsere Erfahrung, unser Wissen und unsere Wahrnehmung sind begrenzt.
Was bilden wir uns ein, alles verstehen zu können, was Gott macht und will?
Wir können ja nicht einmal die Erde verstehen, geschweige denn das Wirken Gottes.
Leiden in der Welt ist also eine Frage, wie wir uns Gott vorstellen.
Wer sich einen Gott vorstellt, der verspricht, dass man ein leidfreies Leben hat und der allmächtig ist, den gibt es nicht – das zeigt das Leid.
Aber einen Gott, der aus welchen Gründen auch immer Leid zulässt, den kann es geben.
Dann ist das keine theoretische Frage mehr, höchstens im konkreten Fall: Warum gerade ich?
Manchmal kann Gott antworten, manchmal nicht.
Das ist keine Frage der Existenz Gottes, sondern eine Frage der Eigenschaften Gottes, also des Gottesbildes, nicht der Existenz.
Das heißt nicht, dass es uns leichtfällt zu leiden. Es fällt uns schwer.
Aber das hat nichts mit Gott zu tun, sondern mit unserem Menschsein, unserer Begrenztheit und unserem Schmerz.
Auch das ist kein Argument gegen Gott.
Wenn Sie dann, und hier komme ich wieder zum Anfang zurück, Richard Dawkins lesen, nennt er noch einige andere Argumente.
Für mich sind sie nicht sehr originell.
Ein Argument ist zum Beispiel: Die Naturwissenschaftler unserer Tage sind überwiegend Atheisten, also zeigen sie, dass nur Dumme an Gott glauben.
Er schreibt das etwas kompliziert, aber das ist der Kern seiner Argumentation.
Dann fällt ihm ein, dass es Newton, Faraday und andere gab, die Christen waren.
Er sagt dann, die hätten das nur gemacht, um ihren Job zu bekommen, andere aus Erziehung, andere, weil es in der Gesellschaft lebte.
Man kann das behaupten, aber das ist billig.
Dann könnte ich ja sagen: „Lieber Richard Dawkins, genauso wie du in einer atheistischen Umgebung bist und deshalb Atheist bist.“
Das würde ihm nicht gefallen.
Er meint, er sei aus Überzeugung Atheist.
Aber genau das ist es nicht.
Das ist nur die Stimmung.
Lesen Sie in Wissenschaftsmagazinen, wie viel über Gott gesagt wird.
Die meisten Atheisten, die meisten Naturwissenschaftler sind keine überzeugten Christen.
Aber man kann kein Argument aus der Mehrheit ziehen.
Sonst müssten wir sagen: Die meisten Professoren für Eugenik in den 30er Jahren hätten naturwissenschaftlich bewiesen, dass Juden Untermenschen sind.
Weil die meisten Professoren überzeugt waren, war das damals Wahrheit? Natürlich nicht.
Das ist klar.
Nur weil Naturwissenschaftler eine Meinung vertreten, ist diese nicht wahr.
Was für eine komische Argumentation ist das?
Da müsste er in seiner eigenen Wissenschaft wissen, dass vor Darwin die meisten Biologen an Gott glaubten.
Was gilt jetzt?
Er sagt: Es gilt, was heute ist.
Aber woher weiß man, ob in hundert Jahren wieder alle an Gott glauben?
Dann ist das Argument schlecht, sehr schlecht.
Manchmal ist er durchaus sympathisch und scharfsinnig.
Er argumentiert gegen einige Argumente für Gott.
Zum Beispiel erwähnt er amerikanische Christen Ende der 90er Jahre, die ein Gebetsexperiment machten.
Sie beteten anonym für Patienten in einem Krankenhaus: Die eine Hälfte wurde bebetet, die andere nicht.
Statistisch wollte man feststellen, ob die Gebeteten schneller gesund wurden.
Das Ergebnis, und das weist Dawkins genüsslich nach – ich musste lachen, als ich das las – war, dass die Menschen, für die nicht gebetet wurde, schneller gesund wurden.
Verrückt, nicht?
Welche Schlussfolgerung ziehe ich daraus?
Nicht: Es gibt keinen Gott.
Meine Schlussfolgerung ist: Gott lässt sich nicht in dumme Experimente zwingen.
Wenn ich Gott wäre, würde ich mich nicht gezwungen fühlen, Menschen zu heilen, nur damit sie ein schönes Ergebnis liefern.
Gott macht gesund, wen er will, nicht für Experimente.
Das klingt für mich wie das Experiment: Wenn das fünfte Auto, das vorbeifährt, rot ist, werde ich Millionär.
Warum muss Gott gezwungen werden?
Dann sage ich: Es ist kein rotes Auto, also gibt es keinen Gott.
So argumentieren manche.
Gott ist ein freies Wesen, an das wir glauben.
Er lässt sich nicht in menschliche Experimente zwingen.
Er macht Menschen gesund, wann er will, nicht für statistische Ergebnisse.
Das Gebetsexperiment zeigt also nur, dass ein falsches Gottesbild dahinter steht.
Dawkins hat da Recht, aber kein Argument gegen Gott.
Wir müssen anerkennen, dass wir keine Beweise für oder gegen Gott haben können.
Das liegt nicht daran, dass es ihn gibt oder nicht gibt.
Es liegt schlicht daran, dass uns das nötige Instrumentarium fehlt.
Ich habe Naturwissenschaftler gefragt, die überzeugt waren, dass es keinen Gott gibt: Mit welchen Mitteln kannst du Gott untersuchen und feststellen, dass es ihn nicht gibt?
Ich frage Biologen: Welches Mikroskop gibt es, mit dem man Gott sehen kann? Kann man ihn sezieren oder sein Verhalten untersuchen?
Oder Chemiker: Gibt es eine Substanz, die man hineingießt und die rot wird, wenn Gott drin ist?
Gibt es das?
Das sind rhetorische Fragen.
Weder Physiker, Astronomen, Biologen noch andere haben ein Instrumentarium, mit dem man Gott untersuchen kann.
Wenn Naturwissenschaftler sagen, sie haben Gott nicht gefunden, wie sollen sie ihn finden, wenn sie kein Instrument haben?
Das war früher auch so: Warum wusste man lange Zeit nichts von Radioaktivität? Weil es kein Messinstrument gab.
Gab es Radioaktivität oder nicht? Natürlich gab es sie, egal ob man sie messen konnte oder nicht.
Gibt es ein Instrument in der Naturwissenschaft, das etwas über Gott aussagen kann? Nein.
Wenn es das nicht gibt, kann kein Naturwissenschaftler sagen, ob es ihn gibt oder nicht.
Ein Argument gegen Gott habe ich ausgelassen, weil es zu komisch ist.
Erinnern Sie sich an den ersten Kosmonauten im Weltall?
Als Gagarin zurückkam, berichtete die Pravda, er habe keinen Gott gesehen, also gebe es ihn nicht.
Das ist Kindergartenkinder-Niveau.
Ich habe den Eindruck, Gott hat Humor.
Ich stelle mir vor, Gott versteckt sich kurz hinter dem Mond.
Gagarin schaut sich um und sagt: „Nicht da, also gibt es ihn nicht.“
Oder Gott nimmt einen anderen Aggregatzustand an, vielleicht ist er durchsichtig.
Er steht vor Gagarin und sagt „Hallo“, und Gagarin schaut durch ihn durch und sagt: „Gibt’s nicht.“
Das klingt wie ein Kind, das sich unter dem Tisch versteckt und sagt: „Ich bin weg.“
Das ist naiv.
Nur weil ich Gott mit meinen Augen nicht sehe, heißt das nicht, dass es ihn nicht gibt.
Dieses Argument ist einem Naturwissenschaftler nicht würdig.
Deshalb habe ich es weggelassen.
Manche sagen: Ich habe ihn nicht gesehen oder angefasst, also gibt es ihn nicht.
Dabei sind unsere Sinne begrenzt und trügerisch.
Für einen Blinden gibt es nichts.
Wenn ich blind bin, sage ich: Das sind alles Stimmen in meinem Kopf, also gibt es sie nicht.
Das ist Unsinn.
Das wurde in der Bild-Zeitung gedruckt.
Was der Urwissenschaftler sagt, wird oft nicht gedruckt.
Das Niveau der Argumentation ist häufig niedrig.
Das sind Argumente gegen Gott.
Ich war bei Dawkins.
Dawkins bringt auch eine interessante These, wie der Gedanke an Gott entstanden sei.
Er sagt, der Gedanke an Gott ist das Ergebnis der Evolution.
Wie soll das gekommen sein?
Irgendwann in der Urhorde sagten Menschen zu ihren Kindern: „Geh nicht vor die Höhle, das ist gefährlich.“
Andere taten das nicht.
Kinder, die draußen blieben, starben.
Die drinnen blieben, überlebten.
Später hatten sie keine Angst mehr vor ihren Eltern, sondern vor einer höheren Instanz.
Man erfand eine Überelternfigur – das war Gott.
Das war ein Überlebensvorteil.
So entstand der Gedanke an Gott.
Ist das nicht toll?
Sie sind nicht so begeistert? Ich auch nicht.
Er nennt einen Spezialbegriff: Meme.
Das sind Verhaltensweisen, die sich durch die Urhorde entwickelt haben.
Mich wundert, warum andere Tiere keinen Gott erfunden haben.
Die armen Affenkinder überleben doch auch nicht, wenn sie nicht gehorchen.
Wenn es wirklich ein Vorteil der Evolution wäre, verstehe ich nicht, warum er dagegen kämpft.
Denn dann müssten die Gottlosen nach seiner Idee nicht überleben.
Also müsste es heute schlecht für Gottlose sein.
Das verstehe ich nicht.
Diese Memes lassen sich nie beweisen.
Ob Urmenschen in Höhlen lebten, ob sie ihren Kindern Verbote gaben und ob das zu Gott führte, ist ein moderner Mythos.
Er entwirft einen Mythos, an den man glauben kann oder nicht.
Aber ein Argument ist das nicht.
Das hat nichts mit Naturwissenschaft zu tun.
Er sagt auch, es sei ethisch notwendig, Gott abzuschaffen.
Ohne Glauben an Gott könnte man keine Kriege mehr führen.
Da dachte ich: „Mein lieber Herr Dawkins, der typische englische Professor, der aus seinem Elfenbeinturm nicht rauskommt.“
Wo führen Leute Kriege aus Glaubensgründen?
Selbst Leute, die vorgeben, es des Glaubens wegen zu tun, tun es meistens nicht aus Glauben.
Glauben wir ernsthaft, dass George Bush in den Irakkrieg zog, um Gottes Willen zu tun?
Hätte er nicht zuerst Missionare schicken müssen?
Hat er einen einzigen Missionar geschickt?
Nein.
Er führte dazu, dass eine radikalere islamische Regierung kam, die von Amerika geschützt wird, und Christen im Irak verfolgt werden.
War das ein Krieg im Namen Gottes?
Ich sage: Nein.
Wo waren die großen Kriege des 20. Jahrhunderts im Namen Gottes?
Die großen Kriege wurden im Namen des Atheismus geführt.
Mao Zedong tötete etwa 50 Millionen Menschen, Stalin ebenso, Pol Pot etwa 1,5 bis 2 Millionen in wenigen Jahren.
Lesen Sie das „Schwarzbuch des Kommunismus“, viele Details sind dort.
Erschreckend, fürchterlich.
Selbst Hitler war nicht gottgläubig, sondern wollte sein eigenes Reich des deutschen Übermenschen errichten.
Das war kein religiöser Krieg.
Wo sind die großen Kriege?
Im Atheismus wurden viel mehr Menschen getötet.
Warum?
Weil sie kein Hemmnis mehr haben.
Der Mensch ist nur noch Materie, das Ergebnis der Evolution.
Für eine gute Sache kann man Menschenmaterial töten.
Das interessiert niemanden.
Wenn der Mensch gottlos ist, hat er kein Hemmnis mehr.
Das Böse im Menschen kommt nicht durch den Gedanken an Gott, sondern weil der Mensch sich selbst in den Mittelpunkt stellt und nichts anderes mehr wahrnimmt.
Nicht jeder Atheist ist unmoralisch.
Aber wenn ein gläubiger Mensch erst einmal gelernt hat, gottlos zu werden, wirft er Gott über Bord.
Wer das nicht glaubt, kann das logisch versuchen oder Dostojewski lesen, zum Beispiel „Schuld und Sühne“ oder „Die Brüder Karamasow“.
Dort beschreibt er das genau.
Kennen Sie die Geschichte von Aljoscha, dem Bruder, der als Atheist und Kommunist die Welt revolutionieren will und seinem kleinen Bruder sagt: „Komm, du kannst doch den Vater umbringen.“
Und der tut das, weil es ja keinen Gott gibt.
Das Ganze geht weiter.
Ich sage das sehr platt, Dostojewski macht das auf Hunderten von Seiten sehr einfühlsam.
Dostojewski war erst ein Anarchist, dann zum Glauben gekommen.
Er sollte in die Verbannung geschickt werden, weil er dazu gehörte.
Kurz vor der Erschießung wurde er begnadigt und in die Verbannung geschickt.
Dort bekam er von einer Frau eine Bibel, und in der Verbannung wurde er gläubig.
Deshalb sind seine frühen Bücher eher anarchistisch, sozialistisch.
„Schuld und Sühne“ und „Die Brüder Karamasow“ sind richtig religiös, mehr als Tolstoi, der eher kirchlich war.
Dostojewski war sehr religiös.
In „Die Brüder Karamasow“ nennt er genau das: Er war einer von denen und nicht moralisch.
In „Schuld und Sühne“ gibt es eine bekannte Geschichte: Eine Geldverleiherin in einem Haus ist eklig und schlimm, alle leiden, nur sie ist reich.
Irgendwann sagen sie: Wenn sie getötet wird, geht es allen besser.
Das Geld wird verteilt.
Dann kommt das Leiden danach und die Sühne.
Er zeigt, wie es Menschen und Gesellschaft kaputt macht, wenn man Maßstäbe über Bord wirft.
Der gottlose Mensch ist das.
Was ich sagen will: Es ist eine Illusion von Dawkins zu glauben, dass ohne Gott die Menschen nicht mehr gewalttätig wären.
Die Realität zeigt anderes.
Wir wissen alle, dass es darauf nicht ankommt.
Hier können Sie Dawkins und andere lesen.
Ich weiß nicht, soll ich einen Preis aussetzen für ein gutes Argument gegen Gott?
Ich will Sie nicht zum Negativen verführen.
Falls Ihnen eins einfällt, können wir später diskutieren.
Nach meinem Dafürhalten gibt es keine wirklich guten Argumente.
Meistens sind es Scheinargumente, die plausibel klingen und uns in die Defensive drängen.
Aber im Kern sind sie keine Argumente für Gott.
Das ist der erste Punkt, den ich heute in den Mittelpunkt stelle.
Viele Christen beachten das zu wenig und lassen sich zu schnell in die Defensive drängen.
Sie versuchen dann, Argumente für Gott zu formulieren, merken aber nicht, dass sie das naturwissenschaftlich gar nicht können.
Denn Christen geht es wie Atheisten: Wir können keinen physikalischen Beweis für Gott geben.
Nicht, weil es ihn gibt oder nicht gibt, sondern weil uns das Instrumentarium fehlt.
Das gilt für Atheisten und Christen.
Das heißt nicht, dass es ihn nicht gibt.
Ich könnte zum Beispiel fragen: Können Sie naturwissenschaftlich beweisen, dass Ihr Ehepartner Sie liebt?
Ich möchte das nicht peinlich machen.
Wenn ich das frage, sagt mein Herr: „Der sagt es mir doch.“
Das ist aber ein bisschen billig.
Schauen Sie Hollywoodfilme: Da sagen sie „I love you“ und lieben sich.
Oder ich könnte sagen: Deine Frau will nur dein Geld.
Dann könnte sie sagen: „Nein, sie liebt mich.“
Nur weil jemand etwas sagt, heißt das nicht, dass es so ist.
Dann sagt einer: Mein Mann schickt mir Blumen.
Das könnte sein, weil er Frieden zu Hause stiften will.
Ich will nicht, dass Sie an der Liebe Ihres Ehepartners zweifeln.
Ich will nur sagen: Sie werden keinen naturwissenschaftlichen Beweis finden.
Ich habe einen Artikel gelesen, in dem ein Biochemiker versuchte, über den Hormonstoffwechsel zu beweisen, ob Liebe im Blut ist.
Das ist spannend, aber auch blöd.
Das ist nur ein materialistisches Weltbild: Alle Gefühle und Entscheidungen lassen sich auf materielle Grundlagen zurückführen.
In der Hirnforschung gibt es ähnliche Experimente, die sagen, es gibt keine Freiheit, alles ist Hirnphysiologie.
Das trifft nicht unsere Realität.
Was ist zuerst? Hormone oder Liebe?
Wer beantwortet das?
Wenn die Hormone wechseln, liebe ich meine Frau dann nicht mehr?
Nein.
Das ist Quatsch.
Es gibt viele Dinge im Alltag, die wir naturwissenschaftlich nicht beweisen können, und trotzdem sind sie Realität.
Kein Mensch würde vernünftigerweise bezweifeln.
Ich könnte radikal werden wie die alten griechischen Philosophen.
Vielleicht denken Sie: Jetzt wird er verrückt.
Ich könnte sagen: Können Sie naturwissenschaftlich beweisen, dass es Sie hier gibt?
Das ist verrückt.
Aber versuchen Sie es.
Ich sage: Sie sind ein Gespinst meiner Fantasie.
Das ist Descartes.
Sie können es nicht beweisen.
Jemand kam zu mir während eines Vortrags und sagte: Ich haue dir gleich einen runter, dann merkst du, dass ich da bin.
Er ließ sich provozieren.
Ich antwortete: Dann merke ich nur, dass ich in einem Albtraum bin.
Auch das ist kein Beweis.
Ich hatte schon heftige Träume, in denen ich abgestürzt, geschlagen oder verfolgt wurde.
Das ist auch kein Beweis.
Ich will Sie nicht in eine Krise stürzen, dass Sie denken, alles ist nicht real.
Ich will nur sagen, wie wenig wirklich hundertprozentig beweisbar ist.
Man geht erst einmal davon aus, dass alles existiert.
Das tut es ja auch.
Ich will nicht alles beweisen.
Aber wer alles beweisen will, muss akzeptieren, dass vieles Annahmen, Voraussetzungen, Plausibilitäten und Wahrscheinlichkeiten sind.
So ist es auch bei Gott.
Wir können ihn nicht beweisen, unter anderem weil er kein Gegenstand der materiellen Welt ist.
Die Naturwissenschaft kann nur materiell Greifbares untersuchen.
Nehmen wir hypothetisch an, Gott zieht sich ans Ende des Universums zurück und schaut zu, was wir hier Dummes machen.
Was könnte die Naturwissenschaft über ihn sagen? Gar nichts.
Wir sind darauf angewiesen, dass Gott sich uns zeigt und Spuren hinterlässt.
Diese Spuren können wir erkennen und auf ihn deuten.
Die Bibel sagt, das Universum, die Schöpfung, das Gewissen, Gebetserhörung und Prophetien sind solche Spuren.
Diese erhöhen die Plausibilität, die Wahrscheinlichkeit, dass es Gott gibt.
Sie sind aber keine Beweise im naturwissenschaftlichen Sinn.
Das muss uns Christen klar sein.
Es kann keine naturwissenschaftlichen Beweise geben, weil die Methoden der Naturwissenschaft Gott nicht erfassen können.
Das muss auch unserem Gesprächspartner klar sein.
Wir dürfen nicht versuchen, durch die Hintertür naturwissenschaftliche Beweise zu bringen.
Das geht nicht und muss auch nicht.
Gott ist größer und kein Gegenstand der materiellen Welt.
Das ist ein wichtiger Punkt, den wir verstehen und im Gespräch anbringen müssen.