Begrüßung und persönliche Vorstellung
So, erst mal guten Abend allerseits, schön, bei euch zu sein. Danke, Jochen, für das tolle Stück. Das ist etwas, das ich überhaupt nicht kann – ein Instrument spielen. Danke auch, Hannegret, für die ehrlichen Worte, das war wirklich super.
Der Gerd hat mich gebeten, mich selbst vorzustellen, weil er mich sowieso nicht kennt. Das ist praktisch, sowohl für ihn als auch für mich. Ich war schon mal vor neun oder zehn Jahren hier. Ich kann mich nicht mehr an viele erinnern, aber an eines: die zwei Bibelverse links und rechts, die ihr hier in der Halle habt. Die habe ich vom Dauernhof, ich habe sie von euch „gestohlen“, weil ich sie ganz gut finde. Wir haben sie auch vorne, denn unser Raum ist etwas kleiner als dieser hier. Aber sie erinnern mich immer an Wiedernest.
Zu mir selbst nur ein paar Worte: Wie gesagt, ich bin Hans-Peter, 48 Jahre alt. Ich bin seit 23 Jahren verheiratet und habe meistens eine ganz nette Frau – fast immer jedenfalls. Ich habe inzwischen drei Kinder, die aber schon 19, 18 und 14 Jahre alt sind: Lukas, Lisa und Eva Maria.
Meine Frau führt eine Frühstückspension, das Waldschlössel. Das habe ich von meinen Eltern geerbt. Bei uns ist es so, dass der Älteste nicht mehr automatisch das Haus erbt. Mein älterer Bruder wollte es nicht, also habe ich es genommen.
Ich bin seit über zwanzig Jahren Leiter vom Tauernhof, einem Fackelträger-Bibelschulzentrum in Schladming. Keine Ahnung, wer von euch Skifahrer ist – der wird es vielleicht kennen. Ich bin kein Fußballer, ich kenne keinen einzigen Fußballer und weiß auch nicht, was gerade los ist. Aber so geht es wahrscheinlich einigen von euch mit dem Skifahren.
Ich bin Skifahrer, das ist mein Beruf. Viele Jahre war ich Skilehrer in Österreich, den USA und Australien. Außerdem war ich Bergführer und hatte meine eigene Bergsteigerschule. Das machen wir jetzt auch sehr viel mit unseren Teilnehmern, die zum Tauernhof kommen.
Wir bieten erlebnispädagogische Programme an, ganz gemütliche für Ältere und etwas anspruchsvollere für Jüngere oder Junggebliebene. Dabei machen wir viel mit Sport, Natur und dem Wort Gottes. Das bringen wir zusammen und wenden es an.
Ich bete und hoffe, dass alles zur Ehre Gottes geschieht.
Bedeutung von Gemeinschaft und das Thema des Abends
Ich reise relativ viel, ungefähr hundert Tage im Jahr bin ich unterwegs, vor allem in Europa, aber auch über See. Meistens bin ich auf Konferenzen, hauptsächlich um zu unterrichten. So hat es sich ergeben.
Ich habe das eigentlich nie gesucht, aber es ist eben so. Das ist ganz nett und in Ordnung.
Wie gesagt, an diesem Wochenende, das wir gemeinsam verbringen dürfen, hoffe ich, dass man ein paar Leute persönlich kennenlernt. Man lernt nie viele kennen, das geht gar nicht, aber vielleicht doch ein paar. Ich finde es gut, zu solchen Wochenenden oder Wochen zu gehen.
Israel hat ja drei Pflichtfeste pro Jahr, und das hat seinen Sinn: Man kommt einfach ein paar Tage zusammen, weg von zu Hause, feiert gemeinsam, tauscht sich aus und hört auf Gottes Wort. Das hat seine Ordnung, und es hilft uns, mit unserem Leben zurechtzukommen.
Das Thema passt auch sehr gut zum ersten Abend heute: Das Tempo Jesu – Leben aus der Ruhe Gottes.
Vielfalt der Christen und die Gefahr von Spaltungen
Wenn die Israeliten zusammenkamen, gab es ja immer zwölf Stämme, nicht nur einen. Ich nehme an, dass an diesem Wochenende auch verschiedene Konfessionen vertreten sind. Ich hoffe es. Am Dauernhof haben wir meistens zehn verschiedene Konfessionen in den Bibelschulen. Das war nie ein Thema.
Ich muss euch aber etwas vorlesen. Vor einiger Zeit begegnete mir ein Mann mit einer Bibel unter dem Arm. „Bist du ein Christ?“ fragte ich ihn. „Ja“, sagte er ganz begeistert. Ich hielt an, aber ich habe gelernt, dass man nie vorsichtig genug sein kann. Darum fragte ich ihn weiter: „Jungfrauengeburt?“ „Natürlich, glaube ich.“ „Tod am Kreuz?“ „Er starb für alle Menschen.“ Könnte es sein, dass ich hier Angesicht zu Angesicht mit einem richtigen Christen stand? Vielleicht.
Dennoch fuhr ich mit meiner Checkliste fort: Status von Menschen – Sünder, der Gnade braucht; Definition von Gnade – Gott tut, was wir nicht tun können; Wiederkunft Jesu – jederzeit möglich; Bibel – inspiriert; Gemeinde – der Leib Jesu. Jetzt wurde ich richtig aufgeregt. Konservativ oder liberal? Jetzt funkelten auch die Augen des Gegenübers. „Konservativ.“
Mein Herz begann noch schneller zu schlagen. Herkunft: protestantisch-baptistisch-landeskirchliche Gemeinschaft. Das war meine. „Welche Fraktion?“ „Pro Millennium, nicht charismatisch, Elberfelder Übersetzung.“ Mir standen die Tränen in den Augen.
Ich hatte nur noch eine letzte Frage: „Ist euer Predigtpult aus Holz oder Fiberglas?“ „Fiberglas“, antwortete er. Ich zog meine Hand zurück, und mein Genick versteifte sich. „Ketzer“, sagte ich und wandte mich ab.
So soll es uns ja hoffentlich nicht gehen in der Zeit, die wir miteinander verbringen. Ich finde es immer schön, wenn viele verschiedene Christen zusammenkommen.
Einladung Jesu und die Bedeutung der Ruhe
Der vorgegebene Predigttext für den heutigen Abend steht in Matthäus Kapitel 11. Wer eine Einladung von der Konferenz hat, kann das ja mitverfolgen. Und wenn du eine Bibel hast und es nicht zu finster ist, kannst du mitlesen. Sonst lese ich dir vor.
Matthäus 11 enthält ganz bekannte Worte, besonders Vers 28. Dort sagt Jesus: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid, und ich werde euch Ruhe geben. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“
Jesus sagt hier: Kommt her zu mir, nicht nach Wiedernest, auch nicht zum Dauernhof, auch nicht mal zur Kirche. Kommt her zu mir.
Es ist so wesentlich, glaube ich, dass wir lernen, zu Jesus zu gehen. Es klingt so selbstverständlich, aber wenn wir ehrlich sind, tun wir es oft nicht. Wir kommen nicht zu ihm. Wir kommen zu allem Möglichen Christlichen, aber nicht zu Jesus.
Und dann sagt er noch: Lernt von mir, nicht von den Gemeindeältesten, nicht vom Pfarrer. Lernt mal von mir.
Im Jesaja 30, Vers 15, steht: „So spricht der Herr, der Heilige Israels: Durch Umkehr und Ruhe werdet ihr gerettet. Im Stillsein und in Vertrauen ist eure Stärke.“ Aber ihr habt nicht gewollt.
Die Herausforderung der Umkehr und das Lernen von Jesus
Wisst ihr, worüber ich mich immer wieder wundere? Über meine Dickköpfigkeit und mein Unverständnis. Gott will das Beste für mich, aber ich wähle das Zweitbeste. Gott will mir etwas schenken, doch ich will es mir verdienen. Gott will mir Ruhe geben, aber ich entscheide mich für den Stress.
Jesus hat gesagt: „Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“ Trotzdem trage ich oft meine schwere Last. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mir passiert das immer wieder. Und weil ich vergesse, zu Jesus zu kommen, von ihm zu lernen und sein Joch anzunehmen, bin ich oft bedrückt.
Ich muss immer wieder lernen, zu ihm umzukehren. „Durch Umkehr und Ruhe werdet ihr gerettet“, sagt Jesaja. Die Frage ist oft: Was bedeutet eigentlich Umkehr? Das griechische Wort dafür kennen wir: Metanoia – ich ändere mein Denken.
Es gibt einen Vers, der mir zum Thema Umkehr besonders gefällt. Im Lukas 7,29 lesen wir: „Das ganze Volk, das zuhörte, und die Zöllner haben Gott Recht gegeben, indem sie sich mit der Taufe des Johannes taufen ließen. Die Pharisäer aber und die Gesetzesgelehrten haben den Ratschluss Gottes für sich selbst wirkungslos gemacht, indem sie sich nicht von ihm taufen ließen.“
Mir gefällt besonders das Volk und die Zöllner. Sie haben Gott Recht gegeben. Wisst ihr, was Umkehr bedeutet? Es bedeutet: Gott, ich gebe dir Recht. Ich stehe im Unrecht, du hast Recht. Nicht ich rette die Welt, du rettest die Welt. Nicht meine Bemühungen machen es, sondern deine Gegenwart. Ich gebe Gott Recht.
Die Bedeutung der Bereitschaft zur Veränderung
Ich frage oft Christen, gerade bei solchen Veranstaltungen. Ich hoffe, es ist in Ordnung, wenn ich du sage; ich möchte niemanden beleidigen. Bei uns in Österreich ist es oft umgekehrt: Dort sind manche beleidigt, wenn ich Sie sage, zumindest bei mir zu Hause.
Aber wann hast du das letzte Mal deine Meinung geändert – über eine theologische Frage? Sind wir überhaupt bereit, unser Denken noch zu verändern, oder mögen wir nur Predigten, die immer nur ein Kopfnicken hervorrufen?
Es ist so wichtig: Wir müssen lernen, Gott Recht zu geben. Wenn ich vielleicht dreißig Jahre im Unrecht war, sage ich zu Gott: „Tut mir leid, du hast Recht.“ Ich sage auch oft zu Leuten: Diskutiert mit allen Menschen, diskutiert mit mir, aber diskutiert nie mit Jesus. Er hat immer Recht, denn er ist die Wahrheit.
Umkehren heißt, Gott Recht geben. „Sie haben Gott Recht gegeben, und durch die Umkehr und Ruhe werdet ihr gerettet“, sagt das Wort Gottes. Übrigens, die Umkehr ist nicht das Ziel, nicht die Buße ist das Ziel. Das Ziel ist die Gemeinschaft mit Gott.
Seht ihr, wenn ich zum Beispiel meine Frau in Salzburg am Bahnhof treffen möchte und ich steige hier in den Zug, fahre dann aber Richtung Hamburg – das ist nördlich, das weiß ich ungefähr – und im Zug nach Hamburg kommt der Schaffner, schaut auf die Fahrkarte und sagt: „Mein Freund, du fährst in die falsche Richtung“, dann muss ich ihm Recht geben, aussteigen und umsteigen.
Das macht nichts, das passiert mir auch immer, sogar beim Predigen. Dann muss ich umdenken, ich muss ihm Recht geben. Aber nicht die Umkehr ist das Ziel, das Ziel ist, dass ich meine Frau in Salzburg treffe.
Sieh dir das an: Wenn wir Gott Recht geben, dann kommen wir in die Gemeinschaft mit ihm.
Die Bedeutung der täglichen Gemeinschaft mit Jesus
Ich bin, wie gesagt, relativ viel unterwegs, auf vielen Konferenzen. Das erfordert immer viel Vorbereitung und auch viel Zeit zum Reisen. Normalerweise ermüdet mich das Predigen nie. Ich mache das schon zwanzig Jahre, und Predigen belebt mich.
Manchmal bin ich vorher müde, aber danach bin ich immer belebt. Es ist mir nie schwergefallen. In den letzten Monaten habe ich jedoch festgestellt, dass ich, obwohl ich viel unterwegs war, müde geworden bin. Zum ersten Mal ist es mir passiert, dass ich nach einer Botschaft regelrecht erschöpft und ausgelaugt war.
Ich habe mich gefragt: Herr, das ist etwas ganz Neues für mich, warum ist das so? Ich habe mit ihm geredet und festgestellt, dass ich normalerweise jeden Tag mit Jesus spazieren gehe. Doch in den letzten zwei Wochen bin ich keinen Tag mehr mit ihm spazieren gegangen, weil zu viel los war.
Das ist eine Milchmädchenrechnung, aber ich habe wieder gelernt: Herr, ich muss zu dir kommen. Natürlich sind wir, wie wir vorher gehört haben, hundert Prozent geistliche Wesen, weil der Heilige Geist in uns wohnt. Aber wir bleiben auch hundert Prozent biologische Wesen, und wir werden müde.
Das ist völlig okay. Aber wir müssen immer wieder umkehren, umdenken und Gott Recht geben. Wenn wir das nicht tun, können wir die Ruhe Gottes nicht erleben.
Warnung vor Unglauben und Ungehorsam
Ein negatives Beispiel dafür ist das Volk Israel. Im Hebräerbrief, Kapitel 3, lesen wir in den Versen 18 und 19: "Welchen aber schwor Gott, dass sie nicht in seine Ruhe eingehen sollten, wenn nicht denen, die ungehorsam gewesen waren."
Hier spricht der Text über das Volk Israel und erklärt, dass sie wegen ihres Unglaubens nicht in das gelobte Land hineingehen konnten. Warum konnten sie nicht hineingehen? Wegen Unglaubens und Ungehorsams.
Im Kapitel 4, Vers 2, heißt es weiter: "Denn auch uns ist eine gute Botschaft verkündet worden, wie auch jenen; aber das gehörte Wort nützte jenen nicht." Warum nicht? Weil es bei denen, die es hörten, sich nicht mit dem Glauben verband.
Warum konnten die Israeliten nicht in die Ruhe eingehen? Weil sie die Wahrheit, die sie kannten, nicht im Vertrauen und Glauben für sich in Anspruch genommen haben. Sie sind nicht zu Gott umgekehrt und haben ihm nicht Recht gegeben.
Glaube an sich hilft niemandem und schadet niemandem. Bei uns gibt es ein Sprichwort, das die älteren Leute oft sagen: "Was du glaubst, ist egal, Hauptsache du glaubst." Aber das stimmt nicht. Glaube an sich schadet niemandem und hilft auch niemandem. Es ist immer das Objekt des Glaubens, das uns hilft oder nicht hilft – nie der Glaube an sich.
Die Bedeutung des richtigen Glaubensobjekts
Das heißt, ein Glaube braucht Fakten; er muss auf Wahrheit gegründet sein.
Ich nehme oft das Beispiel, dass ich ab und zu in Schweden bin. Dort haben wir auch eine Bibelschule. Im Winter ist es dort super, denn die Seen sind so dick zugefroren, dass man mit dem Lastwagen darüberfahren kann. Im Sommer hingegen müssen sie weit um die Seen herumfahren.
Zuhause in Österreich sind die Seen ebenfalls zugefroren, aber ich gehe kaum darauf, weil das Eis meist nur dünn ist. Anfangs war ich sehr skeptisch, denn wenn das Eis dünn ist, ist es nicht sicher, vor allem bei Kälte. Ich war also sehr vorsichtig. Doch jemand sagte zu mir: „Du kannst ruhig gehen, das Eis ist so dick.“ Und so haben wir es dann auch gemacht.
Aber seht ihr, ich könnte am Ufer stehen und sagen: „Ja, ich weiß, das Eis ist nur so dünn, aber weißt du was? Es macht nichts, ich habe Glauben.“ Mein Glaube würde mich darüberbringen, egal ob das Eis dick oder dünn ist. Nein! Du wirst mit deinem großen Glauben auf das dünne Eis gehen, einbrechen, erfrieren und sterben. Denn nicht dein Glaube bringt dich von diesem Ufer ans andere, sondern das Objekt deines Glaubens – das Eis.
Andererseits, wenn wir annehmen, das Eis sei so dick wie in Schweden, dann kann ich mit kleinem Glauben und zitternd aufs Eis gehen, ganz vorsichtig, weil ich glaube, dass es nicht hält, aber ich trotzdem rüberkomme. Warum? Weil ich so großen Glauben hatte? Nein, weil das Objekt meines Glaubens gehalten hat.
Das heißt: Glaube an sich hilft nicht. Auch wenn das Eis so dick ist, wenn du nur davorstehst, wirst du nie rüberkommen. Andererseits hilft Wahrheit an sich auch niemandem. Obwohl Jesus Christus die Wahrheit ist, der sich für unser Leben interessiert und sogar jedes Haar auf unserem Haupt gezählt hat, geht nicht jeder Mensch in die Ruhe ein. Das liegt daran, dass sie das, was sie wissen, nicht mit Glauben verbinden.
Die Gefahr des bloßen Bekennens ohne praktisches Vertrauen
Es gibt eine Geschichte, die besagt: Hausgänse trafen sich jeden Sonntag, um eine Predigt vom Schäfgänse-Richt zu hören. Dabei ging es um die wichtigsten Dinge des Gänselebens. Der Schäfgänse-Richt predigte ganz aufgeregt und deutete auf die Wildgänse, die über sie hinweg flogen.
Er sagte: „Dazu sind wir bestimmt – zu fliegen, frei zu sein, schwerelos.“ Alle Gänse jubelten: „So ist es, das ist die Wahrheit, Amen!“ Danach watschelten sie zurück in die Scheune und versuchten in ihrem ganzen Leben nie zu fliegen.
Manchmal habe ich auch den Eindruck, dass es unter uns Christen ähnlich ist. Wir hören die Wahrheit, dass Jesus der Schöpfer, der Retter, der Liebhaber und der König der Welt ist – Himmel, Erde und unter der Erde. Wir stimmen intellektuell zu, dass Gott der Schöpfer des Universums ist. Wir bekennen, dass Jesus Christus auch für uns gestorben, auferstanden ist und heute lebt.
Doch dann watscheln wir in unser altes Leben zurück. Wir sorgen uns um unsere Zukunft, um die Kinder, um die Gemeinde, um unsere Gesundheit. Dabei glauben wir nicht wirklich, dass Jesus lebt.
Und wisst ihr, was dabei geschieht? Wir sind zwar bekennende Christen, aber praktizierende Atheisten. Wir müssen uns ehrlich fragen: Kann es sein, dass du bekennender Christ bist, aber das Christsein nicht praktizierst? Oder praktizieren wir in Wirklichkeit Atheismus?
Glaube in der Praxis – Vertrauen und Loslassen
Ich bin oft viel am Berg unterwegs und habe dabei einige Bilder gemacht – das gehört zu meinem Beruf. Es ist oft interessant, wenn man die Leute anseilt. Das hat natürlich auch eine emotionale Komponente. Du sagst ihnen: Das Seil hält zweitausendfünfhundert Kilogramm. Du kannst dich also voll hineinlehnen, das hält problemlos zwanzig- oder dreißigmal. Und derjenige stimmt dir intellektuell zu – damit ist er ein Gläubiger. Er glaubt dir. Wenn du jemandem glaubst, bist du ein Gläubiger.
Aber dann stehst du oben, und vor dir geht eine Wand zwanzig oder dreißig Meter runter. Das ist eigentlich egal, Hauptsache, das Seil ist länger als die Wand. Hoch ist es wichtig. Dann sagst du: Lehne dich zurück und seil dich ab! Er freut sich daran, aber viele machen es nicht. Dann werden sie ganz nervös und greifen alles an, was sie erwischen. Sie glauben, wir glauben intellektuell: Ja, das hält mich zwanzig Mal, aber ich lasse den Fels trotzdem nicht los.
Gläubiger Christ, praktizierender Atheist – seht ihr, Glaube und Wahrheit müssen sich verbinden. Und in der Umkehr, in diesem Glauben, liegt unsere Ruhe. Glauben wir wirklich, dass Jesus Herr in unserem Leben ist, oder ist es nur ein Spruch, den wir sagen? Unglaube erzeugt immer Stress und Sorgen. Im stillen Vertrauen aber liegt unsere Stärke.
Gebet als Beziehung und nicht nur als Bitte
Im Englischen gibt es einen Spruch, der lautet: Wenn du Probleme hast, gehst du zum Thron oder zum Telefon. Oft ist es interessant, dass wir erst dann beten, wenn gar nichts mehr hilft. Dann sagen wir: „Ja, jetzt müssen wir halt doch beten.“
Warum beten wir nicht gleich? Warum besprechen wir es nicht sofort mit unserem Herrn? Das wäre eigentlich das Normale.
Dann ist es noch interessant, was im Hebräerbrief Kapitel 4 steht. Wovon sollten wir eigentlich zur Ruhe kommen? Zur Ruhe kommen – ja, das ist so ein schönes Wort. Aber wovon?
Mir gefällt Hebräer 4 sehr, es ist einer meiner liebsten Abschnitte. Dort heißt es in Vers 9: „Also bleibt noch eine Sabbatruhe dem Volk Gottes übrig.“ Denn wer in seine Ruhe eingegangen ist, der ist auch zur Ruhe gelangt von seinen eigenen Werken – oder von seinen Werken, wie Gott sie nennt, von seinen eigenen.
Wisst ihr, wovon wir zur Ruhe kommen müssen? Von unseren eigenen Werken.
Interessant ist auch die Schöpfungsgeschichte: Gott hat sechs Tage geschaffen und am siebten Tag hat er geruht. Am sechsten Tag wurde der Mensch geschaffen – wozu? Um am siebten Tag zu ruhen.
Gott will nicht in erster Linie unser Tun, er will einfach uns. Und ich vergesse das immer wieder.
Ich habe etwas über den Sinn des Gebets gelesen, das hat mir sehr gut gefallen. Dort stand: Welchen Sinn macht es, wenn wir Gott im Gebet Dinge erzählen, die er schon weiß? Fragen stellen, die er längst beantwortet hat? Anliegen vorbringen, die er viel besser beurteilen kann? Bitten aussprechen, deren Erhörung er bereits eingeleitet hat?
Ich habe mich oft gefragt: Warum beten wir überhaupt, wenn Gott es schon weiß? Gott weiß, was wir brauchen, bevor wir es erbitten. Er könnte uns das Gebet eigentlich ersparen. Er gibt uns sowieso, was wir brauchen. Abgesehen von seiner Liebe macht das keinen Sinn.
Aber in Anbetracht seiner grenzenlosen Liebe zu uns können wir gar nicht zu oft vor ihn treten, zu lange mit ihm sprechen und zu viel von ihm erbitten. Denn Gott ist in seiner Liebe nicht darauf aus, nur Bitten zu erhören, sondern uns zu hören.
Er möchte nicht etwas Neues von uns hören, sondern er will uns hören – und das immer wieder aufs Neue.
Persönliche Erfahrungen mit dem Gebet
Früher, wenn ich gebetet habe, war es oft so, dass mir nach fünf Minuten der Stoff ausging. Die wenigen Missionare, die ich kannte, waren genannt, meine Eltern, meine Hasen oder was auch immer man so im Gebet aufzählt – und dann war es vorbei. Ich wusste nichts mehr zu sagen. Es gab keine neuen Worte.
Gott will nichts Neues von dir hören. Er will nur dich hören.
Vor kurzem war es gerade so: Ich war unterwegs, und Lukas hatte gerade seine Führerscheinprüfung gemacht und bestanden. Ich telefonierte mit meiner Frau, die mir erzählte, wie die Prüfung gelaufen war und dass es ihm gut ging – was erfreulich war. Drei Tage später kam ich nach Hause. Lukas saß im Wohnzimmer und sagte: „Vater, ich möchte unbedingt erzählen, wie die Führerscheinprüfung war.“
Ich antwortete: „Sei ruhig, das weiß ich doch schon.“
Ich hatte nicht gesagt, dass ich alles wusste – nicht einmal in Österreich. Wisst ihr, Lukas erzählte mir nichts Neues, ich hatte schon alles gehört. Aber ich liebte es, von ihm zu hören, weil er mein Sohn ist.
Seht ihr, Gott will nichts Neues von dir hören. Es gibt nichts Neues von Gott, aber er will dich hören. Und in diesem Kommen zu ihm liegt Ruhe.
„Kommt her zu mir, lernt von mir.“
Jesus im Mittelpunkt des Glaubens
Und darum ist die Botschaft des Hebräerbriefs eine so gewaltige Botschaft. Darin steht nicht viel vom Tun – es wird zwar erwähnt, aber auf wunderbare Weise wird vor allem der Name Jesus genannt. Mindestens neunmal taucht er auf, und immer in Verbindung mit uns.
Wir aber sehen Jesus, wir betrachten Jesus. Lasst uns festhalten an Jesus, wir schauen hin auf Jesus, den Anfänger und Vollender unseres Glaubens.
Die Botschaft des Hebräerbriefs lautet nicht: Arbeite, gib dein Bestes, tu dies und das. Stattdessen heißt es: Schau auf Jesus, betrachte ihn, halte ihn fest. Denn erst aus dieser Gemeinschaft mit ihm entstehen Werke.
Wir kennen die bekannten Verse aus Epheser 2,10, wo Paulus sagt: "Denn wir sind sein Gebilde in Christus Jesus, geschaffen zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen."
Ja, wir sind in Christus geschaffen zu guten Werken, die aber er bereits bereitet hat – nicht wir. Wir brauchen kein gutes Werk selbst zu erzeugen, wir wandeln nur in ihnen. Und das ist die Ruhe, die wir haben.
Die Freiheit des Lebens in Christus
Übrigens, weißt du, was schön ist als Christ? Du brauchst morgens nie überlegen, ob du heute Gutes oder Böses tun sollst. Diese Überlegung kannst du dir sparen. Denn wir sind in Christus Jesus geschaffen zu guten Werken. Dazu bist du geschaffen – ganz einfach.
Als Christ brauchst du dir also nicht vornehmen, Gutes zu tun. Du tust Gutes, denn dazu bist du in Christus Jesus geschaffen.
Major Thomas, der Gründer der Fackelträger, ist vor ein paar Jahren im Alter von 93 Jahren gestorben. Er war mir einmal ein großes Vorbild darin. Er hat immer gebetet: „Herr, ich danke dir für das, was du heute wieder tun wirst, für jeden Menschen, den du heute retten wirst, für den Trost, den du geben wirst, denn du hast versprochen, das zu tun. Und wenn du mich dazu gebrauchen willst, hier bin ich, Herr.“
Das sind übrigens genau die zwei Sprüche, die ihr hier stehen habt. Nicht wir bauen Gemeinde – weder Wiedernis noch Dauernhof noch sonst jemand. Christus baut sie. Und wir bezeugen es.
Warnung vor Überforderung und der Messias-Komplex
Weißt du was, das ist so entspannend, wirklich sehr entspannend.
Ausbrennen tun wir dann, wenn wir den Messias-Komplex entwickeln, wenn wir glauben, wir müssten die Welt retten.
Manchmal sage ich zu Jesus am Dauernhof: Es gibt viele Probleme, auch hier in Wiedernest. Das weiß ich, ohne dass ich viel darüber weiß. Das ist so, weil es dort Menschen gibt. Aber manchmal sage ich zu Jesus: Herr, das ist dein Hafen. Ich will ja die Welt gar nicht retten, aber du willst es. Wenn du es willst, bin ich gespannt, wie du das tust.
Hier bin ich, gebrauche mich, wenn es dir gefällt.
Oswald Chambers hat einmal gesagt: Deine geistliche Reife kannst du am besten daran erkennen, worum du Gott im Gebet bittest. Manchmal ist das, was wir bitten, eine Beleidigung für Gott. Denn wir fragen mit unseren Augen, die auf die Möglichkeiten oder auf uns selbst gerichtet sind – und nicht auf Jesus Christus.
Glauben wir wirklich, dass Jesus die Welt rettet, oder haben wir diesen Job übernommen? Und dann fehlt die Ruhe.
Ich stelle das bei mir selbst fest und auch bei allen anderen. Diejenigen, die glauben, sie müssten die Welt retten, brennen früher oder später aus.
Dafür bist du nicht groß genug, das kann nur Christus. Nur dort werden wir zur Ruhe kommen – von unseren eigenen Werken.
Martin Luther und die Kraft des Wortes Gottes
Martin Luther, glaube ich, hat diese Ruhe gekannt. Er hat zumindest geschrieben. Eines meiner Lieblingszitate von ihm lautet: Martin Luther hat gesagt: „Ich habe nichts getan, das Wort alleine hat alles bewirkt. Ich habe nur gelehrt, gepredigt und Gottes Wort geschrieben, sonst habe ich nichts getan. Und während ich schlief und Wittenberger Bier trank mit Philippo Namsdorf, hat das Wort all jene geschwächt, die gegen mich waren.“
Übrigens gibt es ein Missverständnis: Ruhe ist nicht Tatenlosigkeit. Das wäre ein völliges Missverständnis. Weder Martin Luther war tatenlos, noch Major Thomas. Aber sie haben etwas gelernt, nämlich dass Gott es bewirken muss, sonst ist nichts getan.
Mein Lieblingsvers, den ich verrate, ist 2. Mose 14,14: „Der Herr wird für euch kämpfen, ihr aber werdet stille sein.“ Das ist mein Lieblingsvers und der Leitvers meines Lebens. Ich lebe ihn nicht immer, aber ich bin froh, dass ich ihn gewählt habe, denn er erinnert mich an die Wahrheit.
Übrigens, nur nebenbei: Das, was der Prediger hier betont – wer immer das ist – ist immer seine Schwäche. Das ist auch gut so, weil er sich selbst dadurch immer daran erinnert.
Die Balance zwischen Eifer und Ruhe
Noch ein letztes Mal, dann bin ich fertig – zumindest für heute Abend. Im Hebräer 4,11 steht ein Vers, der mich zunächst wie ein Widerspruch erscheinen ließ. Dort wird über die Ruhe gesprochen, über das Eintreten in diese Ruhe, die Sabbatruhe und die Ruhe von den eigenen Werken.
Im Vers 11 heißt es: „Lasst uns nun eifrig sein, in diese Ruhe einzugehen.“ Da habe ich gedacht: Soll ich jetzt eifrig sein oder ruhig? Für mich klingt das wie ein Widerspruch – eifrig oder ruhig?
Dieser Vers hat mich zum Nachdenken gebracht, doch er ist hundertprozentig wahr. Wisst ihr, warum? Wisst ihr, was mir leicht fällt? So bin ich eben gestrickt. Es fällt mir total leicht, um sieben Uhr morgens oder um halb acht runterzufahren in den Dauernhof, um dort meine Präsenz zu zeigen. Das ist ähnlich wie Wiedernest, nur kleiner, aber von den Aufgaben her vergleichbar. Dort sind 25 Mitarbeiter, und dann zeigst du deine Gegenwart, hörst Leuten zu, löst Dinge, schreibst E-Mails, erledigst administrative Aufgaben, machst Telefonate, gehst zu Behörden und so weiter.
Das fällt mir eigentlich relativ leicht, dafür brauche ich keine Disziplin. Wisst ihr, wozu ich Disziplin brauche? Still zu sein, alleine mit Jesus zu gehen, die Ruhe in ihm zu finden und ihm das zu überlassen, was ich nicht kann. Dafür muss ich meinen ganzen Eifer aufwenden.
Beschäftigt zu sein, braucht keine Disziplin – das kann jeder. Ruhig zu werden vor Gott und von ihm diese Ruhe zu empfangen, dazu brauche ich meine allerhärteste Disziplin. Darum sagt der Vers: „Seid eifrig, in diese Ruhe einzugehen.“
Sogar an diesem Wochenende, das ein christliches Wochenende ist, muss man sich fragen: Was fällt dir leichter – in den Bücherladen zu gehen oder alleine mit Jesus spazieren zu gehen? Interessanterweise fällt es den meisten von uns schwer. Fast alle Prediger, Pfarrer und Christen reden von der Ruhe, sind aber ständig gehetzt, gestresst und ruhelos – so wie ich selbst oft.
Deshalb finde ich es ein hervorragendes Thema für diesen ersten Abend: sich dem Tempo Jesu anzupassen, zu ihm zu kommen. Ich möchte euch zu einer Sache ermutigen: Dieses Wochenende, ja, die Vorträge sind da, und es gibt durchaus gute Angebote. Aber geh einfach alleine mit Jesus spazieren, komm zu ihm, lern von ihm.
Denn wenn wir es hier an einem solchen Wochenende nicht schaffen, dann schaffen wir es zuhause nie in der Geschäftigkeit des Alltags. Aber es ist wichtig, dass wir das tun.
Schlussgebet und Bitte um Umkehr und Ruhe
Ich bete noch. Lieber Vater, ich danke dir für deine klaren Worte, dass in der Umkehr zu dir und in der Ruhe unsere Rettung liegt. Nicht im Stressen, Tun und Machen, sondern im Umkehren zu dir.
Herr, oft muss sich erst ein Schalter in unserem Gehirn umlegen. Wir hören es, predigen es selbst und glauben sogar fest daran – aber wir tun es nicht. Dann wundern wir uns, warum das Christsein so schwer ist, warum wir keine Ruhe erfahren und warum es nur Worte sind, keine gelebte Realität.
Ich bete, Vater, für dieses Wochenende, dass wir allen Eifer aufwenden, um in diese Ruhe einzugehen. Dass wir zu dir kommen, von dir lernen und dein Joch auf uns nehmen. Dabei sollen wir unser eigenes Joch ablegen, denn dein Joch ist sanft und deine Last ist leicht.
Vergib uns, Herr, wenn wir in unserem Stolz oder in unserer Ignoranz dein Joch missachten und unser eigenes Joch herumziehen und schleppen. Dann wundern wir uns, warum Beziehungen zerbrechen, warum wir selbst zerbrechen und warum wir so wenig mit dir erleben.
Wir nennen dich Herr, Herr, doch wir tun nicht, was du sagst. Wir kommen nicht zu dir. Herr, ich möchte das immer wieder neu lernen, denn du bist der Weg, die Wahrheit und das Leben. In dir ist die Fülle, und von dir will ich lernen. Amen.