
Herzlich willkommen zum Podcast der IFA Stuttgart. Unser Podcast möchte zum praktischen Christsein herausfordern und zum theologischen Denken anregen.
Heute geht es wieder einmal ganz besonders um das praktische Christsein. Mein Name ist Thomas Powileit, und ich begrüße heute Katharina, die diesen Podcast gemeinsam mit mir gestaltet.
Hallo Katharina, schön, dass du da bist.
Hallo Thomas, ich freue mich auch, hier zu sein.
Ja, als Christen reden wir immer wieder über Jesus – hoffentlich. Aber wenn man fragt: „Wie hast du eigentlich Gott in den letzten drei Wochen erlebt?“, dann wird es oft peinlich still.
Das Dramatische daran ist, dass es uns vielleicht gar nicht mehr auffällt, wie wenig wir mit Gott erleben. Es stört uns auch nicht groß.
Unser Podcast heute soll deshalb helfen, mehr darüber nachzudenken, wie wir Gott ganz praktisch in unserem Alltag erleben können.
Katharina, du arbeitest in Nicaragua. Vor einiger Zeit hast du in unserer Gemeinde davon berichtet, wie du und dein Team Gott tatsächlich erleben. Außerdem hast du einen Blog, in dem du diese Erlebnisse mit Gott festhältst.
Erzähl uns doch mal: Was ist das überhaupt für eine Arbeit, die du da machst?
Genau, ich wurde von hier, aus Deutschland, an eine einheimische Organisation ausgesandt, die mit Aussteigerinnen aus der Prostitution arbeitet. Das heißt, wir begleiten und unterstützen Frauen, die den Wunsch haben, dauerhaft wirklich frei von der Prostitution zu sein.
Und was hat dich dazu bewegt, gerade in so einer Arbeit tätig zu sein? Ich stelle mir das nicht einfach vor.
Ja, ich hatte es tatsächlich schon ganz lange auf dem Herzen, das, was ich selbst mit Jesus erlebt habe, an andere weiterzugeben. Ich glaube, mein Blick war immer schon auf Menschen gerichtet, die benachteiligt sind. Das war auch in Deutschland so. Wenn dann noch materielle Armut hinzukommt, hat mich das immer besonders angesprochen. Letztendlich hat mich das auch ins Ausland geführt.
Und wir sprechen ja darüber, wie man Gott erleben kann. Du hast in deinem Vortrag auch einiges davon erwähnt und gesagt, dass sich Menschen verändern – dass du das wirklich beobachtest.
Wie war das bei dir? Bist du sofort angekommen und hast gesehen, dass sich Frauen dort verändern?
Nein, ganz im Gegenteil. Am Anfang habe ich eigentlich gar keine Veränderung wahrgenommen. Oft habe ich mich gefragt, was wir hier eigentlich machen und warum ich den weiten Weg nach Nicaragua gereist bin, wenn doch keine Frau aussteigt.
Also, es war nicht von Anfang an so. Trotzdem haben wir einfach weitergemacht und darauf vertraut, dass sich Gottes Wort zur rechten Zeit erfüllt.
Vielleicht hilft es, wenn wir besser verstehen, warum die Frauen dort arbeiten. Was ist der Grund dafür, warum sie das tun?
Genau, die meisten Frauen beginnen tatsächlich mit der Prostitution, wenn sie Kinder zu Hause haben und die Kinder Hunger leiden.
In Nicaragua werden viele Frauen von ihren Männern verlassen. Die meisten Mütter sind dort die Hauptverdienerinnen. Das führt oft dazu, dass sie diesen Weg wählen.
Fast alle Frauen, die wir kennen, haben einen sehr schwierigen Hintergrund. Sie wurden meist in der Kindheit missbraucht, oft von Männern aus der eigenen Familie. Diese risikobehaftete Vergangenheit trägt zusätzlich dazu bei, dass sie diesen Weg einschlagen.
Du hast in deinem Vortrag auch gesagt, dass ihr daran arbeitet oder Frauen helft, wirklich aus der Prostitution auszusteigen. Du begegnest aber auch immer wieder Frauen, die einen Weg mit euch gegangen sind und dann wieder zurückgekehrt sind in die Prostitution.
Absolut, ja. Wie geht es dir denn damit? Ist das auch ein bisschen negativ für dich, wenn du denkst: „Mann, da waren wir schon so weit, und dann ist sie wieder zurückgegangen“?
Ja, es macht natürlich schon traurig. Andererseits sind wir aber auch nicht überrascht. Ich will jetzt nicht sagen, dass wir damit rechnen, aber wir wissen aus Erfahrung, dass etwa die Hälfte wieder rückfällig wird.
Und du kannst ihnen trotzdem gut begegnen?
Ja, total. Es ist eher so, dass die Frauen Schwierigkeiten haben, uns zu begegnen. Ihnen ist es meistens peinlich. Sie wollen sich verstecken, empfinden Scham und entschuldigen sich manchmal auch bei uns, weil wir ja in sie investiert haben.
Genau, aber da wollen wir echt auch zeigen, dass wir nach wie vor für sie da sind. Denn Jesus ist genauso nach wie vor für sie da und ein Gott der zweiten Chancen.
Und wir sprechen jetzt vor allem über Veränderung. Ich habe das an den Anfang gestellt, weil du eben davon gesprochen hast. Natürlich gibt es Frustration. Man steht immer wieder an dem Punkt, an dem man denkt: „Ach, komm, werfe ich es hin, gebe ich auf.“
Was lässt euch trotzdem weitermachen? Am Anfang war es tatsächlich einfach Gottes Wort. Seine Botschaft kommt nie leer zurück. Wir sollen nie aufhören, Gutes zu tun. Zur gegebenen Zeit werden wir ernten, was wir säen.
Also am Anfang war es einfach Gottes Wort, das uns weitermachen ließ.
Und dann, als es tatsächlich die ersten Veränderungen gab – so nach ungefähr einem Jahr – motivieren uns auch die Frauen selbst. Wenn wir sehen, dass Jesus gerade in ihrem Leben wirkt, dann stärkt das uns, weiterzumachen.
Woran erkennt man also, dass Jesus am Wirken ist? Ganz praktisch und pragmatisch an ihrem Lächeln. Wir kennen die Frauen ja noch von der Straße. Viele von ihnen können nicht lächeln, sie sind sehr verbittert und traurig. Doch plötzlich haben sie einen offenen Blick und können lächeln. Sie tragen ein dankbares Herz in sich.
Ich hätte eher Bitterkeit erwartet, doch stattdessen zeigen sie Dankbarkeit. Sie wollen vergeben – all den Menschen, die ihnen Leid angetan haben. Oft sind das Menschen aus der eigenen Familie, die sie über Jahre verletzt haben.
Auch die Beziehung zwischen Mutter und Kind verändert sich. Der Umgang miteinander wird besser, und das gilt auch für das Zusammenleben zu Hause. Die Frauen sind bereit, hart zu arbeiten, auch in einem anderen Bereich, in dem sie vielleicht weniger verdienen.
Natürlich erzählen sie dann auch anderen Frauen von Jesus. Das zeigt mir ebenfalls, dass Jesus an ihnen wirkt. Denn es ist eigentlich etwas völlig Unlogisches, dass man sich im geistlichen Bereich für andere interessiert.
Das erlebt ihr, also dass die Frauen sich wirklich verändern und dass man Gott so auch wirklich erleben kann. Gibt es irgendeinen bestimmten Auslöser, bei dem ihr sagen würdet: „Das war der Startpunkt, an dem Gott anfangen konnte, in ihrem Leben Veränderung zu schenken“?
Ja, absolut. Ich hätte nie gedacht, dass es so einen einen Punkt gibt. Aber das erzählen uns fast alle Frauen identisch. Sie sagen, dass sie an diesen Punkt kamen, an dem sie nicht mehr konnten. Sie sagen ganz offen: „Ich habe echt die Schnauze voll. Wenn es dich gibt, Gott, dann hilf mir jetzt hier raus. Dann werde ich mit dir mein Leben verändern.“
Genau, dieser Punkt muss kommen. Die Frauen, bei denen dieser Punkt nicht kommt und die einfach nur praktisch sagen: „Hilf mir mal schnell aus meinem Problem“, und Gott antwortet dann, sind innerhalb kurzer Zeit auch wieder zurück in der Prostitution.
Dieser ehrliche Schrei: „Gott, hilf mir jetzt, ich kann nicht mehr“ – dabei geht es nicht nur um die Lösung eines Problems. Vielmehr finden sie in Gott eine neue Zukunft und einen neuen Halt.
Ja, genau. Ich meine, es ist immer spannend. Du berichtest hier von sehr krassen Sachen, also Frauen, die in Prostitution und Ähnlichem unterwegs sind. Da wird es wahrscheinlich auch oft mit Alkohol und Drogen zugehen. Wenn Gott in das Leben eingreift und Leute verändert, dann ist das natürlich sehr dramatisch. Man kann das dann sehr deutlich sehen.
Aber wie kann uns das im Alltag helfen, wenn wir vielleicht noch nie Drogen genommen haben oder betrunken waren? Das ist ja auch gut so. Wie erlebe ich Gott in meinem Alltag? Kann ich etwas aus der Situation lernen, die du immer wieder erlebst?
Man erzählt natürlich gerne diese Drogengeschichten und wie Jesus herausrettet, weil daran kein Zweifel besteht, was Jesus tut. Trotzdem sind die Frauen ganz normale Menschen, die ihren Alltag haben. Dieser ist manchmal gar nicht so spektakulär wie vielleicht unserer, weil sie zum Beispiel nicht reisen und jeder Tag irgendwie gleich ist.
Da denke ich schon, dass wir von ihnen lernen können. Zum Beispiel stellen sie sich die Frage: Welche Entscheidungen treffe ich heute? Sie bitten Jesus: Herr, leite mich, damit ich gute Entscheidungen treffen kann. Oder: Welche Worte nehme ich in meinen Mund?
Wenn die Frauen zu uns kommen, haben sie häufig diesen Straßenschargon. Oft wissen sie noch gar nicht, wie man sich so ausdrückt, dass man nicht gleich mitten in einem Konflikt landet. Das heißt, sie bitten Jesus darum, dass er ihren Wortschatz verändert. Sie wissen manchmal noch gar nicht, wie man sich friedvoll ausdrückt.
Ich merke, dass sie dann merken, wie Jesus ihnen dabei hilft. Oder: Wie reagiere ich auf Stigmatisierung? Die Frauen sind stark stigmatisiert von der Gesellschaft. Sie gelten als der letzte Abschaum. Wenn sie aussteigen, sagen viele in ihrem Viertel: „Du wirst eh nie anders, du wirst dich eh nicht ändern, das ist nur eine Phase.“
Da müssen sie lernen: Wie reagiere ich jetzt darauf? Früher hätten sie sich wahrscheinlich verteidigt, sich aufgeregt und wären wieder in eine Diskussion geraten. Jetzt lernen sie Stück für Stück, anders darauf zu reagieren. Dabei merken sie, wie Jesus ihnen hilft.
Genau. Und wie ist es bei dir? Du siehst das Leben dieser Frauen. Erlebst du Gott in Nicaragua intensiver, als du es in Deutschland getan hast?
Einerseits motivieren mich die Zeugnisse der Frauen sehr. Ich stehe dann da und denke: Wow, was Jesus hier tut! Denn menschlich gesehen ist es tatsächlich unmöglich, so verletzte Menschenleben wieder geradezubiegen.
Andererseits habe ich in Deutschland manche Sicherheiten hinter mir gelassen und lebe nun in diesem Land. Ich habe hier nicht die vertrauten Familien- und Freundesbeziehungen, die ich in Deutschland hätte. Die Sicherheitslage ist auch etwas anders. Zum Arzt zu gehen ist nicht immer so einfach oder empfehlenswert.
Das heißt, einem wird bewusster, wie abhängig man eigentlich von Gott ist. Man flüchtet sich mehr ins Gebet, weil das oft die einzige Option ist. Dabei erlebt man Gottes Hilfe besonders intensiv. Ich erfahre seinen Schutz, seine Hilfe und seine Freude – und das reicht wirklich aus.
Wir haben wirklich Gebetserhörungen, von denen wir erzählen können.
Das heißt, du wünschst dir auch, hier mehr mit Gott zu erleben?
Ja, genau. Ich habe lange in Deutschland gelebt und werde es sicher irgendwann wieder tun. Ich weiß, wie man sich an den Sicherheiten hier erfreut und wie gut sie sind. Aber diese Sicherheiten dürfen uns nicht den Blick dafür nehmen, dass unsere eigentliche Hilfe von Jesus kommt. Denn das andere kann jederzeit wegbrechen und ist nicht stabil.
Mir kommt spontan der Gedanke an Petrus, der aus dem Boot steigt, Sicherheiten zurücklässt und dann erlebt, wie Gott es schenkt, dass das Wasser ihn trägt. Diese Erfahrung hätte er nie gemacht, wenn er nicht aus dem Boot gestiegen wäre.
Ich persönlich habe das besonders im Gesundheitsbereich erlebt. Nach jeder Arztdiagnose musste ich Gott fragen, wie ich damit umgehen soll und welche Entscheidungen ich bezüglich der Medikamenteneinnahme treffen soll oder nicht. Hier in Deutschland hätte ich einfach zu zehn Ärzten gehen können, und es wäre kein Problem gewesen.
Katharina, du hast ja auch einen Blog, in dem du beschreibst, wie du Gott erlebst und wie andere Gott erleben. Magst du uns am Schluss noch verraten, wie dein Blog heißt und wie man ihn findet?
Genau. Meinen Blog habe ich vor kurzem gestartet. Er heißt „Post an dich – Briefe für dich aus Nicaragua“. Dort schreibe ich einfach über praktische Erlebnisse, die ich mit Menschen habe, und darüber, wie Gott darin sichtbar wird.
Ihr findet den Blog unter www.nicaragua-blog.com. Normalerweise schreibt man „Nicaragua“ mit C. Weil ich aber Katharina heiße, ist die Adresse mit „Nicaragua“ mit K in der Mitte geschrieben. So findet ihr meinen Blog.
Okay, super. Wer den Blog weiterlesen möchte oder überhaupt lesen möchte, ist dazu herzlich eingeladen.
Das war der Podcast der Evangelischen Freikirche Evangelium für alle in Stuttgart. Ich hoffe, Katharina konnte euch mit der Sehnsucht anstecken, Gott ganz praktisch im Alltag zu erleben.
Wenn ihr Fragen habt, über die wir sprechen sollen, oder Anmerkungen zum Podcast, schreibt uns gerne unter podcast@efa-stuttgart.de.
Wir wünschen euch Gottes Segen und dass ihr ihn in eurem Alltag ganz praktisch erlebt.