Herkunft und frühes Leben der Prinzessin Sophie Dorothee
Meh! Unter dem Namen Maria Fedorowna wurde sie am 7. Oktober 1776 die Frau des russischen Thronfolgers und Großfürsten Paul.
Sophie Dorothee wurde am 23. Oktober 1759 in Stettin als Tochter des Herzogs Friedrich Eugen von Württemberg und Friederike Sophie Dorothea, einer gebürtigen Prinzessin von Brandenburg-Schwedt, geboren. In Pommern kam sie also zur Welt, aufgewachsen ist sie jedoch im württembergischen Mömpelgard.
Mit ihren elf Geschwistern genoss Prinzessin Sophie eine sorgfältige Erziehung, die ihr sicherlich auch bei der Erziehung ihrer eigenen zehn Kinder zugutekam.
Wie aus der württembergischen Prinzessin ein „Werkzeug Gottes“ in Russland wurde, davon erzählt Wolf Schäffbuch in einer weiteren Folge aus der Reihe „Blaues Blut von Gott geadelt“. Er nimmt uns mit hinein in die Weite des Russischen Reiches. Dabei machen wir unter anderem Station in der damaligen Hauptstadt Sankt Petersburg.
Ja, es war ein wirklicher Neuaufbruch geistlichen Lebens in Russland um 1820. Die Hauptgestalt dahinter war Maria Fedorowna, Zarenwitwe, aber eigentlich eine württembergische Prinzessin, die mit dem Zarenthronfolger Paul verheiratet worden war. Lange musste sie warten, bis dieser Paul dann Zar wurde. Paul war der Sohn der großen Katharina, der Zarin von Russland.
Gottes Wirken durch Menschen und die Bedeutung der Bibel
Es ist immer so: Wenn Gott etwas in Bewegung setzt, benutzt er einzelne Personen. Dabei spielt die Bibel eine zentrale Rolle. Die Bibel ist voller Urkraft. Wenn Gott einzelne Menschen einsetzt, gilt das auch heute noch. Menschen sollten verstehen, dass niemand – wie Martin Luther sagte – den Glauben daran verlieren darf, dass Gott auch durch sie Großes bewirken will.
Ich habe im Manuskript die Bezeichnung „Stuttgarter Königslilie“ für Sophie Dorothee von Württemberg entdeckt. Wie kam es dazu?
Das ist ein Missverständnis. Sophie Dorothee hatte nichts mit Stuttgart zu tun. Sie war eine württembergische Prinzessin, aufgewachsen in Pommern und später im württembergischen Mömpelgarten. Das war eine württembergische Exklave, die zugleich eine protestantische Enklave mitten im katholischen Frankreich bildete. Sie war eine Bastion des Evangelischen im katholischen Frankreich.
Geistliche Prägung und frühes Engagement
Aber auch der kleine Hof in Mömpelgard war geistlich geprägt. Jeden Morgen fand eine Morgenandacht statt, bei der die Bibel im Mittelpunkt stand. Vor allem war dieser kleine Hof in Mömpelgard in dauernder Verbindung mit dem Seelsorger Lafater aus Zürich. Pfarrer Lafater machte auch Besuche in Mömpelgard.
Bis heute wird dort eindrücklich erzählt, was schon eine Hofdame berichtet hat: Sophie Dorothee, die man liebevoll Dörte nannte, benutzte ihr Taschengeld, um Arme und Kranke zu beschenken.
Man könnte jetzt an das Königslied erinnert werden, das von den beiden Königskindern handelt, die nicht zusammenkommen konnten. Wie kamen diese beiden fürstlichen Kinder zusammen – der russische Thronfolger Paul und die behütete Prinzessin – aus dem Wirbel der Weltgeschichte?
Das ist eine lange Geschichte. Ich will die lange Geschichte kurz machen. Auch Friedrich der Große hat dabei mitgewirkt.
Die Heirat und die Rolle der Zarin Katharina die Große
Schon als sie zwölf Jahre alt war, war sie als Gattin des Thronnachfolgers in Russland vorgesehen. Doch damals sagte Katharina die Große, sie sei entschieden zu jung.
In der Zwischenzeit hatte der Thronfolger Paul von Russland eine andere Frau geheiratet, die jedoch nach kurzer Ehe verstorben war. Paul war nicht mehr willens, erneut zu heiraten. Er war unberechenbar, klein gewachsen, von gedrungener Statur und mit einem wuchtig quadratischen Schädel. Trotz seiner Entschlossenheit, nicht mehr zu heiraten, war die große Zarin Katharina die Große anderer Meinung.
Sie bestand darauf, dass Paul heiraten und einen Thronfolger gebären müsse. Sie traute ihrem eigenen Sohn nicht zu, dass er mit seiner Unberechenbarkeit das russische Reich regieren könne. Doch mindestens einen Sohn sollte er zeugen. Dafür brauchte es eine fürstliche Frau – eine liebenswerte, begabte, weiße Frau, die auch fähig war, den Thronfolger im Griff zu haben.
Die Wahl fiel auf die kleine württembergische Prinzessin Sophie Dorothea. Die große Katharina stimmte dem zu. Dennoch war Sophie zu jung oder schien zumindest zu jung zu sein.
Eindrücke der Zarin von Sophie Dorothee
Wie war es denn mit der Zarin – war sie sonst einigermaßen zufrieden mit der kleinen Sophie?
In einem Privatschreiben der großen Katharina finden wir die Auskunft: „Ich bin leidenschaftlich für diese bezaubernde Prinzessin eingenommen, leidenschaftlich im wahrsten Sinne des Wortes.“
Sie ist genau so, wie man sie sich wünscht. Schlank wie eine Nymphe, mit einer Gesichtsfarbe, die weiß ist wie eine Lilie und dem Inkarnat einer Rose. Sie ist von hohem Wuchs und hat dennoch eine erfreuliche Fülle. In ihrem Gang zeigt sie eine bemerkenswerte Leichtigkeit.
Aus ihrem Gesicht sprechen Milde, Herzensgüte und Aufrichtigkeit. Alle sind entzückt von ihr. Wer sie nicht liebt, ist selbst im Unrecht.
Man rühmt ihre Schönheit und ihre Manieren. Sie wird gewiss eine Macht über das Herz ihres Gemahls haben und von dieser Macht unstreitig einen guten Gebrauch machen.
Herausforderungen in der Ehe und die Rolle des Ehemanns
Das eigentliche Problem dieser Ehe lag nicht bei der Braut. Sie war sogar bereit, den Eintrittspreis für ihre zukünftige Rolle als Großfürstin und Zarin zu zahlen. Dazu gehörte, den russisch-orthodoxen Glauben anzunehmen – zumindest pro forma. Ein Begleiter schrieb, die Gesinnung komme dann noch, vermutlich.
Sie war bereit, auch einen orthodoxen Namen anzunehmen, nämlich Maria Fedorowna. Das eigentliche Problem war jedoch der Ehemann, der Sohn Katharinas der Großen: der preußische König Friedrich der Große orakelte.
Dieser hochmütige, stolze und oft aufbrausende Großfürst würde später Schwierigkeiten haben, sich auf dem Thron zu behaupten. Vielmehr befürchtete man, dass er eines Tages, wie einst sein Vater, gewaltsam ausgeschaltet werden würde.
Tatsächlich war der Vater von Katharina der Großen ausgeschaltet worden. Sie hatte erkannt, dass ihr damaliger Ehemann nicht fähig war, das Reich zu regieren. Deshalb hatte sie die Macht an sich gerissen und ihren Mann unschädlich gemacht.
Sie dachte, dass dies auch mit Paul möglich sei. Vielleicht würde dann die neue Fürstin selbst Zarin werden. Doch sie wollte die Herrschaft so lange wie möglich in eigener Hand behalten.
Die Ehejahre und familiäre Bindungen
Maria Fedorowna, gebürtig Sophie Dorothee, hat das Glück der ersten Ehejahre genossen. Ihr Ehemann Paul spürte, dass seine Mutter die Herrschaft so lange wie möglich in der Hand behalten wollte. Dieses Verhalten ähnelt dem, was wir heute im englischen Königshaus erleben. Daraus entwickelte Paul einen Hass auf seine eigene Mutter.
Sie war zweifellos seine Mutter, doch wer der Vater von Paul war, ist angesichts der vielen Liebschaften Katharina der Großen völlig unklar. In dieser Situation richtete Paul seinen Hass auf seine Mutter, wandte aber seine ganze Liebe seiner Frau Maria Fedorowna zu. Besonders als die beiden ersten Kinder geboren wurden – Alexander, der spätere Zar Alexander I., und Konstantin – war das für sie ein großes Glück.
Die beiden Knaben waren der Anfang einer großen Familie. Es folgten acht weitere Geschwister, insgesamt zehn Kinder aus einer scheinbar glücklichen Ehe. Unter diesen Kindern war später auch die württembergische Königin Katharina. Sie wurde Fürstin und wurde in Weimar neben den Gräbern von Goethe und Schiller beigesetzt. Ihr Name war Maria Pawlowsk.
Das Schloss Pawlowsk als familiäre Heimat
Für ihren Mann Paul und die Kinderschar schuf Maria Weterowna im neu erbauten Schloss Pawlowsk eine Heimat. Diese trug den Namen ihres Ehemanns und diente im Park von Pawlowsk sowie in den angrenzenden Modellgütern als Zuflucht und Rückzugsort für die Familie.
Klar entschlossen vertraute Maria Fedorowna ihre ältesten Söhne bald der frommen baltischen Baronin von Liefen zur Erziehung an. In Pawlowsk wurden täglich Hausandachten gehalten. Am Sonntag gab es sogar so etwas wie schwäbische Stunden, also Gemeinschaftsstunden, die oft von den Erzieherinnen und Hauslehrern geleitet wurden.
Noch heute findet man in der Bibliothek von Pawlowsk Andachtsbücher von Lafater und vor allem das geistliche Buch des neuen Lebens von Johann Arndt. Maria Fedorowna ließ im Park von Pawlowsk eine Statue aufstellen, die bis heute zu sehen ist. Es handelt sich um eine Jesusstatue, geschaffen von dem Bildhauer Dannecker.
Diese Statue trägt die Inschrift: „Durch mich zum Vater, mit mir kommt man zum Vater.“
Widerstand der Zarin Katharina gegen die Frömmigkeit
Das alles war der kühl berechnenden Katharina der Großen viel zu fromm, viel zu bigott, viel zu kleinkariert und viel zu mystisch. Sie wollte den kleinen Alexander trimmen, erziehen und dressieren, um ihn als Reserve zu haben, falls ihr eigener Sohn Paul sich als Versager auf dem Zaren-Thron erweisen sollte.
Alexander und sein Bruder sollten nicht zu Frömmlingen erzogen werden, sondern zu nüchternen Staatsleuten. Deshalb nahm sie die beiden Söhne von Maria Fedorowna weg und übergab sie in die Erziehung eines schweizerischen Hauslehrers, der nichts von Jesus und erst recht nichts von der Bibel wissen wollte.
So wurden Alexander und sein Bruder brutal herausgerissen aus dem Frieden von Pawlowsk und aus der fröhlichen Gemeinschaft mit ihren Geschwistern. Ebenso verloren sie den Zugang zu dem interessanten und fortschrittlichen Umfeld, das Maria Fedorowna in und um Pawlowsk als aktive Christin ins Leben gerufen hatte: eine Schule für Landkinder, Landwirtschaftsschulen, Mädchen- und Kinderheime, Hospitäler sowie den Besuch des Schwaben Max Eid mit seinen Dampfflügen, die Fortschritte in der Landwirtschaft bringen sollten.
Die beiden Söhne wurden in enger Gemeinschaft mit anderen ausgewählten Fürstenkindern erzogen. Unter ihnen war auch der spätere enge Freund Alexanders, Fürst Gallizin.
Schmerz und Trost im Glauben
Was muss das für ein Eingriff gewesen sein für die glückliche Mutter Maria Fedorowna, dass man ihr die beiden ältesten Söhne weggenommen hatte. Sie konnte das nur ertragen im Vertrauen auf Gott.
Aus der Ferne, aus der Schweiz, sprach der frühere Seelsorger Pfarrer Laffater ihr Trost zu. In einem der Briefe heißt es: „Summa summarum Christus oder Verzweiflung.“ Auch der Choral von Dir, o Vater, nimmt mein Herz – Glück, Unglück, Freuden oder Schmerz – stammt von Laffater und ist für Maria Fedorowna gedacht.
In diesem geistlichen Lied heißt es:
„Es ist alles dunkel um mich her,
Die Seele müht und Freuden leer,
bist du doch meine Zuversicht,
bist in der Nacht, o Gott mein Licht,
wenn niemand dich erquicken kann.
So schaue deinen Heiland an,
schütt aus dein Herz in seinen Schoß,
denn seine Huld und Macht ist groß.“
Es war so, dass der Glaube von Maria Fedorowna unter diesen Belastungen gereift ist.
Belastungen durch den Ehemann und seine Herrschaft
Zu den Belastungen gehörte auch, dass der immer verschrobener werdende Ehemann Paul zwanzig Jahre lang den Thronfolger spielen musste. Er spürte, dass die eigene Mutter ihn ins Abseits drängen wollte.
In dem geradezu hysterischen Hass auf seine Mutter Katharina suchte er Verständnis und Wärme bei seiner Frau Maria Fedorowna. Sie freute sich natürlich über diese Zuneigung, was nicht immer selbstverständlich war.
Paul gestattete sich eine ganze Reihe von Geliebten, darunter auch eine pocknarbige Hauptgeliebte. Maria Fedorowna merkte jedoch, dass ihr Mann unfähig sein würde, das große russische Reich zu regieren, wenn Katharina einmal sterben sollte.
Sie konnte nur beten: „Gott, führe mich recht.“
Der Regierungsantritt und das Ende Pauls
1796 war es endlich so weit: Katharina war verstorben und mit großem Pomp bestattet worden. Nun übernahm Paul den Zaren-Thron – ein Irrsinniger. Das Schicksal Russlands lag in den denkbar schlechtesten Händen.
Paul verlor keine Zeit, den Schrecken des Hofes, ja den Schrecken ganz Russlands, zu verbreiten. Schließlich wagte es eine kleine Offiziersgruppe, Zar Paul zur Abdankung zu zwingen.
Jetzt kommt das Eigenartige: Wahrscheinlich war sogar Maria Fedorowna in die Pläne eingeweiht und hatte zugestimmt, die Verantwortung für Russland zu übernehmen. Sie hatte natürlich nicht gedacht, dass ihr Mann ermordet werden würde.
Paul hatte sich zurückgezogen in das Ingenieursschloss, in den Michaelspalast, der heute noch zu sehen ist. Er ließ alle Zugänge, auch zu seinen Privatgemächern, vermauern. Er war in Todesangst um sein Leben und spürte, dass Menschen gegen ihn waren.
So geschah es in jener Winternacht, dass Alexander und die Mutter Maria Fedorowna aus dem Nebenzimmer Poltern, Schreien und Stöhnen hörten – den Ruf des sterbenden Zaren: „Erbarmt euch meiner, erbarmt euch!“
Sie konnten nicht helfen, weil die Tür zugemauert war. Am nächsten Morgen stellte sich heraus, dass der Zar ermordet worden war – erdrosselt.
Schuldgefühle und Trost in der Nachfolge
Politisch hatte Maria Fedorowna auch aus ihrer christlichen Verantwortung heraus Verantwortung, Scharfsinn und kluge Entschlusskraft bewiesen. Im wahrsten Sinne des Wortes klebte zwar kein Blut an ihren Händen, doch sie fühlte stets zusammen mit ihren Kindern eine tiefe Schuld.
Diese Schuld rührte daher, dass sie sich mitschuldig an der Ermordung ihres Mannes fühlte. Deshalb wollte sie in der Gestalt der Dannecker-Statue von Jesus Christus, die durch mich dargestellt wurde, Trost beim Vater finden.
Durch Jesus finden auch Sünder, also schuldig gewordene Menschen, Zugang zum Vater.
Maria Fedorowna als Werkzeug Gottes
Wie ist das in diesem Zusammenhang zu verstehen? Sie sagten eingangs des Gesprächs, zu Beginn dieses Porträts, Maria Feodorowna sei zu einem Werkzeug Gottes gemacht worden. Wie ist das zu verstehen?
Menschlich ist das wirklich schwer nachzuvollziehen. Geistlich jedoch wissen wir aus der Bibel, dass der große Christenverfolger und Christushasser Paulus, der Menschen auf dem Gewissen hatte und Blut an den Händen trug, von Jesus zum herausragenden Apostel gemacht wurde.
Dies zeigt, welches Wesen Gott hat und was er bewirken kann – auch an Schuldigen. Dazu ist Jesus in die Welt gekommen: Sünder zu retten.
Dasselbe ist auch bei Maria Feodorowna geschehen. Die geistlichen Samenkörner, die sie in Pawlowsk ausgestreut hatte, die Werte, die sie eingepflanzt hatte – insbesondere bei dem kleinen Jungen Alexander, nämlich eine Ehrfurcht vor der Bibel – brachten mehr Frucht, als man zunächst vermuten würde.
Geistliche Erweckung und die Bedeutung der Bibel in Russland
Was hätte die biblische Saat ersticken sollen? Sie brachte Frucht in einer eigentlich ausweglosen Zeit.
Napoleon hatte 1812 Russland überfallen, das darauf überhaupt nicht vorbereitet war. Er hatte einen Sieg nach dem anderen errungen. Der junge Zar Alexander I. betrat in verzweifelter Stimmung das Arbeitszimmer seines vertrauten Freundes und Mitarbeiters des Fürsten Galizin.
Vor einem Nebentisch lag ein aufgeschlagenes Buch. Alexander hatte schon lange keine Bibel mehr in der Hand gehabt. Er wusste gar nicht, dass es eine Bibel war. Er blätterte in diesem Buch, und dann fiel sein Auge auf die Worte: „Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben.“ Danach las er weiter: „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und im Schatten des Allmächtigen bleibt, spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht, meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe.“
Der Zar war deutlich betroffen. Er murmelte so etwas wie: „Damit kann man leben und damit kann man sterben.“ Dann ließ er sich mit der Troschke nach Hause fahren. Dort ließ er sich von seiner deutschstämmigen Frau Elisabeth aus Baden deren eigene Bibel geben und grub sich in den Trost der Bibel ein.
Von diesem Zeitpunkt an hatte Zar Alexander I. die Bibel auf seinem Arbeitstisch liegen. Es wird berichtet, dass nach wenigen Monaten diese Bibel zerlesen war, wie man es eigentlich nur von Schulbüchern kennt – abgegriffen und zerlesen.
Nur wenige Wochen und Monate nach diesem Ereignis unterzeichnete Zar Alexander ein Dekret. Dieser Erlass befahl die Gründung einer Bibelgesellschaft in Russland.
In dem Schriftstück heißt es: „Ihre kaiserliche Majestät hat sich aus eigener Erfahrung davon überzeugt, dass das Lesen der Heiligen Schrift nützlich ist für Menschen jeden Standes. Die Bibel kann dazu helfen, Fortschritte zu machen in Frömmigkeit und in guten Sitten.“ So weit dieser Erlass.
Ausbreitung der Erweckung im russischen Reich
Es war der Anfang einer kurzen, aber überaus intensiven geistlichen Erweckung. In Sankt Petersburg, aber auch weit darüber hinaus, wurden in nur zehn Jahren fast eine Million Bibeln gedruckt und verbreitet. Diese Bibeln waren nicht in unverständlichem Kirchenslawisch verfasst, sondern in 45 verschiedenen Sprachen, die damals in Russland gebräuchlich waren und gesprochen wurden.
Vor allem wurden Prediger und Verkündiger nach Petersburg geholt, wie Gosner und Lindl. Sie lösten dort das Evangelium biblisch aus und entfachten eine Erweckung sowohl unter Hoch- als auch unter Niederrangigen.
Die geistliche Saat, die biblische Saat, die einst Maria Fedorowna in Pawlowsk ausgestreut hatte – auch in das Herz ihres Sohnes Alexander –, hatte durch diese schwäbische Prinzessin, die russische Zarin, Frucht getragen.
Wirkung der Erweckung im Alltag und Gesellschaft
Wie hat sich das russische Reich, das sehr groß ist, von Sankt Petersburg aus weiter ausgebreitet? Auch das wäre einen eigenen Bericht wert. Hier soll nur kurz erwähnt werden: Besonders im Süden Russlands gab es plötzlich besondere Heilige.
Es fiel auf, dass sie nicht dem Alkohol verfielen. Sie waren tüchtig und verlässlich als Arbeiter. Man konnte sie getrost zu Vorarbeitern machen. Außerdem sorgten sie dafür, dass in ihrem Dorf niemand ungetröstet starb. So steht es in den Berichten, die die Gouverneure nach Petersburg schicken mussten.
Das alles fiel mitten in Russland auf, wo es zwar viel orthodoxe Frömmigkeit gab – viele Kerzen, viel Anbetung von Bildern, viel Weihrauchschwenken und viele Gesänge. Doch eigentlich gab es wenig Leben, das aus dem Geist Gottes heraus gestaltet war, wenig Leben, das vom Geist der Bibel geprägt war.
Die frommen Leute dieses neuen, in Russland ungewohnten Typs nannte man Stundisten. Sie hatten bei den schwäbischen Kolonisten, bei denen sie als Saisonarbeiter aushalfen, die „Stunde“ kennengelernt – das Gespräch über die Bibel. So hatten sie die Bibel kennen gelernt.
Nachdem die Petersburger Bibelanstalt Bibeln herausgab, gab es für Leute, die sie sich leisten konnten, die Möglichkeit, auch in russischen und ukrainischen Häusern die Bibel auszulegen und zu lesen. Wo immer später im großen russischen Reich Glaubensaufbrüche und Erweckungen entstanden, war es immer die Bibel, die sich als Kraftquelle erwies.
Fazit: Maria Fedorowna als gesegnetes Werkzeug Gottes
Aber alles begann mit der kleinen württembergischen Prinzessin, mit der schwer schuldig gewordenen Zarin, mit einer von Gott begnadeten Sünderin, Maria Fedorowna. Sie wurde von Jesus geadelt, als Sophie Dorothee, und von Jesus als Assistentin für die Erweckung in Russland gebraucht.
In der Reihe „Blaues Blut von Gott geadelt“ zeichnete Rolf Schäffbuch das Porträt der Prinzessin Sophie von Württemberg. Sie wurde unter dem Namen Maria Fedorowna zur Frau des russischen Thronfolgers und späteren Zaren Paul I.
Man darf wohl sagen, dass Gott diese liebenswerte deutsche Fürstin geadelt hat, um seine Segensträgerin zu sein – sozusagen als sein württembergisches Werkzeug in Russland.